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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Theremin und Co, Akustisches


richy
09.07.07, 23:13
Hi
Im Thread Besselfunktion sind wir ueber die Frequenzmodulation auf elektronische Musikinstrumente gestossen. Wuerde gerne hier weiter dazu schreiben, damit besagter Thread nicht zu OT wird.

wie z.B. den NE 612 (Doppel-Balance-Mischer) oder den MC 1496 (Produktdetektor)

Die beiden IC Typen muss ich mir mal genauer anschauen. An eine NF Verstaerker Einheit habe ich weniger gedacht. Man kann dazu ja die Stereoanlage verwenden. Um den Line Pegel zu regeln verwende ich ganz gerne diese Schaltung aus dem Hause Peveay :
http://home.arcor.de/richardon/richy2001/opa/opa.gif
Habe ich hier mal analysiert weil sie so prima funktioniert:
http://home.arcor.de/richardon/richy2001/opa/filter.gif

Dieses Subharchord scheint tatsaechlich ein Gegenstueck zum Trautonium zu sein.Allerdings mit Tastatur. Beiden gemeinsam ist die Erzeugung von Subharmonischen. Interessant ist hier vielleicht noch, dass bei einer Glocke einige Teiltoene vom Menschen hinzugedacht werden.
http://de.wikipedia.org/wiki/Glocke
Der Schlagton ist oft im Frequenzspektrum der Glocke nicht vorhanden. Er ergibt sich durch die akustischen Wahrnehmung beim Anschlagen der Glocke über das Residuumhören, indem aus den Obertönen der zugehörige Grundton abgeleitet wird.
Ein physioakustischer Effekt. Residuumhoeren. Diesen kann man auch beim Telephonieren beobachten. Auch dort wird die Grundfrequenz nicht uebertragen und vom Gehirn rekonstruiert.
http://de.wikipedia.org/wiki/Akustische_T%C3%A4uschung
http://de.wikipedia.org/wiki/Residualton
Eine Erklärung ist, dass das Gehör nicht nur das Frequenzspektrum, sondern auch die Periode des akustischen Zeitsignals auswertet.
Das ist uebrigends schlecht formuliert. "Das Gehoer ist in der Lage Huellenkurven auszuwerten" waere besser.

Und bei der Glocke spielt wiederum die Besselfunktion eine Rolle:
Charakteristisch für das Klangverhalten von Glocken ist, dass neben den harmonischen Obertönen auch weitere oberton-fremde Frequenzen auftreten. Dies rührt daher, dass im Unterschied zu einer (eindimensionalen) Saite oder Orgelpfeife sich stehende Wellen auf der zweidimensionalen Oberfläche bilden, die sich gegenseitig frequenzmodulieren.
Besagter DX7 FM Synthesizer konnte natuerlich auch prima Glockenklaenge erzeugen.
Ueber Ringmodulatoren oder schnelle LFO*s war das aber auch schon vorher moeglich.

Meines Wissens gibt es einen digitalen Nachbau des Trautoniums. Dieses auf einem Synthesizer zu programmieren waere auch kein Problem. Allerdings gibt es doch wenige Detailinformationen hierzu.
Auf besagtem Yamaha AN1X, der ausgiebig Sync und Frequenzmodulation uneterstuetzt gibt es schon recht Trautoniumartige Klaenge.
Viele Gruesse.
richy

zeitgenosse
10.07.07, 02:52
Servus Nachtschwärmer!

Das Glockengiessen muss wahrlich verstanden sein! Bronze scheint das dominante Legierungsmaterial zu sein. Die Dehnungs- und Biegemoden von Zylinderschalen sind vermutlich sehr ausschlaggebend, der Klöppelanschlag bestimmend. Auch atonale Klänge mit anharmonischen Obertönen, schnell abklingend, sind erkennbar. Die Tonhöhe infolge "psychoakustischer Effekte" stark subjektiv gefärbt. Und wie du bereits gesagt hast: Das Ohr erkennt den fehlenden Grundton und empfindet diesen als Anschlagnote.

Bereits im Altertum wurden Becken (Cymbeln) gefertigt. In der Neuzeit gab's in Konstantinopel einen "Zildjian" (Beckenschmid). Bekannt sind Tam-Tams (80% Kupfer, 20% Zinn). Eingesetzt von Mussorgski in "Eine Nacht auf dem Berge". In ländlichen Gegenden war die "Teufelsgeige" (Deiwelsgeije) beheimatet. Ein Holzbalken mit Becken, Schellenring und Tamburin, oft auch mit Schlagholz. In der Schweiz schwenken wir Kuhglocken und Treicheln.

Die Schallabstrahlung bei geschmiedeten und gewalzten Gußschalen (Becken) erfolgt durch Biegewellen. Weil es sich darunter um Wellen in dünnen Kreisplatten handelt, sind wir bereits wieder bei den Besselfunktionen (es gibt auch sog. hyperbolische) angelangt. Die Schwingungsmoden sind sehr interessant (Chladni-Gesetz). Erzeugt werden Harmonische und es kommt auch zur Bildung Subharmonischer.

Unglaublich die Vielfalt der Nuancen bei Crash-, Splash- und Ridebecken, wenn zusätzlich Löcher, Nieten oder Schellen eingebracht werden (von Zischeleffekten und fliessendem Grundrauschen bis Dschungelklang). Pingt man die Kuppe an, entsteht ein heller glockenartiger Ton, an den Rändern hingegen nimmt das Obertonspektrum zu (physikalisch im Wortsinn "Randbedingungen").

Auch bei diesen Klangkörpern haben wir nebst linearem ein chaotisches Verhalten. Hohe Amplitudenanregung in Nähe der Normalmodenfrequenz führt zur Bifurkation (Verdoppelung und Verdreifachung der Schwingungsperiode usw.). Bei einem Orchesterbecken im Zentrumsbereich bspw. fünffache Periodenerhöhung und unterschwelliger Klang durch 5. Subharmonische der Anregungsfrequenz.

Wiederum die altbekannte Gleichung: Musik = Mathematik.

Schön, wer beides einigermassen beherrscht (geniale Physiker wie Planck, Einstein und Feynman spielten ein Instrument). Selbst betrachte ich mich als leidlichen Durchschnitt. Klarinette spiele ich nur noch zur Entspannung, in Mathe war ich nie der Beste, in Physik einigermassen gut.

p.s.
Auch ganz schön anspruchsvoll sind Kesselpauken und Trommeln (Tom Tom, Conga, Bongo usw.). Hier bestimmt nebst der Form das Paukenfell den Klangcharakter. Du triffst rasch auf Besselfunktionen 1. Art. Löse einmal die Wellengleichung in Polarkoordinaten! Das bringt einen echt ins Schwitzen.

Gr. zg

zeitgenosse
10.07.07, 11:45
Wissenswertes zu Glockenklängen:

Der dominant empfundene Ton wird als Schlag- oder Nominalton bezeichnet. Es handelt sich quasi um einen Residualton, weil er keiner Eigenschwingung entspricht (was mit einer Stimmgabel belegt werden kann). Als elastischer Körper erzeugt die angeschlagene Glocke Biegeschwingungen. Mittels FEM lassen sich die Eigenschwingungen errechnen. Die Residuumtheorie wurde von J.F. Schouten entworfen, um diese Problematik zu erhellen. Sind genügend Obertöne vorhanden, vermag das menschliche Gehör den (fehlenden) Grundton zu erkennen.

Ferner erklingen Unteroktave, Prime, kleine Terz, Quinte und Oberoktave. Man unterscheidet zwischen Prinzipalton- und Mixturbereich. Auch Non- und Septimglocken gibt es. Massgebend für den Klang ist neben der Legierung die Glockenrippe (Formgebung des Glockenkörpers). Dünnwandige Glocken klingen tiefer als dickwandige. Die "gotische Glockenrippe" gilt als harmonisch besonders ausgewogen (Glockenhöhe ohne Krone = Schärfendurchmesser):

http://www.bleialf.de/Firmung2003/Technik/a_Glocke_2.jpg
Aufriss einer gotischen Glocke

Für den Zusammenklang mehrerer Glocken im Plenum ist die Disposition (Intervallfestlegung) entscheidend. Man kennt z.B. das "Te Deum Motiv" (C - Es - F) oder den Molldreiklang mit Quarte (C - Es - F - G). Es gibt viele Kombinationen.

Der Glockenguss ist reine Handarbeit. Als "Glockenspeise" dient wie gesagt meist Zinnbronze (78 % Kupfer, 22 % Zinn). Selbst würde ich auch gerne einmal eine Glocke herstellen. Als beste Glocke weltweit gilt die "Maria Gloriosa" (15. Jh.). Kirchenglocken haben einen Namen. Die Thematik ist sehr umfangreich. Man könnte dies gleich mit dem Angenehmen verbinden und einmal eine Reise zu den bekanntesten Glocken Europas unternehmen. Das Verklingen der "Pretiosa" im Kölner Domgeläute bespw. soll ein akustischer Genuss und Balsam für die Seele sein.

Gr. zg

Jogi
10.07.07, 13:23
Hallo ihr Künstler!

Ich lese hier fasziniert mit, obwohl oder vielleicht grade weil ich kein Musiker bin.

Als beste Glocke weltweit gilt die "Maria Gloriosa" (15. Jh.).
Ich frage mich, ob die Glockengiesser oder auch die Instrumentenbauer dieser Zeit schon die Mathematik als solche anwendeten, oder ob sie sich nur auf Erfahrung und Intuition verließen.


Gruß Jogi

zeitgenosse
10.07.07, 15:09
Ich frage mich, ob die Glockengiesser oder auch die Instrumentenbauer dieser Zeit schon die Mathematik als solche anwendeten, oder ob sie sich nur auf Erfahrung und Intuition verließen.

Vermutlich wurden die Glocken zunächst nach vorwiegend empirischen Kriterien gegossen. Dabei spielte das Gehör eine entscheidende Rolle. Das Fachwissen wurde meist mündlich an die Adepten weitergegeben. Die höhere Mathematik kam m.E. erst spät ins Spiel, als es um die "Physik der Glocke" ging. Der dazu unerlässliche Differentialkalkül wurde ja erst im 17. Jh. entwickelt, so dass zuvor nur eine elementare Mathematik zur Verfügung stand (wie übrigens auch im Kirchenbau). Bezüglich technischer Aspekte kommt man auch heute noch mittels Sekund a r schulmathematik (Kusch 1 - 2) recht weit.

Ungeachtet dessen erstaunen uns die handwerklichen Fähigkeiten der alten Meister immer wieder aufs Neue. Besondere Fertigkeiten im Glockengießen besassen im frühen Mittelalter die Benediktinermönche.

Glocken wurden bereits im alten China hergestellt. Durch Wandermönche kamen die Glocken im 2. Jh. auch nach Europa.

Der Entwicklungsprozess der Kirchenglocke erstreckte sich über mehrere Jahrhunderte. Die abendländischen Glocken aus dem 9. Jh. hatten eine bienenkorbähnliche Form und klangen eher dumpf und manchmal sogar beängstigend. Mitte des 12. Jh. zeichnete sich ein Wechsel zur zuckerhutförmigen Glocke mit schmaler Flanke und ausladendem Wolm ab, welche einen froheren Klang besass. Zu Beginn des 13. Jh. entstand dann nach und nach die gotische Rippe. Diese - insbesondere die gotische Dreiklangrippe aus dem 14. Jh. - dient den Glockengiessern noch heute als Vorbild.

Ein wichtiges Kriterium neben dem obertonreichen Klangbild ist auch die Nachhalldauer. Um den Glockentyp richtig einzuordnen ist aber das Intervall entscheidend, das der Schlagton (Nominal) zum tiefsten Ton (Unterton) bildet.

Das Läuten selbst wird bei den schwingend aufgehängten Glocken verschiedenartig bewirkt (schwingendes Läuten, Überkopfläuten und Wechselläuten). Bei den fest montierten Glocken bedient man sich eines Hammerschlages oder eines inwendigen Klöppels.

Gr. zg

MCD
10.07.07, 19:44
Das Verklingen der "Pretiosa" im Kölner Domgeläute bespw. soll ein akustischer Genuss und Balsam für die Seele sein.


Kann ich absolut bestätigen! Bei einer Tasse Glühwein kam ich im letzten Dezember auf dem Dom-Weihnachtsmarkt in den Genuss, den "Dicken Pitter" (so der Kölsche Volksmund) mal wieder zu hören -die tiefen Schwingungen gehen in der Tat durch Mark und Bein und bewirken ein angenehm wohliges Gefühl (auch ohne Glühwein;))

Gr.
MCD

richy
10.07.07, 20:58
Hi
@Zeitgenosse
Vielen Dank fuer deine Informationen. Ach und endlich weiss ich was Zlidjian heisst :-) Ist naemlich auch eine Beckenfirma. (Spiele bischen Drums)
Ausgesprochen wird das Slischen. Vinnie Coljauta, der Drummer von Zappa spielt Slischen Becken.

Man vergisst wohl auch immer wieder, dass das menschliche Know How auf der Weitergabe und damit dem Vermehren von Wissen und Information basiert.
Diese Glockenbaukunst ist ein schoenes Beispiel dafuer. Wieviele Gerationen moegen daran gearbeitet haben den optimalen Klang zu finden.
Der Vorteil der Mathematik ist eben, dass es in manchen Faellen schneller geht.
Auch in der Architektur, Statik ist es immer wieder erstaunlich welche Leistungen hier erbracht wurden. Ok ausgenommen der schiefe Turm von Pisa :-) Aber gerade der Koelner Dom.
Vielleicht ueberschaetzen wir heutzutage sogar teilweise unsere Leistungen.
Viele Gruesse

richy
12.07.07, 02:16
Hi
Zu spaeter Stunde wieder etwas verblueffendes. Oder besser eine Anwendung.
Auf der Suche nach einem batteriebetriebenen Keyboardverstaerker habe ich mir zwei Mini Aktivmonitore zugelegt. In den passiven eine 12 V Akku eingebaut Angeblich 2*10 Watt RMS. Aber fuer Musikerverhaeltnisse kommt zu wenig aus den kleinen Kisten. In den Mitten reicht die Lautstaerke. Aber wenn ich tiefe Bassnoten am Keyboard greife gerate ich an die Clippinggrenze. Auch die Lautsprecher in dem kleinen Chassis sind dann ueberlastet. Stimme ich den Bass eine Oktave hoeher ueberlaste ich das System nicht. Aber es fehlt dann dem Klang an Waerme.

Wer weiss die Loesung ?

Residualhoehren !

Auch hier zur Diskussion gestellt.
http://www.visaton.de/vb/printthread.php?threadid=15223
Die meisten dort haben aber anscheinend nicht verstanden, dass man hierzu das
Signal geschickt waehlen muss. Wie der Klirrfaktor des Lautsprechers eine Quinte erzeugen soll ist mir auch bischen ein Raetsel. Im Forum wird sogar Quantenmechanik erwaehnt.

Mit einem Synthesizer Bass ist das aber natuerlich kein Problem.
Ich habe einfach im Bassprogramm zum Bassample mal einen Sinus eine Quinte
darueber hinzugemischt und ....
Der Bass klingt eine Oktave tiefer ! Eben wie es die Orgelbauer schon lange kennen. Dass das so gut funktioniert haette ich nie gedacht !

Im Forum wird vermutet, dass der Raum den Residualton erzeugt, Stimmt nicht. Habs gerade im Kopfhoerer ausprobiert. Es ist ganz einfach die Schwebung, die man als Ton interpretiert und bei der Quinte einen Subbass erzeugt. Muss ich auch noch mal ausrechnen.
Tja und was hindert mich jetzt daran einen Song mit 5 HZ oder 10 Hz Basedrum mal zusammenzubasteln ? Muss ja keine Quinte sein :-)

Und das Lautsprechersystem wird nicht ueberlastet, da der tiefe Ton im Ohr besser Gehirn erzeugt wird und nicht vom Verstaerker oder Lautsprecher.
Obwohl die Oktave nur eingebildet ist, liefert das Ergebnis eben genau das warme Bassfundament das mir fehlte, aber ohne das System zu ueberlasten.

Muss von dem Effekt mal ein Demo hier reinstellen.
Immer wieder schoen, wenn man etwas praktisch anwenden kann.
ciao

zeitgenosse
15.07.07, 02:35
Zitat von richy
Im Forum wird vermutet, dass der Raum den Residualton erzeugt, Stimmt nicht. Habs gerade im Kopfhoerer ausprobiert. Es ist ganz einfach die Schwebung, die man als Ton interpretiert und bei der Quinte einen Subbass erzeugt.

Zum "Residualtonhören" (The missing fundamental):

Die Theoriebildung dazu ist nicht einfach. Unter vielen hat sich Shouten darum verdient gemacht, indem er den Terminus "Residuum" bemühte. Offensichtlich wird der Residualton im Gehirn oder zumindest im Innenohr erzeugt. Physikalisch, d.h. messtechnisch, ist er ausserhalb nicht nachzuweisen. Möglich wäre die Residualtonbildung bereits in der Cochlea. Gemäss heutiger Erkenntnis werden die Residualtöne an bestimmten Stellen der Obertöne in einem festgelegten Band der Basilarmembran gebildet. Bereits Schouten konnte nachweisen, dass sich die Residualtöne von den durch Nichtlinearität erzeugten Herlmhotz'schen Kombinationstönen unterscheiden und durch Interferenz nicht ausgelöscht werden (was auf einen genuin nervösen Ursprung hinweist). Doch sind längst nicht alle Fragen dazu bereits geklärt. Die Orts- und Zeittheorie verlagert sich zunehmends in Richtung Gehirn.

Die Entwicklungsgeschichte der (Psycho)-Akustik - eng verwoben mit der Musiktheorie - ist sehr komplex und verlaüft über:

- Pythagoras (Monochord)
- Galilei (Tonhöhe)
- Kepler (Weltharmonik)
- Mersenne (Dimension des Tones)
- Euler (Klangfarben, log. Intervallrangordnungen)
- Ohm vs. Seebeck (Ton und Klang; Ohmsches Gesetz der Akustik)
- Chladni (experimentelle Akustik)
- Helmholtz (Klangfarbentheorie; Resonanztheorie; Helmholtzresonator)
- Rayleigh (Theory of Sound)
- Lipps (Mikrorhythmentheorie)
- Schönberg (Klangräume)
- Fletcher (The Physics of Musical Instruments)
- Köhler (Gestalt Psychology)

sowie etliche weitere namhafte Personen, die hier nicht einzeln genannt werden können.

Ein paar Links verdeutlichen diesen Sachverhalt:

http://www.uni-koeln.de/phil-fak/muw...e/133hesse.pdf (http://www.uni-koeln.de/phil-fak/muwi/fricke/133hesse.pdf)
http://www.informatik.uni-ulm.de/ni/...TonhoehenI.pdf (http://www.informatik.uni-ulm.de/ni/Lehre/SS04/HSSH/pdfs/TonhoehenI.pdf)
http://www.kuhblume.de/Magisterarbeit.pdf

Komplex ist auch der menschliche Gehörapparat. Das Trommelfell ist sozusagen ein Druckwellensensor. Wer ein perforiertes Trommelfell besitzt wie ich, weiss leidlich darum Bescheid. Beim gesunden Organ werden bereits Durchbiegungen von nur 0.01 Micrometer (!) registriert.

Das Mittelohr wirkt als Schallverstärker, um die Dämpfung in der mit Flüssigkeit gefüllten Gehörschnecke zu kompensieren. Wunderbar der Anblick der Gehörknöchelchen. Die Fussplatte des Steigbügels ist perfekt in das ovale Fenster eingepasst. Jeder Feinmechaniker könnte davon noch hinzulernen.

Das Innenohr funktioniert als organischer Frequenzanalysator. Unterschiede von 3 Hz werden bereits wahrgenommen. Der Tonumfang reicht beim gesunden und jungen Gehör von C2 bis e7. Unglaublich raffiniert ist das Zusammenwirken von Basilarmembran und Cortischem Organ (dem Sinnesepithel der Gehörschnecke). Ein gutes Ohr kann zwischen "hoch" und "tief" ca. 1600 verschiedene Frequenzen und zwischen "laut" und "leise" an die 350 Tonstärkenunterschiede empfinden (dies ergibt einen Dynamikumfang von 135 dB).

Zudem befindet sich im Innenohr auch das Gleichgewichtsorgan für den Drehsinn mit seinen drei Bogengängen. Auch der physikalische Ortsraum ist dreidimensional.

Selbst habe ich wiederum den Eindruck, dass die Klang- und Harmoniewahrnehmung nicht allein physikalischer Art ist, sondern dass dem menschlichen Geiste Empfindungen eigen sind, deren Urbilder sich nicht in einem stofflichen Behälter wie dem Gehirn befinden.

H. Riemann (1916) vermerkt dazu:

...daß das Musikhören nicht nur ein passives Erleiden von Schallwirkungen im Hörorgan, sondern vielmehr eine hochgradig entwickelte Betätigung von logischen Funktionen des menschlichen Geistes ist...

Das Gehirn verstehe ich unter diesem Aspekt als einen vom Ilkor-Niveau abhängigen Receiver. Damit käme ich unweigerlich zur Heim-Dröscher-Theorie eines immateriellen Welthintergrundes zu sprechen, was aber nicht Thema dieses Fadens ist.

Gr. zg

richy
16.07.07, 23:46
Hi Zeitgenosse
Ich koennte mir vorstellen, dass es verschiedene Arten des Residualhoerens gibt.
Einmal eine Rekonstruktion des Grundtones anhand der Obertoene.
Sowie das Hoeren von Schwebungen. Der Effekt den die Orgelbauer verwenden ist sicherlich letzteres. So ist die Schwebungsfrequenz bei Grundton + Quinte
f0*(2^(7/12)-1)=0.498307077*f0 etwa f0/2
Das ist der Trick ! Muss unbedingt ein Demo davon hier mal reinstellen, denn es ist total verblueffend, dass man diese Schwebung tatsaechlich als Grundton wahrnimmt.
Und klar was mir jetzt auch so vorschwebt. Ein Song in ausgiebiger Residualtontechnik.
Vielleicht auch noch mit anderen physioakustischen Effekten.
Der Lautsprecher nur als Anregungsfunktion. Der Song selbst entsteht in grossen Teilen nur im Kopf. Z.B. auch mit Schwebungsmelodien.
Hast du vielleicht noch paar Ideen hierzu ?

Allerdings ist die tonale Wahrnehmung des Rsidualtones etwas rauh. Nicht ganz so warm wie ein echter Grundton gleicher Frequenz. Eine Konsequenz hieraus noch:
Tonaufnahmen von Kirchenorgeln sollten im Bassbereich die physikalische Leistungsgrenze der Wiedergabeanlage sprengen. Bin mir aber sicher, dass dieser Effekt auch ausgiebig im Tecno Bereich verwendet wird.

Selbst habe ich wiederum den Eindruck, dass die Klang- und Harmoniewahrnehmung nicht allein physikalischer Art ist, sondern dass dem menschlichen Geiste Empfindungen eigen sind, deren Urbilder sich nicht in einem stofflichen Behälter wie dem Gehirn befinden.

Zu der Einsicht komme ich eigentlich auch immer mehr.
Interessant ist auch, dass einige akustische Details messtechnisch gar nicht wahrnehmbar sind.
Das Gehoer ist zwar eine Meisterleistung der Feinmechanik, aber letztendlich das Ergebnis doch nur ein undifferenziertes Gewackel. Der eigentliche Hoehrvorgang findet im Gehirn statt. Ein prima Beispiel ist hier auch das Richtungshoeren. Auch die Rekonstruktion von Phaseninformation.

Dazu habe ich auch mal einige Berechnungen angestellt.
In einem Musikerforum. Dabei ging es um die Streitfrage, ob der Klang einer elektromechanischen Hammond lebendiger ist, weil die Phasenlage der Generatoren nicht starr ist. Das ist eine beliebte jedoch falsche Annahme. Die Phasenlage ist nicht starr, weil die Zahnraeder nicht fest auf einer Achse montiert sind, sondern ueber Federn beweglich gelagert. Der Sinn hierbei ist aber die Impulse des Synchronmotors und andere Stoerungen zu glaetten. Die vielfaeltigen Ingenieurs Loesungen der Hammondorgel sind tatsaechlcih erstaunlich.

Berechnen des Sprektrums fuer verschiedene Phasen.

A) Einfachstes Beispiel. Gleiche Frequenz:
sin(t)+sin(t)=2*sin(t)
sin(t)+sin(t+Pi)=0

Bei der Ueberlagerung zweier harmonischer Schwingungen GLEICHER Frequenz, koennen wir deren Phaseninformation also ueber die Amplitude auswerten.

Letztendlich hoeren wir das Spektrum einer Funktion.
Das waere der Betrag der Fouriertransformierten. Den habe ich (mit Maple) gestern mal "kurz" fuer sin(t)+sin(t+p) ermittelt und erhalte:

(Dirac(w-k)=Diracimpuls,Spektrallinie bei der Frequenz k)

Betrag(F(sin(t)+sin(t+p))=
2^(1/2)*Pi*((Dirac(w-1)^2+Dirac(w+1)^2)*(1+cos(p)))^(1/2)

1+cos(p) waere also der Amplitudenverlauf.
Eine Sinusfunktion mit Phasenwinkel(p), die in der Amplitude von 2 (p=0) bis 0 (p=Pi) variiert. So wie es die Gleichungen A auch bestaetigen.

Wie sieht es aber aus wenn die harmonischen Funktionen unterschiedliche Phase und Frequenz aufweisen ?
Das Spektrum von sin(t)+sin(k*t+p) ergibt:
k<>0,1.
Betrag(F(sin(t)+sin(k*t+p))=
Pi*(Dirac(w-k)^2+Dirac(w+k)^2+Dirac(w-1)^2+Dirac(w+1)^2)^(1/2)
2 KONSTANTE Spektrallinien positiver Frequenz
(2 konstante Spektrallinien negativer Frequenz)

Fuer unterschiedliche Frequenzen hat die Phase keinen Einfluss auf das Spektrum ! Die Phase p moduliert das Spektrum nicht ! Irgendwie ist das auch einsichtig. Das Produkt zweier Spektrallinien ergibt nur bei gleicher Frequenz einen Wert. Damit koennen wir Phasen in Form einer Auswirkung auf die Amplitude in dem Fall auch nicht hoeren.
Das muessten dann schon komplexere Mechanismen im Ohr sein.
Einschub
Ein Filterkammeffekt wird also auch nur durch Ueberlagerung harmonische Wellen GLEICHER Frequenz hoerbar.Im Frequenzbereich resultiert dieser aus der Multipilkation mit exp(I*p). Bei einem Phasereffekt koeren wir nicht direkt die Phasen, sondern den Filterkammeffekt, den unser Gehirn in der Form auswertet: Aha das "klingt" nach Phasenschiebung.

Eine Hammond enthaelt keine Wheels gleicher Frequenz und damit scheint mir dieser Phaseneffekt zweifelhaft. Im Spektrum wuerde man nichts sehen ! Selbst wenn die Phase zeitabhaengig waere !
Er wuerde sich nur auf Obertoene der Wheels auswirken, nicht auf die Grundfrequenzen. Z.B dass der 1.te Oberton eines Wheels mit dem Grundton eines Wheels doppelter Frequenz interferiert.
Oder der 2 te Oberton mit dem 1.ten Oberton doppelter Frequenz u.s.w.

Zusammenfasung :
Zwei Sinusfunktionen gleicher Frequenz.
Bei einer variiere ich die Phase: Das ist hoerbar.
Zwei Sinusfunktionen unterschiedlicher Frequenz.
Bei einer variiere ich die Phase: Das ist nicht hoerbar !
Pi*(Dirac(w-k)^2+Dirac(w+k)^2+Dirac(w-1)^2+Dirac(w+1)^2)^(1/2)

Im Spektrum tritt keine Information aus der Phase p auf !
Der zitierte Wikipediaeintrag ist damit ziemlicher Unfug.

Interessant ist auch, dass Hammond ueber die Zahnradform die Nichtlinearitaet des Wandlerprinzips kompensiert hat. (Zielfunktion war ein reiner Sinus)

Unser Richtungshoeren, Phasenerkennung ist eine Art hochkomplexer Mustererkennungsprozess. Wobei man den nichteinmal erlernt, sondern wohl genetisch schon weitergegeben wird.
Das sprengt eigentlich schon fast jede Vorstellung.

Mein Minimonitor Projekt hatte uebrigends nen kurzzeitigen Rueckschlag.
Der Aktivboxverstaerker arbeitet mit 20 Volt und ich hab nur ne 12 V Akku eingebaut. Aber oh Wunder, der integrierte Leistungschip gibt zwischen 9 V und 20 V die selben Toene von sich.
Tja, gepriesen sei die integrierte Schaltungstechnik :-).
Frag mich wie die das realisieren, dass die Ausgangsleistung nahezu unabhaengig von der Betriebsspannung in dem Bereich ist.

Viele Gruesse

zeitgenosse
17.07.07, 22:20
Ich koennte mir vorstellen, dass es verschiedene Arten des Residualhoerens gibt. Einmal eine Rekonstruktion des Grundtones anhand der Obertoene. Sowie das Hoeren von Schwebungen.

Ich will mich nicht direkt festlegen, weil die Thematik alles andere als trivial ist; deshalb ein kurzer Abriss über den fehlenden Grundton (Missing fundamental) - so wie ich es bisher erkennen konnte:

Es sollte zunächst darauf hingewiesen werden, dass sich der Residualton von einem Differenzton unterscheidet; denn eigentlich handelt es sich beim ersteren um einen Quotiententon, dessen Tonhöhe sich in der Regel aus dem g.g.T. der an der Wahrnehmung beteiligten Obertöne ergibt. Darüber existieren verschiedene Vorstellungen wie das "Periodicity Pitch Modell", das "Pattern Recognition Modell" oder das "Korrelationsmodell".

Wie gesagt hat J.F. Schouten den Begriff des Residuums in die Theorie eingeführt, worunter er einen "virtuellen Ton" verstand, der dann wahrgenommen wird, wenn ein Obertonspektrum ohne Grundton vorliegt. Im Unterschied zu seinen Vorgängern arbeitete er mit einer optischen Sirene.

Bekannt ist in der Tat, dass ein c und die Quinte dazu den Eindruck erzeugt, es erklinge auch ein C. - Lieber Leser, probiere es aus auf dem Klavier! - Untersuchungen von Houtsma (1979) haben gezeigt, dass ein Residualton bereits wahrgenommen werden kann, wenn er aus nur zwei Teiltönen hervorgeht. Ob es sich bei den Stimuli um ein harmonisches oder ein nichtharmonisches Intervall handelt ist von sekundärer Bedeutung.

Bereits Seebeck hatte im Zuge seiner Lochsirenenexperimente folgende Schlussfolgerung gezogen:

"Das Ohr empfindet den Eindruck einer periodischen Bewegung als Ton; alle Glieder, welche an dieser Periode Theil nehmen, können [...] zur Stärke des Tons beitragen."

Ohm, der das Fouriertheorem auf die Akustik übertrug, hatte bereits früher Kritik an Seebeck's These der Tonbildung durch Periodizität einer Pulsfolge geübt, indem er festhielt, dass bei einer sinusförmigen Schwingung immer diejenige Tonhöhe als Grundtonhöhe wahrgenommen wird, die der Frequenz der Schwingung entspricht. Seebeck wiederum hielt fest, dass die Anwesenheit einer Sinusschwingung bestimmter Frequenz nicht grundlegend zum Hören einer Tonhöhe dieser Frequenz sei. Ohm ging jedoch davon aus, dass dieses Phänomen der "akustischen Illusion des Ohres" zuzuschreiben sei. Seebeck zeigte sich immerhin versöhnlich, indem er erklärte, dass die unterschiedliche Klangfarbe von Tönen gleicher Frequenz nur durch die Zerlegbarkeit der periodischen Schwingung in ihre Sinuskomponenten zu verstehen sei.

Mit seinen Schlussfolgerungen hatte Seebeck das Residuum bereits ohne zu wollen vorweggenommen. Auch Hermann (1890) kam zum Schluss, dass im Frequenzspektrum gesungener Vokale der Grundton oft nur sehr schwach vertreten ist, ungeachtete dessen aber immer wahrgenommen wurde. Aus seinen eigenen Experimenten - in Anlehnung an König's Unterbrechungstöne - schloss er, dass das das Ohr dazu fähig ist, periodische Schwankungen der Amplitude als Ton wahrzunehmen. Weitere Untersuchungen in diese Richtung stammten von Pipping, welcher feststellte, dass eine Gruppe von Harmonischen bereits ausreichte, um eine bestimmte Tonhöhe zu generieren. Er führte dieses Phänomen darauf zurück, dass der fehlende Grundton durch die nichtlineare Verarbeitung im Hörorgan wiederhergestellt wurde.

Fletscher (1924) vermochte auf elektronischem Wege nachzuweisen, dass eine beliebige aus dem "komplexen Ton" herausgenommene Reihe dreier aufeinander folgende Obertöne ausreichte, um eine deutliche Grundfrequenz hörbar zu machen. Auch er begründete diesen Sachverhalt mit der Hypothese, dass der fehlende Grundton durch das nichtlineare Übertragungsverhalten des Ohres bestimmt wird.

Widerlegt wurde die Resonanztheorie von Helmholtz durch Békésy (Nobelpreis für Medizin, 1961). Zwar muss auch dessen Wanderwellentheorie aus moderner Sicht als ungenügend angesehen werden. Sie wurde durch eine zelluläre Verstärkertheorie (Cochlear-Amplifier) abgelöst.

In neueren Studien kommt Plomb zum Schluss, dass die eindeutig wahrnehmbare Tonhöhe eines komplexen Tones nicht von der Anwesenheit des Grundtones abhängt, sondern dass dem Gehör vielmehr durch die Periodizität eines Signals die primäre Voraussetzung zur Wahrnehmung des Grundtones gegeben ist.

Gegenüber diesen Vorstellungen gehen die Verfechter des "Pattern Recognition Modells" davon aus, dass es sich beim Residualton in erster Linie nicht um eine aus der Gesamtperiode einer Schwingung abgeleitete Wahrnehmung handelt, sondern um das Produkt eines angelernten Mustererkennungsprozesse. Allerdings versagt dieses Modell zunächst bei der quantitativen Betrachtung der simultanen Repräsentation zweier Residualtöne. Bei der Kombination zweier Residualtöne entsteht nämlich immer ein dritter Residualton, der sich aus der Gesamtperiode der Ausgangstöne ergibt. Liegt dieser resultierende Residualton nicht tiefer als die anderen zwei Residualtöne, wird er immer sehr deutlich wahrgenommen.

Offensichtlich ist das "Periodicity pitch Modell" - welches die wahrgenommenen Tonhöhen aufgrund der Periodizität des aus den Obertonreihen resultierenden Signals ableitet - auf den ersten Blick realitätsnaher aufgebaut.

Jüngste Untersuchungen im Rahmen des "Korrelationsmodells" befassen sich mit der neuronalen Weiterverarbeitung des vom Hörnerv stammenden Erregungspotentials. Nach Langer (1997) reagieren Neuronen im 'Colliculus inferior' häufig auf Signale, die in harmonischer Beziehung zueinander stehen.

Dazu siehe:
http://de.wikipedia.org/wiki/Colliculi_inferiores

Langer hat nachgewiesen, dass es bestimmte Klassen von Neuronen in der Hörbahn gibt, die wie eine Korrelationsanalyse arbeiten. Diese Analyse überträgt die Information über die Periodizität eines Signals an das Gehirn. Damit erfährt das "Periodicity Pitch Modell" eine Erweiterung auf neuronaler Ebene.

Ungeachtet obiger Einschränkung bestünde aber die ernsthaft in Betracht zu ziehende Möglichkeit, dass sich alle drei Modelle in einer Synthese vereinigen liessen indem auf einer ersten Ebene die Neuronen im 'Colliculus inferior' aus einem komplexen Signal periodische Strukturen extrahieren und somit Spektren mit definierten Tonhöhen generieren. Auf einer höheren Ebene würde das wahrgenommene Spektrum mit bereits erlernten Teiltonstrukturen verglichen und ggf. durch einen fehlenden Grundton ergänzt. Durch diese Synthese wäre es noch besser verständlich, wie aus zwei simultan dargebotenen Obertonreihen die Wahrnehmung mehrerer Residualtöne zustandekäme.

Man erkennt unschwer, dass es sich bei der "Physiologie des Hörens" um ein höchst anspruchsvolles Forschungsgebiet handelt.

Gr. zg

richy
19.07.07, 15:15
Hi zeitgenosse
Vielen Dank fuer deine wieder mal hervorragenden Informationen.
Ich meine nun es gibt tatsaechlcih grob zwei Arten des Residualhoerens.
Einmal das Schwebungshoeren und zum anderen eine Fortsetzung des Spektrum ueber Mustererkennungsprozesse. Koennte m,an vielleicht Telefoneffekt nennen.

Ich habe mir auch im Musikerforum zu ersterem nch ein paar Gedanken gemacht. Da ich das nicht nochmal schreiben moechte kopiere ich es einfach mal hier rein:

http://www.musiker-board.de/vb/attachment.php?attachmentid=57252&d=1184774716

Wenn man die Graphik naeher betrachtet stecken Dinge drin, die fast bis ins Philosophische gehen. Man kann unheimlich viel daraus lernen.
Zuerst erscheint das ganze auch Paradox.
Nehmen wir an das waeren eine 200 Hz und 300 Hz Schwingung.
Zeigt man die Funktion einem Physik oder Mathelehrer und fraegt nach der Grundfrequenz der Funktion, wuerden die die Periodendauer von 1/100 s ablesen und 100 Hz angeben. Bis vor paar Tage haette ich das auch so gemacht.
Das waere aber falsch !
Also geht man mal zum Akustiker mit der selben Frage. Der haengt da nen Spektrumanalizer dran und sagt. Das Spektrum zeigt eindeutig eine 200 Hz und 300 Hz Schwingung. Der Grundton ist also nicht 100 Hz sonder 200 Hz !
Das scheint Paradox !
1/Periodendauer ist somit nicht nicht immer gleich der Grundfrequenz.
Erstaunlich. Das ist abhaengig von der Signalform ! Eindeutig koennen wir nur bei einem Sinus,Cosinus sagen 1/Periodendauer = Frequenz. Hier koennte man anfangen zu philosophieren. Wuerde ueber die Unschaerferelation der Nachrichtentechnik vielleicht sogar in der Quantenmechanik landen.

Jetzt kommt es aber noch besser.
Wir gehen zum Physioakustiker. Was meint der ? Na man hoert deutlich 100 Hz. Ha, da habe ich doch recht freut sich der Physiker.
Nein sagt der Akustiker. Das Gehoer arbeitet genau wie mein Spektrumanalizer. Fuehrt eine Fouriertransformation durch. Im mechanischen Teil des Gehoers, der Basilarmembran werden daher auch nur die 200 Hz und die 300 Hz Bereiche angeregt.

Warum hoeren wir dann die 100 Hz ? Da sie im Spektrum nicht enthalten sind, koennen diese nur irgendwo im Gehirn berechnet werden . Eine Rolle spielt hier die Integrationszeit des Gehirns fuer das Gehoer. Da diese beschraenkt ist koennen wir ueberhaupt Amplitudenverlaeufe hoeren.
Diese gelbe Funktion ist eine Huellenkurve ! Taeuscht nur eine Frequenz vor.
Periodendauer und Frequenz sind zwei paar Stiefel !

Bei der Belastung des elektrischen Systems bin ich mir uebrigends nicht so sicher. Spektral gesehen ist die Sache klar. Die 100 Hz existieren nicht.
Aber vielleicht spielt hier noch das Impulsverhalten eine Rolle.

Zusammenfassend :
Fuer tiefe Frequenzen hoeren wir die gelbe Kurve. In sin(x)+sin(y)=2*sin((x+y)/2)*cos((x-y)/2)
hoeren wir die rechte Seite. Also nicht nur einen zusaetlichen Ton sondern ein ganz anderes tonales Signal.

Fuer hohe Frequenzen (wegen der Integrationszeit) hoeren wir dann eher die linke Seite. Zwei Toene. Lila und blaue Kurve getrennt.
Verrueckt nicht :-)
Wie wir hoeren, das Gehirn die Information verarbeitet ist bist heute auch nicht vollstaendig geklaert.


Bereits in dem einfacheren Schwebungshoeren steckt doch schon einiges drin.

FRAGE :
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Kann ich einige deiner Texte in das Musikforum kopieren ? Waere sicherlich fuer die interessierten Benutzer dort (und das sind viele) sehr lesenswert.
Natuerlich mit dem Hinweis wer der Autor ist.
Viele Gruesse

quick
21.07.07, 19:16
Hallo richy,

das "Hören" ohne entsprechendes Schallereignis kann auch äußerst unangenehme Effekte nach sich ziehen. Nach Schätzungen ist jeder
zehnte von Tinnitus betroffen. Insofern könnte mehr interdisziplinäre
Forschung in diesem Bereich lohnenswert sein.

Siehe z.B.
http://www.physik.tu-muenchen.de/lehrstuehle/T35/research/zwicker-tone.html

mfg
quick