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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Verständnisfrage zur Viele-Welten Interpretation


future06
12.01.10, 12:14
Hallo,
ich beschäftige mich seit Kurzem mit der Quantenphysik auf populärwissenschaftlichem Niveau. Neben vielen anderen Unklarheiten ;), erst mal eine Verständnisfrage zur Viele-Welten-Interpretation.

Ausgehend vom vielzitierten Doppelspaltexperiment habe ich dazu folgende Vorstellung:
Die Quantenobjekte liegen als Wellen vor - bis zu einer Messung. Wenn also das Teilchen nicht gemessen wird, interferierten die Wellen nach dem Doppelspalt. Beim Auftreffen auf den Schirm, wird anhand der jetzt vorliegenden Wahrscheinlichkeitsverteilung ein Teilchen gemessen. Das Teilchen "entsteht" mit einer der Wahrscheinlichkeitsverteilung der interferierenden Wellen entsprechenden Wahrscheinlichkeit am Ort X. Dabei wird eine neue Welt "erzeugt". In einer Parallelwelt wird dieses Teilchen an einem anderen Ort gemessen. Erfolgt hingegen eine Messung nach dem Spalt (vor dem Auftreffen auf dem Schirm), entsteht schon hier eine neue Welt und die Welle wird schon hier zum Teilchen (fliegt also als "Billiardkugel" zum Schirm) und wird dort später so registriert, wie wenn es eine gerade Bahn genommen hätte. Es sind somit also auch keine Interferenzstreifen zu sehen.
Ist diese Vorstellung einigermaßen korrekt?

Gandalf
12.01.10, 19:09
Hallo future06!

Erfolgt hingegen eine Messung nach dem Spalt (vor dem Auftreffen auf dem Schirm), entsteht schon hier eine neue Welt und die Welle wird schon hier zum Teilchen (fliegt also als "Billiardkugel" zum Schirm) und wird dort später so registriert, wie wenn es eine gerade Bahn genommen hätte. Es sind somit also auch keine Interferenzstreifen zu sehen.
Ist diese Vorstellung einigermaßen korrekt?

Wenn Du die "Welle/Teilchenterminologie" so gebrauchst: Im Prinzip ja!

Entscheidend ist immer die 'Umwelt' in dem das Ganze spielt: An dem Punkt in dem im Multiversum eine Messung (= "In Bezug Setzung"; Everett sprach von der "Relative Zustandstheorie") vorgenommen wird, verschränkt sich das Universum des Messenden (= Beobachter inc. seiner "Umwelt") mit dem "zu Messenden" und bildet eine neue Einheit (Universum), in dem z.B. einem "Teilchen" ein (realtiv) eindeutiger Ort - relativ in diesem neuen Gebilde - zugewiesen werden kann.

"Relativ eindeutig" deshalb, weil bei näher Untersuchung des Teilchens selbst dort weiterhin Interferenzen feststellbar sind. (... sein müssen, da das Teilchenbild natürlich falsch ist und kein Faktum ist, sondern immer nur unsere unvollständige Sichtweise relativ dazu begrifflich umschreibt)

Viele Grüße

Borszcz
12.01.10, 19:41
Hallo
Hallo future06!

"Relativ eindeutig" deshalb, weil bei näher Untersuchung des Teilchens selbst dort weiterhin Interferenzen feststellbar sind. (... sein müssen, da das Teilchenbild natürlich falsch ist und kein Faktum ist, sondern immer nur unsere unvollständige Sichtweise relativ dazu begrifflich umschreibt)


ist der Ort nicht in dem Augenblick der Messung völlig eindeutig bestimmt, wobei der Impuls nach dem Unschärfeprinzip dann völlig unbestimmt ist?

future06
13.01.10, 15:03
Hallo Gandalf!


Entscheidend ist immer die 'Umwelt' in dem das Ganze spielt: An dem Punkt in dem im Multiversum eine Messung (= "In Bezug Setzung"; Everett sprach von der "Relative Zustandstheorie") vorgenommen wird, verschränkt sich das Universum des Messenden (= Beobachter inc. seiner "Umwelt") mit dem "zu Messenden" und bildet eine neue Einheit (Universum), in dem z.B. einem "Teilchen" ein (realtiv) eindeutiger Ort - relativ in diesem neuen Gebilde - zugewiesen werden kann.


Was ist dabei unter "Beobachter" genau zu verstehen? Soweit ich das bisher verstanden habe, geht man im allgemeinen davon aus, das der Messvorgang an sich die Quanten dazu bringt, einen Zustand einzunehmen. Also nicht die Beobachtung/Messung durch einen bewußten Beobachter. Im Artikel zum Quantenradierer in Spektrum d. Wissenschaft (http://www.spektrum.de/artikel/874881) wird das so formuliert: "Das Photon muss gar nicht nachgewiesen  werden  –  es genügt, dass die Welcher-Weg-Information im Prinzip verfügbar ist."
Auch in Zeilingers Buch "Einsteins Spuk..." wird das so ähnlich formuliert.
Dazu auch schon die nächste Frage: Macht der Quantenradierer aus Sicht der VWT den Übergang von unbestimmt zu bestimmt wieder rückgängig oder "weis" das Teilchen bei der Messung, dass der Messvorgang kurze Zeit darauf wieder negiert/radiert wird und somit keine Notwendigkeit besteht, den Zustand festzulegen (und somit eine Parallelwelt zu erzeugen). Anders gefragt: gibt es Experimente, die die Zeitspanne zwischen Messung und "Radierung" bestimmen können?


"Relativ eindeutig" deshalb, weil bei näher Untersuchung des Teilchens selbst dort weiterhin Interferenzen feststellbar sind. (... sein müssen, da das Teilchenbild natürlich falsch ist und kein Faktum ist, sondern immer nur unsere unvollständige Sichtweise relativ dazu begrifflich umschreibt)


Das habe ich jetzt so noch nie gelesen. Wie ist es bei "binären" Quantenzuständen, wie z.B. dem Spin? Wird hier der Spin durch die Messung eindeutig festgelegt oder gibt es auch dort weiteren Spielraum für überlagerte Zustände (oder ich habe deine Aussage missverstanden ;) )?

Viele Grüße!