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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Das Proton im H-Atom


Benjamin
11.08.11, 18:51
Die Lösungen der Schrödingergleichung für das H-Atom werden bis heute hoch gepriesen. Sie bieten eine gute Abschätzung der Energieniveaus und Aufenthaltsorte des Elektrons im Atom. Freilich ist schon hinlänglich bekannt, dass diese Lösungen nicht völlig exakt sein können. Aus mehreren Gründen, wie zB. der Vernachlässigung relativistischer Effekte, dem Kernspin, usw.

Beim genaueren Hinsehen kann man aber auch noch aus einem ganz anderen Grund in Schwierigkeiten geraten, der mir lange Zeit nicht bewusst war, und den ich hiermit zur Diskussion stelle.
Das Schrödingermodell zum H-Atom geht davon aus, dass das Proton konzentriert in der Mitte sitzt und quasi keine Ausdehnung hat. Es ist also punktförmig und liefert ein kugelsymmetrisches Coulombpotential, wonach die Lösungen der Wellenfunktionen fürs Elektron hergeleitet werden. Dies ist aber eine äußert unbefriedigende Annahme. Freilich kann man argumentieren, das Proton sei wesentlich schwerer als das Elektron und somit könne man dessen Bewegung vernachlässigen. Dem halte ich entgegen, dass nicht nur das Proton das Elektron bindet, auch das Elektron muss das Proton binden.
Damit gelangen wir jedoch zur Frage, wie denn das Proton gebunden wird. Geht man davon aus, dass das Proton sich auf 1,5fm konzentriert, also sprich sich innerhalb des dafür angenommenen Atomkernradius aufhält, müssen wir ihm eine de-Broglie-Wellenlänge von maximal ~3fm zusprechen. Das entspricht aber einer kinetischen Energie des Protons von rund 182MeV. Damit das Elektron ein so schnelles Proton binden kann, müsste es ihm damit jedoch auf ca. 8am (Attometer!) Nahe kommen.
Man sieht, dass dies unterhalb der de-Broglie-Wellenlänge ist, und somit nicht einmal ein Bindungszustand sein kann! Ganz abgesehen davon, dass die Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Elektrons viel weiter vom Proton entfernt ist.

Dazu also meine Frage: Wie um alles in der Welt schafft es das Elektron, das Proton zu binden?

Hawkwind
11.08.11, 22:20
Das machst du völlig analog zum Keplerproblem; du wählst statt des Ruhesystems einer der beiden Massen (hier Ladungen) ein Inertialsystem zur Beschreibung des Problems: das Schwerpunktsystem. Nach Einführung von Relativkoordinaten bekommst du ein echtes 1-Körperproblem.

Auf diese Diskussion wird in Textbüchern meist verzichtet, weil das Schwerpunktsystem praktisch identisch mit dem des Kerns ist.

Siehe z.B.
http://physik.wikia.com/wiki/Das_Wasserstoffatom

im Abschnitt "Quantenmechanische Behandlung".

War das überhaupt die Frage gewesen?

Benjamin
13.08.11, 16:06
Ich kenne die Zweikörperlösung für das H-Atom. Sie führt, wie du auch sagst, wieder zu einem Einkörperproblem mit selbem Potential. Anstatt der Elektronenmasse wird hier einfach die reduzierte Masse verwendet.

Darauf zielte meine Frage aber nicht ab. Ich will sie noch einmal anders formulieren: Für das H-Atom wird angenommen das Potential mit dem die Elektronen wechselwirken, habe ein wohldefiniertes Zentrum. Es wird so getan als wäre der Ort des Protons scharf bestimmt. Aussage der QM ist es aber, dass wir über den Ort nur Wahrscheinlichkeitsaussagen machen können. Was rechtfertigt die Annahme, wir können dem Potential ein definiertes Zentrum zusprechen?
Das Proton wird sozusagen als klassisches Teilchen angenommen, das einen genau definierten Ort hat und zugleich einen Impuls von null. Es hat also all die Eigenschaften, die genau genommen das Elektron nicht haben darf, damit wir zu einem funktionierenden Atommodell gelangen.

Warum?

Hawkwind
13.08.11, 19:28
Ich kenne die Zweikörperlösung für das H-Atom. Sie führt, wie du auch sagst, wieder zu einem Einkörperproblem mit selbem Potential. Anstatt der Elektronenmasse wird hier einfach die reduzierte Masse verwendet.

Darauf zielte meine Frage aber nicht ab. Ich will sie noch einmal anders formulieren: Für das H-Atom wird angenommen das Potential mit dem die Elektronen wechselwirken, habe ein wohldefiniertes Zentrum. Es wird so getan als wäre der Ort des Protons scharf bestimmt. Aussage der QM ist es aber, dass wir über den Ort nur Wahrscheinlichkeitsaussagen machen können. Was rechtfertigt die Annahme, wir können dem Potential ein definiertes Zentrum zusprechen?


Sicher ist das Proton keine Punktladung. Wenn wir aber in das System gehen, in dem der Erwartungswert seines Zentrums im Ursprung liegt, dann dürfen wir auf jeden Fall eine kugelsymmetrische Ladungsverteilung annehmen, denn es gibt keine ausgezeichnete Richtung.
Man kann nun mit Hilfe des Gaussschen Satzes zeigen, dass das Feld ausserhalb dieser Ladungsverteilung exakt ein Coulomb-Potential ist. Ich schätze, dieses Argument aus der klassischen Elektrodynamik ist dir bekannt, aber vielleicht interessiert es andere:

research.physics.illinois.edu/PER/unit4.pdf
Seite 2, Example C

Ich denke, die Fehler, die man durch Vernachlässigung der Relativistik - insbesondere des Spins und seiner Konsequenzen - macht, sind viel gravierender.

Gruß,
Hawkwind

eigenvector
13.08.11, 19:33
Ich kenne die Zweikörperlösung für das H-Atom. Sie führt, wie du auch sagst, wieder zu einem Einkörperproblem mit selbem Potential. Anstatt der Elektronenmasse wird hier einfach die reduzierte Masse verwendet.

Darauf zielte meine Frage aber nicht ab. Ich will sie noch einmal anders formulieren: Für das H-Atom wird angenommen das Potential mit dem die Elektronen wechselwirken, habe ein wohldefiniertes Zentrum.

Aber wenn man die Transformation vorgenommen hat, tut man doch genau das nicht mehr.

Dann nimmt man an, dass sich die Relativkoordinate mit einer modifizierten Masse um ein Potential um den Ursprung dieser Relativkoordinate bewegt.
Und dieser Ursprung ist in Bezug auf die relativen Koordinaten natürlich immer wohldefiniert.

Man hebt damit natürlich nicht die Unschärfe der Schwerpunktskoordinate auf, aber diese Bewegung lässt sich ja abseparieren.

Benjamin
15.08.11, 12:43
Sicher ist das Proton keine Punktladung. Wenn wir aber in das System gehen, in dem der Erwartungswert seines Zentrums im Ursprung liegt, dann dürfen wir auf jeden Fall eine kugelsymmetrische Ladungsverteilung annehmen, denn es gibt keine ausgezeichnete Richtung.


Das Coulomb-Potential gilt streng genommen nur für ruhende Ladung, nicht für bewegte Punktladungen, für die gilt das Liénard-Wiechert-Potential (http://de.wikipedia.org/wiki/Li%C3%A9nard-Wiechert-Potential). Womit wir wieder zu der Frage gelangen, ob das Proton soweit überhaupt als ruhend angenommen werden kann. Ich komme gleich noch einmal darauf zurück.


Und dieser Ursprung ist in Bezug auf die relativen Koordinaten natürlich immer wohldefiniert.


Warum? Damit sagst du doch aus, dass das Proton eine Punktladung ist, und zwar noch dazu eine ruhende Punktladung. Nach der QM kann es so etwas aber nicht geben.

Ich will die Problematik noch einmal anders beschreiben: Wir könnten z.B. das Elektron als unseren Koordinatenursprung wählen und nun die Wellenfunktionen für das Proton berechnen. Können wir nun auch noch einfach ein Coulomb-Potential annehmen mit wohldefnierten Ursprung? Damit gelangten wir ja - geometrisch gesehen - zu denselben Lösungen, wie für das Elektron nur sitzen die Energieniveaus deutlich tiefer. Freilich ist davon auszugehen, dass das Elektron keinen Ursprung eines Inertailsystems darstellen wird. Noch viel weniger als das Proton. Das Grundproblem bleibt aber dasselbe: Ist das Coulombpotential noch gültig und gibt es einen wohldefnierten Ursprung? Ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Annahmen noch zutreffen.
Viel gewichtiger wird es noch, wenn wir die Lösungen für zwei Teilchen mit derselben Masse suchen. Kann die SG dafür noch ein gutes Ergebnis liefern?

eigenvector
15.08.11, 17:49
Das Coulomb-Potential gilt streng genommen nur für ruhende Ladung, nicht für bewegte Punktladungen, für die gilt das Liénard-Wiechert-Potential (http://de.wikipedia.org/wiki/Li%C3%A9nard-Wiechert-Potential).

Aber in dem klassischen Modell des Wasserstoff-Atoms nimmt man nunmal eine Coulomb-Wechselwirkung an

Womit wir wieder zu der Frage gelangen, ob das Proton soweit überhaupt als ruhend angenommen werden kann. Ich komme gleich noch einmal darauf zurück.

Das Potential, das man dort annimmt ist nicht "das Potential des Protons", sondern das Wechselwirkungspotential.

Warum? Damit sagst du doch aus, dass das Proton eine Punktladung ist, und zwar noch dazu eine ruhende Punktladung. Nach der QM kann es so etwas aber nicht geben.

Nein, das sage ich damit nicht.
Wir haben ein quantenmechanisches zwei-Teilchen-Problem, d.h. wir haben eine Wellenfunktion von zwei Koordinaten, die eine Koordinate beschreibt das Elektron, die andere das Proton.
Jetzt geht man aber hin und führt eine Transformation in Schwerpunkts- und Relativ-Koordinaten durch, d.h. man hat jetzt eine Wellenfunktion, die von diesen beiden Koordinaten abhängt.
Das Wechselwirkungspotential hängt nur von dem Abstand, also von der Relativkoordinate ab.

EMI
16.08.11, 00:47
Rechnets doch hier mal vor, mit der Schrödingergleichung.

Gruß EMI

Hawkwind
16.08.11, 09:25
Rechnets doch hier mal vor, mit der Schrödingergleichung.

Gruß EMI

Hallo EMI,
... die Energieniveaus des Wasserstoffatoms ... ?
Das ist eine längere Geschichte, aber sehr instruktiv für einen Physikstudenten - sagen wir mal ab 4. Semester. Erst als ich das mal relativ unabhängig nachvollzogen hatte, wurde mir die Bedeutung der Quantenzahlen, mit denen man die Orbitale durchnumeriert, viel klarer.
Ohne Tips aus den Textbüchern zur Behandlung der partiellen Dgln. (Rückführung auf "bekannte" Standard-Dgln etc.) hat man aber keine Chance.
Schrödinger hatte das wohl als erster "durchgezogen", um die nach ihm benannte Gleichung zu testen. Das Ergebnis machte ihn sehr zuversichtlich, dass sie "passt".
Z.B. hier wird es durchgekaut:
http://frog.gatech.edu/lectures/lectures/ModernPhysicsLectures/MP14HydrogenAtom.ppt

Benjamin
16.08.11, 20:57
Das Potential, das man dort annimmt ist nicht "das Potential des Protons", sondern das Wechselwirkungspotential.


Ja, das stimmt, wenn gleich dem Potential ein Teilchen zugeordnet wird.


Wir haben ein quantenmechanisches zwei-Teilchen-Problem, d.h. wir haben eine Wellenfunktion von zwei Koordinaten, die eine Koordinate beschreibt das Elektron, die andere das Proton.
Jetzt geht man aber hin und führt eine Transformation in Schwerpunkts- und Relativ-Koordinaten durch, d.h. man hat jetzt eine Wellenfunktion, die von diesen beiden Koordinaten abhängt.
Das Wechselwirkungspotential hängt nur von dem Abstand, also von der Relativkoordinate ab.[/

Das stimmt ebenso. Nur - wie auch du schon sagtest - bleibt an den Schwerpunktskoordinaten die qm Unschärfe haften, an den Relativ-Koordinaten aber nicht. Man tut sozusagen so, als ob der Abstand zwischen Proton und Elektron wohldefniert ist. Das Potential hängt schließlich von ihren Abstand ab. Der Abstand definiert sich über die Ortsvektoren. Die Ortsvektoren für sich unterliegen der Heissenbergschen Unschärfe. Der Abstand unterliegt ihr aber nicht. Warum?

Hawkwind
17.08.11, 11:04
Ja, das stimmt, wenn gleich dem Potential ein Teilchen zugeordnet wird.



Das stimmt ebenso. Nur - wie auch du schon sagtest - bleibt an den Schwerpunktskoordinaten die qm Unschärfe haften, an den Relativ-Koordinaten aber nicht. Man tut sozusagen so, als ob der Abstand zwischen Proton und Elektron wohldefniert ist. Das Potential hängt schließlich von ihren Abstand ab. Der Abstand definiert sich über die Ortsvektoren. Die Ortsvektoren für sich unterliegen der Heissenbergschen Unschärfe. Der Abstand unterliegt ihr aber nicht. Warum?

Ich weiss nicht, ob du da nicht einen Denkfehler machst.

Die Ortsunschärfe eines Quants erhältst du doch erst aus der Lösung eines Problems. So ergibt sich die Ortsunschärfe des Elektrons beim H-Atom aus der Energie-Eigenfunktion und hängt vom Orbital ab.
Du willst nun von vorn herein eine Unschärfe schon bei der Formulierung des Problems berücksichtigt wissen?
Wenn du nun die Lösung rücktransformierst ins Schwerpunktsystem, müsstest du die Ortsunschärfe des Protons im jeweiligen Zustand ableiten können. Interessiert aber eigentlich weniger - man will ja die Orbitale und v.a. die Energie-Eigenwerte dieser.

Einen Fehler macht man m.E. schon durch Einführung des elektrostatischen Coulomb-Potentials. Selbst wenn man die Dirac- statt der Schrödingergleichung löst (um relativistische Effekte und Spin zu berücksichtigen), so wäre doch eine quantenfeldtheoretische Formulierung (QED) angemessener. Deren Effekte berücksichtigt man dann störungsthoretisch (Lamb-Shift etc.).

Als nullte Näherung ist die Schrödingergl. im Coulomb-Potential aber sicher sehr brauchbar; es zeigt sich ja, dass die Korrekturen klein sind.

eigenvector
17.08.11, 12:57
Das stimmt ebenso. Nur - wie auch du schon sagtest - bleibt an den Schwerpunktskoordinaten die qm Unschärfe haften, an den Relativ-Koordinaten aber nicht. Man tut sozusagen so, als ob der Abstand zwischen Proton und Elektron wohldefniert ist. Das Potential hängt schließlich von ihren Abstand ab. Der Abstand definiert sich über die Ortsvektoren. Die Ortsvektoren für sich unterliegen der Heissenbergschen Unschärfe. Der Abstand unterliegt ihr aber nicht. Warum?

Nein, nein, nein.
Also nochmal:
Man kann das Problem in den Ortskoordinaten beider Teilchen behandeln. Die sind dann unscharf.
Man kann das Problem auch in Relativ- und Schwerpunktskoordinate behandeln. Die sind dann immer noch unscharf. Beide.

Es ist aber nicht so, dass die Relativ- und die Schwerpunkskoordinate und dann auch noch das Potential (in der Relativariablen) unscharf wäre. Das wäre redundant.

Benjamin
23.08.11, 10:59
Ich habe leider nur wenig Zeit. Ich werde versuchen noch auf eure Beiträge einzugehen. Nur vorher eine Frage, die die Problematik eventuell besser zum Vorschein bringt: Wie sieht die Ortswellenfunktion des Protons im H-Atom aus?

Benjamin
18.09.11, 23:23
Man kann das Problem in den Ortskoordinaten beider Teilchen behandeln. Die sind dann unscharf.
Man kann das Problem auch in Relativ- und Schwerpunktskoordinate behandeln. Die sind dann immer noch unscharf. Beide.


Na ja... Ich würde sagen, wir haben uns beide etwas ungeschickt ausgedrückt. Hawkwind hat es bereits richtig angedeutet. Den Koordinaten selbst eine Unschärfe zuzusprechen ist irreführend. Das könnte den Eindruck erwecken, r in Psi(r,t) wäre irgendwie unscharf. Das stimmt freilich nicht. Erst die aus dem Problem ergebende Lösung zeigt uns die Unschärfe in Form der Wahrscheinlichkeitsverteilung auf.

In dem Sinne sind natürlich die Aufenthaltsorte beider Teilchen, also Proton und Elektron, unscharf. Meine Kritik bestand jedoch darin, dass diese Unschärfe nicht ins Potential einfließt.

Es ist aber nicht so, dass die Relativ- und die Schwerpunkskoordinate und dann auch noch das Potential (in der Relativariablen) unscharf wäre. Das wäre redundant.

Und doch genau das ist das Potential, unscharf. Die SG ist in der Tat unbefriedigend in Hinblick darauf, was sich physikalisch wirklich abspielen dürfte. Es gibt keinen wohldefinierten Ort der Teilchen, genauso wenig wie es einen definierten Ort gibt, an dem sich die Ladung aufhält.

Die Ortswellenfunktionen (nicht die Energieniveaus!) der Elektronen im Atom führen meines Erachtens nur deshalb zu brauchbaren Ergebnissen, weil das Proton um das fast 2000-fache schwerer ist und es daher als ruhend angenommen werden kann. Die Ortswellenfunktion des Protons gleicht somit in guter Näherung einem freien Teilchen. Es ist insofern wohl auch nicht zweckmäßig nach Energieniveaus für das Proton zu suchen, weil es kaum vom Elektron beeinflusst wird. Umgekehrt gilt das natürlich nicht. Das Elektron kann auf viele verschiedene Arten "um das Elektron kreisen", sodass es viele verschiedene Energieniveaus gibt.

Das alles würde aber nicht so reibungslos funktionieren, wäre das Proton - sagen wir - nur 2-mal so schwer wie das Elektron. Ich vermute mal, die Energieniveaus ließen sich mit der 2-Körperlösung ermitteln. Aber wie würden die räumlichen Aufenthaltswahrscheinlichkeiten aussehen? Die hübschen Orbitaldarstellungen aus den Physikbüchern würden nicht zutreffen, da eine nicht mehr zu vernachlässigende Bewegung des Protons, diese völlig verzerren täten. Folge dessen würde das auch die gesamte Molekülphysik um den Haufen werfen.

Apropos Molekülphysik: Dort wird sehr wohl dem Umstand Rechnung getragen, dass das Potential des Elektrons nicht scharf definiert über einen Ortsvektor r festgelegt werden kann. Die Aufenthaltswahrscheinlichkeitsverteilung führt zu einer Art "Wechselwirkungswahrscheinlichkeit". Das H2-Molekül zB wird deshalb als bindend erklärt, weil eine deutliche Wahrscheinlichkeit besteht, dass das Proton des einen Atoms mit dem Elektron des anderen in Wechselwirkung tritt. Diese Wahrscheinlichkeit kommt beim Helium nicht zum Zug, hier überwiegt die Wahrscheinlichkeit einer Abstoßung aufgrund des Pauliprinzips, sollten sich die Atome zu nahe kommen. Deshalb gibt es auch kein He2-Molekül.
Letztlich fußt auch die QED auf solchen Wahrscheinlichkeitsannahmen bezüglich der em Wechselwirkung. Hier werden alle möglichen Abstände betrachtet, die die interagierenden Teilchen haben könnten, und daraus werden dann die Wahrscheinlichkeiten berechnet. Die Ortsunschärfe fließt somit ins Potential ein! Sofern ich mich richtig erinnere gibt es dazu ja auch eine Herleitung der SG über Pfadintegrale nach Feynman.

eigenvector
19.09.11, 14:10
Die Ortswellenfunktionen (nicht die Energieniveaus!) der Elektronen [...]

Noch mal: Man betrachtet nicht die Ortswellenfunktion des Elektrons, sondern die Ortswellenfunktion der Relativkoordinaten.

Benjamin
19.09.11, 15:06
Noch mal: Man betrachtet nicht die Ortswellenfunktion des Elektrons, sondern die Ortswellenfunktion der Relativkoordinaten.

Ortswellenfunktion der Relativkoordinaten? Seit wann ordnet man Koordinaten eine Wellenfunktion zu? Du meinst wohl die Wellenfunktion eines sozusagen erfunden Teilchens mit der reduzierten Masse. Ja, dem bin ich mir natürlich bewusst, und war ich mir auch, als ich den obigen Beitrag schrieb.

Hawkwind
19.09.11, 19:28
Die Ortswellenfunktionen (nicht die Energieniveaus!) der Elektronen im Atom führen meines Erachtens nur deshalb zu brauchbaren Ergebnissen, weil das Proton um das fast 2000-fache schwerer ist und es daher als ruhend angenommen werden kann.

Das stimmt doch nicht: die Energieniveaus von Positronium z.B. werden mit genau derselben Schrödingergleichung berechnet wie die des Wasserstoffatoms. Und das ist auch okay so, wenn man die entsprechende "reduzierte Masse" verwendet, was in diesem Fall wegen der gleichgroßen Massen dann auch einen beträchtlichen Effekt ausmacht im Gegensatz zum H-Atom.


Positronium (Ps) is a system consisting of an electron and its anti-particle, a positron, bound together into an "exotic atom". Being unstable, the two particles annihilate each other to produce two gamma ray photons after an average lifetime of 142 ns in vacuum. The orbit of the two particles and the set of energy levels is similar to that of the hydrogen atom (electron and proton). However, because of the reduced mass, the frequencies associated with the spectral lines are less than half of those of the corresponding hydrogen lines.


aus
http://en.wikipedia.org/wiki/Positronium

Benjamin
19.09.11, 20:40
Das stimmt doch nicht: die Energieniveaus von Positronium z.B. werden mit genau derselben Schrödingergleichung berechnet wie die des Wasserstoffatoms. Und das ist auch okay so, wenn man die entsprechende "reduzierte Masse" verwendet, was in diesem Fall wegen der gleichgroßen Massen dann auch einen beträchtlichen Effekt ausmacht im Gegensatz zum H-Atom.

Ich sprach von den Ortswellenfunktionen und den Aufenthaltswahrscheinlichkeitsverteilungen. Und wie gesagt NICHT von den Energieniveaus, die ja augenscheinlich korrekt sind.

Solkar
28.11.11, 22:39
Nein, nein, nein.
Also nochmal:
Man kann das Problem in den Ortskoordinaten beider Teilchen behandeln. Die sind dann unscharf.
Man kann das Problem auch in Relativ- und Schwerpunktskoordinate behandeln. Die sind dann immer noch unscharf. Beide.

Es ist aber nicht so, dass die Relativ- und die Schwerpunkskoordinate und dann auch noch das Potential (in der Relativariablen) unscharf wäre. Das wäre redundant.

Und doch genau das ist das Potential, unscharf. Die SG ist in der Tat unbefriedigend in Hinblick darauf, was sich physikalisch wirklich abspielen dürfte. Es gibt keinen wohldefinierten Ort der Teilchen, genauso wenig wie es einen definierten Ort gibt, an dem sich die Ladung aufhält.

Wie wär's denn, wenn Ihr mal die Kommutatoren anschriebet, mittels derer Berechnung Ihr zu Euren Schlussfolgerungen gekommen seid?


Grüsse, Solkar