PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Sacharowkriterien


CineX
13.02.12, 16:16
Hallo,

ich stehe gerade wieder vor einem Problem :rolleyes: Ich lese mich gerade in die gängigen Theorien zur Materieentstehung ein, dabei bin ich auf die 3 Sacharowkriterien gestoßen von deren ich mit einer nicht ganz klar komme. Was CP Verletungen sind, welche Auswirkungen sie haben, wird im Internet recht ausführlich und anschaulich erklärt. Also dass es quasi in Teilchenzerfällen zu Zerfallkanälen kommt, welche geringfügig Materie gegenüber Antimaterie bevorzugt. Womit ich allerdings nicht klarkomme ist das notwendige Auftreten eines Thermodynamisches Nichtgleichgewichtes.
Siehe: http://de.wikipedia.org/wiki/Sacharowkriterien
Was bedeutet dies konkret und warum ist das notwendig? Bedeutet das, dass die Zerfälle welche u.A. die CP Verletzung verursachen reversibel sind und sich die Materie / Antimaterie Asymmetrie im Gleichgewicht wieder auslöschen würde? Immerhin weiß ich, dass es durchaus reversible Zerfälle wie beispielsweise Neutrinoinduzierte inverse Betazerfälle gibt. Also können alle Zerfallskanäle ja prinzipiell rückwärts laufen, oder?

Struktron
15.02.12, 18:43
Hallo,

vermutlich antwortet hier niemand, weil das schwierige Fragen sind. Zwar fühle ich mich nicht kompetent genug, aber versuche etwas dazu:

Die Thermodynamik ist eine effektive Theorie auf der Basis der kinetischen Gastheorie. Thermisches Gleichgewicht herrscht, wenn an einem Raumzeitpunkt schöne Symmetrie (Homogenität und Isotropie) herrscht. Dann sind aus allen Richtungen in einem Zeitintervall annähernd Teilchen mit gleicher Energie zu erwarten. Was Teilchen wirklich sind, weiß niemand, wir wissen nur, dass wir diese durch kontinuierliche Felder (Standardmodell) oder Strukturen von diskreten Objekten (diskret erweitertes Standardmodell) beschreiben können.

Nun kommen wir zu beobachteten Phänomenen. Um uns herum überwiegt Materie. Antimaterie beobachten wir beispielsweise in Stoßversuchen (Teilchenbeschleuniger wie LHC), wobei wir bemerken, dass aus dem für einen kleinen Moment dichten und sehr heißen Plasma (von etwas, das wir Psi-Materie nennen können) im Detektor (Nebelkammer) Bilder erzeugt werden, welche darauf hin deuten, dass Materie und Antimaterie in ungefähr gleicher Menge entstehen. Das Plasma entsteht durch Auftreffen hoher Energie (bzw, Impuls) aus einer Richtung, der Strahlrichtung. In allen anderen Richtungen herrscht thermisches Ungleichgewicht. Wäre von dort, also überall thermisches Gleichgewicht vorhanden, würde vermutlich gar nichts passieren. Der Plasmaball bliebe stabil. Im Labor haben wir aber so etwas noch nicht geschafft, ein solches heißes dichtes Plasma lange stabil zu halten.

Aus der Erfahrung mit Teilchenbeschleunigern in Verbindung mit der Urknalltheorie wundern wir uns nun, dass beim Aufheben des thermodynamischen Gleichgewichts nicht gleich viel Antimaterie entstanden ist, wie die uns umgebende Materie. Was unterscheidet aber Matie von Antimaterie? Es ist doch nur die Ladung. Schauen wir nun etwas ins Universum zu Sternen oder Galaxien mit Emission von Jets. Dort deutet nichts auf die Emission von Antimaterie hin. Die Ladung ist vermutlich ausgeglichen.

Gefunden habe ich zum thermischen Gleichgewicht bzw. Ungleichgewicht auch nicht viel. Vielleicht ist
http://hera.ph1.uni-koeln.de/~heintzma/ (Skripten)
interessant und dort speziell
http://hera.ph1.uni-koeln.de/~heintzma/Skripten/SModell.pdf.
Da steht beispielsweise gleich am Anfang, dass sogar der Zerfall von Teilchen durch thermodynamisches Gleichgewicht unterbunden werden kann.

MfG
Lothar W.

CineX
15.02.12, 19:23
Vielen Dank für die Antwort. Ja das ist in der Tat eine schwierige Frage. Habe aber auch an anderer Stelle bereits eine interessante Antwort erhalten, die meine Annahme unterstüzt. Und auch deine äusserst interessante PDF deckt sich mit dieser Information. Z.B. dass im Gleichgewicht Teilchenzerfälle unterbunden werden können. So wie ich das bisher verstanden habe liegt das daran, dass alle Zerfälle (wenn man Energie reinsteckt) umkehrbar sind. Im Gleichgewicht würden alle Prozesse mit gleicher Wahrscheinlichkeit ablaufen (energiefreisetzende Zerfälle und energie schluckende inverse Zerfälle). Dadurch laufen auch die CP verletzenden Zerfälle mit gleicher Wahrscheinlichkeit "rückwärts" und somit kommt unterm Strich nichts dabei raus. Im Nichtgleichgewicht jedoch überwiegen die Energiefreisetzenden Prozesse, da ja die Energiedichtige durch die Ausdehnung des Universums sinkt und somit sinkt die Wahrscheinlichkeit der "inversen" Rückreaktion. Materie formt sich. So habe ich das jedenfalls bis jetzt Verstanden. :D So wirds wohl gemeint sein ;-) Immerhin ist im Wiki Artikel auch explizit von inversen Zerfällen die Rede und die wären ja möglich wenn ich den gleichen Energiebeitrag reinstecke.

Schwierig das Ganze, aber höchst interessant. :D