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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Verschränkung, Strahlungsdruck


HolgerBuick
29.02.12, 12:32
Hallo,

warum wird bei verschränkten Photonen die Verschränkung nicht zerstört bei Reflexionen (oder allgemein Richtungsänderungen) der Photonen? Wie beim Strahlungsdruck, bei dem auf dem reflektierenden Medium ein Impuls auftritt, müßte auch hier dadurch Information vom Photon auf das reflektierende Medium übertragen werden. Das kann nur bedeuten, dass bei Experimenten, bei denen die Verschränkung nicht zerstört wird, kein Strahlungsdruck bei Reflexion ensteht.

Viele Grüße.

Hawkwind
29.02.12, 13:14
Ich hatte darüber auch schon gegrübelt, wieso es möglich ist, verschränkte Photonen kilometerweit durch Lichtleiter zu transportieren, ohne deren Verschränkung zu zerstören:

http://www.quanten.de/forum/showpost.php5?p=63032&postcount=3

Leider ist meine Bemerkung von damals nicht wirklich zufriedenstellend.

Vielleicht mache ich nochmal eine Literatur-Recherche.

Philipp Wehrli
29.02.12, 13:29
Hallo,

warum wird bei verschränkten Photonen die Verschränkung nicht zerstört bei Reflexionen (oder allgemein Richtungsänderungen) der Photonen? Wie beim Strahlungsdruck, bei dem auf dem reflektierenden Medium ein Impuls auftritt, müßte auch hier dadurch Information vom Photon auf das reflektierende Medium übertragen werden. Das kann nur bedeuten, dass bei Experimenten, bei denen die Verschränkung nicht zerstört wird, kein Strahlungsdruck bei Reflexion ensteht.

Viele Grüße.
Verschränkung gibt es nicht nur zwischen zwei Teilchen, sondern zwischen allen Teilchen, die irgendwie miteinander in Wechselwirkung standen. Theoretisch ist die gesamte Materie des Universum miteinander verschränkt.

Normalerweise spricht man aber nur dann von einer Verschränkung, wenn zwei oder drei Teilchen so präpariert werden, dass man die Verschränkung mit der Aussenwelt vernachlässigen kann. Dies ist auch nach der Reflexion an einem Spiegel der Fall. Zwar überträgt das Photon dabei dem Spiegel einen Impuls, aber wie die Impulsübertragung geschieht, ist sehr genau festgelegt.

Anders wäre der Fall, wenn eines der Photonen wie beim Compton-Effekt an einem Elektron gestreut wird. Dann gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, wie die Streuung ausfallen kann. Die Verschränkung nach der Streuung ist zwischen den zwei Photonen und dem Elektron, also zwischen drei Teilchen.

Hawkwind
29.02.12, 14:54
Ich habe das Thema in Joachims Forum
http://www.quantenforum.de/viewtopic.php?f=8&t=353
angesprochen, da er ein Experte auf dem Gebiet Quantenoptik ist.

Ich denke, nur bei "infinitesimal kleinen" Totalreflexionen wie bei solchen in Lichtleitern, wo Energie und Richtung erhalten bleiben, bleibt die Verschränkung des Photonenpaares erhalten.

Falls es eine echte Richtungsänderung gibt, findet mit Sicherheit ein Impulsaustausch statt ==> Strahlungsdruck.

Vielleicht sagt Joachim ja nochmal was dazu.

HolgerBuick
02.03.12, 16:34
Vielen Dank für die Weiterleitung der Frage.
Ich kann mir vorstellen, daß es eine Rolle spielt, ob die Photonen in Bezug auf ihre Polarisation verschränkt sind, dann dürfte die Impulsübertragung keine Informationsabgabe bedeuten. Beim Doppelspaltexeriment könnte der Impuls des Strahlungsdrucks hingegen die Welche-Weg-Information übertragen (messbar machen), und damit die Interferenz zerstören.
Bei einem orthogonalen Reflexionswinkel ist der entstehende Impuls an der Reflexionsfläche immerhin doppelt so groß wie der des Photons, wäre also messbar? Bei einem Reflexionswinkel von 45 Grad, wie er z.B. im GHZ Experiment vorkommt, ist der Impuls evtl. nicht mehr messbar?

RoKo
04.03.12, 17:42
Verschränkung gibt es nicht nur zwischen zwei Teilchen, sondern zwischen allen Teilchen, die irgendwie miteinander in Wechselwirkung standen. Theoretisch ist die gesamte Materie des Universum miteinander verschränkt.Musst du immer gleich provozieren?

Philipp Wehrli
05.03.12, 12:14
Musst du immer gleich provozieren?
In welcher Hinsicht provoziert dich das? - Tut mir leid, dass wir miteinander verschränkt sind. Aber ich kann's nicht ändern.

RoKo
06.03.12, 11:46
In welcher Hinsicht provoziert dich das? - Tut mir leid, dass wir miteinander verschränkt sind. Aber ich kann's nicht ändern.Falls du den Mut hast, deine unhaltbaren Aussagen zur Debatte zu stellen, solltest du einen eigenen Thread aufmachen.

Philipp Wehrli
06.03.12, 12:18
Falls du den Mut hast, deine unhaltbaren Aussagen zur Debatte zu stellen, solltest du einen eigenen Thread aufmachen.
Meiner Ansicht nach gehört dies genau in diese Diskussion. Und es ist auch nicht meine persönliche Erfindung, sondern die allgemein akzeptierte Interpretation der Quantentheorie. Diskussionen dazu findest du unter dem Stichwort 'Schrödingers Katze'. Schrödinger hat nämlich festgestellt, dass nach dem allgemein verwendeten Formalismus der Quantentheorie auch Katzen in überlagerten Zuständen sind.

Weiter geführt wurde die Idee unter dem Stichwort 'Wigners Freund', einem Gedankenexperiment, das untersucht, ob die Verschränkung durch einen bewusst denkenden Beobachter aufgehoben wird. Nach dem heute verwendeten Formalismus der Quantentheorie ist dies nicht der Fall.

Hawkwind
06.03.12, 13:45
Meiner Ansicht nach gehört dies genau in diese Diskussion. Und es ist auch nicht meine persönliche Erfindung, sondern die allgemein akzeptierte Interpretation der Quantentheorie. Diskussionen dazu findest du unter dem Stichwort 'Schrödingers Katze'. Schrödinger hat nämlich festgestellt, dass nach dem allgemein verwendeten Formalismus der Quantentheorie auch Katzen in überlagerten Zuständen sind.

Weiter geführt wurde die Idee unter dem Stichwort 'Wigners Freund', einem Gedankenexperiment, das untersucht, ob die Verschränkung durch einen bewusst denkenden Beobachter aufgehoben wird. Nach dem heute verwendeten Formalismus der Quantentheorie ist dies nicht der Fall.

Auf den Seiten unseres Betreibers z.B. findest du, wie sich das Katzenparadoxon heutzutage auflöst:
http://www.quanten.de/pdf/schroedingers_katze.pdf


Demnach kollabiert die Wellenfunktion nicht erst durch einen Beobachter,
sondern durch Wechselwirkungen des Systems mit der Umgebung. Der Mechanismus der Dekohärenz kann quantenmechanisch beschrieben werden. Die Dekohärenz-Zeit, also die Zeit, die das System zum Kollabieren benötigt, ist umso kürzer, je größer die Masse des Systems ist. Für Schrödingers Katze schafft das Klarheit: Sie muss nur noch unmerklich kurz in einem Überlagerungszustand aus lebendig und tot verharren. Je wohlgenährter sie ist, desto schneller fällt die Entscheidung. Sie braucht keinen Beobachter mehr, der sich ihrer erbarmt und nach ihr sieht.


Zu "Wigners Freund" aus Wiki

Bei dem „Wigners-Freund“-Gedankenexperiment werden keine Dekohärenz-Effekte berücksichtigt, weshalb die darauf aufbauende Argumentation von Wigner selbst in den 1970er Jahren verworfen wurde und im heutigen wissenschaftlichen und philosophischen Diskurs als überholt gilt.

Warum kommst du immer mit solchen Klamotten daher und bekämpfst Theorien, die längst niemand mehr vertritt und bezeichnest diese sogar als "heute verwendeter Formalismus der Quantentheorie" ?

Timm
06.03.12, 16:41
Schrödinger hat nämlich festgestellt, dass nach dem allgemein verwendeten Formalismus der Quantentheorie auch Katzen in überlagerten Zuständen sind.

Da verschweigst Du aber das Wesentliche. Schrödinger wollte darauf hinaus, daß Katzen gerade nicht in überlagerten Zuständen sind, sondern entweder tot oder lebendig.

http://de.wikipedia.org/wiki/Schr%C3%B6dingers_KatzeAus Schödinges Aufsatz von 1935 Die gegenwärtige Situation in der Quantenmechanik. §5. Sind die Variablen wirklich verwaschen?

... Die Psi-Funktion des ganzen Systems würde das so zum Ausdruck bringen, daß in ihr die lebende und die tote Katze (s. v. v.) zu gleichen Teilen gemischt oder verschmiert sind. Das Typische an solchen Fällen ist, daß eine ursprünglich auf den Atombereich beschränkte Unbestimmtheit sich in grobsinnliche Unbestimmtheit umsetzt, die sich dann durch direkte Beobachtung entscheiden läßt. Das hindert uns, in so naiver Weise ein „verwaschenes Modell“ als Abbild der Wirklichkeit gelten zu lassen.
Beachte den Konjunktiv.
Und Manjit Kumar kommentiert in seinem Buch "Quanten" Seite 381:

Schrödinger und dem gesunden Menscherverstand zufolge ist die Katze entweder tot oder lebendig, abhängig davon, ob ein atomarer Zerfall stattgefunden hat oder nicht.

RoKo
06.03.12, 16:42
.. Schrödinger hat nämlich festgestellt, dass nach dem allgemein verwendeten Formalismus der Quantentheorie auch Katzen in überlagerten Zuständen sind. Leider kann sich Erwin Schrödinger gegen diese völlige Fehlinterpretation nicht mehr zur Wehr setzen.

Falls du jemals Interesse an Quantenmechanik haben solltest, kann ich dir seinen Aufsatz "Zur gegenwärtigen Situation in der Quantenmechanik", erschienen in "Die Naturwissenschaften" Heft 48, 29.11.1935 nur wärmstens empfehlen.

Der erste Teil dieses Aufsatzes endet nach dem Katzenbeispiel mit den Worten: "Dies hindert uns, in so naiver Weise ein verwaschenes Modell als Abbild der Wirklichkeit gelten zu lassen." Leider wird dieser Satz ebenso wie die Ausführungen davor in den Zitaten oft weggelassen. Sonst würde nämlich allzu deutlich werden, dass er die Anwendung des "allgemein verwendeten Formalismus" auf den Messprozess, wie es John von Neumann 1932 getan hat, für unsinnig gehalten hat. Weiter geführt wurde die Idee unter dem Stichwort 'Wigners Freund', einem Gedankenexperiment, das untersucht, ob die Verschränkung durch einen bewusst denkenden Beobachter aufgehoben wird. Nach dem heute verwendeten Formalismus der Quantentheorie ist dies nicht der Fall.Die Princtoner Schule hat sich jedoch nicht davon abhalten lassen, diesen Unsinn weiter zu verfolgen. Eugen Wigner hat dann konsequenterweise die Weiterführung des "Formalismus" bis zum menschlichen Bewusstsein vorgeschlagen.

Das unter dem Stichwort 'Wigners Freund' durchgeführte Gedankenexperiment wiederum zielte darauf, genau diese Überlegung von Wigner ad absurdum zu führen.

Wigner hat das offensichtlich nie verstanden, sonst hätte er als Doktorvater von Hugh Everett, dem Erfinder der "Viele-Welten-Interpretation" dessen Arbeit nicht durchgehen lassen.

Zitat von Hawkwind:Auf den Seiten unseres Betreibers z.B. findest du, wie sich das Katzenparadoxon heutzutage auflöst:
http://www.quanten.de/pdf/schroedingers_katze.pdf

Auch dir und Birgit Blomfleur kann ich nur empfehlen, o.a. Schrödingers Aufsatz (und dessen Fortsetzung in den Heften 49 und 50) mal aufmerksam zu studieren und ansonsten die Debatten zum Thema, wie z.B.: "Why Decoherence has not Solved the Measurement Problem" (http://arxiv.org/abs/quant-ph/0112095v3) zur Kenntnis zu nehmen.

Vorläufiges Facit: Der "heute verwendete Formalismus der Quantentheorie", also Schrödinger-Gleichung + Bornregel reicht zum Berechnen ("shut up and calculate") völlig aus. Zur weitergehenden Welterklärung ist er jedoch unzureichend.

Zum Thema:

Man sollte sich stets darüber im klaren sein, dass unsere Theorien Modelle von der Wirklichkeit sind und nicht die Wirklichkeit selbst. Mit dem Modell "Photon" kommt man bei der Betrachtung des Verhaltens von elektromagnetischen Wellen in Lichtleitern bzw. bei Totalreflexion nicht weiter. Die Betrachtung von "Impulsen", also die Anwendung mechanischer Modelle, ist da völlig unangebracht.

richy
06.03.12, 23:35
Demnach kollabiert die Wellenfunktion nicht erst durch einen Beobachter,
sondern durch Wechselwirkungen des Systems mit der Umgebung.
Das wuerde Anton Zeilinger in dieser Form mit Sicherheit nicht unterschreiben.

Hawkwind
07.03.12, 08:33
Das wuerde Anton Zeilinger in dieser Form mit Sicherheit nicht unterschreiben.

Ich kann natürlich nicht Zeilingers Gedanken lesen - deshalb ein Verweis auf die Review-Arbeit von Z.H. Zurek zur Dekohärenz, der ja zu ihrem Verständnis auch in vielen Originalarbeiten wesentlich beigetragen hat:

WH Zurek - Reviews of Modern Physics, 2003

DECOHERENCE, EINSELECTION, AND THE QUANTUM ORIGINS OF THE CLASSICAL (http://arxiv.org/pdf/quantph/0105127.pdf)


In this very immediate sense decoherence enforces the apparent "collapse of the wavepacket": After a decoherence timescale, only the einselected memory states will exist and retain useful correlations

Bauhof
07.03.12, 09:54
Ich kann natürlich nicht Zeilingers Gedanken lesen - ...

Hallo Hawkwind,

man bezeichnet den Verlust von Interferenzfähigkeit auch als Dekohärenz. Ist der Eintritt der Dekohärenz gleichbedeutend mit dem Kollaps der Wellenfunktion?

M.f.G. Eugen Bauhof

Hawkwind
07.03.12, 10:36
Hallo Hawkwind,

man bezeichnet den Verlust von Interferenzfähigkeit auch als Dekohärenz. Ist der Eintritt der Dekohärenz gleichbedeutend mit dem Kollaps der Wellenfunktion?

M.f.G. Eugen Bauhof

Ich würde sagen "im Endeffekt ja".
Streng genommen ist es natürlich nicht dasselbe: der nichtlokale Kollaps der Kopemhagener Deutung ist nicht wirklich Physik sondern Interpretation.

Im Gegensatz dazu steht die Dekohärenz aber auf dem Boden der überprüfbaren Quantenmechanik; es lassen sich auch typische Dekohärenzzeiten berechnen, etc.. Dekohärenz respektiert nach meinem Verständnis im Gegensatz zum "Kopenhagener Kollaps" auch Lokalität.
Zurek spricht auch von einem "effektiven Kollaps":
"effective collaps of the wavepacket".

Ich denke, er meint damit genau das, was du auch sagst.


Vielleicht gibt Zureks Arbeit auch die Antwort auf die ursprüngliche Frage in diesem Thread (warum Totalreflexion in einem Lichtleiter die Verschränkung von Photonenpaaren nicht zwangsläufig aufhebt).


Decoherence is caused by the interaction with the environment
which in effect monitors certain observables
of the system, destroying coherence between the pointer
states corresponding to their eigenvalues. This leads
to environment-induced superselection or einselection, a
quantum process associated with selective loss of information.
Einselected pointer states are stable. They can
retain correlations with the rest of the Universe in spite
of the environment.


Hervorhebung von mir.
Denke, es könnte lohnen, sich mit dieser Arbeit zu beschäftigen, um das alles mal richtig oder zumindest besser zu verstehen. Ist aber eine Menge "Zeugs".

richy
07.03.12, 11:44
Hi
Demnach kollabiert die Wellenfunktion nicht erst durch einen Beobachter, sondern durch Wechselwirkungen des Systems mit der Umgebung.
Mich stoert hier lediglich der Begriff der "Wechselwirkung". Denn damit kann doch nur eine physikalische Wechselwirkung gemeint sein. Und dies entspricht nicht der Schulmeinung. Die Schulmeinung vertritt Anton Zeilinger. Die Kopenhagener Deutung in Verbindung mit dem Dekohaerenzprogramm genannt Kopenhagener Interpretation. Und Zeilinger wuerde dies in etwa so wie Holger Ausruecken, dessen Frage mich auch interessiert :
Wie beim Strahlungsdruck, bei dem auf dem reflektierenden Medium ein Impuls auftritt, müßte auch hier dadurch Information vom Photon auf das reflektierende Medium übertragen werden
Der Exkurs zur Geschichte des Dekohaerenzprogamms im Forum ist doch noch gar nicht lange her. Wurde das alles schon wieder vergessen ?

Before an understanding of decoherence was developed the Copenhagen interpretation of quantum mechanics treated wavefunction collapse as a fundamental, a priori process. Decoherence provides an explanatory mechanism for the appearance of wavefunction collapse and was first developed by David Bohm in 1952 who applied it to Louis DeBroglie's pilot wave theory, producing Bohmian mechanics,[14][15] the first successful hidden variables interpretation of quantum mechanics. Decoherence was then used by Hugh Everett in 1957 to form the core of his many-worlds interpretation.
Natuerlich gibt es bezueglich der Gleichungen nur ein Dekohaerenzprogramm aber Zeilinger kann doch nicht ins Lager der Viele Welten wechseln. Also musste er eine Kopenhagener Version des Dekohaerenzprogrammes entwickeln. Und die kann unmoeglich die Ausagen von Zurek enthalten die der Betreiber dieses Forums wohl einfach abgepinselt hat. So geht das nicht ! Denn dann ist das Ergebnis der Einsteinsche Realismus.
Zurek vertritt einen Realismus und damit nicht die Schulmeinung. Den Gleichungen ist das natuerlich egal.

Zurek
Zurek besuchte das Gymnasium in Bielsko-Biała, studierte an der TU Krakau (Diplom 1974) und wurde 1979 an der Universität Austin bei John Archibald Wheeler promoviert.

http://de.wikipedia.org/wiki/Wojciech_Zurek
Archibald Wheeler
Als Ansatz für die Quantentheorie der Gravitation führte er (Wheeler) mit Bryce DeWitt die Wheeler-Dewitt-Gleichung als eine Wellenfunktion des gesamten Universums ein.

http://de.wikipedia.org/wiki/John_Archibald_Wheeler

Prof Zeh
Er (Zeh) beschäftigte sich schon seit den 1960er Jahren mit den Grundlagenproblemen der Quantenmechanik, insbesondere mit der Many-Worlds-Interpretation von Hugh Everett III, wobei er bei der Untersuchung darin offen gelassener Fragen zu einem der Begründer der Theorie der Dekohärenz wurde.[3], die in den 1980er Jahren von Wojciech Zurek, Zeh, Erich Joos (ebenfalls in Heidelberg), Claus Kiefer (der bei Zeh promovierte) und anderen ausgebaut wurde.

http://de.wikipedia.org/wiki/Dieter_Zeh
Das sind alles Realisten und deren Aussagen darf man nicht einfach mit dene der Schulmeinung also mit denen von Zeilinger mischen ! Das ist doch selbstverstaendlich.
@Hawkwind
Danke fuer das Paper, das scheint mir recht interessant. Gerade weil Zurek sicherlich die VWI nun nicht sonderlich betont. Leider, weil dies dann zu solchen Missverstaendnissen fuehrt.

Gruesse

Hawkwind
07.03.12, 13:41
Hi

Mich stoert hier lediglich der Begriff der "Wechselwirkung". Denn damit kann doch nur eine physikalische Wechselwirkung gemeint sein. Und dies entspricht nicht der Schulmeinung.


Das Dekohärenzprogramm ist doch längst "Schulmeinung". Lies doch mal z.B. die Papiere von Experimentatoren, die die Rolle von Dekohärenz bei der Übertragung von verschränkten Photonen über makroskopische Distanzen diskutieren: Dekohärenzzeiten gegen typische Zeiten des Experiments etc.. Schulmeinung heisst doch nicht: Stand Quantenmechanik und ihrer Deutungen im Jahr 1936; Physik entwickelt sich weiter.


Die Schulmeinung vertritt Anton Zeilinger. Die Kopenhagener Deutung in Verbindung mit dem Dekohaerenzprogramm genannt Kopenhagener Interpretation.


Nur am Rande: was ist das für eine Wortschöpfung: "Kopenhagener Deutung" und "Kopenhagener Interpretation" sind Synonyme.


...
Natuerlich gibt es bezueglich der Gleichungen nur ein Dekohaerenzprogramm aber Zeilinger kann doch nicht ins Lager der Viele Welten wechseln. Also musste er eine Kopenhagener Version des Dekohaerenzprogrammes entwickeln. Und die kann unmoeglich die Ausagen von Zurek enthalten die der Betreiber dieses Forums wohl einfach abgepinselt hat. So geht das nicht !


Ich sehe nicht, dass Zurek in dem Papier irgendeine Deutung vertritt. Er diskutiert doch zu Anfang kurz beide: Kopenhagen & VWI. Nach meinem Verständnis ist Dekohärenz nicht so etwas wie eine zusätzliche Deutung und ersetzt die Deutungen auch nicht ... ergänzt sie höchstens.

Um z.B. die Nichtlokalität im EPR-Experiment zu beschreiben, reicht die Dekohärenz nicht; du wirst eine der Deutungen hinzuziehen müssen.

Mir gefallen die mehr populärwissenschaftlichen Beschreibungen auf quanten.de dazu sehr gut. Die wissenschaftlichen Arbeiten zur Dekohärenz nachzuvollziehen ist ja nun nicht so einfach.

Gruß,
Hawkwind

Bauhof
07.03.12, 14:54
Das Dekohärenzprogramm ist doch längst "Schulmeinung".
Hallo Hawkwind,

ja, das denke ich auch. Ich las einige Bücher von Zeilinger. Daraus erhellt das.

Zeilinger schreibt in [1] auf Seite 101:
In allen diesen Fällen können wir dann von einer Kopplung unseres interferierenden Teilchens mit der Umgebung sprechen. Diese Kopplung transportiert Information in die Umgebung, und zwar Information darüber, welchen Weg das Teilchen genommen hat. Und wenn diese Information vorhanden ist, kommt es eben nicht zu dem Interferenzphänomen. Man bezeichnet diesen Verlust von Interferenzfähigkeit auch als Dekohärenz.
Zeilinger schreibt in [1] auf Seite 105:
So ein Experiment haben wir durchgeführt, indem wir die Fullerenmoleküle künstlich aufheizten, was durch die Strahlen eines sehr starken Lasers geschehen kann. Wenn die Fullerenmoleküle sehr heiß sind, in unserem Fall etwa 3000 Grad Celsius, dann senden sie so viele Photonen aus, dass das Interferenzbild tatsächlich verschwindet. In diesem Fall haben wir also eine klare Demonstration der Dekohärenz wegen ausreichend starker Kopplung an die Umgebung.

Ob man nun den Verlust der Interferenzfähigkeit als Kohärenz-Zusammenbruch der Wellenfunktion oder als Kollaps der Wellenfunktion bezeichnet, dürfte doch auf das gleiche hinauslaufen, oder nicht? 'Kollaps der Wellenfunktion' scheint nur ein veralteter Begriff aus den Zeiten von Born, Bohr und Heisenberg zu sein.

Mit freundlichen Grüßen
Eugen Bauhof

[1] Zeilinger, Anton
Einsteins Schleier. Die neue Welt der Quantenphysik. (http://www.amazon.de/gp/product/3406502814/sr=1-1/qid=1331132178/ref=olp_product_details?ie=UTF8&me=&qid=1331132178&sr=1-1&seller=)
München 2003. ISBN=3-406-50281-4

Timm
07.03.12, 16:09
Hallo Eugen,


Ob man nun den Verlust der Interferenzfähigkeit als Kohärenz-Zusammenbruch der Wellenfunktion oder als Kollaps der Wellenfunktion bezeichnet, dürfte doch auf das gleiche hinauslaufen, oder nicht? 'Kollaps der Wellenfunktion' scheint nur ein veralteter Begriff aus den Zeiten von Born, Bohr und Heisenberg zu sein.

Ich habe gerade überlegt, wie oft wir Zeilinger schon zitiert haben, mich eingeschlossen.

Nach meinem Eindruck verbindet er 'Kollaps der Wellenfunktion' nicht mit dem Dekohärenzprozess, sondern mit dem Meßprozess, also dem "Klick" des Detektors, S. 190 ff. Für ihn ist die Wellenfunktion nicht "als etwas Realistisches zu betrachten, das in Raum und Zeit existiert" sondern als ein mentales Konstrukt, eine Rechenvorschrift, die Wahrscheinlichkeiten angibt. Im Moment des "Klicks" beim einen Detektor sinkt die Wahrscheinlichleit beim anderen auf 0. Insofern stellt sich gar nicht die Frage, ob sich da etwas in Raum und Zeit ausbreitet und dann kollabiert.

Gruß, Timm

RoKo
07.03.12, 16:17
Für eine intensivere Beschäftigung mit Zurek würde ich die jüngere Arbeit
"Relative States and the Environment: Einselection, Envariance, Quantum Darwinism, and the Existential Interpretation" (http://arxiv.org/abs/0707.2832) empfehlen.

Bauhof
07.03.12, 16:49
Im Moment des "Klicks" beim einen Detektor sinkt die Wahrscheinlichkeit beim anderen auf 0. Insofern stellt sich gar nicht die Frage, ob sich da etwas in Raum und Zeit ausbreitet und dann kollabiert.

Hallo Timm,

ja.
Wenn man beim beim Ausdruck "Kollabieren" bleiben will, dan kollabiert im Moment des "Klicks" eben die Rechenvorschrift (die Bornsche Wahrscheinlichkeitsfunktion) und nicht eine realistische Welle.

M.f.G. Eugen Bauhof

P.S.
Aber die Bornsche Wahrscheinlichkeitsfunktion negieren diejenigen 'Realisten', die immer noch daran zweifeln, dass unsere physikalische Welt probalistisch ist.

RoKo
07.03.12, 17:00
Zeh, Zeilinger und Zurek beginnen zwar alle mit "Z", sagen aber höchst unterschiedliches, wenn sie von Dekohärenz reden, weil sie explizit oder implizit von anderen Grundannahmen ausgehen. Das macht Debatten über Quantenphysik so unendlich schwierig und irgendwelche Zitate sind nur hilfreich, wenn man sich über diese Grundannahmen in Kenntnis gesetzt hat.

So hat z.B. Zureks Aussage (zitiert von Hawkwind) : "They can retain correlations with the rest of the Universe in spite of the environment." mit Sicherheit nichts mit dem ursprünglichen Thema dieses Thread zu tun. Er gibt eher Philiph Wehrli recht: "wir sind miteinander verschränkt".

Philipp Wehrli
07.03.12, 17:17
Auf den Seiten unseres Betreibers z.B. findest du, wie sich das Katzenparadoxon heutzutage auflöst:
http://www.quanten.de/pdf/schroedingers_katze.pdf


Ich finde diese Darstellung ungeschickt, obwohl sie nicht wirklich falsch ist. Sie ist ungeschickt, weil sie impliziert, dass die Welt, die wir wahrnehmen, objektiv realer ist, als die Welt, die 'kollabiert' ist. Nach dem Formalismus der Quantentheorie ist sie aber nur relativ zu uns realer, weil wir zur selben Welt gehören.

Der Formalismus der Quantentheorie beschreibt nicht, wie etwas kollabiert, sondern er beschreibt, wie sich die zwei Teile der Überlagerung orthogonal zu einander stellen. Weil sie orthogonal zueinander stehen, interferieren sie nicht mehr. Weil wir in der einen Welt sind, die orthogonal auf einer anderen Welt steht, in der wir in einem anderen Zustand sind, können wir die andere Welt nicht mehr wahrnehmen. Das ist, was der Formalismus der Quantentheorie, nämlich die Dekohärenztheorie, beschreibt. Und weil der eine Teil von uns nicht mehr beobachtet werden kann, lassen wir ihn dann in der Beschreibung auch weg.

Weshalb ist er nicht mehr beobachtbar? - Nach der Quantentheorie gibt es theoretisch eine Messung, mit der nachgewiesen werden kann, dass die Katze überlagert ist. Und es gibt auch theoretisch eine Messung, mit der nachgewiesen werden könnte, dass Wigners Freund eine Überlagerung beobachtet hat. Nur: Diese Messung wäre extrem aufwändig. Um sie durchzuführen, müsstest du den Zustand aller Teilchen im Umkreis mehrerer Lichtminuten exakt kennen und du müsstest diese Zustände miteinander verrechnen. Dies ist praktisch völlig undenkbar.

Dekohärenz heisst also nicht 'Kollaps', sondern es bedeutet, dass die nötige Information so weit verteilt ist, dass sie niemand mehr zusammensuchen kann. Beobachter sind lokale Wesen. Deshalb können sie Überlagerungen nur beobachten, wenn sie praktisch lokal sind. Schon beim Quantenradierer, wo nur ganz wenige Teilchen beteiligt sind, die nahe beieinander liegen, ist es sehr anspruchsvoll, die Überlagerung sichtbar zu machen. Dass die Überlagerung aber verschwindet, ist eine Behauptung ohne jede Grundlage.

Übrigens stellt das auch Roger Penrose in 'Computerdenken' klar, dass die makroskopische Welt keineswegs klassisch wird, wenn wir sie quantenmechanisch beschreiben. Die Überlagerungen werden dann nur umso verrückter, auch wenn wir sie nicht mehr sehen.

richy
07.03.12, 18:33
Wir sind uns doch einig, dass man zum Beispiel einem jungen interessierten Menschen nicht die Viele Welten Interpretation als Erklaereung der Quantenmechanik anbieten wuerde ohne nicht deutlich darauf hinzuweisen. Das passiert aber staendig im Dekohaerenzprogramm.
Demnach kollabiert die Wellenfunktion nicht erst durch einen Beobachter, sondern durch Wechselwirkungen des Systems mit der Umgebung.
Ich hatte hier lediglich den Satz "Wechselwirkung" bemaengelt. Weil jeder wird doch meinen, dass dies eine physikalische Wechselwirkung sei. Weil dies eben naheligend ist. Und dann waere die QM ploetzlich ganz einfach verstaendlich. Die Dekohaerenz waere eine rein physikalische und damit realistische Erklaerung. Der Preis : VWI oder BM.

@Bauhof
Vielen Dank dass du beide Zeitate von Zeilinger verwendet hast. Ich kann Hellsehen und weiss dass Zeilinger nie und nimmer schreiben wuerde, dass die Dekohaerenz eine rein physikalische und damit realistische Erklaerung waere. Wie auessert er dies ? Du hast den entscheidenden Satz sogar fett markiert :
In allen diesen Fällen können wir dann von einer Kopplung unseres interferierenden Teilchens mit der Umgebung sprechen. Diese Kopplung transportiert Information in die Umgebung, und zwar Information darüber, welchen Weg das Teilchen genommen hat.
Er spricht nicht von Wechselwirkung sondern von Kopplung. Und das ist keine physikalische Wechselwirkung sondern eine Kopplung informatorischer Art. Da wird Information angekoppelt. Und die muss sich nichtmal ausbreiten. Die ist entweder da oder sie ist nicht da. Und das genuegt fuer die Dekohaerenz. Ja ist der Zeilinger denn uebergeschnappt, dass er diese schoene physikalische Deutung durch so eine informatorische Hirnverdreherei ersetzt. Keinesfall. Zeilinger ist nunmal genau und konsequent. Momentan wohl einer der wenigen Physiker, dem man solche Eigenschaften noch zusprechen kann. Denn nichteinmal in einem Quantenforum haelt man es fuer noetig den Sachverhalt genau und konsequent, naemlich gemaess der Schulmeinung und nicht gemaess der VWI oder BM zu beschreiben.
In diesem Fall haben wir also eine klare Demonstration der Dekohärenz wegen ausreichend starker Kopplung an die Umgebung.

Kopplung nicht physikalische Wechselwirkung ! Informatorische Kopplung wie man es im ersten Zitat nachlesen kann.
Das Dekohärenzprogramm ist doch längst "Schulmeinung".
Klar und das ist super. Aber wie man sieht ist die realistische Dekohaerenzinterpretation, also die der VWI oder BM anscheinend Schulmeinung. Nicht die Auslegung von Zeilinger. Ich kann doch nicht sagen. "Leute weil es so schoen bequem und anschaulich ist verwenden wir bezueglich des Dekohaerenzprogrammes mal "Viele Welten". Physikalische Wechselwirkung anstatt "informatorischer Kopplung" Und spaeter lachen wir dann wieder fleissig ueber die VWI.

Nur am Rande : Zeilinger verwendet fuer seine Deutung nur noch konsequent die Bezeichnung Kopenhagener Interpretation. Weil diese eine solche Bezeichnung tatsaechlich verdient hat und um sie somit abzugrenzen von der historischen KD. Jener ohne Dekohaerenzprogramm.
Ich sehe nicht, dass Zurek in dem Papier irgendeine Deutung vertritt.
Ja klar. Der Mensch ist ja nicht doof. So wird zwar der Quantenselbstmord vorgeschlagen aber nicht eine Rufschaedigung durch sympathiesieren mit einer VWI. :-) Deshalb ist das Paper auch sehr interessant. Denn zwischen den Zeilen vertritt er schon eine Meinung.
They can retain correlations with the rest of the Universe in spite of the environment.

Ich bin mir nichteinmal sicher ob man dies mit physikalischer Wechselwirkung richtig uebersetzt, beschreibt. Ob da nicht die globale Entropie eine Rolle spielt. Also das selbe wie bei Zeilinger nur in "physikalisch" anstatt "abstrakt".
Um z.B. die Nichtlokalität im EPR-Experiment zu beschreiben, reicht die Dekohärenz nicht; du wirst eine der Deutungen hinzuziehen müssen.
Genau.Und konsequenterweise musst du beides gleich deuten. Nicht wie es gerade am bequemsten ist.

Gruesse

richy
07.03.12, 21:33
Hi Timm
Für ihn ist die Wellenfunktion nicht "als etwas Realistisches zu betrachten, das in Raum und Zeit existiert" sondern als ein mentales Konstrukt, eine Rechenvorschrift, die Wahrscheinlichkeiten angibt.So ist es. Und es war in der Kopenhagener Deutung auch nie anders. Und der einzigste der dies schon mal explizit im Forum eingeraeumt hat war Bauhof. Dass ausser dieser mentalen, abstrakten Wellenfunktion ueberhaupt nichts Physikalisches existieren soll. Was natuerlich ueber jede menschliche Vorstellungskraft hinausgeht. Und deshalb stellt der Wellenkollaps interpretatorisch eine ganz wichtige Groesse dar. Das ist der Uebergang zwischen einer rein abstrakten, mentalen Welt zur physikalischen Welt. In der Form, dass ein Ereignis realisiert und damit physikalisiert wird. Bei der BM oder VWI ist das nicht notwendig, da die Physikalitaet der Welle (VWI) oder das Teilchens (BM) stets gewahrt bleibt. Dennoch gibt es auch hier einen Realisationsprozess. Blos ist das kein Uebergang zwischen den zwei voellig gegensaetzlichen Welten der KI, die Hawkwind mittels einer Zeichnung im Forum mal dargestellt hatte.
Nach meinem Eindruck verbindet er 'Kollaps der Wellenfunktion' nicht mit dem Dekohärenzprozess, sondern mit dem Meßprozess, also dem "Klick" des Detektors, S. 190 ff. Es waere interessant dies in Erfahrung zu bringen. Nach deinem Eindruck wuerde Zeilinger weiter dem Beobachter eine zentrale Rolle zuschreiben. Und wenn jemand meinte dies muesste kein mentaler, bewusster Beobachter sein, dann sollte dieser bitte schoen erklaeren, was denn ein bewusstloser Beobachter darstellen soll ! Die koeperlichen Eigenschaften eines Beobachters spielen keine Rolle, denn das waere die realistische Auffassung. Was ist somit ein bewusstloser Beobachter ? Was soll das sein ?
Den gibt es tatsaechlich. Das ist die Information selbst. Ein abstrakter Raum an den die neue Information ankoppelt. Eine Art Bewusstsein des ganzen Universums selbst. Dessen Information. Physikalisch : Dessen globale Entropie. Und das waere die Version die Bauhof beschrieben hat :
Ob man nun den Verlust der Interferenzfähigkeit als Kohärenz-Zusammenbruch der Wellenfunktion oder als Kollaps der Wellenfunktion bezeichnet, dürfte doch auf das gleiche hinauslaufen, oder nicht? Wie bereits beschrieben nicht ganz. Denn der Kohaerenz Zusammenbruch im Sinne von Kopehagen beinhaltet den Uebergang der Welle aus dem abstrakten Raum in den physikalischen Raum. Ich vermute aber fast Zeilinger geht sogar noch einen Schritt weiter. Dass auch er den Kollaps gar nicht mehr als Uebergang versteht. Die philosophischen Konsequenzen waeren natuerlich unvorstellbar. Alles in dieser Welt waere nur noch rein gedacht. Die Physikalitaet selbst waere ein reines Gedankenkonstrukt aus Relationen gedanklicher Objekte. Das waere die extremste Auslegung der Kopenhagener Interpretation. Ungeheuerlich meint man. Nein ueberhaupt nicht. Denn dies entspraeche dann voellig der realistischen Vorstellung der VWI, in der man lediglich den Begriff der Physikalitaet durch "Informationell" ersetzt hat. Ob Zeilinger tatsaechlich so denkt bin ich mir aber nicht sicher.

@Bauhof
Wenn man beim beim Ausdruck "Kollabieren" bleiben will, dann kollabiert im Moment des "Klicks" eben die Rechenvorschrift (die Bornsche Wahrscheinlichkeitsfunktion) und nicht eine realistische Welle.
Genau. Es war nie anders. Und die Rechenvorschrift ist selbst das Objekt. Eine Wahrscheinlichkeit beschreibt einen Wuerfel. Aber in dem Fall existiert kein Wuerfel. Was natuerlich unvorstellbar ist. Wir kennen im Makokosmos solch einen Fall nicht.

Gruesse

richy
07.03.12, 21:39
P.S.
Aber die Bornsche Wahrscheinlichkeitsfunktion negieren diejenigen 'Realisten', die immer noch daran zweifeln, dass unsere physikalische Welt probalistisch ist.
Nein ! Warum das denn ? Warum soll ich negieren, dass ein Wurfel durch Wahrscheinlichkeiten beschrieben werden kann ? Es wird nur negiert, dass kein Wuerfel existieren soll.

RoKo
08.03.12, 05:20
Hallo richy,
Es wird nur negiert, dass kein Wuerfel existieren soll.Du bringst das schön auf den Punkt.

Für die Antirealisten von Bohr bis Zeilinger gilt: Es gibt keine Würfel (Quantenwelt). Ihre Fans wollen das bloss nicht zur Kenntnis nehmen.

RoKo
08.03.12, 07:10
Hallo Philipp,

.. Der Formalismus der Quantentheorie beschreibt nicht, wie etwas kollabiert, sondern er beschreibt, wie sich die zwei Teile der Überlagerung orthogonal zu einander stellen. Weil sie orthogonal zueinander stehen, interferieren sie nicht mehr. Weil wir in der einen Welt sind, die orthogonal auf einer anderen Welt steht, in der wir in einem anderen Zustand sind, können wir die andere Welt nicht mehr wahrnehmen. Das ist, was der Formalismus der Quantentheorie, nämlich die Dekohärenztheorie, beschreibt.
Wenn du Masse und Ladung als Sytemkonstanten in den Formalismus mit einbeziehst, dann siehst du, dass es nur eine reale und viele leere Welten gibt. Womit wir bei der BM wären.

.. .. Beobachter sind lokale Wesen. ..
Wäre deine Beschreibung richtig, dann wäre es höchst erklürungsbedürftig, wie den überhaupt Beobachter entstehen könnten. Es nützt nichts, dass Emergenzproblem auf die Umwelt zu schieben, weil auch das Entstehen der Umwelt erklärungsbedürftig ist.

Übrigens stellt das auch Roger Penrose in 'Computerdenken' klar, dass die makroskopische Welt keineswegs klassisch wird, wenn wir sie quantenmechanisch beschreiben. Die Überlagerungen werden dann nur umso verrückter, auch wenn wir sie nicht mehr sehen.
Womit nochmals klargestellt ist, dass es keinen Weg von der Quantenmechanik zur klassischen Mechanik gibt.

Philipp Wehrli
08.03.12, 15:28
Wenn du Masse und Ladung als Sytemkonstanten in den Formalismus mit einbeziehst, dann siehst du, dass es nur eine reale und viele leere Welten gibt. Womit wir bei der BM wären.



Ladung und Masse bleiben in jeder Welt erhalten. Wenn es leere Welten gäbe, wären in diesen ja Masse und Ladung nicht erhalten. So etwas wurde noch nie beobachtet.




Wäre deine Beschreibung richtig, dann wäre es höchst erklürungsbedürftig, wie den überhaupt Beobachter entstehen könnten. Es nützt nichts, dass Emergenzproblem auf die Umwelt zu schieben, weil auch das Entstehen der Umwelt erklärungsbedürftig ist.



Ich sehe das Problem nicht. Kannst du das näher erläutern?




Womit nochmals klargestellt ist, dass es keinen Weg von der Quantenmechanik zur klassischen Mechanik gibt.
Ja.

Philipp Wehrli
08.03.12, 15:33
Da verschweigst Du aber das Wesentliche. Schrödinger wollte darauf hinaus, daß Katzen gerade nicht in überlagerten Zuständen sind, sondern entweder tot oder lebendig.

http://de.wikipedia.org/wiki/Schr%C3%B6dingers_Katze
Beachte den Konjunktiv.
Und Manjit Kumar kommentiert in seinem Buch "Quanten" Seite 381:
Völlig richtig. Schrödinger war wie Einstein nicht glücklich über die Implikationen der Quantentheorie. Sie versuchten, Alternativen zu finden. Aber ihre Suche war vergebens, und wir wissen heute, dass Schrödingers und Einsteins Hoffnung nicht erfüllbar ist. Am ehesten wird sie durch die Viele-Welten Interpretation erfüllt, die wenigstens lokal-realistisch ist.

Philipp Wehrli
08.03.12, 15:41
Vorläufiges Facit: Der "heute verwendete Formalismus der Quantentheorie", also Schrödinger-Gleichung + Bornregel reicht zum Berechnen ("shut up and calculate") völlig aus. Zur weitergehenden Welterklärung ist er jedoch unzureichend.


Das ist ja alles völlig richtig, was du sagst. Es stimmt genau mit dem überein, was ich auch sage.
Was ich deiner Ausführung hinzufüge, ist:
Wenn keine adäquate Beschreibung der Experimente möglich ist, die ohne Überlagerung auskommt, dann gibt es auch in der Realität ein Äquivalent zu dieser Überlagerung.

RoKo
08.03.12, 16:53
Ladung und Masse bleiben in jeder Welt erhalten. Ach ja? Und wo kommen diese vielen Ladungen und Massen in diesen vielen neu entstandenen Welten her?

Falls ich dich da missverstehe, müsstest du näher explizieren, was du meinst.

Ich sehe das Problem nicht. Kannst du das näher erläutern? Mir fehlt die Vorstellungskraft (oder die nähere Erläuterung), wie auf der Basis deiner Theorie jemals Menschen und die klassische Welt unserer Erfahrung entstanden sein könnte.

JoAx
08.03.12, 17:10
Hi Leute!

Ich finde schon, dass man hier vom Thema abdriftet.

Mir ist klar, dass jede beliebige Frage, die die QM betrifft auch hin zum "Streit der Interpretationen" führen kann, Aber irgendwie endet hier wirklich jedes Thema in solchen Diskussionen.

Das geht sicher auch besser "gemanaged". Oder?


Gruß, Johann

Timm
08.03.12, 17:37
Völlig richtig. Schrödinger war wie Einstein nicht glücklich über die Implikationen der Quantentheorie. Sie versuchten, Alternativen zu finden. Aber ihre Suche war vergebens, und wir wissen heute, dass Schrödingers und Einsteins Hoffnung nicht erfüllbar ist. Am ehesten wird sie durch die Viele-Welten Interpretation erfüllt, die wenigstens lokal-realistisch ist.
Diese Meinung, der ja auch einige bekannte Physiker sind, sei Dir selbstverständlich unbenommen.

Mich stört, daß eine reine Rechenvorschrift, ein statistisches Konzept, die Konsequenz einer lebenden Katze in der einen und einer toten in der anderen Welt haben soll.

Ein relativ breiter Konsens besteht in darin, daß durch fortschreitende Verschränkung, den Dekohärenzprozess also, etwas entsteht, das durch nichts von der klassischen Welt unterscheidbar ist. Und das ohne den Verweis auf die vielen Welten. Mir genügt das. Weshalb sollen unbedingt alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden?

Wenn man ein paar Detektoren hat, macht immer nur einer "Klick" und das bei vielfacher Wiederholung mit der richtigen Wahrscheinlichkeit, die die Rechenvorschrift vorhersagt. Die Detektoren, die jeweils leer ausgingen hatten Pech.

Zugegebenermaßen verwirrt mich, daß viel klügere Leute, wie Herr Zeh, mit dem ich mal eine kurze Korrespondenz hatte, das anders sehen. Als störend empfinde ich den gelegentlich anzutreffenden missionarischen Eifer (welcher Richtung auch immer), der völlig verkennt, daß es um Interpretationen also letztlich um nicht beweisbare persönliche Meinungen geht.

richy
08.03.12, 17:47
Hi Joax
Mich interessiert die Eingangsfrage ja auch. Aber deren Loesung haengt zumindestens von der Beschreibung dann doch stark von der Interpretation ab. Und ich finde es momentan sehr positiv, dass doch mal recht entspannt ueber das Thema geplaudert wird. Phillip schreibt dazu nur sehr selten hier und Roko auch nicht regelmaessig. Gerade an Roko haette ich noch einige Fragen. Die Beantwortung der Eingangsfrage wird momentan doch nicht gestoert. Eher etwas vorbereitet.
Viele Gruesse

richy
08.03.12, 19:16
Hi Phillipp Hi Roko
Der Formalismus der Quantentheorie beschreibt nicht, wie etwas kollabiert, sondern er beschreibt, wie sich die zwei Teile der Überlagerung orthogonal zu einander stellen.
Damit meinst du sicherlich den hochdimensionalen Zustandsraum. Den gibt es auch in der Bohmschen Mechanik und inzwischen sicherlich auch bei Zeilingers Interpretation. Blos sind da alle anderen Welten "nur gedacht" und das stoert natuerlich niemanden. Vielleicht schaut Bahof nochmal nach wo Zeilinger den Wellenkollaps annimmt. Beim orthogonal stellen, also im Dekohaerenzvorgang oder beim Zaehlerklick. (Beobachter) Ich sollte trotz Hellsehen mir endlich auch mal ein Buch von Zeilinger kaufen.

@Bauhof
Welches ist denn empfehlenswert und nicht zu teuer ?

Für die Antirealisten von Bohr bis Zeilinger gilt: Es gibt keine Würfel (Quantenwelt). Ihre Fans wollen das bloss nicht zur Kenntnis nehmen.
Ja klar. Wie soll man sich das denn auch vorstellen ? Ich hatte in meiner Studienzeit die groessten Verstaendnisprobleme mit der Schroedingergleichung weil ich einfach nicht verstanden habe was dies bedeuten soll. Ich hab mich gefragt ob ich einfach zu bloed bin um das zu verstehen. Oder ob ich da etwas missverstehe. Ok spaeter wars halt nur noch "calculate" ohne jedliche Vorstellung. In der VWI ist das uebrigends nicht sehr viel besser, denn da ist die Welle zwar physikalisch aber dennoch der eigentliche Gegenstand. Ich meine die QM ist noch lange nicht vollstaendig. Da stecken noch unzaehlige voellig unbekannte Prozesse dahinter. Geometrische Dynamiken des Raumes wie bei Heim zum Beispiel.
Ladung und Masse bleiben in jeder Welt erhalten. Wenn es leere Welten gäbe, wären in diesen ja Masse und Ladung nicht erhalten. So etwas wurde noch nie beobachtet.

Da sehe ich keinen Widerspruch. Die Trajektorien sind ja mehr als Hilfsgroessen zu betrachten. Das Teilchen ist das Ding an sich und das bleibt als Traeger von Eigenschaften immer konstant. Und wie diese Eigenschaften entstehen kann keine Interpretation erklaeren. Das fehlt eben.
Ach ja? Und wo kommen diese vielen Ladungen und Massen in diesen vielen neu entstandenen Welten her?
Darf ich meinen Senf dazu geben ? Ich haette dazu zunaechst eine Frage an Phillipp :
Tut mir leid, dass wir miteinander verschränkt sind. Aber ich kann's nicht ändern. Den Gag fand ich klasse :-) Aber ich meine es kommt bei diesem Ausdruck der Verschrankung im hochdimensionalen immer wieder zu Missverstaendnissen. Oder ich verstehe das falsch. In unserer Realitaet ist die Verschraenkung doch ein instabiler Zustand. Weil da salopp Ausgedrueck zwar schon Teilchen"traeger", Quanten existieren, aber die Eigenschaften dieser Quanten noch nicht eindeutig den entsprechenden Welten zugeordnet sind. Die Eigenschaften wissen noch nicht genau wo sie eigentlich hingehoeren. Und bei der Dekohaerenz entschraenken sich doch diese Zustaende. Ich sehe es somit gerade umgekehrt wie du. Was passiert dabei noch. Zeilinger wuerde sagen die Information des Teilchens koppelt sich an die Information unserer Realitaet an. Und ein Realist wuerde dies physikalisch formulieren. Und richtig. Dafuer wird teilweise auch der Begriff "Verschraenkung" verwendet. Diese Verschraenkung bedeutet doch dann lediglich mal in deinem Gag formuliert :
Tut mir leid, dass wir miteinander die selbe Realitaet teilen. Aber ich kann's nicht ändern. Klar das waere dann kein lustiger Gag mehr. Aber ist das nicht die eigentliche Bedeutung dieser Form der Verschraenkung ? Ich komme immer dabei durcheinander welche Verschraenkung denn nun gemeit ist. Und noch eine Frage an dich. In der KI muss ja nichts wechselwirken. Wie ist es in der VWI ? Kann man dort die Information nicht gleichsetzen mit derem physikalischen Traeger. Der Entropie ? Dann muesste auch nichts wechselwirken. Die Entropieaenderung reicht aus. Es gibt einen thermodynamischen Interpretationsansatz. Entspraeche diese Vorstellung diesem ?
In meiner Vorstellung teilt sich eine (universale de Witt) Welle somit lediglich immer mehr auf. Welche Erhaltungsprobleme ergeben sich wenn ich einen Laib Brot in Scheiben schneide ?
Eine wichtigerAspekt zur Dekohaerenz ist uebrigends noch jener. Feynman war besonders aus eionem Grund kein Freund der VWI. In einem nichtdiskreten Universum muesste es unendlich viele Welten geben. Das wird durch die Dekohaerenzzeit nun eingeschraenkt. Diese bestimmen die Anzahl der nun endlichen Welten.

Mein missionarischer Eifer besteht uebrigends lediglich darin, dass Kopenhagen genau wie alle anderen Interpretationen ihre Annahmen unmissverstaendlich und offen formuliert. Egal wie abgedreht diese dann auch erscheinen moegen. Das ist eine Frage der Fairness. Und dass selbt der Betreiber des Forums hier die Dekohaerenz realistisch erklaert zeigt, dass dies nicht selbstverstaendlich ist. Bei Zeilinger kann man dagegen nicht meckern.
Und dass die KI abstrakte Elemente salonfaehig gemacht hat sehe ich inzwischen eher als Vorteil. Wobei ich mir dennoch nur ganz selten Wunderpyramiden oder Heilungssteine kaufe :-) Und mich aergere dass ich nie im Lotto gewinne. Ich sollte mir doch mal endlich eines dieser Lotto Lose kaufen. Die Gewinnsteigerung waere dann uebrigends a/0.

Viele Gruesse

@Roko
Ganz vergessen. Wie beschreibt denn die BM grob umrissen die Dekohaerenz ? Immerhin gibt Wiki engl. an dass der eigentliche Ursprung die BM ist.

Philipp Wehrli
08.03.12, 22:10
Ach ja? Und wo kommen diese vielen Ladungen und Massen in diesen vielen neu entstandenen Welten her?


Nach meiner Interpretation beschreibt die Wellenfunktion die Realität. Die Masse ist proportional zur Frequenz der Wellenfunktion. Die Frequenz ändert sich aber nicht, wenn die Welle aufgespalten wird. Ein Beobachter, der eine der Teilwellen beobachtet hat, kann die andere nicht mehr sehen. Die andere Teilwelle bricht aber deswegen nicht zusammen. Sie hat immer noch die gleiche Frequenz.



Mir fehlt die Vorstellungskraft (oder die nähere Erläuterung), wie auf der Basis deiner Theorie jemals Menschen und die klassische Welt unserer Erfahrung entstanden sein könnte.
Ich verstehe das Problem nicht. Wenn du die Frage nach deiner Interpretation beantworten kannst, dann doch sicher auch nach meiner. Denn meine Interpretation enthält ja deine Welt. Die Dekohärenz macht, dass wir nur eine klassische Welt wahrnehmen können.

Die Viele-Welten Interpretation erklärt aber das bei dir unerklärliches Phänomen der Feinabstimmung. Wer die Viele-Welten Interpretation nicht mag, kommt meiner Ansicht nach nicht ohne einen Gott oder etwas Ähnliches aus. Dieser Gott ist das, was entscheidet, welche von zwei Möglichkeiten passiert. Und er ist das, was die Feinabstimmung machte.

JoAx
08.03.12, 22:11
Hi richy!


Aber deren Loesung haengt zumindestens von der Beschreibung dann doch stark von der Interpretation ab.


Die Lösung wird gleich sein. Lediglich die s.g. "Beschreibung" kann unterschiedlich ausfallen. Und das ist halt der Punkt. Es gibt überhaupt keine gemeinsame Basis auf intuitiver Ebene.


Und ich finde es momentan sehr positiv, dass doch mal recht entspannt ueber das Thema geplaudert wird.


Ich auch. Ich auch! Woran es wohl liegen mag? Vlt. daran, dass ausnahmsweise nicht absichtlich provozierend formuliert wird. (?) Nur geht es deswegen trotzdem nicht um die eigentliche Frage des Threads. (Rolf wusste schon, warum er den Vorschlag zum Ausgliedern machte. ;))


Eher etwas vorbereitet.


Das wage ich zu bezweifeln. :(


Gruß, Johann

Philipp Wehrli
08.03.12, 22:43
Mich stört, daß eine reine Rechenvorschrift, ein statistisches Konzept, die Konsequenz einer lebenden Katze in der einen und einer toten in der anderen Welt haben soll.

Natürlich hat nicht die Rechenvorschrift Konsequenzen in der realen Welt. Es ist umgekehrt: Die Tatsache, dass wir keine Rechenvorschrift finden, die nur mit einer lebenden oder nur mit einer toten Katze auskommt, ist mir verdächtig. Seit über achzig Jahren versuchen kluge Köpfe so eine Rechenvorschrift zu finden. Es geht einfach nicht. Weshalb eigentlich nicht? Wenn es in der Realität nur eine tote oder nur eine lebende Katze gibt, weshalb brauchen wir in der Theorie beide?




Ein relativ breiter Konsens besteht in darin, daß durch fortschreitende Verschränkung, den Dekohärenzprozess also, etwas entsteht, das durch nichts von der klassischen Welt unterscheidbar ist. Und das ohne den Verweis auf die vielen Welten. Mir genügt das. Weshalb sollen unbedingt alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden?

Ich kenne eben keine Theorie ohne Verweis auf die Vielen Welten.



Als störend empfinde ich den gelegentlich anzutreffenden missionarischen Eifer (welcher Richtung auch immer), der völlig verkennt, daß es um Interpretationen also letztlich um nicht beweisbare persönliche Meinungen geht.
Die Viele-Welten Theorie ist falsifizierbar. Denn nach dem Formalismus der Quantentheorie sind zu zwei möglichen Quantenzuständen auch alle Überlagerungen möglich. Und es gibt ein Experiment, mit dem diese Überlagerungen nachgewiesen werden können. Wenn eine Teilwelle plötzlich kollabiert, ist dies theoretisch nachweisbar, auch wenn der Nachweis schwierig ist.

Für mich geht es aber um grundsätzliche Fragen der Erkenntnistheorie:
1. Kann etwas existieren, das wir nicht wahrnehmen? - Ich sage ja.
2. Kann Information entstehen? - Ich sage nein.
3. Können wir die Welt vollständig verstehen? - Ich sage ja.
4. Gibt es einen Zufall? - Ich sage nein.

Wenn ich eine Uhr vollständig erklären will, deren Gehäuse ich nicht öffnen kann, dann muss ich in der Beschreibung Dinge verwenden, die ich nicht direkt beobachte. Wenn ich aber eine einfache Erklärung finde, wie ein Uhrwerk die Zeigerbewegung verursacht, denke ich, ich habe die Uhr ziemlich gut verstanden.

Ebenso sehe ich es beim Universum. Ich kann wohl nicht alles wahrnehmen. Aber wenn ich eine einfache Erklärung finde, wie all meine Beobachtungen entstehen, dann habe ich das Universum wohl recht gut verstanden. Es ist mir dann nicht mehr so wichtig, ob ich das Uhrwerk tatsächlich sehe oder nicht.

Timm
09.03.12, 10:45
Phillip, es besteht sicherlich Einigkeit, daß die Quantentheorie mit der Viele-Welten Interpretetation kompatibel ist. Andernfalls wäre sie schon längst ad acta gelegt. Die Kompatibilität läßt diese Interpretation zu, erzwingt sie aber nicht. Daß sie relativ haarsträubend ist, macht sie auch nicht plausibler.


Die Viele-Welten Theorie ist falsifizierbar. Denn nach dem Formalismus der Quantentheorie sind zu zwei möglichen Quantenzuständen auch alle Überlagerungen möglich. Und es gibt ein Experiment, mit dem diese Überlagerungen nachgewiesen werden können. Wenn eine Teilwelle plötzlich kollabiert, ist dies theoretisch nachweisbar, auch wenn der Nachweis schwierig ist.
Hier liegen Mißverständnisse vor. Wir sprechen bei der VWI über eine Interpretation der QT, nicht über eine Theorie.
Die VWI ist schlicht deshalb nicht falsifizierbar, weil ihre Aussage - die Vielen Welten - durch keinen Beobachtungssatz widerlegbar ist. Die VWI ist auch aus demselben Grund nicht verifizierbar (Popper). Deshalb ist und bleibt sie eine Interpretation, der man zuneigen kann oder nicht.

Wenn ich eine Uhr vollständig erklären will, deren Gehäuse ich nicht öffnen kann, dann muss ich in der Beschreibung Dinge verwenden, die ich nicht direkt beobachte. Wenn ich aber eine einfache Erklärung finde, wie ein Uhrwerk die Zeigerbewegung verursacht, denke ich, ich habe die Uhr ziemlich gut verstanden.

Ein gutes Beispiel. Du machst Aussagen, wie der Mechanismus beschaffen sein könnte. Er könnte aber auch ganz anders sein. Deine den Mechanismus betreffenden Aussagen sind manges Beobachtbarkeit weder falsifizierbar, noch verifizierbar.

Vertausche die Uhr mit dem Proton. Die Theorie macht Aussagen über dessen Konstituenten, die Quarks. Das Innere des Protons ist zumindest bis zu einem gewissen Grad der Beobachtung zugänglich, deshalb Theorie. Das Innere Deiner Uhr nicht, deshalb Interpretation.

Philipp Wehrli
09.03.12, 11:05
Hier liegen Mißverständnisse vor. Wir sprechen bei der VWI über eine Interpretation der QT, nicht über eine Theorie.
Die VWI ist schlicht deshalb nicht falsifizierbar, weil ihre Aussage - die Vielen Welten - durch keinen Beobachtungssatz widerlegbar ist. Die VWI ist auch aus demselben Grund nicht verifizierbar (Popper). Deshalb ist und bleibt sie eine Interpretation, der man zuneigen kann oder nicht.

Doch, die Viele-Welten Theorie wäre widerlegt, wenn ein Kollaps beobachtet würde. Umgekehrt ist aber die Kollaps-'Theorie' nicht widerlegbar, weil der Kollaps von den Vertretern ins Unbekannte herausgeschoben wird. Die Kollaps-'Theorie' ist also nach Popper gar keine wissenschaftliche Theorie. Das ist eine Tatsache.

Nebenbei gesagt halte ich nicht viel von Poppers Falsifizierbarkeitskriterium. Aber wenn man dies als Kriterium für Wissenschaftlichkeit nehmen will, dann muss man die Viele-Welten Theorie annehmen und den Kollaps verwerfen.

RoKo
09.03.12, 11:12
Hallo Timm,

.. Zugegebenermaßen verwirrt mich, daß viel klügere Leute, wie Herr Zeh, mit dem ich mal eine kurze Korrespondenz hatte, das anders sehen. Als störend empfinde ich den gelegentlich anzutreffenden missionarischen Eifer (welcher Richtung auch immer), der völlig verkennt, daß es um Interpretationen also letztlich um nicht beweisbare persönliche Meinungen geht.
Dieser Ansicht möchte ich widersprechen.

1. Ein mathematischer Formalismus ohne physikalische Interpretation ist keine Physik.
2. Eine physikalische Interpretation sollte in sich konsistent und nicht im Widerspruch zu anderen wissenschaftlichen Kenntnissen stehen.
3. Es ist allgemein bekannt, dass es derzeit keine widerspruchslos akzeptierte physikalische Interpretation gibt, die diesen Anforderungen genügt.
4. Es ist historisch darstellbar, dass die Ignoranzhaltung nach dem Motto "shut up und calculate" rund 50 Jahre lang den Erkenntnifortschritt aufgehalten hat.

Eine Berufung deinerseits auf Popper halte ich für unangemessen, weil es unter anderem auch Popper war, der frühzeitig auf Inkonsistenzen und Widersprüche hingewiesen hat.

JoAx
09.03.12, 11:14
HI!

Ich kann mit Timm gut mitgehen. Die Uhr kann rein mechanisch funktionieren (mit einem Pendel), oder aber auch elektronische Bauteile haben. Wenn man keine Möglichkeit hat das zu prüfen, sind halt beide mögliche Beschreibungen gleich gut (oder auch schlecht).

Doch, die Viele-Welten Theorie wäre widerlegt, wenn ein Kollaps beobachtet würde.


Das ist "hinterhältig". :D
Man könnte genau so gut sagen - "Die Kollaps-Theorie ist dann widerlegt, wenn die Vielen-Welten beobachtet wurden".
Auch die VW-en sind, wenn auch etwas anders, verschleierter, Verschiebung der Problematik ins Unbekannte, Unerfarbare.

Und nun?


Gruß, Johann

JoAx
09.03.12, 11:37
1. Ein mathematischer Formalismus ohne physikalische Interpretation ist keine Physik.

Was ist eine physikalische Interpretation, Rolf?


Gruß, Johann

RoKo
09.03.12, 11:54
Hallo Richy,

@Roko
Ganz vergessen. Wie beschreibt denn die BM grob umrissen die Dekohaerenz ? Immerhin gibt Wiki engl. an dass der eigentliche Ursprung die BM ist.

Vorab: Ich arbeite bis Ende 2013 in Hong Kong und bin somit von meinen Büchern 8000 km entfernt. Von daher kann ich nur aus der Erinnerung etwas dazu sagen.

In der neueren Literatur zur BM (Bohm & Hiley, Dürr, Passon, Schmelzer) spielt Dekohärenz nur eine untergeordnete Rolle, da sie in dieser Interpretation nur als Störfaktor auftritt.

Die im englischen Wiki angeführte Originalarbeiten von Bohm (1952) und Everett (1957) sind mir leider nicht zugänglich. Ich kann daher nur eine Vermutung aussprechen. Aus der BM ergibt sich der Begriff der bedingten Wellenfunktion. Das ist der Zweig der Wellenfunktion, der zum gemessenen Wert führt (sofern ich das richtig verstanden habe). Diese Idee führt Everett dann zu seinen relativen Zuständen; was ungefähr bedeutet, dass es bei n möglichen Messwerten eben auch n bedingte Wellenfunktionen gibt, die beim Beobachter dann zu n bedingten Bewusstseinszuständen führt. Der Begriff Dekohärenz wurde m.E. erstmals von Zeh (1968/1970) verwendet. Die Theorie der Dekohärenz greift diesen Gedanken in dem Sinne auf, dass dieser Prozess nun in die Umwelt verlagert wird. (Zur Umwelt gehört dann auch irgendwann der Beobachter).

Ich hoffe, ich war verständlich genug.

RoKo
09.03.12, 12:01
Was ist eine physikalische Interpretation, Rolf?


Eine physikalische Interpretation eines mathematischen Formalismus weist den benutzten Symbolen eine physikalische Bedeutung zu.

JoAx
09.03.12, 12:07
Eine physikalische Interpretation eines mathematischen Formalismus weist den benutzten Symbolen eine physikalische Bedeutung zu.

Was ist eine physikalische Bedeutung?

Timm
09.03.12, 14:02
Ich kann mit Tim gut mitgehen. Die Uhr kann rein mechanisch funktionieren (mit einem Pendel), oder aber auch elektronische Bauteile haben. Wenn man keine Möglichkeit hat das zu prüfen, sind halt beide mögliche Beschreibungen gleich gut (oder auch schlecht).


Genau, Johann. Philipp's Uhrenvergleich eignet sich ausgezeichnet, anschaulich zu zeigen, daß beliebige Erklärungsversuche nicht unterscheidbar sind, solange sich das Innere (die VW) der Beobachtung entzieht.

Gruß, Timm

RoKo
09.03.12, 14:13
Was ist eine physikalische Bedeutung?Physik ist eine Naturwissenschaft. Ich dachte, dass wüsstes du.

JoAx
09.03.12, 14:30
Physik ist eine Naturwissenschaft. Ich dachte, dass wüsstes du.

Das ist aber keine Antwort auf meine Frage.

Gut. Was ist eine Naturwissenschaft?

Als Naturwissenschaften werden jene Wissenschaften (http://de.wikipedia.org/wiki/Wissenschaft) bezeichnet, die sich mit der Erforschung der unbelebten und der belebten Natur (http://de.wikipedia.org/wiki/Natur) befassen, indem sie diese beobachten, messen, mit mathematischen (http://de.wikipedia.org/wiki/Mathematik) Methoden analysieren (http://de.wikipedia.org/wiki/Analyse), um ihr Verhalten schließlich in der Form allgemeiner Naturgesetze (http://de.wikipedia.org/wiki/Physikalisches_Gesetz) beschreiben (http://de.wikipedia.org/wiki/Deskription) und vorhersagen zu können. Als Natur wird in diesem Zusammenhang die Gesamtheit aller empirisch (http://de.wikipedia.org/wiki/Empirie) zugänglichen Phänomene von Materie (http://de.wikipedia.org/wiki/Materie_%28Physik%29) und Energie (http://de.wikipedia.org/wiki/Energie) betrachtet.

Wo liegt da "physikalische Bedeutung" verborgen, die über das mathematische hinausgeht?

Hawkwind
09.03.12, 14:46
Das ist aber keine Antwort auf meine Frage.

Gut. Was ist eine Naturwissenschaft?



Wo liegt da "physikalische Bedeutung" verborgen, die über das mathematische hinausgeht?

Das Schlüsselwort ist "Beobachtbarkeit".
Dann haben die entsprechenden Formeln den Charakter von "Vorhersagen" für Experimente.

JoAx
09.03.12, 15:04
Das Schlüsselwort ist "Beobachtbarkeit".
Dann haben die entsprechenden Formeln den Charakter von "Vorhersagen" für Experimente.

Da will ich nicht widersprechen.
Mathematischer Formalismus mit "physikalischen Bedeutungen", das nicht das "vorrechnet", was auch beobachtet wird, wäre keine Naturwissenschaft. Höchstens SciFi. (Star treck & co.)


Gruß, Johann

Philipp Wehrli
09.03.12, 21:11
Das ist "hinterhältig". :D
Man könnte genau so gut sagen - "Die Kollaps-Theorie ist dann widerlegt, wenn die Vielen-Welten beobachtet wurden".

Nur können die Vielen-Welten nicht beobachtet werden. Die Kollaps-Theorie könnte so ausformuliert werden, dass sie widerlegbar würde. Dazu müsste mal jemand sagen, wie der Kollaps genau abläuft. Das hat aber noch nie jemand getan. Das ist genau was ich kritisiere.

Ich habe nichts gegen eine Kollapstheorie. Wenn es eine plausible Beschreibung des Kollapses gäbe, fände ich das sogar eine sehr attraktive Idee. Was ich aber kritisiere, ist, dass der Kollaps bei jedem weiteren Experiment weiter ins Ungewisse verschoben wird. Das ist genau die Vorgehensweise der Esoteriker.

Philipp Wehrli
09.03.12, 21:27
Genau, Johann. Philipp's Uhrenvergleich eignet sich ausgezeichnet, anschaulich zu zeigen, daß beliebige Erklärungsversuche nicht unterscheidbar sind, solange sich das Innere (die VW) der Beobachtung entzieht.

Gruß, Timm
Erstens ist das ein Irrtum, der von den Erkenntnistheoretikern leider mit viel Energie verbreitet wird. Ein Richter steht oft genau vor diesem Entscheid: Er hat einen möglichen Täter gegen den viele Indizien sprechen und der nach menschlichem Ermessen überführt ist. Es gibt aber auch die Möglichkeit, dass das Verbrechen von einem Ausserirdischen ausgeführt wurde, der alle Spuren sorgfältig verwischt und den Verdacht auf den anderen gelenkt hat. Diese zwei Erklärungsversuche sind sehr wohl unterscheidbar und keineswegs gleichwertig. Richter wissen das. Erkenntnistheoretiker leider nicht.

Zweitens liegt das Problem darin, dass die Kollapstheorie nicht ausformuliert ist. Wann passiert der Kollaps? Wodurch wird er ausgelöst? Wer entscheidet, welche Welten kollabieren? Wie wird dieser Entscheid nichtlokal in der verbleibenden Welt verkündet? Weshalb wird dabei die Relativitätstheorie nicht verletzt?

Ich sehe viele offene Probleme. Es ist nicht wissenschaftlich zu sagen: "Das geht schon irgendwie, das braucht uns nicht zu interessieren." Zeig mir eine ausformulierte Kollapstheorie! Vielleicht kannst du mich überzeugen.

JoAx
10.03.12, 00:35
Hi Philipp!

Nur können die Vielen-Welten nicht beobachtet werden..


Und die Unbeobachtbarkeit soll ein wissenschaftliches Vorteil sein? Das wäre mir neu. In so einem Fall müsste man die LET der SRT vorziehen.


Dazu müsste mal jemand sagen, wie der Kollaps genau abläuft. Das hat aber noch nie jemand getan. Das ist genau was ich kritisiere.


Das mag man für eine Ausrede halten, aber der gemeine Wellen-Kollaps wird nicht im Sinne eines Vorganges betrachtet. Insofern kann es auf deine Frage wohl keine Antwort geben, die dich befriedigen würde. (Schätze ich mal.)


Er hat einen möglichen Täter gegen den viele Indizien sprechen und der nach menschlichem Ermessen überführt ist.
...


Das ist aber, nach meinem Einschätzen, keine adequate Umschreibung.

Es gibt zwei Opfer. Frau Anschauligkeit und Herr Gesunder von Menschenverstand. Dann gibt es, sagen wir mal, drei Geständige zu dem Verbrechen, deren aller Geschichten zwar zu den Fakten passen, aber dem gesunden Menschenverstand des Richters in unterschiedlicher Weise widersprechen.

So hätte ich es beschrieben.


Wann passiert der Kollaps? Wodurch wird er ausgelöst? Wer entscheidet, welche Welten kollabieren? Wie wird dieser Entscheid nichtlokal in der verbleibenden Welt verkündet? Weshalb wird dabei die Relativitätstheorie nicht verletzt?


Ich denke - es wäre interessant darüber zu diskutieren. Aber nicht aus der Einstellung - die "Idioten" sollen mal liefern. :)


Es ist nicht wissenschaftlich zu sagen: "Das geht schon irgendwie, das braucht uns nicht zu interessieren."


Die VWI beschreibt doch auch nicht wirklich, wie oder wann etwas passiert, sondern nur, dass etwas passiert.


Gruß, Johann

Bauhof
10.03.12, 08:36
Ich sollte trotz Hellsehen mir endlich auch mal ein Buch von Zeilinger kaufen.
@Bauhof: Welches ist denn empfehlenswert und nicht zu teuer?

Hallo Richy,

ich besitze zwei Bücher [1] und [2] von Zeilinger und beide kann ich sehr empfehlen.

M.f.G. Eugen Bauhof

[1] Zeilinger, Anton
Einsteins Schleier. Die neue Welt der Quantenphysik.
München 2003. ISBN=3-406-50281-4
http://www.amazon.de/dp/3406502814

[2] Zeilinger, Anton
Einsteins Spuk. Teleportation und anderer Mysterien der Quantenphysik.
München 2005. ISBN=978-3-570-00691-7
http://www.amazon.de/gp/product/3570006913

Timm
10.03.12, 10:51
Erstens ist das ein Irrtum, der von den Erkenntnistheoretikern leider mit viel Energie verbreitet wird.
Auch dein Glaube, etwas besser zu wissen, als die erwähnten Erkenntnistheoretiker sei Dir selbstverständlich unbenommen. Von irgendwoher mußt Du ja Deine Überzeugung schöpfen, daß die Vielen Welten nicht beobachtbar aber falsifizierbar sind.

Zweitens liegt das Problem darin, dass die Kollapstheorie nicht ausformuliert ist. Wann passiert der Kollaps? Wodurch wird er ausgelöst? Wer entscheidet, welche Welten kollabieren? Wie wird dieser Entscheid nichtlokal in der verbleibenden Welt verkündet? Weshalb wird dabei die Relativitätstheorie nicht verletzt?
Ein statistisches Konzept macht empirisch vielfach abgesichert die richtigen Vorhersagen. Mehr braucht man nicht. Eine Rechenvorschrift kollabiert nicht, deshalb gibt es keine Notwendigkeit einer Modifikation der Schrödinger'schen Wellenfunktion und Niemand muß entscheiden "welche Welten kollabieren".
Man muß sich damit abfinden, daß der menschliche Verstand nicht mit der Nichtlokalität zurecht kommt. Und, falsch, ein Widerspruch zur SRT besteht nicht. Mir wäre lokaler Realismus auch lieber, aber der Preis ist mir zu hoch. Dir nicht, ist doch ok!

Vielleicht kannst du mich überzeugen.
Gewiss nicht. Wenn das möglich wäre, hätten schon längst schlaue Köpfe die Viele-Welten Interpretation ad absurdum geführt. Weshalb sollte ich Dich auch überzeugen wollen, von Deinem Glauben abzufallen? Diesen Eifer habe ich nicht. In Glaubensdingen bin ich agnostisch, so auch in diesen.

RoKo
10.03.12, 12:29
Hallo JoAx, Timm, Hawkwind, Bauhof

1) meiner bescheidenen Meinung nach erforscht Naturwissenschaft das Verhalten von Natur und nicht lediglich das Beobachten von Messgeräten. Ohne eine Theorie weiss man nämlich nicht einmal, was diese Messgeräte anzeigen. Das ist bereits in der Elektrodynamik so.

2) Ob in einer Theorie prinzipiell unbeobachtbare Grössen vorkommen, spricht nicht zwingend gegen eine Theorie. Entscheidend ist die Übereinstimmung mit den empirischen Daten, ihre generelle Falsifizierbarkeit und ihr Erklärungsgehalt.

3) Die sogenannte "Kopenhagener Deutung" ist ein historisch aus der Not geborener Deutungsversuch, der zu seiner Konsitenz zwingend "klassisch" zu beschreibende Messgeräte erfordert. (Vgl. Texte von Bohr, Heisenberg, Pietschmann u.v.a). Dieser Deutungsversuch fand zu einer Zeit statt, wo weder die zugehörige Mathematik noch die experimentelle Praxis entsprechend entwickelt war.

4) Wer heute an der Kopenhagener Deutung festhält, betreibt keine Naturwissenschaft mehr sondern verhindert diese, weil
a) keine Aussagen über das Verhalten von Natur gemacht werden
b) die KD im Widerspruch zum Evolutionsgedanken steht.

5) Allgemein wird deshalb die "Kopenhagener Deutung" auch kaum noch mehr vertreten. (Konsequent tut dies meines Wissens nach nur noch Pietschmann, Uni Wien)
a) im deutschsprachigem Raum dominieren (nach Durchsicht diverser Vorlesungsskripte) die Pragmatiker, die sich entweder garnicht zu den Problemen äussern oder versuchen, die Probleme und die Lösungsansätze der verschiedenen Interpretationen darzustellen (sehr gut z.B. Prof.Suter, Uni Dortmund)
b) eine gewisse Rolle spielt noch die aus der KD über Weizäcker entstandene Informations-Interpretation, weil sie prominent von Zeilinger vertreten wird.
c) VWI (Zeh, Kiefer) und BM (Dürr, Tomulka) sind in Deutschland eher Exoten.
d) Im englischsprachigen Raum (und das ist der Rest der Welt!) dominiert die auf John von Neumann zurückgehende "Princton-Schule". [Achtung Philipp Werhli; deine Forderung, den Kollaps zu beschreiben, adressiert die Falschen] Fälschlicherweise wird diese "Schule" oft mit der KD verwechselt.
e) Weil der von John von Neumann postulierte "Kollaps" völlig unbefriedigend ist, setzt sich im englischsprachigen Raum immer mehr die konsequente Weiterentwicklung der "Princton-Schule" über Everett, Zeh und Zurek zur Dekohärenz/VWI durch.
f) Auch international ist die Gemeinde der BM nicht sehr groß.
g) Eine gewisse Rolle spielt in den Debatten noch der Vorschlag von GRW, in die Schrödinger-Gleichung den Kollaps quasi einzubauen. Da dies bei verbesserter Experementierpraxis nachweisbar sein müsste, wartet man allgemein ab.
h) In der philosophischen Debatte spielt die BM hingegen eine größere Rolle, seit Putnam eine positive Stellung bezogen hat.

6) Der hier im Forum stets vehement vertretene philosophische Positivismus und Antirealismus spielt im internationalen Masstab keine Rolle. Er ist schlicht nur ärgerlich, weil er unbewusst und unreflektiert vertreten wird.

7) Um es unmissverständlich klar zu stellen: Ich bin kein Anhänger einer Interpretation - ich habe ledigliche alle studiert. Richtig befriedigt bin ich nicht, weil es noch offene Fragen gibt.

Zitat von JoAx: Mathematischer Formalismus mit "physikalischen Bedeutungen", das nicht das "vorrechnet", was auch beobachtet wird, wäre keine Naturwissenschaft.
Da stimme ich auch zu, stelle aber zugleich fest, dass
a) BM und Dekohärenz/VWI beides tun
b) die pysikalische Bedeutung einer "Wahrscheinlichkeitsamplitude" oder
c) von Information als physikalische Entität höchst zweifelhaft ist,
wohingegen
d) die Schrödinger-Gleichung eine Energiegleichung ist und eine klare physikalische Bedeutung hat und demzufolge
e) die Wellenfunktion die tatsächliche (VWI) oder mögliche (BM) Ausbreitung der Energie eines Quantenobjektes beschreibt.

So, und nun zurück zum Thema.

RoKo
10.03.12, 13:13
Zum Thema:

Empirisch lassen sich drei verschiedene Arten von Beeinflussung von Quantenobjekten bzw. Wechselwirkungen unterscheiden:

1.) Quantenobjekte "unter sich" wechselwirken nicht, sondern sie verschränken sich.

2.) Reine Einschränkungen der Ausbreitung der Wellenfunktion wie z.B. Spalte, Doppelspalte und Gitter oder Dichtegrenzen o.ä. die zu Totalreflexion führen. Diese Art von Beeinflussung der Wellenfunktion verändert offensichtlich nur deren Form. Interferenzfähigkeit und Verschränkungen bleiben erhalten.

3.) Lokale Wechselwirkungen mit Energieaustausch o.ä.(wie z.B. Messungen). Diese zerstören Interferenzfähigkeit und [beobachtbare] Verschränkung.

Bauhof
10.03.12, 15:15
Hallo zusammen,

ich verschob diesen Thread hierher, weil er zum großen Teil nur noch aus Interpretationen der Quantentheorie besteht.

M.f.G. Eugen Bauhof

Timm
10.03.12, 16:58
stelle aber zugleich fest, dass
a) BM und Dekohärenz/VWI beides tun
b) die pysikalische Bedeutung einer "Wahrscheinlichkeitsamplitude" oder
c) von Information als physikalische Entität höchst zweifelhaft ist,
wohingegen
d) die Schrödinger-Gleichung eine Energiegleichung ist und eine klare physikalische Bedeutung hat und demzufolge
e) die Wellenfunktion die tatsächliche (VWI) oder mögliche (BM) Ausbreitung der Energie eines Quantenobjektes beschreibt.

Ich bevorzuge das, was man hat, Roko. Mit der Schrödingergleichung rechnet man beispielsweise elektronische Energieübergänge aus. Sie beschreibt aber nicht die Ausbreitung der Energie eines Quantenobjektes. Sieh hier den Kommentar der Uni Kiel (http://www.tf.uni-kiel.de/matwis/amat/mw1_ge/kap_2/backbone/r2_1_4.html) zum s-Orbital:

Das Bild gibt exakt die Wahrscheinlichkeiten wieder, die man mit der Schrödingergleichung ausgerechnet hat. Und mehr als Wahrscheinlichkeiten kann man nicht ausrechnen. In der Quantentheorie gibt es nur noch Gewißheit bezüglich der (direkt nicht meßbaren) Wellenfunktion, aber nicht mehr bei den beobachtbaren (d.h. direkt meßbaren) Größen!

Nimm versuchsweise an, die Energie eines Teilchens würde sich im Raum verteilt ausbreiten. Da können wir über Lichtjahre sprechen. Zum Zeitpunkt t ist die Wahrscheinlichkeit das Photon auf der Kugelschale zu finden überall gleich groß. Nun spricht der Detektor des Teleskops an und im selben Moment sinkt die Wahrscheinlichkeit auf Null es anderswo, zB. ein paar Lichtjahre entfernt nachzuweisen. Wie kommt die Energie instantan dort hin?
Was sich "ausbreitet", ist ein zeitabhängiger Wert für die Wahrscheinlichkeit ein Teilchen zu finden. Mehr hat man nicht, leider. Mit der BM habe ich mich wenig beschäftigt, sie scheint aber wegen zusätzlicher Annahmen nicht übermäßig Anklang zu finden.

Schönen Gruß nach Hongkong, bin anfang Mai auch wieder mal dort.

RoKo
11.03.12, 06:41
Hallo Philipp,

ich bin dir noch ein paar Antworten schuldig geblieben..

Nach meiner Interpretation beschreibt die Wellenfunktion die Realität. Die Masse ist proportional zur Frequenz der Wellenfunktion. Die Frequenz ändert sich aber nicht, wenn die Welle aufgespalten wird. Ein Beobachter, der eine der Teilwellen beobachtet hat, kann die andere nicht mehr sehen. Die andere Teilwelle bricht aber deswegen nicht zusammen. Sie hat immer noch die gleiche Frequenz.
E=n*h*f; das kann also nicht sein, da n=1.

Kennst du den sogenannten Bombentest-Versuch (http://www.univie.ac.at/future.media/qu/quantentheorie.html)?

Ich schliesse daraus, dass es in der Gesamtwelle ineffektive Teilkomponenten gibt; analog zum Blindstrom. (Nicht vergessen; die Welle ist komplex.)


Ich verstehe das Problem nicht. Wenn du die Frage nach deiner Interpretation beantworten kannst, dann doch sicher auch nach meiner. Denn meine Interpretation enthält ja deine Welt. Die Dekohärenz macht, dass wir nur eine klassische Welt wahrnehmen können.Zu diesem Thema werde ich einen neuen Thread aufmachen. Wer die Viele-Welten Interpretation nicht mag, kommt meiner Ansicht nach nicht ohne einen Gott oder etwas Ähnliches aus. Dieser Gott ist das, was entscheidet, welche von zwei Möglichkeiten passiert. Und er ist das, was die Feinabstimmung machte.Nimmst du den Mund nicht etwas zu voll?

RoKo
11.03.12, 07:09
Hallo Timm,

Ich bevorzuge das, was man hat, Roko. Mit der Schrödingergleichung rechnet man beispielsweise elektronische Energieübergänge aus. Sie beschreibt aber nicht die Ausbreitung der Energie eines Quantenobjektes. Sieh hier den Kommentar der Uni Kiel (http://www.tf.uni-kiel.de/matwis/amat/mw1_ge/kap_2/backbone/r2_1_4.html) zum s-Orbital:Statik und Dynamik sollte man schon auseinanderhalten.



Nimm versuchsweise an, die Energie eines Teilchens würde sich im Raum verteilt ausbreiten. Da können wir über Lichtjahre sprechen. Zum Zeitpunkt t ist die Wahrscheinlichkeit das Photon auf der Kugelschale zu finden überall gleich groß. Nun spricht der Detektor des Teleskops an und im selben Moment sinkt die Wahrscheinlichkeit auf Null es anderswo, zB. ein paar Lichtjahre entfernt nachzuweisen. Wie kommt die Energie instantan dort hin?
Was sich "ausbreitet", ist ein zeitabhängiger Wert für die Wahrscheinlichkeit ein Teilchen zu finden. Mehr hat man nicht, leider. Funktioniert dein Handy, dein Fernseher, dein Radio auch so? Breitet sich da auch ein zeitabhängiger Wert für die Wahrscheinlichkeit, einen Anruf zu empfangen, aus? Bemerkst du nicht die begrifflichen Inkonsistenzen, in die du dich damit begibst?

Wenn man die Maxwell'schen Gleichungen in die Schrödinger-Form bringt, dann haben die Wellenfunktion und ihre Intensität eine klare physikalische Bedeutung. Wenn man sukzessive die Intensität eines Lichtsrahls verringert, dann kann man den Übergang von einem "analogen" Bild zu einem "digitalen" Punktraster beobachten. Die Physik bleibt dabei gleich. Schönen Gruß nach Hongkong, bin anfang Mai auch wieder mal dort.Wie wär's mit nem kühlen Bier an der Harbourfront? Kannst dich ja per PM melden.

Timm
11.03.12, 10:30
Funktioniert dein Handy,
Ich war in meiner Jugend begeisterter Funkamateur und erinnere mich dunkel mit elektromagnetischen Wellen gearbeitet zu haben. Wahrscheinlichkeiten haben mich weniger interessiert,

Gruß, Timm

EMI
12.03.12, 12:48
Ich war in meiner Jugend begeisterter Funkamateur...EMI auch Timm,

aber nur Tastfunk, Quasselfunk hat mich nicht tangiert.

Gruß EMI

Timm
12.03.12, 16:00
EMI auch Timm,

aber nur Tastfunk, Quasselfunk hat mich nicht tangiert.

Gruß EMI
Oh, warst Du im high speed club, > 120 / s? Ich habe beides gemacht, blieb aber bei CW unter 100. Highlight war mal Kontakt zu einer russischen Südpolexpedition, das in CW.

Gruß, Timm

P.S. Wir müssen aufpassen, daß wir uns hier nicht verquasseln.