PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Gibt es vom Standpunkt der Physik eine wissenschaftlich existierende « Allgemeine Sys


Petruska
07.04.12, 18:39
Gibt es vom Standpunkt der Physik eine wissenschaftlich existierende « Allgemeine Systemtheorie“ bzw. „Systemwissenschaft“?

Da in letzter Zeit viel von System-Theorie die Rede war, und da anderseits dieses Forum in erster Linie der Physik dediziert ist, möchte ich folgendes, schon vorher angeschnittenes Diskussionsthema vorschlagen:
Gibt es Formen von System-Theorie, mit denen die Physik effektiv etwas anfangen kann?

Es ist klar, dass es auf vielen Gebieten, einschliesslich in der Physik, Problemstellungen gibt, wo analytisches Denken nicht am Platz ist. Sicherlich sind vor allem im geistes-, psyscho- und sozialwissenschaftlichen Bereich vielversprechende Ansätze geschaffen worden, die vielleicht auch der Physik neue Wege öffnen können.
ABER: Man darf nicht den Unterschied zwischen einem Diskurs ÜBER Phsysik und einem AN SICH physikalischen Diskurs vergessen.
Wenn man die Physik als solche auf system-theoretische Problemstellungen erweitern will, und das wäre in mancher Hinsicht höchst positiv, dann muss man meiner Ansicht nach erstmal Formalismen schaffen, die die Physik immanent im Sinne der Systemtheorie erweitern, oder besser noch die Physik als Spezialfall beinhalten.
Un davon sind wir,glaube ich, noch weit entfernt.

Um darauf hinzuweisen, dass systemtheoretische Ansätze, die sich im geistes-, psyscho- und sozialwissenschaftlichen Bereich pertinent erweisen und auch durchaus operationsmässig zu gebrauchen sind, nicht einfach so auf Physik übertragen werden können, möchte ich folgendes Beispiel vorbringen:
Die in erster Linie geistes-, psyscho- und sozialwissenschaftlich orientierte "Schule von Palo Alto" empfiehlt "Kybernetik", um das analytische Denken zu "überwinden", und um auf diese Weise einen authentisch system-theoretischen Überblick zu erreichen.
Meinerseits werde ich versuchen, mathematisch/formell zu beweisen, dass die Grundlagen der Kybernetik, wie sie N. Wiener in der berühmten Kapitän-Steuermann-Lotsen-Allegorie darstellt, SELBST zum (gebührend definierten) analytischen Denken gehören.
Ich bitte bei dieser Gelegenheit darum, – gegebenenfalls – erst dann über mich herzufallen, wenn alles gelesen ist.
Sollte mein – gruppentheoretisch geführter – Beweis akzeptiert werden , so geht dann daraus hervor, dass eine system-theoretische Erweitenung der Physik – die letztere ja hundert%ig braucht – ohne entsprechende Formalisierungsbemühungen eben nicht klappen kann, und dass da noch viel Arbeit vor uns liegt, um eine Systemtheorie zu schaffen, mit der NICHT NUR der Diskurs ÜBER Physik, sondern auch die Physik SELBST etwas anafangen kann.

Da das Ganze etwas lang geraten ist, aber diese Angelegenheit erfordert nun einmal relativ komplexe Ansätze, muss ich es wohl in zwei bis drei Fortsetzungen bringen.

Viele Grüsse, bis gleich.

Petruska
07.04.12, 18:43
Systemtheoretiker werfen regelmäßig „den“ Physikern ihr angeblich starrsinniges Festhalten am „analytischen Denken“ vor. Im französischen Sprachraum – das ist meiner; ich bin in Deutschland aufgewachsen, alles in allem zweisprachig, meine tägliche Denk- und Arbeitsprache ist aber französisch – im französischen Sprachraum also zirkulieren die Ausdrücke „pensée réductionniste“ und „réductionnisme“; die sind als schlimme Schimpfwörter für analytisches Denken gemeint. Da klingen Sachen mit wie Unfähigkeit, etwas als ein Ganzes zu erkennen, etwas in seinem Zusammenhang zu sehen, usw. Ich nehme an, „Reduktionismus“ bezeichnet im deutschen Sprachraum das Gleiche.

Wie es auch sei, glaube ich, dass 1° das analytische Denken, wenn es auch nicht die universelle Gültigkeit besitzt, die man ihm früher zuschrieb, keineswegs jedoch die Herablassung verdient, mit der gewisse Systemtheoretiker darauf herab blicken, und 2° dass die Physik durchaus im eigenen Interesse die Existenz eines wissenschaftlichen System erwünschen muss, wo „das Ganze mehr bedeutet als die Summe der Teile“.

Was den Punkt 1° anbetrifft, liegt doch folgendes auf der Hand. Wenn nicht einige Denker der Spätrenaissance und des 17ten Jahrhunderts die geniale Intuition gehabt hätten, dass man von der Untersuchung einfachster Zusammenhänge ausgehen kann, um komplexere Erscheinungen zu erforschen (Galileo), oder dass man Komplexitäten verstehen kann, wenn man sie in ihren einfacheren „Teile“ zerlegt (Descartes), dann wäre die Physik nicht entstanden, und wir säßen nicht vor unseren Computern, um zu diskutieren, weil es ja keine gäbe.
Es existieren nun mal Phänomene, die sich für einen analytischen Ansatz eignen, und da braucht man ja wohl nicht daran erinnern, was die Physik wissenschaftlich geleistet hat.

Allerdings gibt es natürlich bedeutend mehr Erscheinungen, wo das analytische Denken fehl am Platz ist; einige betreffen die Physik. Wenn man z. B. steigende Entropie – etwas vereinfacht – als Tendenz, bei einem gegebenen System, von der Ordnung zur Unordnung erklärt, dann muss man feststellen, dass die Begriffe „Ordnung“ und „Unordnung“ sich nicht von vorne hin für einen analytischen Ansatz eignen. Es ist also nicht verwunderlich, dass die Thermodynamik im Rahmen der Physik irgend wie einen Spezialfall darstellt. Über Irreversibilität ist weiß Gott diskutiert worden (Reichenbach, Grünbaum, Carnap, S. Watanabe, O. Costa de Beauregard ..... ) und wird noch immer diskutiert..
Die Physik bräuchte schon eine Erweiterung im Sinne einer allgem. Systemtheorie, aber, und damit kommen wir zu Punkt 2°, gibt es eine solche in einer Form, womit die Physik etwas anfangen kann?
Letzter Punkt erfordert eine genauere Problemstellung. Persönlich sehe in der IDEE einer vom Standpunkt der Physik relevanten Systemtheorie eine potentielle Ressource, beim Quanten-Emergenz-Problem weiterzukommen. Fassen wir das erst mal schnell zusammen.

Zahlreiche Erscheinungen der Makrowelt können weder direkt, noch indirekt auf die Gesetze der Quantenebene zurückgeführt werden. Man muss sich also fragen, von wo diese Makro-Erscheinungen herkommen. Da die Quantenwelt als Ursprung ausscheidet, scheint es angebracht, davon auszugehen, dass besagte Erscheinungen irgendwie aus der Makrowelt selbst „auftauchen“.
Hier bieten sich systemtheoretische Erwägungen als mögliche Spur an. In der Tat sind Systemeffekte Makro-Erscheinungen, deren globale Eigenschaften nicht direkt auf einfachere/fundamentalere Gegebenheiten des betrachteten Systems zurückgeführt werden können. Solche Effekte sind gang und gäbe. Da ich schon im letzten Beitrag
http://www.quanten.de/forum/showthread.php5?p=67541#poststop
darüber schon hübsch doziert habe, sei es mir dem Zusammenhang zuliebe erlaubt, den entsprechenden Abschnitt hier nochmals rüberzukleben.
Ein typischer Systemeffekt besteht im Menschenmengen-Effekt (effet de foule)
Eine Menschenmenge verhält sich kollektiv gesehen anders als die Einzelmenschen die die Menge bilden. Ich habe vor vielen Jahren ein Experiment durchgeführt, um an Wissenschaftstheorie interessierten Studenten/innen mit Physik-Hintergrund DIE GRENZEN DES ANALYTISCHEN DENKENS DARZULEGEN. Die Studenten und ich baten aleatorisch ausgewählte Einzelmenschen, vor einem leeren Bildschirm zu applaudieren. Die einen weigerten sich, "einen solchen Blödsinn zu machen"; andere taten uns den Gefallen, patschten 3-4mal die Hände zusammen, drückten aber durch Achselzucken, Kopfschütteln usw. ihre Verwunderung und mehr aus. Dann verteilten wir uns, die Studenten und ich, mehrmals hintereinander im Zuschauerraum von Kinos und applaudierten mächtig vor dem leeren Schirm, den es damals zwischen einer Reklame- und Vorspannserie gab. Diesmal applaudierte das Publikum kräftig mit, im Schnitt immerhin 7 Sekunden, und von ganzem Herzen. Wir wiederholten das mal vor Krimis oder Westerns, dann bei sog. anspruchsvollen Filmen; jedesmal gab es den selben Effekt. Das sog. "breitere Publikum" verhielt sich genau so wie das sog. "gehobene Publikum."
Wir haben hier einen typischen Systemeffekt: Da dieser Globaleffekt nicht auf die Eigenschaften der Einzelmenschen zurückzuführen ist, muss er also irgendwie aus der Menge als solcher AUFTAUCHEN, "emergieren".
Es wäre jetzt interessant, diesen Gedankengang zu verallgemeinern: ALLE MAKROPHÄNOMENE, DIE MAN NICHT AUF DIE FUNDAMENTALERE QUANTENEBENE ZURÜCKFÜHREN KANN, MÜSSTE MAN ALS AUS DER MAKROWELT AUFTAUCHENDEN SYSTEMEFFEKTE ERKLÄREN KÖNNEN.

Ja, aber dafür bräuchte man eine ausreichend formalisierte Systemtheorie, und genauer gesagt, einen systemtheoretisch/mathematischen Formalismus, der die Formalismen der Makro-und Mikrophysik verlängert oder besser noch als Spezialfall beinhaltet? Gibt es das wirklich? Ich persönliche bezweifle es, gerade deshalb, weil selbst versuche, daran zu arbeiten.
Natürlich ist man sich alles im allen bewusst geworden, dass bei vielen Makro-Erscheinungen „das Ganze mehr ist als die Summe der Teile“, wie zum Beispiel beim obengenannten Menschenmengen-Effekt, und dass hier analytisches Denken an seine Grenzen stößt. Deshalb setzt sich Systemtheorie als GEISTESHALTUNG mehr und mehr durch.
Wenn sich jetzt aber fragt, wie man gesagten Systemtheoriegrundsatz „das Ganze ist mehr als die Summe der Teile“ formalisiert, und zwar den oben angeführten Bedingungen gemäss – ich möchte am Rande bemerken, dass die „Summe“ hier als analytisch-lineare, also unerwünschte Resonanz schon irgendwie störend wirkt – dann wird es kompliziert.
Die sog. „Schule von Palo Alto“ hatte damals zwischen dem „changement 1“ und dem „changement 2“ unterschieden. Das erste betrifft nur die Parameter und erlaubten Variablen des Systems, während letzteres als solches sich nicht verändert. Das „changement 2“ verändert das system als solches. Das ist rein KONZEPTUEL GESEHEN ein interessanter Ansatz. Da das ganze aber nie richtig formalisiert worden ist, hat es auf Seiten der Physik so gut wie keinen Anklang gefunden.
„Sur le terrain“ sind Disziplinen entstanden, die man in den Überbegriff „Systemtheorie“ einreiht , oder zumindest damit in Zusammenhang bringt, wie Kybernetik, Spieltheorie, Chaostheorie und anderes. RoKo weist darauf hin, dass es in Osnabrück jetzt einen Lehrstuhl für Systemwissenschaft gibt. Natürlich ist Institutionalisierung eine wichtige Etappe im Werden und Werdegang einer Wissenschaft.
ABER, bilden die in „Systemwissenschaft“ zusammengefassten Disziplinen eine nach den oben angeführten Bedingungen FORMALISIERTE EINHEIT?

(Fortsetzung folgt gleich.)

Petruska
07.04.12, 18:48
Hier beginne ich zu zweifeln.
Auf die Gefahr hin, (elektronisch) gesteinigt, sonst wie gelyncht oder einfach als unzurechnungsfähig eingestuft zu werden, will ich hier behaupten, dass die Grundzüge der Kybernetik, wie N. Wiener sie entworfen hat, AUF ANALYTISCHEM DENKEN BERUHEN. Aber bevor das Steinigen/Lynchen beginnt, bitte ich doch um Aufmerksamkeit für folgenden formellen Beweis. Sagen wir, für einen skizzierten Beweis; es wäre sonst eine 2-Stundenvorlesung.
Es ist mir natürlich auch bekannt, dass die Schule von Palo Alto gerade Kybernetik als Standardmittel empfiehlt, um das analytische Denken zu „überwinden“, aber jetzt machen wir erst mal unseren (vereinfachten ) Beweis.
Wir gehen davon aus, dass analytisches Denken auf der – mal zutreffenden, mal nicht zutreffenden – Voraussetzung beruht, dass man eine Komplexität beliebig in „Einzelteile“ zerlegen, und auch wieder zusammensetzen kann, und zwar so, dass die Bedeutung des Gesamtsystems und auch der zerlegten/wieder zusammengesetzten „Einzelteile“ bei diesen Operationen erhalten bleibt.Bei einem Motor, zum Beispiel, haut es hin. Den kann man, wenn man Bescheid weiss, zelegen und wieder zusammensetzen, wobei jeder Teil potentiel das ist und bleibt, was er ist. Bei einem Lebewesen geht es nicht. Wenn wir dieses zerlegen, dann lebt davon nichts mehr, und wenn wir das Ganze wieder zusammensetzen, dann gibt es trotzdem keine Auferstehung vom Tode.
FORMELL gesehen, und das ist ja unser Ziel, ist analytisches Denken bei Systemen, und NUR bei Systemen am Platz, die man auf der Basis mathematischer GRUPPEN formalisieren kann. Dann ist in der Tat folgendes gewährleistet: 1° Die Kombination zweier Teile des Systems ist ein Teil des Systems. 2° Mehrere Teile des Systems können in beliebiger Reihefolge kombiniert werden. 3° Jeder Teil kann als solcher erhalten bleiben. 4° Für jeden Kombination jeden Teil, dem man einen anderen Teil dazu kombiniert, gibt es eine symmetrische „Zerlegung“, die den ursrpünbglichen Teil in seinem vorherigen Zustand wieder herstellt. Wir erkennen hier sofort die Definition einer mathem. Gruppe: Inneres Kompositionsgesetz (hier kennt mein Deutsch Grenzen, aber wir verstehen uns schon), Assoziativität, neutrales Element, inverses Element (selbe Bemerkung). Wir können auch „Teil“ durch „Operation“ oder „Transformation“ (siehe unten) ersetzen, und dann haben wir ja alles.
Unter diesen Bedingungen ist es nicht erstaunlich, dass wir in der Physik, dort wo analytisches Denken mit Erfolg am Werke ist, auch gleich Gruppen finden: die Galileo-Transformationsgruppe, die Lorentzsche usw.

Was jetzt Wieners Gründungsallegorie der Kybernetik - „Steuermannskunst“ - anbetrifft, wenden wir uns jetzt der Kleinschen Tranformationsgruppe zu. 4 unabhängige Transformationen A, B, C, D bilden eine Kleinsche Gruppe wenn AB = C, BC = C, CD = A,
AA = A, BB = B, CC = C, DD = D, ABC = D, BCD = A …. und schliesslich ABCD = A gegeben ist.
Jean Piaget hat – allerdings in einem ganz anderen Zusammenhang – eine interessante Interpretation der K-Gruppe vorgeschlagen, die sogenannte INRC-Gruppe. Definiern wir 4 Transformationen I (Identität), N (Negation), R (reziproke Transformation) und C (ein bisschen willkürlich die „korrelative“ Transformation).
Betrachten wir jetzt eine boolesche Operation wie (a und b).
I(a und b) ergibt natürlich (a und b), da die Operation mit sich indentisch bleibt.
Bei N(a und B) erhalten wir klassisch elementär (non-a oder non-b).
Die Transformationen R(a und b) und C(a und b) werden folgendermassen definiert:
R(a und b) = (non-a und non-b)
C(a und b) = (a oder b)
Auf dieser Basis kann jeder ein bisschen mühsam, aber ohne Schwierigkeiten ausrechnen, dass I I = I, IN = N, I R = R, IC =C, I I = NN = RR = CC = I, NR = C, NC = R, RC = N,
NRC = I, und vor allem INRC = I.
Nur zwei Rechenbeispiele:
NR = N(non-a und non-b) = (non-non-a oder non-non-b) = (a oder b) = C
RC = R(a oder b) = (non-a oder non-b) = N.
Man möge mir auf Ehrenwort glauben (oder eben stundenlang nachrechnen), dass das Ganze auch für alle anderen Boole-Operationen (a oder b) … …. klappt.

Jean Piaget hat die INRC-Gruppe in einer Art und Weise veranschaulicht, die wir, obwohl es eigentlich der Entwicklungspsychologie zugedacht war, WÖRTLICH übernehmen können, um N. Wieners Gründungsallegorie der Kybernetik zu analysieren.
Auf einer Tischplatte sind zwei eng aneinanderliegende, parallele Leisten festgeklebt. Dazwischen kann man ein schmales Brettchen hin und herschieben; sagen wir (wegen „déformation professionnelle“ ohne Begeisterung) „von rechts nach links und umgekehrt“.
In der Mitte des Bretts ist ein Nullpunkt markiert. Auf diesem liegt ein kleines Objekt, bei Piaget eine Schnecke aus Plastik.
Verschieben wir die Schnecke, sagen wir, 20 cm auf dem ruhenden Brett nach rechts. Solange die Operation sich gegenüber identisch bleibt, können wir sie I nennen. Es ist aber auch möglich, das gleiche Ergebnis zu erhalten, wenn man die Schnecke auf dem Brett ruhen lässt, aber das Brett entsprechend verschiebt. Das ist die Operation C.
Wenn wir I rückgängig machen wollen, bietet sich in erster Ligne N an: nachdem wir die Schnecke 20 cm nach rechts verschoben haben, versschiben wir sie jetzt 20 cm nach links.
Wir können aber auch R wählen, i.e. die Schnecke auf dem Brett ruhen lassen und das Brett wieder entsprechend verschieben.
Diese 4 Operationen finden wir also in Punkto Gründungsallegorie der Kybernetik wieder.
Wiener, in seinem Modell, 3 Operationen, die man benötigt, um ein Schiff nach einer Überfahrt in den vorgesehenen Zielhafen zu bringen. Wir fügen eine vierte Operation hinzu, die der effektiven Schiffsführung entspricht, das Wienersche Modell vervollständigt, ohne aber die 3 Originaloperationen verändert; daran sieht man schon, dass die Gründungsallegorie gruppentheorietisch formalisiert werden kann.

Petruska
07.04.12, 18:50
Wiener also unterscheidet 3 Operationen, die 3 Spezialisten überlässt, i.e. dem Kapitän, dem „Steuermann“ (er meint den Rudergänger) und dem „Lotsen“.
Den Rudergänger behalten wir, oder wir ersetzen ihn durch einen Autopiloten. Da ein Lotse ja etwas ganz anderes ist als bei Wiener, beauftragen wir den Kapitän mit den beiden andren Originaloperationen und auch mit der vierten, die wir hinzufügen.
Das Schiff soll vom Auslaufhafen A zum Zielhafen B fahren. Wir nehmen an, dass zwischen A und B kein Hindernis vorhanden ist. Der Kapitän zieht also auf der Karte eine Gerade AB deren Parallelverschiebung auf die 0/360° Windrose den theoretischen Kurs ergibt. Da er einen Kreiselkompass auf der Brücke hat, braucht der Kapitän sich nicht mit magnetischer Missweisung und Deviation rumärgern und gibt dem Rudergänger besagten, „zu haltenden“ Kurs.
Auf See treten nun verschiedenen Faktoren auf, wegen denen das Schiff gelegentlich vom Kurs abkommt. Formell gesagt, beschreibt das Schiff im Verhältnis zuml gegebenen Kurs eine ROTATION „alpha“. Bis zur Korrektur folgt das Schiff jetzt einem neuen Kurs, mit einem (im alten rational-mechanischen Sinne) VIRTUELLEN Auslaufhafen A' und einem genauso virtuellen Zielhafen B'. Nennen wir diese (unfreiwillige) Operation, da sie mit sich indentisch ist, I. Der Rudergänger oder Autopilot bringt nun das Schiff auf seinen Initialkurs zurück, indem ihm eine Gegenrotation von „minus alpha“ aufzwingt. Hier haben wir die Operation N.
Trotz allem stellt der Kapitän im Allgemeinen bei halber Überfahrt fest, das er sich nicht auf der zu diesem Zeitpunkt vorgesehenen Position P, sondern auf dem Kartenpunkt P' befindet. Jetzt muss ein neuer Kurs festgelegt werden. Der Kapitän zieht dafür eine Gerade P'B. Jetzt folgt das Schiff einem Kurs der zum reellen Zielhafen B führt, aber bei einem virtuellen Auslaufhafen A'' beginnt. Hier erkennen wir die Operation R. Das ist der berühmte FEED BACK: da das System in einer Art und Weise vom vorgesehenen Lauf der Dinge abgekommen ist, wo keine einfache N-Korrektur reicht, operiert es jetzt AUF DER BASIS EINER NEUEN, „ RETRO-PROJIZIERTEN“ INITIALSITUATION.
Die vierte Operation ist folgende: Wenn ein Schiff zu gegebener Zeit sich meistens nicht in der vorgesehenen Postion P, sondern in P' befindet, dann ist das der Stömung und dem Wind zu verdanken. Dank Gezeitenbuch, Stromatlas und kurzfristigem Wetterbericht kann der Kapitän hier antizipieren. Indem er einen Kurs vom reellen Auslaufhafen A zu einem vituellen Zielhafen B'' ansetzt – Operation C – wirkt er von vornehin der Strom- und Windversetzung entgegen und kommt mit bedeutend weniger aufwändigen R-Korrekturen zum reellen Zielhafen B.
Das kybernetische Grundmodell kann also gruppentheoretisch formalisiert werden. Natürlich macht Kybernetik das „klassisch-analytische“ Denken flexibler, gehört aber selbst zum analytischen Denken. Quod erat demonstrandum, wie man in meiner (etwas entfernten) Jugend noch sagte.

(Nachträglich ist dieses Ergebnis ja gar nicht erstaunlich. Seit der Erfindung der homogen-isotrop winkeltreuen Merkator-Projektion während der Ren aissance bestehen die wissenschaftlichen Grundlagen der Navigation in ausgesprochen analytisch denkender angewandten Mathematik.)

Die Moral der Geschichte: Intuitiv gesehen, ist es nicht so schwer, analytisches Denken einer Systemtheorie gegenüber zu stellen, wo „das Ganze 'mehr' ist als die 'Summe' (AÏE !!!) der Teile ist“. Aber wenn man EXAKTE Abgrenzungen schaffen will, dann kommt man eben ohne ausreichend formalisierte Sprache nicht aus. Vielleicht braucht man das im Bereich der Sozialwidssenschaften nicht so krass sehen. Was jedoch die Physik anbetrifft, bieten sich nur folgende Perspektiven.
Entweder begnügt die Physik sich mit einer epiphänomenal gesehenen System-Theorie, i.e mit einer unzureichend formalisierten System-Theorie, die vielleicht im Diskurs ÜBER Physik operieren kann, aber nicht im PHYSIKALISCHEN Diskurs ALS SOLCHEM. Ich glaube nicht, dass das sehr weit führen kann.
Oder die Physik und Systemtheorie müssen nach einer gemeinsamen Sprache suchen, und da bleibt auf beiden Seiten viel Arbeit im Schweisse des Angesichts.
Es gibt allerdings Ansätze.
Wenn wir auf die INRC – Gruppe zurückkommen, dann formalisiert diese durch ihren wundervoll kompakt-eleganten Hauptsatz INRC = I letzthin die Tatsache, dass analytisch betrachtbare/formalisierbare Systeme über ihre zulässigen Veränderungen hinaus mit sich selbst identisch bleiben. Bei einer authentisch nicht-analytischen Systemtheorie geht es also in erster Linie darum, Systeme zu formalisieren, die nicht mit sich identisch bleiben. Die schon schwer zu handhabenden nicht-linearen Werkzeuge reichen hier oft nicht mehr aus und müssen durch „Translinearität“ ersetzt werden. Davon aber später, da das eine andere Geschichte ist.

Schöne Grüße aus Paris, frohes Schaffen

RoKo
08.04.12, 13:34
Hallo Petruska,

ich habe es gelesen und habe nichts zu kritisieren. Mir ist allerdings noch nicht klar. wie man auf diesem Wege weiterkommt. Ich bin gespannt auf weitere Ausführungen deinerseits.

Petruska
10.04.12, 20:32
Hallo RoKo,

Nun, wie es weiter geht, wie gesagt, da gibt es zwar ein paar Ansätze (siehe weiter unten), aber im Wesentlichen liegt da vor allem schwerste Arbeit vor uns.
Diese Diskussion kam ja zustande, da ich in der Zusammenfassung meines im Aufbau befindlichen Katzenartikel behauptet hatte, dass die Systemtheorie noch auf der Suche nach ihrer Wissenschaftlichkeit ist.
In jeglicher Forschung ist es höchst wichtig, genau zu wissen, WO man ist und WIE WEIT man schon gekommen ist; die bescheidene, aber exakt fundierte Erkenntnis, dass systemtheorie trotz zahlreicher Mode-Phänomene noch in den Kinderschuhen steckt, ist sicher konstruktiver als zu schnelles Voranschreiten oder eher "Voranschwimmen", wobei man den Grund unter den Füssen verliert.
Jedenfalls ist das so im Zusammenhang mit der Physik.

Bevor wir zu besagten Ansätzen kommen, fassen wir nochmals alles zusammen:

1.Wenn unsere Vorfahren nicht die Intuition des analytischen Denkens gehabt hätten, dann gäbe es heute keine exakte Naturwissenschaften. (Was den Ausdruck "exakte Naturwissenschaften", anbetrifft, ist er meiner Ansicht nach ohne Komplexe zu benutzen.)

2.Die Erfolge der analytisch denkenden exakten Naturwissenschaften ändern nichts daran, dass bei zahlreichen Problemstellungen analytisches Denken eine Sackgasse bildet. Sich dessen bewusst zu werden, stellt bereits einen Fortschritt da, der nicht abzustreiten ist.

4.ABER: Wenn auch die – zwar nicht rein empirische, aber auch nicht formalisierte – Erkenntnis, dass "das Ganze 'mehr' als die 'Summe' (brrrrrrr !!) der Teile ist", zu einer neuen intellektuellen Einstellung führen kann und muss, so reicht das nicht aus für positive wissenschaftliche Arbeit.

(Ich möchte am Rande Folgendes bemerken: Wie ich gelesen habe – und mir bekannte Psychiater haben es bestätigt – hatten Mitglieder der berühmten Schule von Palo Alto, in der absoluten Mehrzahl ohne jegliche medizinische Qualifikation, grossen menschlichen Schaden angerichtet mit ihrer " 'system-theoretischen' Erklärung der Schizophrenie". Dank auf nichts beruhenden "double bind" – Geschichten trugen dann jahrelang Eltern schizophrener Kinder, die auch so schon vom Leben gestraft waren, noch schwere, aber absolut ungerechtfertigte persönliche Schuldgefühle mit sich herum. Nun, ich bin auch kein Mediziner und will darüber nicht weiter urteilen.))

5. Meinerseits begnüge ich mich damit, erstmal eine formelle Definition des Kompetenzbereichs analytischen Denkens vorzuschlagen: Analytisches Denken ist bei Systemen und nur bei diesen am Platz, die gruppentheoretisch formalisiert werden können.

6. Wenn diese Definition akzeptiert ist, und das scheint bei der Fall zu sein, dann kann man mit der INRC-Gruppe mühelos beweisen, das gerade diese "Kybernetik", die die Palo Alto-Leute zur "Überwindung" des analytischen Denken verordnen, selbst ein Parade-Beispiel analytischen Denkens ist.

Mit dem Hauptsatz der INRC-Gruppentheorie (INRC = I) kommen wir nun zu den im Augenblick sehr provisorischen Ansätzen einer Systemtheorie, bei der man hoffen kann, dass die Physik eines Tages vielleicht damit etawas anfangen kann.

Schreiben wir erstmal die Grundgleichung im Sinne von L. v. Bertalanffy eines beliebigen Systems:

dQi/dt = фi ( ..., Qj , ..., t) (1)

Wenn man jetzt da hinschaut, dann sieht man, dass (1) nichts spezifisch systemtheoretisches ausdrückt . In der Makro-Physik ohne system-theoretische Ansprüche/Absichten schreibt man letzten Endes nichts anderes.
Nun, bei v. Bertalanffy beruht der Unterschied nicht auf (1) als solchem, sondern auf der Absicht. Er benutzt (1) nicht um die Entwicklung der Qj, sondern die Gesamteigenschaften des Systems zu untersuchen und formalisiert auf diese Weise Allgemeinbegriffe wie "Kompetition", "Homeostasie" u.a.
Ein erster (Vor-)Schritt zur Formalisierung der Sysstem-Theorie besteht also darin, die Verlagerung des Interesses von den (Q1, Q2, .... , Qn) zu den ( ф1, ф2, ...... фn) zu erkennen.
Formell kommt man dann weiter wenn man sich an ein höchst effizientes heuristisches Prinzip der modernen Wissenschaft erinnert: Das zu untersuchende Phänomen ist zu verändern.
Die Systemtheorie gewinnt als an Substanz und Spezifizität, wenn man (1) durch Sequenzen

( ф1, ф2, ...... фn) → ( ф1', ф2', ...... ф'n') → ..........→ ( ф1'', ф2'', ...... ф''n'') ... .... (2)

ersetzt, wo die "Bedeutung" der besagten фj und auch n sich ändern.

Dieser (Vor-)Ansatz – es ist ein Provisorium – fällt immerhin mit folgenden Gegenheiten zusmmen:

1.Analytisch zu behandelnde Systeme sind die, deren Transformationen durch INRC = I formalisierbar sind, anders ausgedrückt, die über ihre Transformationen hinweg mit sich identisch bleiben. Diese INRC-Identität wird durch (2) und, unter gewissen Bedingungen, NUR durch (2) gebrochen.
2.Die Schule von Palo-Alto behauptet, ohne sich aber die Mühe zu machen, das ganze zu formalisieren, dass analytisches Denken dem changement 1 vorbehalten sein muss, dass nur die Variabeln/Parameter des Systems betrifft, während das changement 2, das das System als SOLCHES verändert, system-theoretisches Denken erfordert.
In (2) erkennen wir sofort dieses changement 2, und in 1 dans changement 1 der Systeme, die immer auf die gleiche Art und Weise funktionieren.

3.Wenn wir einen elementären Fall von Irreversibilität betrachten, zum Beispiel ein auf der "Funktional-Modalität" ( ф1, ф2, ...... фn) beruhendes System, das aus irgend einem Grund auseinander fällt, dann sehen wir in der Transition

( ф1, ф2, ...... фn) → nicht-( ф1, ф2, ...... фn) (3)

schon einen – wenn auch einfachen – Spézialfall von (2).

Dementsprechend sehe ich in dem, was man augenblicklich über Irreversibilität weiss bzw. zu wissen glaubt, eine vielversprechende Ausgangsbasis für eine künftige Systemtheorie. Diese beiden Gebiete sind verwandt und kennen auch sehr analoge, wenn nicht identische Schwierigkeiten. Es ist demzufolge auch nicht verwunderlich, dass Thermodynamik in der Physik irgend wie als ein Fremdkörper erscheint.
Lehrbücher erwähnen den sog. Paradox der Irreversibilität ungefähr so: In einem (sich im Gleichgewicht oder nicht befindenden) Gas ist im Prinzip die "trajectoire" (ich bin unter Zeitdruck, wir verstehen uns schon) eines jegliches Moleküls von den Gesetzen der Newtonschen Mechanik bestimmt. Letztere ist t-reversibel. Und doch ist die globale Entwicklung eines Gases vom Nicht-Gleichgewicht zum Gleichgewicht t-irreversibel.
Dann wird der "Paradox" folgendermasssen "gelöst". Da es unmöglich ist, jeder "trajectoire" der einzelnen Moleküle individuell zu folgen, muss das ganze statistisch/wahrscheinlichkeitsmässig erfasst werden, wobei unwahrscheinliche Zustände "natürlich" in wahrscheinlichere übergehen.
Das klingt alles sehr einfach, ist es aber nicht. Newton-Mechanik und Wahrscheinlichkeit sind zwei verschiedene Welten, und wenn man beides vergleicht, vergleicht man Unvergleichbares. Darüber ist viel geschrieben worden (Anfang der zweiten Woche unserer hiesigen Ferien werde ich versuchen, für Dich ein paar Links von O. Costa de Beauregard (auf Englisch) finden; vorher wird es aus Zeitdruck nicht gehen), und manches davon ist für system-Theorie wertvoll.
Vereinfacht gesagt, ist die in der Irreversibilität so ausschlaggebende Wahrscheinlichkeitsrechnung ja BEREITS eine System-Theorie, da ja kein Einzelereignis – statistisch gesehen – Einfluss hat auf die Wahrscheilichkeit von was auch immer, während die Wahrscheinlichkeit eines Einzelereignisses – weiterhin statistisch gesehen –vom Ganzen bestimmt wird.
Das Projekt ist nun, die Wahrscheinlichkeitsrechnung in eine "Unwahrscheinlichkeitsrechnung" umzufunktionieren, das heisst, mit Hilfe noch zu bestimmender Anfangs- und Rahmenbedingungen die Umkehrung des H-Theorems (hier ist A. Grünbaum DER Klassiker) zu realisieren und so aus der Irrevertsibilität als Grenzfall eine ALLGEMEINE Systemtheorie (und -Wissenschaft) zu errichten.
Das ist alles noch viel Arbeit.
Da ich einerseits eine wirklich revelante Systemtheorie herbeisehne und so gut wie möglich dabei mitbastle, anderseits aber von morgens bis abends predige, dass man da im Interesse der nicht-inflationären Wissenschaftlichkeit nicht schneller vorangehen möge als das eben so geht, darf man von mir natürlich keine Wunderlösungen erwarten.
Aber ich hoffe dennoch, ein Minimum von Diskussionsmaterial geschaffen zu haben.

Mit freundlichen Grüssen von Paris nach Hong-Kong

Petruska

fossilium
11.04.12, 22:41
Hi Petruska,

Dann wird der "Paradox" folgendermasssen "gelöst". Da es unmöglich ist, jeder "trajectoire" der einzelnen Moleküle individuell zu folgen, muss das ganze statistisch/wahrscheinlichkeitsmässig erfasst werden, wobei unwahrscheinliche Zustände "natürlich" in wahrscheinlichere übergehen.
Das klingt alles sehr einfach, ist es aber nicht.

Ist es wohl:

Angenommen, man führt eine Reihe unabhängiger Versuche durch, bei denen beobachtet wird, ob ein Ereignis E eintritt oder nicht. Sei n die Zahl der Versuche, n(E) die Zahl der Versuche, bei denen das Ereignis eingetreten ist, und P(E) die Wahrscheinlichkeit für das Eintreten. Wählt man eine beliebig kleine positive Zahl e, dann lässt sich mathematisch beweisen, dass für hinreichend grosse n die Beziehung gilt:

P(E) – e <= n(E)/n <= P(E) + e

In Worten: die relative Häufigkeit n(E)/n des Eintretens des Ereignisses E stimmt für grosse n praktisch mit der Wahrscheinlichkeit seines Eintretens überein. Diese Grenzwertbetrachtung beschreibt den Übergang vom Zufälligen zum Vorhersagbaren sehr genau. Der Grenzwertsatz garantiert, dass das Zufällige mit grossem n verschwindet, bzw. die Streuung um den Erwartungsert zu Null wird. Die Verteilung von Fluktuationen von statistischen Grössen folgt der Gausschen Glockenkurve - eine universelle Aussage. In Vielteilchensystemen hat man zum Beispiel 10 hoch 20 Teilchen und daher liefern die Grenzwertsätze der Wahrscheinlichkeitstheorie sehr genaue Makroparameter als Grenzwerte. Die Steuungen dieser Parameter sind experimentell nicht mehr nachweisbar.

Diese neuen Grenzwerte sind z.B. die thermodynamische Parameter Temperatur , Druck, spez. Wärme, usw. Sie lassen sich nicht direkt aus den Mikrobewegungen ableiten, aber sehr präzise und sehr erfolgreich interpretieren als Grenzwerte statistischer Betrachtungen dieser Bewegungen. Da ist weder Emergenz im Spiel (was ist das ? - keines weiss es) noch eine Systemtheorie notwendig.

Das ganze ist also wohl durchdacht und aus allen Perspektiven beleuchtet. Kein Mensch hat dazu noch irgendwelche Fragen.

Also, lieber Petruska, wozu soll uns Deine Systemtheorie nützlich sein ?

Grüsse Fossilum

Petruska
12.04.12, 02:08
Hallo, Fossilium,

Ich muss mich wieder sehr ungeschickt angestellt haben, wie des öfteren; daher auch die Wahl meines Pseudonyms Petruska; das stammt aus einem Ballett von Stravinsky, wo der Titelheld, eine Sorte Pinocchio, sich auch sehr schwer tut ...

Anderseits kommen vielleicht ein paar sprachliche Probleme dazu; franz. Staatsbürger, aber in Deutschland aufgewachsen, bin ich ohne Überheblichkeit alles in allem F-D zweisprachig, aber meine Denk- und Arbeitssprache ist Französisch. Bei uns ist der Ausdruck "problème d'émergence" gängig. Leute wie S. Haroche (er ist Professor am "Collège de France"; dieser Posten gilt hier als die höchste Anerkennung eines Wissenschaftlers), und viele andrer benutzen ihn tag-täglich. Wir werden darauf zurück kommen.

Gut, da ich also sehr ungeschickt gewesen sein muss, versuchen wir es anders. Ich weiss ungefähr, wie statistische Mechanik und die dazu gehörende Wahrscheinlichkeitsrechnung funktioniert, da das ja zu meiner täglichen Tätigkeit eines pädagogischen Oberkellners gehört. Obwohl ich sonst eher ein Fan der Feynman Lectures bin, empfehle ich den Studenten, was statistische Mechanik anbetrifft, eher den Berkeley-Kurs von F. Reif; da finden wir all das wie Druck, Temperatur, - 273°C als absolutem Nullpunkt usw. sehr kompakt verständlich geschildert, und zwar mit Humor, den man in dieser Welt sichtlich braucht.
Da statistische Mechanik also wundervoll klappt, habe ich auch NIE behauptet, dass man da Systemtheorie HINZUFÜGEN muss.
Mein Gedankengang ist UMGEKEHRT.
Es gibt meiner Meinung nach Gebiete, wo Physik IM PRINZIP durch Systemtheorie erweitert werden sollte. Darüber kann man sich vielleicht streiten. Was dieses Forum anbetrifft, scheint RoKo z.B. mit meinen sich weiter oben befindenden Gedankengängen durchaus einverstanden zu sein, wie du es feststellen kannst, wenn Du Dir die Mühe machst, alles zu lesen.

Eine Angelegenheit, wo solche Systemtheorie vorteilhaft wäre, ist eben nun besagte Emergenz.
Um da heran zu kommen, sprechen wir erstmal über Irreversibilität. Vielleicht sagt im Deutschen für "irréversibilité" eher "Unumkehrbarkeit". Gemeint ist jedenfalls Folgendes, was man ab dem 1en Semester kennt: 1° In einem isolierten System steigt die Entropie monoton bis zum Maximum an; 2° offene systeme, deren Entropie sinkt, sind immer Teilsysteme eines breiteren Systems, wo wieder monoton steigende entropie gilt.
Kurz gesagt, der sog. "erweiterte zweite Wärmesatz". (Ich möchte hinzufügen, dass Léon Brillouin - er hat seine Karriere in Havard beendet und gilt nicht als Vollidiot - den "erweiterten zweiten Wärmesatz" kybernetisch, also vom Standpunkt so mancher Leute SYSTEM-THEORETISCH behandelt hat. Aber das ist hier nicht so wichtig.)
Laut der statistischen Mechanik erklärt sich der Zweite Wärmesatz (erweitert oder nicht) als Tendenz eines System von der unwahrscheinlichen Ordnung zur wahrscheinlichen Unordnung.
Und jetzt müssen wir folgende Frage stellen: Da ja jedes System letzten Endes von der Ordnung zur Unordnung tendiert, und nie umgekehrt, wie kann dann die Initial-Ordnung LETZTLICH entstanden sein? Wo kommt die her? Woraus ist die "aufgetaucht"? UND DA HABEN WIR DAS "PROBLEME D'EMERGENCE", dA IM fRANZÖSICHEN "EMERGER" "AUFTAUCHEN" BEDEUTET.

Einige Leute, darunter meine Wenigkeit, aber ich bin nicht der einzige, vermuten nun, dass da system-theoretische Ansätze weiterhelfen könnten, da man hier ja mit steigender Organisation zu tun hat.
Nun stellt sich eine neue Frage: GIBT ES ÜBERHAUPT EINE SYSTEM-THEORIE IN EINER FORM, MIT DER DIE PHYSIK OPERATIONELL GESEHEN ETWAS ANFANGEN KANN?
Hier lautet meine persönlche Antwort so: Nein, eine solche Systemtheorie gibt es NOCH nicht. allerdings bieten sich einige Ansätze an , eine solche nach und nach zu schaffen.
Einer dieser Ansätze besteht darin, dass meiner Ansicht nach Wahrscheinlichkeitsrechnung BEREITS eine systemtheorie ist, die sich als solche ignoriert.
Du bist doch einverstanden mit mir, dass ein unabhängiger Einzelversuch keinerlei Wirkung auf eine Sequenz hat. Anderseits hast Du mir selbst beigebracht, aber ich wusste es auch schon voher,und zwar seit meinen Anfangssemestern, dass, wenn die Anzahl n der gemachten Versuche zum Unendlichen hin tendiert, die Standard-Abweichung von der vorgegebenen Wahrscheinlichkeit sich dann asymptotisch Null nähert.
Das kann als Wirkung des Ganzen auf den Teil interpretiert werdn, und gewissere ERWEITERUNGEN dieses Gedankengangs bieten einige Richtlinien - und nichts anderes !!!!! - in Hinsicht auf eine noch zu konstruierenden Systemtheorie.

Wie gesagt, daüber kann man wohl streiten. Aber man streitet besser und konstruktiver, wenn man erstmal alles liest, anstelle aus dem Zusammenhang herausgenommene Zitate etwas "cavalièrement" zu kommentieren.

So, schöne Grüsse aus Paris
Petruska

EMI
12.04.12, 03:03
Es gibt meiner Meinung nach Gebiete, wo Physik IM PRINZIP durch Systemtheorie erweitert werden sollte.Die Physik ist die Basis, eine Basis kann nicht erweitert werden Petruska.




Laut der statistischen Mechanik erklärt sich der Zweite Wärmesatz (erweitert oder nicht) als Tendenz eines System von der unwahrscheinlichen Ordnung zur wahrscheinlichen Unordnung.Das hört man immer wieder, ich kann damit nichts anfangen.
Was ist soll denn Ordnung und was Unordnung sein?:confused:

Grüße nach Paris

EMI

Petruska
12.04.12, 07:33
Hallo EMI

Ich muss jetzt ganz schnell antworten, also wird es etwas oberflächlich werden.

Punkt "Physik ist eine Basis, die nicht erweitert werden kann".

Nun, das ist Ansichtssache; Aber man hat doch zum Beispiel gewisse Gebiete der Physik auf Biophysik erweitert. Wenn es eine einfache "Anwendung" wäre, bräuchte man nicht von BIO-Physik sprechen.
Anderseits arbeitet die von der statistischen Mechanik untermauerte Thermodynamik mit anderen Ansätzen als die sonstige MAKROphysik. Da haben Gibbs, BOLTZMANN, Maxwell im 19en Jahrhundert durchaus eine Erweiterung geschaffen.

Punkt 2 Ordnung ____> Unordnung: Das ist die heute absolut gängige Auffassung. Wenn man eiinen funktioniernden (also "geordneten") Apparat auf den Boden schmeisst, dann ist er hin (also "ungeordnet".) Aber es reicht nicht, den ramponierten Aparat von neuem auf den Boden zu feuern, damit er wieder funktioniert.
Das statistisch interpretierte monotone Ansteigen der Entropie ist nicht VIEL anderes.
Ich muss da nochmals den "Berkeley -Kurs" von Fred Reif empfehlen. (Sieh bei Amazon nach; da es eine franz. Übersetzung gibt, wird auch eine deutsche existieren. Sonst eben auf englisch.

So, jetzt muss ich weg.

Schöne Grüsse aus Paris

RoKo
12.04.12, 10:23
Hallo EMI,

Die Physik ist die Basis, eine Basis kann nicht erweitert werden.Emergenz, d.h. das auftreten neuer Eigenschaften und Verhaltensweisen, ist ein physisches Phaenomen, dass als solches von der Physik bzw. der Naturwissenschaft allgemein nicht erklaert wird. Folglich sollte man sich bemuehen, die Naturwissenschaft zu ergaenzen.
Das hört man immer wieder, ich kann damit nichts anfangen.
Was ist soll denn Ordnung und was Unordnung sein?:confused:
Das Problem ist, dass der Entropiebegriff nur fuer technische Kreisprozesse sauber definiert ist. Ordnung und Unordnung sind da nur Hilfsloesungen.

EMI
12.04.12, 10:51
Emergenz, d.h. das auftreten neuer Eigenschaften und Verhaltensweisen, ist ein physisches Phaenomen, dass als solches von der Physik bzw. der Naturwissenschaft allgemein nicht erklaert wird. Folglich sollte man sich bemuehen, die Naturwissenschaft zu ergaenzen.Physische Phaenomen usw. haben nun mal nix mit Physik zu tun RoKo,

Physik = objektive (vom Menschen unabhängige) Naturgesetze.
Man wird noch bisher unbekannte objektive Naturgesetze entdecken und diese hinzufügen.
Das ist aber keine Erweiterung der Physik, da diese Gesetze schon immer da waren und wirkten.

Alles Andere baut auf die Physik auf, Chemie, Biologie...usw. da dort auch nur die physikalischen Gesetze wirken.

Gruß EMI

PS: Zur Entropie hatte ich mich hier im Forum schon umfassend geäußert.

Petruska
12.04.12, 15:59
Wenn ich hier eingreifen darf:

Deine Idee - ich wende mich hier an EMI - dass "alles" auf Physik zurück geführt werden kann, da ist der sog."Physikalismus", der heute nur noch wenige anhänger kat.
E. Mayr zum Beispiel, eine grosse Figur der modernen Evolutionsbiologie, hat vor kurzem ein Buch heraus gebracht, um zu zeigen, dass die Biologie, was ihre Spezifizitäten betrifft, im allgemenrinen NICHT auf die Gesetze der Physik zurück geführt werden kann; er wäre also überhaupt nicht einverstanden mit mem, was Du sagst.
Es steht Dir natürlich frei, am Physikalismus festzuhalten. Aber bevor Du derartig sicher bist, dass das die einzig gültige Auffassussung ist, dann erkundige Dich erst ob wirklich "alle" Deine Meinung teilen. Da wirst Du überraschungen erleben.

Was nun die "physikalischen Phäniomene" betrifft, mit der Physik Deiner Meinung nach "nix zu tun hat", da bin ich ehrlich gesagt +/- sprachlos (!!??). Meine Kollegen und ich - direkte Kollegen, Kontakte, und was man in Veröffentlichungen liest - nennen nun mal "Phänomene" oder "Erscheinungen" die "Sachen" im sehr weiteren Sinne, die wir untersuchen, oder es zumindest versuchen. Ein Ausdruck wie "ein Blitz ist ein elektrostatisches Phänomen" gehört zur physikalischen Allerweltssprache und hindert niemanden daran, im Blitz eine "objektive" Angelegenheit zu sehen die mit und ohne menschlicher Präsenz da ist.

Nun, kategorische Behauptungen fördern auf ihre eigene Weise die Diskussion, und das ist auch wertvoll.

Greetings from Paris
Petruska

RoKo
12.04.12, 16:58
Hallo zusammen,

ich bin da ganz der Auffassung von Potruska.
(Kurze Nachfrage- meinst du Ernst Mayr, "Das ist Evolution"? Ich hab es gekauft, aber noch nicht gelesen.)

Im übrigen beginnt es schon in der Chemie. Dort kennt man das Gesetz des kleinsten Zwangs und das Massenwirkungsgesetz. Diese Gesetze sind m.E. sehr wesentlich für das Verständnis für chemische Prozesse, ohne die eine weitere Evolution in Richtung Biologie nicht denkbar wäre.

Betrachtet man solche Gleichgewichtsprozesse als System, dann ergibt sich z.B. aus dem Gesetz des kleinsten Zwangs, dass bei einer Einwirkung von der Umgebung (Zwang) auf das System, das System als Ganzes den Gleichgewichtsprozess durch Verschiebung des Arbeitspunktes aufrecht zu erhalten versucht. Mit dem Verständnis solcher Prozesse wird erkennbar, wie ein lebender Organismus trotz widriger Umwelt seine Lebensbedingungen aufrecht zu erhalten versucht.

Petruska
12.04.12, 17:56
Hallo RoKo, ja, es handelt sich um Ernst Mayr; ich denke an ein Buch, das in der franz. übersetzung "Après Darwin" heisst. Also "Nach Darwin" Da wird Emergenz ausdrücklich definiert und behandelt.

Mit freundlichen Grüssen aus Paris
P.

RoKo
12.04.12, 19:41
Hallo,

das Buch gibt es wohl noch nicht auf deutsch. Ich habe jedenfalls nichts gefunden. Hier jedoch eine Besprechung der Englischen Ausgabe (http://kapaneus.wordpress.com/2010/01/20/ernst-mayr-what-makes-biology-unique/).

fossilium
13.04.12, 00:07
Hi Roko,

Emergenz, d.h. das auftreten neuer Eigenschaften und Verhaltensweisen, ist ein physisches Phaenomen, dass als solches von der Physik bzw. der Naturwissenschaft allgemein nicht erklaert wird.

Was meinst Du mit "Auftreten neuer Eigenschaften" ?

Wenn ich eine Sache von links betrachte tauchen andere Eigenschaften auf als wenn ich sie von rechts betrachte - alles ist eben eine Frage der Perspektive. Meinst Du mit "neuen" Eigenschaften also solche, die durch Perspektivenwechsel entstehen ?

Oder solche, die neu und unerklärlich sind ?

Es ist nicht so dass ich es ablehne über etwas zu reden was ich nicht sofort verstehe - ich weiss hier einfach nicht worüber geredet wird.

Wenn Du das Wort Energenz benutzt, dann benutzt Du ein Wort, das keine gängige Definition hat. Also musst Du die von Dir unterlegte Definition Deinen Ausführungten voranstellen. Das fehlt aber ganz einfach.

Also hol es einfach nach, damit wir wissen über was hier geredet wird.

Grüsse zu später Stunde
mit dem Schlaf schon im Bunde
Fossilium

fossilium
13.04.12, 00:10
Hi Roko,


Im übrigen beginnt es schon in der Chemie. Dort kennt man das Gesetz des kleinsten Zwangs und das Massenwirkungsgesetz.

Ich kenn weder das eine noch das andere Gesetz.

Grüsse Fossilium

RoKo
13.04.12, 13:19
Hallo fossilium,

Die Emergenz (vom lateinischen emergere für „das Auftauchen“, „das Herauskommen“ oder „das Emporsteigen“) ist die spontane Herausbildung von neuen Eigenschaften oder Strukturen eines Systems infolge des Zusammenspiels seiner Elemente.

Z.B. hat ein Atom Eigenschaften, die seine Bestandtteile nicht haben:
- einen Mittelpunkt
- anziehende und abstossende Kräfte, die eine Bindung und damit die Möglichkeit zur Bildung von Gasen, Flüssigkeiten und Festkörpern bieten,
- chemische Affinitäten

RoKo
13.04.12, 13:24
http://www.chemie-online.net/allgemeine-chemie/chemische-gleichgewichte.php

JoAx
13.04.12, 13:50
Hi RoKo!


Z.B. hat ein Atom Eigenschaften, die seine Bestandtteile nicht haben:
- einen Mittelpunkt
- anziehende und abstossende Kräfte, die eine Bindung und damit die Möglichkeit zur Bildung von Gasen, Flüssigkeiten und Festkörpern bieten,
- chemische Affinitäten

Diese neuen Eigenschaften kommen deswegen aber nicht aus dem Nichts. Sie sind auf den Zusammenspiel der Eigenschaften der "Einzelteile" zurück zu führen. Und damit ->
Das Ganze ist nicht mehr als die "Summe" seiner "Teile".

Nur muss man sich bei der "Summe" nicht nur auf die Addition beschränken.
Alles andere konstatiert doch nur die Tatsache, dass der Mensch noch nicht alle Zusammenhänge kennt.


Gruß

RoKo
13.04.12, 16:29
Hallo JoAx,

Diese neuen Eigenschaften kommen deswegen aber nicht aus dem Nichts. Sie sind auf den Zusammenspiel der Eigenschaften der "Einzelteile" zurück zu führen.
Ja, genau. Nichts anderes wurde behauptet. Durch das Zusammenspiel entstehen neue Eigenschaften und Verhaltensweisen, die eben nur das "Ganze", das System aufweist. Genau das ist gemeint mit:
Das Ganze ist mehr als die "Summe" seiner "Teile".

Und mit neuen Verhaltensweisen müssen neue Gesetzmäßigkeiten konstatiert werden. So gilt für einen Festkörper eben die klassische Mechanik und nicht die Quantenmechanik. Erstere ist kein "Sonderfall" der letzteren. Alle Erklärungsversuche in diese Richtung sind gescheitert. Und noch viel weniger lassen sich chemische, biologische, physische und gesellschaftliche Gesetzmäßigkeiten auf Physik reduzieren.

Petruska
13.04.12, 17:31
Hallo, alle zusammen,

Der Begriff Emergenz hat noch keine gängige Definition, was auch nicht weiter erstaunlich ist. Die Forschung hat heutzutage auf gewissen Gebieten eine derartige Komplexität erreicht, dass schon die korrekte Formulierung der Problemstellung manchmal Jahre braucht, und das gilt auch für die dazugehörigen, oft NACHTRÄGLICH noch zu revidierenden Definitionen.

Emergenz ist eine solche Problemstellung. Das Problem als solches scheint da zu sein; wie man es jetzt korrekt formuliert, das ist eine andere Sache.

Wenn wir an einem ordinären, banalen Kalksteinbrocken vorbei wandern, dann gibt es LETZTEN ENDES keine stichhaltige Erklärung für die Tatsache, dass das Ding existiert. Bevor man mich jetzt (kalk)steinigt, oder für geistig zurück geblieben erklärt, möchte ich auf dem Ausdruck "LETZTEN ENDES" bestehen. Natürlich weiss ich auch seit Schulzeiten, dass Kalkstein aus Ablagerungen von Muschelschalen, Skeletten und sonstiger kalziumhaltiger Strukturen lebender Organismen entstanden ist.
Nehmen wir jetzt an, dass die Evolution dieser schon relativ entwickelten Organismen von den primitivsten Anfangserscheinungen des Lebens her wissentschaftlich/stichhaltig erklärt werden kann. Das ist nicht so sicher, aber nehmen wir es der Einfachheit und Klarheit zu Liebe an.
Was aber nun DAS ENSTEHEN DER LEBENDEN MATERIE AUS DER NICHT-LEBENDEN mATERIE anbetrifft, da bleibt viel Wesentliches noch unerkLärt.
Wie taucht diese lebende Materie aus der nicht-lebenden auf?
Hier haben wir ein Emergenzproblem.
Keiner Sagt nun, dass Emergenz aus dem nichts kommt.
Anderseits ist es auch nicht sicher, dass es sich hier NUR um FEHLENDE KENNTNIS handelt.
Um ein anschauliches Beispiel dafür zu geben, darf ich nochmals auf einen Punkt zurückkommen, über den ich hier schon genug doziert habe.
Es geht hier um den Menschenmengen -Effekt.
Hier im Zénih von Paris hat es eine Komiker (Gaston Lagaffe) mal fertig gebracht, 10000 Zuschauer eine halbe Stunde lang den selben Blödsinnvers zu skandieren. Als Einzelmensch hätte sich jeder Zuschauer sicherlich geweigert, das zu machen,; zumindest nicht so lange und mit "Übereugung". Ich habe selbst ähniches mit Studenten experimentiert.
Kurz gesagt, die Menschenmenge als solche hat globale Eigenschaften, die man nicht auf die Eigenschaften der Einzelmenschen zurückgeführt werden können, die die Menge bilden.
Anderseits erkennt man hier einen typischen systemeffek, nach dem (zu) berühmten Motto "das Ganze ist mehr als die summe (brrrrrr!!!) der Teile. Aber da wir wiederum nicht mal in der Lage sind, etwas besseres als diese haarsträubende "Summe" zu finden, um das richtig auszudrücken, da sehen wir, dass in systemtheorie das Wesentliche noch vor uns liegt.
Daher meine Vor-hypotheseund Hoffnung, dass eines Tages eine wissenschaftliche, operative systemtheorie bei emergenzproblemen weiterhelfen könnte.

Grüsse aus Paris

Petruska

Petruska
13.04.12, 18:42
Noch ein Nachtrag zum voherigen Beitrag;
Es mag vielleicht stimmen, dass Emergenzprobleme - und ich möchte darauf hinweisen, dass ich immer EmergenzPROBLEME und nie "Emergenz" erwähne - dadurch entstehen, dass wir die Zusammenhänge zwischen dem Ganzen und der Teile nicht kennen. Das aber kommt dann vielleicht spezifisch daher, dass unser - auf anderen Gebieten ô combien bewährtes - analytisches Denken nicht in der Lage ist, diese Sorte von Zusammenhängen zu erfassen. Dort könnte dann "System-Theorie" helfend einspringen. Aber gibt es die "wirklich"? Das heisst HIER in einer Form, mit der die Physik etwas anfangen kann?
Meine persönliche Antwort ist : NOCH nicht, aber das ja nur ein Grund mehr, daran zu arbeiten, und damit sind wir wieder bei der Ursprungsform des vorliegenden Themas gelandet.

Freundliche Grüsse aus Paris
P.

JoAx
14.04.12, 09:34
Und mit neuen Verhaltensweisen müssen neue Gesetzmäßigkeiten konstatiert werden.


Ist es eine Eigenschaft der Natur oder des Menschen? Die Dinger zu "vereinfachen"/"generalisieren", um schlicht schneller "rechnen"/"denken" zu können.


Gruß, Johann

EMI
14.04.12, 11:24
Deine Idee - ich wende mich hier an EMI - dass "alles" auf Physik zurück geführt werden kann, das ist der sog."Physikalismus", der heute nur noch wenige Anhänger hat.Das ist keine Idee, das ist objektive Realität mit oder ohne Anhänger.


Es steht Dir natürlich frei, am Physikalismus festzuhalten.
Aber bevor Du derartig sicher bist, dass das die einzig gültige Auffassung ist, dann erkundige Dich erst ob wirklich "alle" Deine Meinung teilen.Was sind denn dann ungültige Auffassungen?:confused:
Ich interessiere mich nicht für gültige/einzig gültige oder ungültige Auffassungen.
Ich hab mich mal erkundigt (nicht bei allen, dazu habe ich weder die Mittel noch die Zeit), nur bei Nachbarn, Freunden und Freundinnen, Verwandschaft, Kunden und Mitarbeitern. Hmm..., die haben immer nur mit der Schulter gezuckt.



Was nun die "physikalischen Phäniomene" betrifft, mit der Physik Deiner Meinung nach "nix zu tun hat", da bin ich ehrlich gesagt +/- sprachlos (!!??).Vieleicht findest Du deine Sprache wieder. Wenn ich dir dabei helfen darf. Ok, mach ich gern, lies einfach noch mal nach was ich geschrieben hatte:Physische Phaenomen usw. haben nun mal nix mit Physik zu tun

Gruß EMI

PS: Du wirst keine Schublade finden in die EMI hineinpasst.

amc
14.04.12, 12:33
Ich hab mich mal erkundigt (nicht bei allen, dazu habe ich weder die Mittel noch die Zeit), nur bei Nachbarn, Freunden und Freundinnen, Verwandschaft, Kunden und Mitarbeitern. Hmm..., die haben immer nur mit der Schulter gezuckt.

Ich werde mal meine Mutter fragen. Bin schon gespannt was sie sagt. :)

Grüße, AMC

Petruska
14.04.12, 16:59
Hallo,
Versuche, selbst auf Deine Frage zu antworten, indem Du dir eine Menschenmenge vorstellst.
Jeder Einzelmensch ist, rein biologisch gesehen, ein Naturphänomen. Eine Menschenmenge aber existiert nur dadurch, dass Menschen sich zusammen tun. Das ist also ein Gemisch von Natur und nicht-Natur, über dessen exakten Status man sich streiten kann.
Anderseits hat die Menschenmenge globale Eigenschaften, die man nicht auf Eigenschaften von Einzelmenschen zurück führen kann. Eine Menschenmenge ist zum Beispiel viel einfacher und dauernder zu manipulieren als Einzelmenschen. Diese spezifischen Eignschaften der Menschenmenge existieren aber nur so lange REEL, wie die Menge auch EFFEKTIV präsent ist. Wenn die Leute auseinader gehen, dann existieren diese Eigenschaften nur noch potentiel.
Bei all dem kommt man mit herkömmlichem analytischen Denken nicht mehr klar. Das ist keine Frage der Verallgemeinerung oder Vereinfachung, sondern eine objektive Problemstellung, deren Untersuchung radikal innovative Ansätze erfordert.

Grüsse aus Paris
P.

JoAx
14.04.12, 17:52
Hi Petruska!


Versuche, selbst auf Deine Frage zu antworten, indem Du dir eine Menschenmenge vorstellst.
...


Dass der Mensch sich in Mengen anders verhalten kann, als einzeln, das ist unbestritten. Allerdings ist die Schlussfolgerung für mich nicht überzeugend, dass es sich dabei um eine neue "Eigenschaft" handeln soll.


Gruß, Johann

Petruska
14.04.12, 19:30
Nochmals hallo, JoAx

Ich glaube jetzt zu erkennen, dass hier ein Missverständnis vorliegt, und zwar um das Adj. "neu" und den Ausdruck "neue Eigenschaften".

Ferner geht es hier NICHT darum, dass " 'der' Mensch" sich in der Menge anders verhält, als wenn er als Einzelperson auftritt.
Die wesentliche Problemstellung ist HIER folgende:
Wenn ein Sozialwissenschaftler das Verhalten einer Menschenmenge als solcher verstehen will, dann kann er sich NICHT AUSSCHLIESSLICH auf die Kenntnisse stützen, die er über Einzelmenschen (im Allgemeinen und/oder als konkrete Einzelerscheinungen) besitzt. Das ändert alles.

Wenn er die Menge aus ihren "Bestandteilen" heraus verstehen KÖNNTE, dann wäre alles einfacher. In der Physik untersuchen wir seit Jahrhunderten erst einfache Phänomene und versuchen dann, auf dieser Basis höhere Komplexitäten zu verstehen. Dieses "analytische Denken" hat grosse Erfolge herbei gebracht, funktioniert aber nicht ÜBERALL. Besagter Sozialwissenschaftler, im Gegensatz - hier vereinfache ich NATÜRLICH - zum Chemiker, kann nicht die Komplexität, hier die Menge, in "Einzelteile" auseinander nehmen, um sie (die Menge) besser zu verstehen, da diese "Einzelteile" sich IN der Menge anders verhalten als AUSSERHALB der Menge, wenn sie +/- allein sind.

Die globalen Eigensschaften eine Menge sind etwas anderes als die "Summe" (ich mag den Ausdruck Summe in diesem Zusammenhang nicht, aber es gibt keinen besseren) der Einzeleigenschaften der Einzelmenschen, die die Menge bilden.
Da ist, absolut gesehen, von "neuen Eigenschaften" nicht die Rede.
Im übertragenen Sinn kann man jedoch den Ausdruck "neue Eigenschaften" ungefähr so rechtfertigen:
Als "Anfangssituation" haben wir Einzelmenschen, mit ihren Einzelmenschen-Eigenschaften und nichts anderem.
DANN, in der folgenden Entwicklung, tun sich die Einzelmenschen zu einer Menge zusammen. In dieser Menge erscheinen jetzt Global-Eigenschaften, die bei der "Summe" der "selben" Einzelmenschen NOCH nicht beobachtbar waren, bevor diese "Summe" zu einer Menge wurde;

"Neu" muss hier also chronologisch und nicht ontologisch verstanden werden.

Grüsse aus Paris
P.

JoAx
14.04.12, 22:34
Ferner geht es hier NICHT darum, dass " 'der' Mensch" sich in der Menge anders verhält, als wenn er als Einzelperson auftritt.
Die wesentliche Problemstellung ist HIER folgende:
Wenn ein Sozialwissenschaftler das Verhalten einer Menschenmenge als solcher verstehen will, dann kann er sich NICHT AUSSCHLIESSLICH auf die Kenntnisse stützen, die er über Einzelmenschen (im Allgemeinen und/oder als konkrete Einzelerscheinungen) besitzt. Das ändert alles.


Das ist irgendwie selbstverständlich. Oder etwa nicht? Einfaches Beispiel aus der Physik:
Man betrachte, wie sich ein el. geladenes Objekt in einem Gravitationsfeld verhält. Das Ergebnis wird sein - genau, wie ein el. ungeladenes. Würde man jetzt noch ein el. Feld dazu schalten, dann sieht es schon anders aus. Ist eine neue Eigenschaft (in welchen Sinne auch immer) dazu gekommen? - Nein. Die Beschreibung ohne el. Feld ist schlicht nicht vollständig. Vollständige Beschreibung muss auch des el. Feld beinhalten, auch wenn dieses in einem Spezialfall gleich Null zu setzen wäre. Und dann wird deutlich, dass da keine, wie auch immer neu zu bezeichnenden "Eigenschaften", entstehen.

Und so sehe ich die Situation auch hier:

Als "Anfangssituation" haben wir Einzelmenschen, mit ihren Einzelmenschen-Eigenschaften und nichts anderem.
...

Zu ignorieren, dass auch ein "Einzelmensch" dem Gruppenzwang unterliegt heißt lediglich - unvollständige Ausgangsbeschreibung zu haben. IMHO.


Gruß, Johann

Petruska
15.04.12, 05:42
Guten Morgen, JoAx

Nicht ganz. Im Gravitationsfeld verhalten sich alle Oblekte gleich, als folge der Equivalenz von schwerer und träger Masse. Wenn ein Körper sagen wir zusätzlich elektrisch geladen ist, dann ändert sich sein "Verhalten" nur dann, wenn auch ein elektromagnetsches feld vorhanden ist.

Jetzt eine Woche Ferien für mich.
Wenn Du willst, geht die Diskussion in 8 oder 9 Tagen weiter.

Grüsse
P+

JoAx
15.04.12, 12:08
Wenn ein Körper sagen wir zusätzlich elektrisch geladen ist, dann ändert sich sein "Verhalten" nur dann, wenn auch ein elektromagnetsches feld vorhanden ist.


Das ist ja meine Rede. Der Mensch ist auch als "Einzelmensch" "el. Geladen" = unterliegt dem Gruppenzwang. Zum Tragen kann es natürlich erst kommen, wenn die Gruppe auch tatsächlich da ist (= em. Feld vorhanden ist).


Gruß und bis dann.

RoKo
15.04.12, 15:32
Hallo JoAx,

Ist es eine Eigenschaft der Natur oder des Menschen? Die Dinger zu "vereinfachen"/"generalisieren", um schlicht schneller "rechnen"/"denken" zu können.


Die sich ständig selbst verändernde Natur ist objektive Realität. Wir Menschen sind ein Produkt dieser sich selbst verändernden Natur - mit Bewusstsein und einer gewissen Intelligenz ausgestatte Wesen, die nun herauszufinden versuchen, wie die Natur "funktioniert".

Die Physik, eine theoriegeleitete Erfahrungswissenschaft, ist ein wesentlicher Teil dieses Versuches. Die Theorien, ihre Begriffe und ihre Gesetzmäßigkeiten beziehen sich zwar auf eine objektive Realität; sie sind aber unsere geistigen Konstrukte. Bei genauerer Betrachtung abstrahieren, vereinfachen, generalisieren wir dabei immer auf irgendeine Art und Weise; oft, um schlicht überhaupt rechnen und denken zu können.

Obiger Hinweis ist von daher kein geeignetes Argument, dass mit neuen Verhaltensweisen (der objektiven Realität) auch neue Gesetzmäßigkeiten (von Menschen) konstatiert werden müssen.

Möglicherweise irritiert dich das Wort "neu"! Die Berechtigung dieses Wortes ergibt sich aus der allgemein bekannten Tatsache, dass die Natur eine sich selbst entwickelnde Natur ist. Man kann es aber auch schlicht durch das Wort "andere" ersetzen.

kingcrimson04
06.05.12, 10:09
[QUOTE=RoKo;67815]Hallo JoAx,



Die sich ständig selbst verändernde Natur ist objektive Realität. Wir Menschen sind ein Produkt dieser sich selbst verändernden Natur - mit Bewusstsein und einer gewissen Intelligenz ausgestatte Wesen, die nun herauszufinden versuchen, wie die Natur "funktioniert".


Hallo Zusammen,

da seit 15.04. dieser Thread ruht will ich zur weiteren Belebung dieser Thematik einen Artikel anfügen, der m.E. die Diskussion neu beleben kann.

Laut obigem Zitat von RoKo kann man durchaus einen ontologischen Standpunkt von Natur unterstellen. Konstruktivisten arbeiten umhgekehrt. Aber das soll uns zunächst nicht interessieren. Was jedoch im Zusammenhang von Allgemeiner Systemtheorie und Physik interessiert, ist der zentrale Begriff der Beobachtung. Die Grundfrage wäre dann: kann man den Begriff der Beobachtung so weit abstrahieren, dass er für eine Theorie Allgemeiner Sinnsysteme (ATS) und QM gleicher maßen greift.
Geht man wie P. Fuchs davon aus, dass es die Leitdifferenz empirisch/mathematisch ist, die physikalische Beobachtung ermöglicht aber gleichzeitig Physik als wissenschaftliches Subsystem ein Sinnsystem darstellt, dann müßte es sich lohnen zu fragen wie eine Beobachtung von Sinnsystemen abläuft, da sie ja auch nur im Medium Sinn erfolgen kann. Das Medium Sinn ist (s. Seite 9) nicht transzendierbar.


Zitat aus der angehängten pdf-Datei (Neumann J.v. Mathematische Grundlagen der QM,1932)
„Es werde eine Temperatur gemessen. Wenn wir wollen, können wir diesen Vorgang rechnerisch so weit
verfolgen, bis wir die Temperatur der Umgebung des Quecksilberbehälters des Thermometers haben und dann
sagen: diese Temperatur wird vom Thermometer gemessen. Wir können aber die Rechnung weiterführen [...].
Aber einerlei, wie weit wir rechnen: bis ans Quecksilbergefäß, bis an die Skala des Thermometers, bis an die
Retina, oder bis ins Gehirn, einmal müssen wir sagen: und dies wird vom Beobachter wahrgenommen. D.h. wir
müssen die Welt immer in zwei Teile teilen, der eine ist das beobachtete System, der andere der Beobachter. In
der ersteren können wir alle physikalischen Prozesse (prinzipiell wenigstens) beliebig genau verfolgen, in der
letzteren ist dies sinnlos. Die Grenze zwischen beiden ist weitgehend willkürlich, [...] insbesondere braucht der
Beobachter in diesem Sinne keinesfalls mit dem Körper des wirklichen Beobachters identifiziert zu werden [...],
dies ändert aber nichts daran, daß [die Grenze] bei jeder Beschreibungsweise irgendwo gezogen werden muß,
wenn dieselbe nicht leer laufen, d.h. wenn ein Vergleich mit der Erfahrung möglich sein soll...."


Welche Konsequenzen dies für den Beobachter als Grenze zum beobachteten System und anderseits als "Part" (ob als Physik als Sozailsystems oder des,r PhysikerIn, als psychisches System) eines Sinnsysystems bildet wird in diesem Essay thematisiert.
Insofern freue ich mich auf weiterführende Überlegungen in diesem Forum


mit freundlichen Grüßen aus TZ

kc

RoKo
06.05.12, 18:59
Hallo kingcrimson04,

mal davon abgesehen, dass ich bereits sowohl die philosophischen, die quantenphysikalischen, die systemthemtheoretischen und soziologischen Voraussetzungen, von denen aus da argumentiert wird, für grundlegend falsch und desorientierend halte, möchte ich kurz auf den hier interessierenden Grundfehler eingehen.

Du schreibst dazu von kingcrimson04: Das Medium Sinn ist (s. Seite 9) nicht transzendierbar. und berufst dich dabei auf den eingeführten Text. von Peter Fuchs (o.a.A PDF)..Beobachtung ist nie und nirgends ein Gegenüber der beobachteten Welt... Das ist wohl wahr. Aber: Nun dient der "Sinn" von Beobachtung jedoch einem Zweck - dem erfolgreichen praktischen Eingreifen in die beobachtete Welt. Das ist geradezu das Grundprinzip von Leben. Im Laufe eines langen evolutionären Prozesses hat sich daraus bewusstes Leben entwickelt, dass nicht nur zwischen sich selbst und dem Rest der Welt (Umwelt) sondern vor allem zwischen den Erscheinungen der Eigenaktivität der Umwelt und den Reaktionen der Umwelt auf das eigene Handeln zu unterscheiden vermag.
Bereits ein Vogel muss soviel Unterscheidungsvermögen besitzen, dass er seinen eigenen Gesang von den Geräuschen der Umwelt unterscheiden kann; sonst würde er stets aus Angst vor sich selbst davonfliegen.

Quantenphysik lässt sich m.E. daher nur erfolgreich weiterentwickeln, wenn die Unterscheidung zwischen menschlicher Aktivität und sonstiger Umweltaktivität aufrechterhalten werden kann. Physik, die nur noch Resultate der Eigenaktivität (Messergebnisse, Wissen, Information) für real hält, ist keine Naturwissenschaft mehr.

EMI
06.05.12, 20:52
Physik, die nur noch Resultate der Eigenaktivität (Messergebnisse, Wissen, Information) für real hält, ist keine Naturwissenschaft mehr.Keine Sorge RoKo,

die Physik wird nie ne Religion werden, dass ist so sicher wie das Amen in der Kirche.

Gruß EMI

kingcrimson04
12.05.12, 14:13
Das ist wohl wahr. Aber: Nun dient der "Sinn" von Beobachtung jedoch einem Zweck - dem erfolgreichen praktischen Eingreifen in die beobachtete Welt.

Das kann man so sehen! Problematisch wird es allerdings, wenn das Medium Sinn einen quasi teleologischen Rahmen aufspannt.


Quantenphysik lässt sich m.E. daher nur erfolgreich weiterentwickeln, wenn die Unterscheidung zwischen menschlicher Aktivität und sonstiger Umweltaktivität aufrechterhalten werden kann. Physik, die nur noch Resultate der Eigenaktivität (Messergebnisse, Wissen, Information) für real hält, ist keine Naturwissenschaft mehr.

Aber was ist Physik denn mehr? Sie kann nur Resultate durch Eigenaktivität generieren. Sonst wäre es keine Physik sondern ja was? Biologie, Astrologie..?

EMI
12.05.12, 15:48
Nun dient der "Sinn" von Beobachtung jedoch einem Zweck - dem erfolgreichen praktischen Eingreifen in die beobachtete Welt.Nö, es dient dazu, die objektiven Gesetze der Natur zu erkennen und diese dann zu nutzen.



Aber was ist Physik denn mehr? Sie kann nur Resultate durch Eigenaktivität generieren.Nö, der Mond dreht sich auch ohne Eigenaktivität um die Erde.

EMI

kingcrimson04
25.05.12, 14:59
Nö, es dient dazu, die objektiven Gesetze der Natur zu erkennen und diese dann zu nutzen.



Nö, der Mond dreht sich auch ohne Eigenaktivität um die Erde.

EMI

Das ist nur zum Teil richtig! Ich meinte jedoch, dass Physik als Wissenschaft Teil des Gesellschaftssystem ist. Und alle physikalischen Erkenntnisse eben Teil dieses Systems sind: das nenne ich Eigenaktivität. Wenn also erknnt wird, dass sich der Mond um die Erde dreht, dann ist diese Erkenntnis eben auf Grund des physikalischen Weltbildes sozial entstanden.
Es gab aber auch andere Weltbilder (Erde im Mittelpunkt und Gestirne drehen sich um die Erde als Zentrum. Auch dies war gesellschafliche Konvention. Wer dies negierte galt als Herätiker....

Slash
18.06.12, 16:56
Es gibt in der Ingenieurwissenschaft die Systemdynamik.

Beginnend bei linearen, dynamischen Systemen mit konzentrierten Parametern, welche zu (gewöhnlichen) Differenzialgleichungen führen über nicht-lineare Systeme mit u.U. chaotischem Verhalten und Eigenschaften.

Müsste eine Systemtheorie nicht mit der (mathematischen) Beschreibung ihrer Elemente und der Berechnung (Simulation) des Systemsverhaltens unter jeweiligen Anfangs- und Randbedingungen auskommen? Anders gefragt: Ist es eigentlich nicht vor allem das Problem, das bei vielen realen Systemen keine mathematische Beschreibung existiert (vor allem schon gar keine analytisch lösbare)?

Grüße
Slash