PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Das Photon und der Strahlteiler


Thom_B
29.08.12, 18:10
Hallo Zusammen,

um die Diskussion zu dem Zeilinger Artikel nicht zu weit ausufern zu lassen, hier mal meine Version zu dem Photonen Anti-Bunching, dass oft als das zentrale Experiment zur Teilchennatur des Lichtes in der Quantenoptik gesehen wird und in der Diskussion mit RoKo auch angesprochen wurde. Eine Warnung vorweg: Die Fragestellung hier mag auf den ersten Blick recht abwegig und konstruiert erscheinen. Das ist sie wohl auch, aber die Quantenoptik hat gelernt, dass man solche Fragen stellen muss, um zur Teilchennatur des Lichtes vorzudringen.

Der Aufbau ist simpel:

Wie betrachten eine Lichtquelle, zunächst stellen wir uns einen Laser vor. Der soll eine kohärente, monochromatische Welle mit konstanter Intensität erzeugen, Polarisation ist unwichtig. Das ist zwar eine Idealisierung, aber für unsere Zwecke ok. Das Licht trifft auf einen Strahlteiler, der die Intensität des einfallenden Lichtes zu gleichen Teilen reflektieren und transmittieren soll. An beiden Ausgängen des Strahlteilers trifft das Licht auf je einen Detektor. Über die Wirkungsweise des Detektors brauchen wir uns nicht allzu viele Gedanken zu machen, es genügt die Annahme, dass die Wahrscheinlichkeit, dass der Detektor anspricht proportional zur Intensität des einfallenden Lichtes ist. Natürlich sind die beiden Detektoren identisch. Jetzt stellen wir folgende Frage: Was ist die Wahrscheinlichkeit, dass beide Detektoren ansprechen? Dabei interessiert uns, ob diese Wahrscheinlichkeit davon abhängt, ob beide Detektoren gleichzeitig oder mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung ansprechen. Uns interessiert also die Wahrscheinlichkeit, dass Detektor 1 zur Zeit t anspricht und Detektor 2 zur Zeit t+delta t. Diese Wahrscheinlichkeit (eine Korrelationsfunktion, manchmal auch g2 Funktion
genannt) tragen wir als Funktion von delta t auf.

Erster Fall: wir betrachten das Lichtfeld als eine klassische (monochromatische) Welle. Für einen Laser genügend hoher Intensität ist das ok. Was erwarten wir? Die auf den Strahlteiler einfallende Intensität wird gleichmäßig auf beide Detektoren verteilt, daher haben beide die gleiche Wahrscheinlichkeit anzusprechen. Da die Intensität zeitlich konstant sein soll, ändert sich diese Wahrscheinlichkeit auch nicht mit der Zeit. Also ist auch unsere Korrelationsfunktion zeitlich konstant und nicht von delta t abhängig.

Zweiter Fall: Jetzt wiederholen wir das Experiment bei immer geringerer Intensiät. Die Argumentation aus dem ersten Fall bleibt davon unberührt, Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Detektor anspricht nimmt zwar ab, die gesuchte Korrelation hängt aber immer noch nicht von delta t ab. Aber halt: ist denn die klassische Betrachtung des Feldes bei immer geringeren Intensitäten zulässig? Müssen sich nicht irgendwann die Lichtquanten zeigen? Berechtigter Einwand, also beschreiben wir das ganze mit einem quantisierten Lichtfeld. Das von dem Laser emittierte Licht wird dann als kohärenter Zustand beschrieben. Ein kohärenter Zustand ist die bestmögliche quantenoptische Darstellung einer klassischen Welle, der quantenmechanische Erwartungswert des elektrischen Feldes oszilliert hier wie die das klassische E-Feld, es gibt aber zusätzliche Unschärfen, die das klassische Feld nicht hat. Was ändert sich für unsere gesuchte Korrelationsfunktion? Antwort: gar nichts, das quantenoptische Ergebnis entspricht genau dem klassischen. Wozu also das alles?

Jetzt kommt der dritte Fall: Wir tauschen die Lichtquelle. Wir betrachten jetzt eine Quelle, die in regelmässigen Zeitabständen einzelne Photonen ausstösst. Das klingt banal, ist es aber nicht, denn keine klassische Lichtquelle und auch kein Laser tut das! (*) Man kann sowas aber bauen, wie man das am besten macht ist ein aktuelles Gebiet der technischen Quantenoptik. Das Lichtfeld besteht daher jetzt zu jedem Zeitpunkt aus einer festen Anzahl an Photonen, manche nennen das Fock-Zustand. Trifft jetzt ein Photon auf den Strahlteiler, so kann es nur entweder reflektiert oder transmittiert werden. Im Mittel werden zwar genausoviele Photonen reflektiert wie transmittiert, für das einzelne Photon gibt es aber nur eine Alternative. Und da das Photon nur einmal gemessen werden kann und auch nie mehr als eines gleichzeitig ankommt, können jetzt beide Detektoren nicht gleichzeitig ansprechen, unsere Korrelationsfunktion zeigt ein Minimum bei delta t = 0. Das nennt man Anti - Bunching und ist ein experimenteller Beweis, dass meine Quelle nichtklassisches Licht aussendet, das nicht mit der klassischen Wellengleichung beschrieben werden kann.

Der dritte Fall zeigt also, dass es Lichtfelder gibt, die über eine klassische Beschreibung hinausgehen und eine quantisierte Beschreibung erfordern. Wer die Welt überzeugen möchte, dass er eine Einzelphotonen Quelle gebaut hat, muss genau dieses Experiment machen. Ein abgeschwächter Laser ist dagegen nie eine Einzelphotonen Quelle!


(*) Ein Problem der Interpretation ist, dass wir, wenn wir von Photonen sprechen meist intuitiv an solche Felder mit fester oder zumindest definierter Photonenzahl denken. Fast alle alltäglichen Lichtfelder haben diese Eigenschaft jedoch nicht, es besteht eine quantenmechanische Unschärferelation zwischen der Photonenzahl und der Phase des Feldes. Wer also fragt, wieviele Photonen sein Computerbildschirm gerade abstrahlt, kannn für diese Zahl nur einen Mittelwert angeben, die genaue Zahl ist strenggenommen nicht definiert, auch wenn bei hohen Photonenzahlen diese Unschärfe zu vernachlässigen ist.



schöne Grüße
Thom_B

RoKo
30.08.12, 06:56
Hallo zusammen,

Hier ein Link zum
QuantumLab (http://www.didaktik.physik.uni-erlangen.de/quantumlab/index.html?/quantumlab/Grundlagen/Kapitel2/index.html). Dort wird unter anderem die Funktionsweise einer "angekündigten" Einphotonenquelle beschrieben.

RoKo
31.08.12, 03:21
Hallo Thom_B,

Der dritte Fall zeigt also, dass es Lichtfelder gibt, die über eine klassische Beschreibung hinausgehen und eine quantisierte Beschreibung erfordern. Mehr aber auch nicht. Eine "Teilchen"natur wird damit nicht nachgewiesen.

Thom_B
31.08.12, 08:55
Hallo RoKo,

ob eine naive Teilchenvorstellung für das Licht hilfreich ist, oder eher verwirrt ist umstritten. Eine bedeutende Schule um W. E. Lamb (Nobelpreis für die Lamb-Verschiebung) und M. O. Scully (Texas A&M University) vertritt durchaus die Auffassung, dass ein naives Teilchenbild eher verwirrt als nützt. Man könnt hier den polemischen Artikel von W. Lamb:

The Anti-Photon (Applied Physics B, Vol 60, pp 77-84)

oder Scully, Sargent: The Concept of the Photon (Physics Today, Vol 25, pp 38 - 47) (*)

oder deren Lerhrbücher zitieren. Übrigens hat W. Lamb einmal auf einer Konferenz Lizenzen an Leute verteilt, die seiner Meinung nach authorisiert sind, das Wort "Photon" zu benützen, da sie sich der begrifflichen Beschränkungen bewusst sind. Es gab nicht viele solcher Lizenzen.


Meiner Meinung nach, ist das oben beschriebene Strahlteiler Experiment eines, das einer naiven Teilchenvorstellung am nächsten kommt: Ein Teilchen kann sich am Strahlteiler nicht aufteilen und daher nur an einem Detektor gemessen werden. Ebenfalls stützt das Teilchenbild alles, was mit einem diskreten Impulsübertrag bei der Absorbtion oder Emission zu tun hat.


(*) Frage: wie wird das hier mit dem Zitieren von Artikeln gehandhabt, die dem copy-right eines Verlages unterliegen. Ich möchte sie nicht hochladen, weiss aber, dass einige Leser sie vielleicht nicht oder nur gegen (unverschämt) viel Geld lesen können. Sollte man das Zitat dann lassen?

schöne Grüße
Thom_B

RoKo
31.08.12, 12:48
Hallo Thom_B,

ich habe einen frei zugänglichen Artikel "Arguments Concerning Photon Concepts" (http://aporia.byu.edu/pdfs/manchak-arguments_concerning_photon_concepts.pdf) gefunden, der sich sowohl auf die o.a. Texte wie auch auf das Anti-Bunching-Experiment bezieht.

Nachtrag: hier gibt es auch Anti-Photon (http://www-3.unipv.it/fis/tamq/Anti-photon.pdf) frei zugänglich.

Thom_B
31.08.12, 15:43
Halo RoKo,

danke für die Links und die Artikel, interessante Sachen, die Du da findest. Zu dem Artikel von John Manchak: "Arguments concerning photon concepts" möchte ich zwei Punkte anmerken.

- Der dort beschriebene Unterschied zwischen Photonenkonzept I, II, III und dem "Photon IV" aus einer Quantenelektrodynamik oder Quantentheorie der Strahlung (QTR-Photon) entspricht nach meiner Sicht dem Unterschied zwischen dem Bohr'schen Atommodell und dem Atommodell nach Schrödinger/Dirac, ... Photon I, II, III sind Konzepte, die aufgestellt wurden, bevor eine ausformulierte Version der Quantentheorie der Strahlung vorlag. Daher würde ich behaupten, dass Photon I, II, III historische Vorläufer oder phänomänologische Spezialfälle von Photon IV sind, aber keine aktuellen Alternativen. Widersprechen möchte ich der Aussage, dass Photon IV fundamental unterschiedlich zu den anderen Konzepten ist. Im Gegenteil, ich möchte behaupten dass es diese umfasst.

- Manchak behauptet, dass das Photon IV aus der Quantentheorie der Strahlung immer delokalisiert wäre. Das stimmt so nicht. Es stimmt für das genannte Beispiel, wenn man eine stehende Welle zwischen zwei Spiegeln quantisiert. Das ist aber nur ein Beispiel für die Quantisierung, die in Lehrbüchern meist zuerst gemacht wird, da sie besonders einfach ist. Man kann über die Quantisierung von Wellenpaketen sehr wohl lokalisierte Photonen IV im Sinne der Quantenelektrodynamik erhalten und damit die Verbindung zu den Modellen I, II, III herstellen.

schöne Grüße
Thom_B

RoKo
31.08.12, 18:14
Hallo Thom_B,

hier habe ich noch einen indischen Text "Quantum Mechanics of Photons", (http://www.m-hikari.com/astp/astp2012/astp5-8-2012/chandrasekarASTP5-8-2012.pdf) der m.E. noch zwei andere Sichtweisen darlegt.

RoKo
31.08.12, 19:42
Hallo Thom_B,

Meiner Meinung nach, ist das oben beschriebene Strahlteiler Experiment eines, das einer naiven Teilchenvorstellung am nächsten kommt: Ein Teilchen kann sich am Strahlteiler nicht aufteilen und daher nur an einem Detektor gemessen werden. Ebenfalls stützt das Teilchenbild alles, was mit einem diskreten Impulsübertrag bei der Absorbtion oder Emission zu tun hat.

Ist ein Wassertropfen ein Teilchen Wasser oder eine Portion (ein Quantum) Wasser?

Die Funktionsweise des Detektors beweisst lediglich, dass ein Quantum Energie kurzzeitig die Differenz zwischen Valenz- und Leitungsband überbrückt hat. Mehr nicht.

Die Ignoranz gegenüber der Messtechnik ist nur dann konsistent, wenn man die Physik auf beobachtbare Phänomene reduziert. Dann muss man aber von "Teilchen" erst recht schweigen. Dann kann man nur davon reden, dass das Einschalten einer detailliert zu beschreibenden Versuchsapparatur sichtbare Ergebnisse produziert.

RoKo
01.09.12, 07:24
Hallo zusammen,

noch mehr papers:

Arnold Neumaier Classical and quantum aspects of light (http://www.mat.univie.ac.at/~neum/ms/lightslides.pdf)
Arnold Neumaier Optical models for quntum mechanics (http://www.mat.univie.ac.at/~neum/ms/optslides.pdf)
Arnold Neumaier ??? (http://www.mat.univie.ac.at/~neum/papers/physpapers.html#detslides) Grossartig angekündigt, aber nicht verfügbar.
und
Sandor Varro Correlations in Single Photon Experiments (http://arxiv.org/ftp/arxiv/papers/0707/0707.1305.pdf)
und
Peeter Saari Photon Localization Revisited (http://cdn.intechweb.org/pdfs/26311.pdf)
und
Iwo Bialynicki-Birula Photon Wave Function (http://lanl.arxiv.org/pdf/quant-ph/0508202v1.pdf)

da scheinen neuere Erkenntnisse vorzuliegen. Das muss ich selbst erst mal studieren.

RoKo
02.09.12, 03:40
Hallo zusammen,

die von Lamb in "Anti-Photon" vertretene Ansicht ist klar und eindeutig:
Lamb: Photons cannot be localized in any meaningful manner, and they do not behave at all like particles, wether discribed by a wave function or not.

Ergänzung: Die anderen Texte scheinem dem zu widersprechen. Dem ist aber nicht so. Arnold Neumaier fasst das (in Kenntnis der Arbeiten von Bialynicki-Birula, auf die sich auch die anderen Texte partiell berufen) im ersten Abschnitt des ersten Textes nur anders zusammen. Weil es keinen Ortsoperator für die Wellenfunktion eines Photons gibt, gibt es auch keine "Aufenthalts"wahrscheinlichkeit wie in der Quantenmechanik.
Neumaier This rules out the interpretation of photons as point particels.

Thom_B
03.09.12, 10:14
Hallo Roko,

eine schöne Sammlung an Texten, leider habe ich gerade keine Zeit, alles sorgfältig zu lesen, daher ein recht oberflächlicher Kommentar von mir.

Wir scheinen in folgenden Punkten übereinzustimmen (ich bitte um Widerspruch, falls ich da falsch liege):

- (1) Lichtquanten (oft Photonen genannt) werden in der Quantenoptik als Elementaranregungen der Moden des elektromagnetischen Feldes eingeführt. Sind diese Moden ebene Wellen oder Stehwellen so haben diese Photonen keine Raum-Zeitliche Struktur und man kann eigentlich nicht von dem Aufenthaltsort eines Photons sprechen. Ein Photon kann aber nur einmal detektiert werden, daher wird es durch seine Detektion eindeutig lokalisiert.

- (2) In den meisten Fällen ist es daher eher verwirrend, von einem Photon als Lichtteilchen zu sprechen. (Meiner Ansicht nach gibt es aber Fälle, in denen dieses Bild hilfreich ist. Ich sage ausdrücklich nicht: "der Wirklichkeit entspricht"). Du würdest vermutlich sagen: in allen Fällen ...

- (3) Alle experimentellen optischen und auch quantenoptischen "Gerätschaften" also z.B. Strahlteiler werden unter Zuhilfenahme klassischer wellenoptischer Überlegungen, also z.B. Interferenzen an verschiedenen Reflexionsschichten konstruiert. Niemand konstruiert einen Strahlteiler als "Tennisschläger für Photonen". Die quantenoptischen Eigenschaften dieser "Gerätschaften" erhält man, indem man ihre Wirkungsweise auf die klassischen Felder auf quantenoptische Feldoperatoren überträgt.

Eventuell nicht so ganz stimmen wir in der Frage der Lokalisation einer Photons überein. Mein Lieblingsautor hierzu ist Michael Raymer, University of Oregon, ein Review von ihm ist hier: http://arxiv.org/abs/0708.0831, die Einleitung ist auch allgemein gut lesbar.

Bei der Lokalisation von Photonen (als Objekt, nicht des Detektionsevents) möchte ich zwei Dinge unterscheiden:

- (4) Lokalisation im Sinne von Punkt (1). Was eine Mode ist, geht immer aus dem experimentellen Kontext hervor, ich kann durchaus auch Wellenpakete als Moden betrachten und diese dann quantisieren. Dann entspricht die Lokalisierung meines Photons der des klassischen Wellenpaketes. Das läuft manchmal unter dem Namen Glauber-Titulaer Moden.

- (5) Gibt es eine Wellenfunktion für das Photon? Für jedes quantenmechanische Teilchen sollte es so etwas ja geben, das Absolutquadrat dieser Wellenfunktion sollte dann die Aufenthaltswahrscheinlichkeit dieses Teilchens wiedergeben. Besonders attraktiv wäre es, wenn man das elektromagnetische Feld als Wellenfunktion des Photons interpretieren könnte. Das geht aber so einfach nicht. Ein Photon kann nicht in einem Orts-Eigenzustand sein, es gibt keinen Orts-Operator (das hat damit zu tun, dass es keine Ruhemasse besitzt). In diesem Sinne ist das Photon dann kein Teilchen. Man kann aber eine Wellenfunktion konstruieren, deren Absolutquadrat die Energiedichte des elektromagnetischen Feldes an einem Ort wiedergibt. Eine so definierte Wellenfunktion wäre dann gerade die Summe aus E-Feld und B-Feld (E+icB), die Maxwell Gleichung für diesen Feldvektor entspricht dann der Dirac Gleichung für das Photon. Maxwell hätte in diesem Sinne die erste quantenmechanische relativistische Feldgleichung aufgeschrieben.

schöne Grüße
Thom_B

Hawkwind
03.09.12, 13:05
- (5) Gibt es eine Wellenfunktion für das Photon? Für jedes quantenmechanische Teilchen sollte es so etwas ja geben, das Absolutquadrat dieser Wellenfunktion sollte dann die Aufenthaltswahrscheinlichkeit dieses Teilchens wiedergeben. Besonders attraktiv wäre es, wenn man das elektromagnetische Feld als Wellenfunktion des Photons interpretieren könnte. Das geht aber so einfach nicht. Ein Photon kann nicht in einem Orts-Eigenzustand sein, es gibt keinen Orts-Operator (das hat damit zu tun, dass es keine Ruhemasse besitzt). In diesem Sinne ist das Photon dann kein Teilchen. Man kann aber eine Wellenfunktion konstruieren, deren Absolutquadrat die Energiedichte des elektromagnetischen Feldes an einem Ort wiedergibt. Eine so definierte Wellenfunktion wäre dann gerade die Summe aus E-Feld und B-Feld (E+icB), die Maxwell Gleichung für diesen Feldvektor entspricht dann der Dirac Gleichung für das Photon. Maxwell hätte in diesem Sinne die erste quantenmechanische relativistische Feldgleichung aufgeschrieben.


Nur hierzu: das ist schon erstaunlich. Wie stellt sich denn das sog. Messproblem der Quantenmechanik bei so einem Ansatz dar?

Ich denke dabei an die nichtlokale Zustandsreduktion der quantemechnaischen Wellenfunktion durch eine Messung (Kopenhagener Deutung). Normalerweise argumentiert man, dass die quantenmechanische Wellenfunktion keine Observable ist und deshalb ihr nichtlokales Feature keinen Konflikt mit der Speziellen Relativität impliziert.

Ich bin nicht sicher, ob es in dem oben von dir erwähnten Ansatz so ein Argument noch gibt, da ein enger Zusammenhang zwischen der Observablen "elektromagnetisches Feld" und der quantenmechanischen Wellenfunktion eingeführt wird. Müsste bei einer Messung nicht dann das elm. Feld nichtlokal "kollabieren", was man aber nicht beobachtet und was auch im Konflikt zur SRT stünde?

Gruss,
Hawkwind

RoKo
03.09.12, 20:52
Hallo Thom_B,

gegen deine Ausführungen habe ich nichts einzuwenden. Ergänzend (nicht für dich - sondern für andere User) nur den Tenor des zitierten Raymer papers: Man muss wissen, wann und wofür man vereinfachende Modelle einsetzen kann und darf. (Man benötigt also eine Lizenz von Lamb zum Gebrauch des Begriffes Photon :) )

Ferner eine Bitte: Beschäftige dich mal mit der Problemstellung von Hawkwind. Ich hatte an anderer Stelle schon mal Streit.

Thom_B
04.09.12, 13:56
Hallo Hawkwind,

Du hast natürlich recht, eine quantenmechanische (oder quantenfeldtheoretische) Wellenfunktion ist etwas anderes als ein elektromagnetisches Feld. Die Wellenfunktion lebt im quantenmechanischen Hilbertraum, und über entsprechende Operatoren kann ich mit der Wellenfunktion Wahrscheinlichkeiten und Erwartungswerte für bestimmte Observablen bestimmen. Nach einer Messung kollabiert dann die Wellenfunktion auf den jeweils gemessenen Wert.

Die akzeptierteste Darstellung der Wellenfunktion eines Photons ist jetzt der Vektor (E+icB) aus dem elektrischen und magnetischen Feld der Modenfunktionen, die das Photon ausmachen. Die Bewegungsgleichung dieser Wellenfunktionen ist die Maxwell-Gleichung für E und B, man kann zeigen, dass das mit einer Dirac Gleichung übereinstimmt. Das sind exakt die Modenfunktionen, die in der standard Quanten-Feldtheorie quantisiert werden und die räumliche Ausdehnung des quantisierten Feldzustandes beschreiben. Das sind aber nicht die Erwartungswerte für die Observablen des elektrischen und magnetischen Feldes dieses Photons. Bei einer Messung kollabiert daher auch nur die Wellenfunktion und nicht die Erwartungswerte.

Wie berechnet man jetzt die Erwartungswerte für das elektrische und magnetische Feld eines Photons? Wenn man mit der Photonen-Wellenfunktion arbeiten will, wird das zumindest aus meiner Sicht ziemlich haarige Quantenfeldtheorie, und ich bin sicher nicht in der Lage das aus dem Stand durchzurechnen. Man macht die zweite Quantisierung, macht also aus der Wellenfunktion einen Operator und berechnet Erwartungswerte. In der Standard Quantenfeldtheorie ist das einfacher (da traue ich mir das auch zu) auch hier berechnet man die Erwartungswerte eines Feldoperators für einen gewissen Feldzustand. Die Tatsache, dass dies im Formalismus der Wellenfunktionen recht schwierig wird ist vermutlich der Grund, warum mit der Wellenfunktion des Photons eher selten gearbeitet wird. Ich würde aber stark vermuten, dass als Erwartungswert des elektrischen Feldes für ein Photon auch im Wellenfunktionsformalismus null herauskommt.

schöne Grüße
Thom_B

Hawkwind
04.09.12, 22:36
Hi Thom_B,


...
Die akzeptierteste Darstellung der Wellenfunktion eines Photons ist jetzt der Vektor (E+icB) aus dem elektrischen und magnetischen Feld der Modenfunktionen, die das Photon ausmachen. Die Bewegungsgleichung dieser Wellenfunktionen ist die Maxwell-Gleichung für E und B, man kann zeigen, dass das mit einer Dirac Gleichung übereinstimmt. ...

Interessant und zumindest für mich etwas verblüffend ist, dass die Wellenfunktion des Photons einer Dirac- oder Dirac-ähnlichen Gleichung genügt. Mit Dirac-Gleichung assoziere ich normalerweise Spin 1/2 Teilchen und keine Vektorbosonen.

Habe mich mal "schlau gemacht" und gefunden, dass ja andererseits schon sehr, sehr lange bekannt war (nur mir halt nicht :)), dass die Maxwellgleichungen in eine spinorielle Form transformiert werden können:

Laporte, O., and G.E. Uhlenbeck, 1931, Application of spinor analysis to the
Maxwell and Dirac equations. Phys. Rev. 37, 1380.

Ich vermute mal, dass die Masselosigkeit des Photons eine wichtige Rolle bei diesen Ansätzen spielt; sie reduziert ja die Freiheitsgrade des Photons von 3 auf 2, womit wir - was die internen Freiheitsgrade angeht - schon ganz dicht bei Spin 1/2 wären.

Gruss,
Hawkwind

RoKo
01.04.15, 19:53
Leider bricht die an sich spannde Diskussion hier ab.

RoKo
02.04.15, 12:19
What is a photon?

Dieser Frage widmet sich folgende OPN-Ausgabe (http://www.osa-opn.org/Content/ViewFile.aspx?Id=3185)

Timm
02.04.15, 17:31
What is a photon?

Dieser Frage widmet sich folgende OPN-Ausgabe (http://www.osa-opn.org/Content/ViewFile.aspx?Id=3185)
Im letzten Absatz des ersten Artikels ist der Standpunkt von Paul Davies wiedergegeben. Wenn die Realitätsanforderung für ein Ding darin besteht, daß es beobachterunabhängig existiert, erfüllt das Photon diese Bedingung zumindest das Quantenvakuum betreffend nicht.

Nach demselben Kriterium wären aber solche Photonen real, die ein inertialer Beobachter sieht.

Kann etwas je nach Situation ein Ding sein, oder auch nicht?

RoKo
02.04.15, 20:59
Hallo Timm,
..
Kann etwas je nach Situation ein Ding sein, oder auch nicht?
Ich interpretiere deine Frage zunächst als eine allgemeine naturphilosophische Frage und beantworte sie mit einem klaren "Nein".

Hättest du allerdings nach dem ontologischen Status des Vakuums gefragt, dann hätte ich dir geantwortet:

Jede Erregung des elektromagnetische Feldes des Universums einschliesslich jeder Vakuumfluktuation ist ein Ding, da sie über Energie verfügt und veränderlich ist. Nicht das Vakuum ist ein Ding (das ist ein gedankliches Konstrukt der Vergangenheit; es gibt keinen leeren Raum), aber die Nullpunktfluktuationen des elektrischen Feldes sind Dinge, auf deren Energiegehalt ein beschleunigter Beobachter eine andere Sicht hat.

Plankton
22.11.15, 08:40
Nachdem ich den Thread überflogen habe und der thematische Zusammenhang gegeben ist, hier ein Link zu einem übersichtlichen Papier:
http://www.physikdidaktik.uni-wuppertal.de/fileadmin/physik/didaktik/Forschung/Publikationen/Passon/Passon_Grebe-Ellis_2015_Moment_mal_was_ist_eigentlich_ein_Photo n.pdf

Die Eigenschaften praktisch aller Lichtquellen und die Wechselwirkung ihrer Strahlung mit Materie lassen sich ohne Photonen in der semi-klassischen Näherung erklären. EINSTEINs Erklärung des lichtelektrischen Effekts (= Photoeffekt) sollte denselben Status wie das Bohrsche Atommodell erhalten: historisch bedeutsam aber nicht mehr aktuell. Während die nichtrelativistische Quantenmechanik die Eigenschaft „Ort“ unscharf werden lässt, bleibt die Eigenschaft „Anzahl“ für Quantenobjekte (z. B. Elektronen) erhalten. Photonen werden jedoch durch eine Quantenfeldtheorie beschrieben, bei der es keinen Ortsoperator mehr gibt und diese letzte teilchenartige Eigenschaft („eine feste Anzahl haben“) ebenfalls unscharf wird (siehe hierzu etwa auch [9]). Aus diesem Grund ist die Beschriftung in Abb. 1 auch grob irreführend. Die behauptete eindeutige (und feste) Teilchenzahl bei Brechung und Reflexion an einer Grenzfläche ist i. allg. nicht gegeben. Die Darstellung von Photonen als Wellenpakete (siehe Abb. 2) ist ebenfalls falsch. Hier wird ein Konzept der nichtrelativistischen Quantenmechanik auf das relativistische Photon übertragen. Nicht-klassisches Licht lässt sich (gemessen am Alter der Quantentheorie) erst relativ kurz experimentell erzeugen und manipulieren. Eine Diskussion des hier geschilderten Versuchs von HANBURY-BROWN und TWISS mit verschiedenen Lichtquellen erläutert und illustriert diese Schwierigkeiten beispielhaft. Charakteristisch für nicht-klassisches Licht ist (wie durch das AntiKoinzidenzverfahren illustriert) die Zeitstruktur der Ereignisse. Eine prägnante Formulierung findet Jan-Peter Meyn [10], wenn er im selben Zusammenhang die Ausdrucksweise „Licht besteht aus Photonen“ ablehnt und stattdessen „Ein Photon kann aus dem Licht präpariert werden“ vorschlägt. Einmal mehr zeigt sich, wie problematisch Lichtmodelle sind, auf deren Verwendung der traditionelle Optikunterricht glaubt, nicht verzichten zu können. Hier bietet die phänomenologische Optik [11] eine Alternative.

Mir gefällt die Zusammenfassung gut!
Gruß