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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Drehimpulse


glglgl
12.09.12, 16:54
Hallo,
mich wundert folgendes:

J*J und eine Komponente Jz sind gleichzeitig scharf messbar, die anderen Komponenten unbestimmt.

Wieso ist es dann überhaupt sinnvoll vom Drehimpuls an sich und Drehimpulserhaltung zu reden? Im Sinne von Erwartungswerten wohl, aber doch nicht fürs Einzelsystem?

Wieso werden zur Berechnung der Spin-Bahn-Wechselwirkung S und L vektoriell addiert? Es gibt keine Observable Gesamtdrehimpuls J, warum kann ich "so tun als ob"?

Hawkwind
13.09.12, 23:39
J*J und eine Komponente Jz sind gleichzeitig scharf messbar, die anderen Komponenten unbestimmt.

Wieso ist es dann überhaupt sinnvoll vom Drehimpuls an sich und Drehimpulserhaltung zu reden? Im Sinne von Erwartungswerten wohl, aber doch nicht fürs Einzelsystem?


Ja, die Erwartungswerte bleiben dann erhalten; Konsequenzen von Drehimpulserhaltung sind aber darüber hinausgehend. Denk z.B. an Auswahlregeln bei atomaren Übergängen; sie sind eine Konsequenz von Drehimpulserhaltung: http://de.wikipedia.org/wiki/Auswahlregeln .

Drehimpulserhaltung gilt für abgeschlossene Systeme, die eine Rotationssymmetrie aufweisen (d.h. solche, bei denen keine vorgezogene Richtung existiert).


Wieso werden zur Berechnung der Spin-Bahn-Wechselwirkung S und L vektoriell addiert? Es gibt keine Observable Gesamtdrehimpuls J, warum kann ich "so tun als ob"?

Mhm, was sind denn eine "Observablen"? Das sind in der Quantenmechanik "Messgrößen". Natürlich kann auch der Gesamtdrehimpuls gemessen werden; er wird durch einen hermitischen Operator repräsentiert und hat reelle, messbare Eigenwerte; er ist also ein Observable, wenn auch eine zusammengestzte. Seinen Einfluss auf Messungen sieht man z.B. im anomalen Zeemaneffekt, z.B. http://www.ieap.uni-kiel.de/et/download/physik3/V8.pdf

Gruss,
Hawkwind

Ich
14.09.12, 08:32
Drehimpulserhaltung gilt für abgeschlossene Systeme, die eine Rotationssymmetrie aufweisen (d.h. solche, bei denen keine vorgezogene Richtung existiert).
Systeme mit Drehimpuls haben immer eine ausgezreichnete Richtung. Die Rotationssymmetrie betrifft nur die zugrundeliegenden Naturgesetze (Noether-Theorem (http://de.wikipedia.org/wiki/Noether-Theorem)).

glglgl
14.09.12, 09:10
Hallo,vielen Dank für die Antwort.


...
Mhm, was sind denn eine "Observablen"? Das sind in der Quantenmechanik "Messgrößen". Natürlich kann auch der Gesamtdrehimpuls gemessen werden; er wird durch einen hermitischen Operator repräsentiert und hat reelle, messbare Eigenwerte; er ist also ein Observable, wenn auch eine zusammengestzte. Seinen Einfluss auf Messungen sieht man z.B. im anomalen Zeemaneffekt, z.B. http://www.ieap.uni-kiel.de/et/download/physik3/V8.pdf
...
Hawkwind


ich denke aber nicht, dass der Gesamtdrehimpuls messbar ist. Die Komponenten des Drehimpulsoperators vertauschen nicht miteinander, können also nicht gleichzeitig scharf gemessen werden. Was ich messen/wissen kann ist der Bertrag und eine Komponente. Das reicht mir aber nicht, um vom Drehimpuls als Vektor zu sprechen?

Hawkwind
14.09.12, 09:11
Systeme mit Drehimpuls haben immer eine ausgezeichnete Richtung.


Drehimpulserhaltung folgt aus Rotationssymmetrie; da bleibe ich bei. :)

Dennoch ist dein Einwand auch nicht ganz von der Hand zu weisen.

Bist du mit dieser Formulierung einverstanden: Drehimpulserhaltung gilt für Problemstellungen (d.h. klassische Bewegungsgleichungen, Hamilton-Operator der Quantentheorie, ...) mit Rotationssymmetrie.
In einer konkreten Lösung dieser Problemstellung mit Drehimpuls ungleich Null zeichnet diese Lösung jedoch eine bestimmte Richtung aus (nämlich die des Drehimpulsvektors).
In der klassischen Mechanik sind es die Anfangsbedingungen (Z.B. Keplerproblem), die diese Richtung auszeichnen (Ort und Geschwindigkeit des Probekörpers zu einem bestimmten Zeitpunkt).

Hmm, und wie ist es in der Quantenmechanik? Dort impliziert Rotationssymmetrie eine zusätzliche Entartung (http://www.uni-protokolle.de/Lexikon/Entartung.html) der Energieeigenzustände. Die allgemeine Lösung kennt auch zu Drehimpuls ungleich Null keine Vorzugsrichtung (welche auch? man wählt zwar eine "Quantisierungsachse", diese Wahl ist aber völlig willkürlich). Erst eine Messung von Lz und |L| konkretisiert so eine Richtung (Kollaps der Wellenfunktion auf einen Eigenzustand von Lz).

glglgl
14.09.12, 09:16
Hallo, danke für die Antwort,

Systeme mit Drehimpuls haben immer eine ausgezreichnete Richtung. Die Rotationssymmetrie betrifft nur die zugrundeliegenden Naturgesetze (Noether-Theorem (http://de.wikipedia.org/wiki/Noether-Theorem)).

das ist mir bewußt, meine Schwierigkeit liegt darin, dass es Drehimpulse geben soll, die ganz klassich koppeln und präzedieren, gleichzeitig aber unscharf sind.

Hawkwind
14.09.12, 11:32
Hallo,vielen Dank für die Antwort.




ich denke aber nicht, dass der Gesamtdrehimpuls messbar ist. Die Komponenten des Drehimpulsoperators vertauschen nicht miteinander, können also nicht gleichzeitig scharf gemessen werden. Was ich messen/wissen kann ist der Bertrag und eine Komponente.


So ist es - das ist ja genau das, was einen Drehimpuls in der Quantenmechanik ausmacht.



Das reicht mir aber nicht, um vom Drehimpuls als Vektor zu sprechen?

Du kannst vektorielle Erwartungswerte berechnen; aber höchstens eine Komponente und Betrag kann zugleich scharf sein. Durch Vektoraddition bekommst du die Quantenzahlen der Zustände der Vektorsumme (|J| und Jz). Diese sind per Beobachtung zugänglich. Was will man mehr?

Ich
14.09.12, 13:23
Drehimpulserhaltung folgt aus Rotationssymmetrie; da bleibe ich bei.
Keine Frage. Aber nicht die des Systems.
Bist du mit dieser Formulierung einverstanden: Drehimpulserhaltung gilt für Problemstellungen (d.h. klassische Bewegungsgleichungen, Hamilton-Operator der Quantentheorie, ...) mit Rotationssymmetrie.
Kommt drauf an, was du unter "Problemstellung mit Rotationssymmetrie" meinst. Wenn das heißen soll, dass das betreffende System (das nicht rotationssymmetrisch ist) in beliebigen Winkellagen mit immer demselben Ergebnis berechnet werden kann, dann ja.
das ist mir bewußt, meine Schwierigkeit liegt darin, dass es Drehimpulse geben soll, die ganz klassich koppeln und präzedieren, gleichzeitig aber unscharf sind.
"unscharf" heißt doch nur, dass der Drehimpuls bei Messung auf irgendeinen eindeutigen Wert festgelegt wird. Wenn man einfach die Wellenfunktion kollabieren lässt (z.B. durch Messung 90° zur Zustandsachse), ist dabei der Drehimpuls nicht erhalten.
Der Kollaps beschreibt aber eine Wechselwirkung mit einem Messgerät, das dann die entsprechende Differenz beisteuern müsste. Also wäre nach meinem Verständnis der Drehmpuls in der reinen quantenmechanischen Beschreibung (ohne Kollaps) bereits erhalten, und beim Kollaps müssten nicht näher beschriebene Wechselwirkungen dafür sorgen.

Hawkwind
14.09.12, 14:29
Keine Frage. Aber nicht die des Systems.

Kommt drauf an, was du unter "Problemstellung mit Rotationssymmetrie" meinst.


Das hatte ich ja angedeutet: "Bewegungsgleichungen oder Hamiltonian rotationsinvariant".


Wenn das heißen soll, dass das betreffende System (das nicht rotationssymmetrisch ist) in beliebigen Winkellagen mit immer demselben Ergebnis berechnet werden kann, dann ja.


Wenn Bewegungsgleichungen oder Hamiltonfunktion, bzw. -operator invariant sind unter Drehungen, dann ist der Drehimpuls eine Erhaltungsgröße - natürlich auch dann wenn er ungleich Null ist. Das ist jetzt keine Frage.