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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : SRT und Raumschiff-Zwillinge


mermanview
07.02.13, 14:29
SRT:

Angenommen ein Raumschiff zirkelt mit konstant v=0,8c im Kreis über einer kreisrunden ruhenden Bahn von einer Länge von 25 Lichtjahren.

Das Raumschiff verwendet als Maßstab, um die ruhende Strecke aus seiner Sicht zu vermessen, seine eigene Baulänge.
Die „Messpunkte“ sind ruhende, identische Raumschiffe, von gleicher Baulänge, die lückenlos aneinander gereiht auf der ruhenden Strecke stehen.

Wenn man Beschleunigungseffekte durch Kreisbewegung vernachlässigt würde die Mannschaft des Raumschiffes nach 18,75 Jahren aussagen, dass sie eine Strecke von 15 Lichtjahren zurückgelegt hat.

Dennoch müssten die von ihr mitgezählten ruhenden Raumschiffe eine Gesamtstrecke von 25 Lichtjahren ergeben, oder die Mannschaft zweifelt an der identischen Baulänge der geparkten Raumschiffe.

So richtig formuliert ?, .. wo ist meine Unkenntnis.

In diesem Gedankenexperiment ist vorsätzlich keine Beschleunigungsumkehr enthalten, bloß gleichförmige Bewegung,
angenommen wir seien die ruhenden Beobachter (dritte Uhr) der Debatte zwischen der bewegten Raumschiffmannschaft und den ruhenden Streckenwärtern, (mit denen wir zeitlich im ruhenden Einklang sind), so dass keiner behaupten kann, die Strecke hätte sich bewegt, statt das Raumschiff.

Gruß Merman

Ich
07.02.13, 15:36
Dennoch müssten die von ihr mitgezählten ruhenden Raumschiffe eine Gesamtstrecke von 25 Lichtjahren ergeben, oder die Mannschaft zweifelt an der identischen Baulänge der geparkten Raumschiffe.

Sie wissen ja von der Längenkontraktion, oder nicht? Jedes ruhende Raumschiff hat für sie nur 60% Länge. Das müssten sie natürlich anders messen als durch Vergleich mit anderen ruhenden Raumschiffen.
Anders ausgedrückt: wenn jedes Raumschiff eine Ruhelänge von 1 LJ hat, dann fliegen sie in 18.75 Jahren Eigenzeit an 25 davon vorbei und vollenden den Kreis. Jedes Raumschiff ist für sie aber nur 0,6 LJ lang, der Kreisumfang beträgt für sie also 15 LJ.
In diesem Gedankenexperiment ist vorsätzlich keine Beschleunigungsumkehr enthalten, bloß gleichförmige Bewegung,
Eine Kreisfahrt ist keine gleichförmige Bewegung. Der Geschwindigkeitsbetrag ändert sich zwar nicht, wohl aber die Richtung.

Hawkwind
07.02.13, 15:37
SRT:

Angenommen ein Raumschiff zirkelt mit konstant v=0,8c im Kreis über einer kreisrunden ruhenden Bahn von einer Länge von 25 Lichtjahren.

Das Raumschiff verwendet als Maßstab, um die ruhende Strecke aus seiner Sicht zu vermessen, seine eigene Baulänge.
Die „Messpunkte“ sind ruhende, identische Raumschiffe, von gleicher Baulänge, die lückenlos aneinander gereiht auf der ruhenden Strecke stehen.

Wenn man Beschleunigungseffekte durch Kreisbewegung vernachlässigt würde die Mannschaft des Raumschiffes nach 18,75 Jahren aussagen, dass sie eine Strecke von 15 Lichtjahren zurückgelegt hat.

Dennoch müssten die von ihr mitgezählten ruhenden Raumschiffe eine Gesamtstrecke von 25 Lichtjahren ergeben, oder die Mannschaft zweifelt an der identischen Baulänge der geparkten Raumschiffe.

So richtig formuliert ?, .. wo ist meine Unkenntnis.

In diesem Gedankenexperiment ist vorsätzlich keine Beschleunigungsumkehr enthalten, bloß gleichförmige Bewegung,
angenommen wir seien die ruhenden Beobachter (dritte Uhr) der Debatte zwischen der bewegten Raumschiffmannschaft und den ruhenden Streckenwärtern, (mit denen wir zeitlich im ruhenden Einklang sind), so dass keiner behaupten kann, die Strecke hätte sich bewegt, statt das Raumschiff.

Gruß Merman

ja, der bewegte Beobachter misst eine verkürzte Umlaufbahn: auch die Maßstäbe sind verkürzt, d.h. die ruhenden Raumschiffe sind gemäß seinen Längenmessungen kürzer als sein eigenes ... und das obwohl baugleich. :)

amc
07.02.13, 15:58
In diesem Gedankenexperiment ist vorsätzlich keine Beschleunigungsumkehr enthalten, bloß gleichförmige Bewegung

Dann nimm doch einfach eine 25 LJ. lange gerade Bahn. Reicht doch.

edit:
Und ob die Bahn von anderen Beobachtern als ruhend gesehen wird oder nicht, ist völlig irrelevant, solange während der gleichförmigen Fahrt keine Beschleunigungen oder Drehbewegungen der Bahn aus Sicht des fliegenden Raumschiffs festzustellen sind.
-

Wenn die Besatzung des Raumschiffs nach der Fahrt aussteigt und bsw. die Strecke zu Fuß abgeht :rolleyes: , dann sind sie ja quasi ruhend zur Bahn, somit stellen sie dann wieder für die auf der Bahn geparkten baugleichen Raumschiffe die Eigenlänge fest, bzw. die Länge, die im "Raumschiffpass" steht. Und wenn sie dann wieder zur nächsten 0,8c Fahrt aufbrechen, herrscht wieder entsprechende Relativbewegung und Längenkontraktion vor.

edit:
Die Längenkontraktion wirkt sich natürlich auf die Bahn(strecke) und auf die parkenden RSchiffe gleichermaßen aus - jegliche Länge (mit Relativbewegung zum RSchiff) erscheint in Bewewgungsrichtung verkürzt. Falls es das war, was du übersehen hast, und was dich irritiert hat.
-

So richtig formuliert ?, .. wo ist meine Unkenntnis.

Unkenntnis? Vielleicht sollte die Frage lauten - beunruhigt dich diese Vorstellung? ;)

Grüße, amc

mermanview
07.02.13, 18:38
... danke Allen,

nein es beunruhigt mich nichts,
ich knüpfe (nach langer Zeit) bloß an einen ehem. Beitrag an:

"Längenkontraktion real ?" o.ä.

Ich weiß nicht mehr von wem er war, weiß aber dass damals, wie so oft, Unstimmigkeiten entbrannten, von denen ich nur die Hälfte verstand.
Evtrl. erinnern sich "Ich" und "Marco", ich weiß nicht mehr wer der "Widersacher" war.

Aber bereits damals dachte ich, mit einem solchen simplen Gedankenexperiment könnte man den scheinbaren Widerspruch beschreiben (Zumindest meine Unklarheiten).

Aus Sicht der Raumschiffmannschaft ist die ruhende Welt also kleiner.

(Nehmen wir -amc's Vorschlag entsprechend- für weitere Betrachtungen eine gerade Bahn.

Wechsel zur ART
Kann man daraus schließen, dass beim Annähern an den Ereignishorizont eines SL, theoretisch das Universum im Rückspiegel größenmäßig schwindet.

Gruß Merman

amc
07.02.13, 19:02
Hi Merman,

Aus Sicht der Raumschiffmannschaft ist die ruhende Welt also kleiner.

Eben nicht die ruhende Welt (das ist ja das eigene Bezugssystem), sondern die bewegte Welt.

Und sag zum Beispiel lieber, sie stellt sich in Bewegungsrichtung gestaucht dar. Das ist genauer. Bei Relativbewegung stellt sich der Raum gestaucht und die Zeit gedehnt dar.

Das sind reale Effekte, aber keine mechanischen, sondern relativistische Effekte. So würd ich's sagen.

Grüße, amc

mermanview
07.02.13, 20:02
ok:

Aus Sicht der bewegten Raumschiffmannschft ist die ruhende Bahn,
die überflogen wird, in Bewegungsrichtung gestaucht, .. in Bewegungsrichtung kleiner.

Wären die geparkten Raumschiffe quadratisch, dann sähen sie vom bewegten Raumschiff aus eher rechteckig aus, Breite 1LJ / Länge 0,6 LJ, wenn man 'Ich's' empfohlene Ausmaße zugrunde legt.


Ich vermute für die Sichtweise der ruhenden Streckenwärter verändert sich nichts an der Länge des bewegten Raumschiffes, wenn sie es anhand der baugleichen geparkten Raumschiffe messen könnten.

Danke, Gruß Merman

Marco Polo
07.02.13, 20:45
Wären die geparkten Raumschiffe quadratisch, dann sähen sie vom bewegten Raumschiff aus eher rechteckig aus, Breite 1LJ / Länge 0,6 LJ, wenn man 'Ich's' empfohlene Ausmaße zugrunde legt.

Hallo mermanview,

die Länge 0,6 LJ ergäbe sich bei ß=0,8 nur für eine Messung. Wenn es darum geht, wie die geparkten Raumschiffe aussähen, dann muss man mit dem Längen-Dopplereffekt rechnen. Bei ß=0,8 sähe man diese bei Annäherung um den Faktor 3 verlängert und bei Entfernung um den Faktor 3 verkürzt.

Annäherung: sqrt((1+ß)/(1-ß))=3
Entfernung: sqrt((1-ß)/(1+ß))=1/3

Zusätzlich werden Längen senkrecht zur Bewegungsrichtung gekrümmt.

Das sind aber keine relativistischen, sondern lediglich scheinbare Effekte.

Ich vermute für die Sichtweise der ruhenden Streckenwärter verändert sich nichts an der Länge des bewegten Raumschiffes, wenn sie es anhand der baugleichen geparkten Raumschiffe messen könnten.
Doch. Das gilt natürlich auch umgekehrt.

Grüsse, MP

amc
08.02.13, 09:17
Aus Sicht der bewegten Raumschiffmannschft ist die ruhende Bahn,
die überflogen wird, in Bewegungsrichtung gestaucht, .. in Bewegungsrichtung kleiner.

Die ruhende Bahn? Aus Sicht der bewegten Raumschiffmannschaft?

Das können ja keine objektiven Aussagen sein. Du schliderst die Situation jetzt als ein im Bahn-Bezugssystem ruhender Beobachter. Dessen muss man sich bewusst sein und das sollte man besser auch dazu sagen.

Mir ist nicht ganz klar, ob du fälschlicherweise von einem Zustand der objektiven Ruhe ausgehst oder dich nur unpräzise ausdrückst. Oder ob deine Formulierung nur bei mir sauer aufstößt. :)

Es ist wie gesagt m.E. völlig irrelevant, wie du als (zusätzlicher) Beobachter die Situation beschreibst. Es geht nur hierum:

Das Relativitätsprinzip besagt, jeder Beobachter darf sich als ruhend betrachten. Aus Sicht des RSchiffs ist die bewegte Bahn samt bewegter parkender Schiffe in der Länge kontrahiert. Aus Sicht der Streckenposten ist das bewegte RSchiff kontrahiert.

Grüße, amc

Marco Polo
09.02.13, 07:31
Wechsel zur ART
Kann man daraus schließen, dass beim Annähern an den Ereignishorizont eines SL, theoretisch das Universum im Rückspiegel größenmäßig schwindet.

So ist es. Und zwar in Abhängigkeit des Abstandes und der Masse des SL`s. Nach hinten sieht man dann das Universum als Kreisscheibe, deren Durchmesser bei Annäherung an den EH beliebig klein wird. Nach vorne und zur Seite sieht man bei Annäherung an den EH nach und nach immer weniger, bis man nur noch nach hinten diese immer kleiner werdende Kreisscheibe "Guckloch" sieht.

Interessant sind auch Abberationseffekte im Rahmen der SRT. Da sieht man im Rückspiegel bei Annäherung an LG (relativ zu den Sternen) ebenfalls irgendwann nichts mehr. Beim Blick nach vorne konzentriert sich dann alles Sternenlicht auf einen Punkt. Stichwort Synchrotonstrahlung.

Diese Strahlung, die einen bei seiner Reise aus Vorwärtsrichtung erreicht, wäre recht unangenehm (Röntgen/Gammastrahlung).

Da heisst es: Bleiweste anziehen!!! :D


Grüsse, MP

mermanview
10.02.13, 13:57
Aus Sicht des RSchiffs ist die bewegte Bahn samt bewegter parkender Schiffe in der Länge kontrahiert. Aus Sicht der Streckenposten ist das bewegte RSchiff kontrahiert.

Grüße, amc


Wie siehts dann mit der Zeit aus?

Die Raumschiffmannschaft berichtet von einer Strecke von 15 LJ Länge, zurückgelegt in 18,75 Jahren, wg. v=0,8c.

Was würde die Bahncrew beobachten?

Ein Raumschiff, um den Faktor 0,6 "geschrumpft"(in Bewegungsrichtung),
das 18,75 Jahre gebraucht hat, um eine Strecke von 15 Lichtjahren zurückzulegen,
wobei diese Strecke allerdings der Bahnlänge von 25 LJ entspricht ?

... Aus Sciht des RS krieg ich's hin, und was Relativität bedeutet, ist mir auch bewußt,

...aber wie wird's wenn der Zollstock/ der Maßstab (RS-Länge) mitfliegt und vergleichsweise andere Zollstöcke überfliegt,
wie in diesem Beispiel???


Danke und Gruß Merman

Marco Polo
10.02.13, 15:18
Wie siehts dann mit der Zeit aus?

Die Raumschiffmannschaft berichtet von einer Strecke von 15 LJ Länge, zurückgelegt in 18,75 Jahren, wg. v=0,8c.

Jo.

Was würde die Bahncrew beobachten?

Ein Raumschiff, um den Faktor 0,6 "geschrumpft"(in Bewegungsrichtung),
das 18,75 Jahre gebraucht hat, um eine Strecke von 15 Lichtjahren zurückzulegen,
wobei diese Strecke allerdings der Bahnlänge von 25 LJ entspricht ?Die Bahncrew misst, wie du richtig sagst, ein geschrumpftes Raumschiff. Und zwar um den Faktor 1,666666667. Also 0,6 mal die Eigenlänge.

Aus Bahncrewsicht hat das Raumschiff aber 25 LJ zurückgelegt. Es kommt aus Bahncrewsicht daher in 31,25 Jahren (25 LJ/0,8 c) am Ziel an.

Wegen der Zeitdilatation vergehen in 31,25 Jahren Bahncrewzeit beim System Raumschiff nur 18,75 Jahre (31,25 Jahre/gamma).

Das Raumschiff legt einen verkürzten Maßstab an und daher misst es für die Zielstrecke nur 15 LJ. Geteilt durch ß=0,8 ergeben sich 18,75 Jahre Eigenzeit bis zum Ziel.

Ich hoffe, dass ich jetzt nichts durcheinander gewürfelt habe. :)

Das passiert nämlich bekanntlich recht schnell.

Grüsse, MP

amc
11.02.13, 14:25
Die Bahncrew misst, wie du richtig sagst, ein geschrumpftes Raumschiff. Und zwar um den Faktor 1,666666667. Also 0,6 mal die Eigenlänge.

Moin Marc, moin Merman,

ich würde hier nur noch mal anmerken wollen, dass ein allein gestelltes "geschrumpft" oder "verkleinert" unpräzise ist. Und zumal es ja auch noch den relativistischen Massezuwachs gibt, bergen diese Begriffe, so formuliert, m.E. großes Potenzial für Missverständnisse in sich.

Aber das kann natürlich jeder für sich selbst entscheiden - welche Begriffe / Formulierungen er verwendet - solange sie nicht eindeutig falsch sind.

Grüße, amc

mermanview
14.02.13, 12:45
Moin Marc, moin Merman,

ich würde hier nur noch mal anmerken wollen, dass ein allein gestelltes "geschrumpft" oder "verkleinert" unpräzise ist. ....bergen diese Begriffe, so formuliert, m.E. großes Potenzial für Missverständnisse in sich.

Hast recht, es klingt mechanisch.

Ich gebe zu, dass ich mit dem fliegenden Zollstock auch ein Wenig nach einer Möglichkeit gesucht habe,
wie es denn mechanisch/ physischer werden könnte.

So in der Art:
Am Bug eines jeden geparkten Raumschiffes werde ein Funksignal senkrecht abgestrahlt,
so dass das überfliegende Raumschiff die RS-Längen deutlicher mit der eigenen Länge vergleichen kann.

Wahrscheinlich sind u.A. auch in dieser Überlegung die relativisctischen Effekte nicht berücksichtig,
die zwischen zwei Intertialsystemen (bei v=0,8c) für Funksignale gelten.

Es wird müßig,... und auch meine frühere Frage "25 LJ in 18,75 Jahren! also wenn dass keine Überlichtgeschwindigkeit ist!" erübrigt sich, denn aus Sicht der Bodenstation, bleiben es ja 31,25 Jahre.

Am Ende bleibt evtl. noch die Überlegung:
Man "bittet" verschränkte "Teilchen" in unterschiedliche Intertialsyteme,
während man allerdings im beschleunigten Sytsem misst.

Danke und Gruß,

Merman

Ich
14.02.13, 18:06
Ich gebe zu, dass ich mit dem fliegenden Zollstock auch ein Wenig nach einer Möglichkeit gesucht habe,
wie es denn mechanisch/ physischer werden könnte.
Lass das besser bleiben. Je mechanistischer die Beschreibung, desto unbrauchbarer wird sie, desto schlechter leitet sie die Intuition.
SRT verstehen geht nur über den entgegengesetzten Weg, über Geometrie. Du musst die Zeit als zusätzliche Dimension gebrauchen, fast wie den Ort, dann funktioniert es.
"25 LJ in 18,75 Jahren! also wenn dass keine Überlichtgeschwindigkeit ist!
Ja, da hast du ja den Weg im ruhenden System gemessen (was ja auch gut und richtig ist), die Zeit aber im bewegten System. Diese Mischgröße heißt im englischen "Proper Velocity (http://en.wikipedia.org/wiki/Proper_velocity)".

Marco Polo
14.02.13, 18:34
Ja, da hast du ja den Weg im ruhenden System gemessen (was ja auch gut und richtig ist), die Zeit aber im bewegten System. Diese Mischgröße heißt im englischen "Proper Velocity (http://en.wikipedia.org/wiki/Proper_velocity)".

Ist der Begriff Proper Velocity für diese Mischgröße nicht eher unpassend? Schliesslich ist ja die Relativgeschwindigkeit in beiden Bezugssystemen 0,8 c.

Bauhof
14.02.13, 19:39
SRT verstehen geht nur über den entgegengesetzten Weg, über Geometrie. Du musst die Zeit als zusätzliche Dimension gebrauchen, fast wie den Ort, dann funktioniert es.
Hallo ICH,

ja, geometrisch mit zusätzlichen Dimensionen wird es dann, wenn man wie Hermann Minkowski die Zeit imaginär zählt. Minkowski definierte in [1] folgendes Weltpostulat:

Es hat niemand einen Ort anders bemerkt als zu einer Zeit, eine Zeit anders als an einem Orte. Ich respektiere aber noch das Dogma, dass Raum und Zeit je eine unabhängige Bedeutung haben. Ich will einen Raumpunkt zu einem Zeitpunkt, d. i. ein Wertsystem x, y, z, t einen Weltpunkt nennen. Die Mannigfaltigkeit aller denkbaren Wertsysteme x, y, z, t soll die Welt heißen.

[...]

Man kann von vornherein das Verhältnis von Längeneinheit und Zeiteinheit derart festlegen, dass die natürliche Geschwindigkeitsschranke c=1 wird. Führt man dann noch i•t=s an Stelle von t ein, so wird der quadratische Differentialausdruck

d(tau)² = – dx² – dy² – dz²– ds²,

also völlig symmetrisch in x, y, z, s, und diese Symmetrie überträgt sich auf ein jedes Gesetz, das dem Weltpostulate nicht widerspricht. Man kann danach das Wesen dieses Postulates mathematisch sehr prägnant in die mystische Formel kleiden: 3•10^5km= i Sekunden.

M.f.G. Eugen Bauhof

[1]Lorentz, Hendrik A., Einstein, Albert; Minkowski, Hermann.
Das Relativitätsprinzip. (http://www.amazon.de/Das-Relativit%C3%A4tsprinzip-Eine-Sammlung-Abhandlungen/dp/3519073064/ref=sr_1_1?s=books&ie=UTF8&qid=1360870841&sr=1-1)
Achte Auflage.
Stuttgart 1982. ISBN=3-519-07306-4

Hawkwind
15.02.13, 10:24
Ist der Begriff Proper Velocity für diese Mischgröße nicht eher unpassend? Schliesslich ist ja die Relativgeschwindigkeit in beiden Bezugssystemen 0,8 c.

"Proper Velocity" scheint mit der Definition der 4-Geschwindigkeit übereinzustimmen, wenn ich da nichts übersehe.

Gruss aus Lüdenscheid-Nord.

_____
Nachtrag: mit "proper" bezeichnet man wohl gerne die Verallgemeinerung der vertrauten 3-Vektoren auf Lorentz-kovariante 4-Vektoren: proper velocity, proper acceleration, proper force, ...

ein mehr didaktisch orientierter Beitrag aus dem American Journal of Physics
http://www.itep.ru/theor/text/Brehme.pdf

Ich
15.02.13, 15:36
ja, geometrisch mit zusätzlichen Dimensionen wird es dann, wenn man wie Hermann Minkowski die Zeit imaginär zählt. Minkowski definierte in [1] folgendes Weltpostulat:

Das ist nicht unbedingt erforderlich. Heutzutage packt man das Minuszeichen lieber in die Metrik. Dann ist es nur noch eine "Pseudometrik", aber im Prinzip kein großer Unterschied zur normalen Geometrie.
Richtig ist aber, dass mit der Einführung einer imaginären Zeitachse die ganze SRT folgt. Also vielleicht ein ganz netter pädagogischer Ansatz, wenn man zeigen will, wie wenig man nur postulieren muss, um das ganze reichhaltige Ergebnis zu bekommen.

"Proper Velocity" scheint mit der Definition der 4-Geschwindigkeit übereinzustimmen, wenn ich da nichts übersehe.
Richtig, aber natürlich nur deren Raumanteil, der ein 3-Vektor ist.
mit "proper" bezeichnet man wohl gerne die Verallgemeinerung der vertrauten 3-Vektoren auf Lorentz-kovariante 4-Vektoren: proper velocity, proper acceleration, proper force, ...
Mit "proper" übersetzt man m.W. ursprünglich das deutsche "Eigen-", das historisch zuerst da war. Eigenzeit und Eigenlänge vor allem.
Die von dir zitierten Begriffe mögen später entstanden sein, als man die geometrische Darstellung fertig ausgearbeitet und nur noch englisch kommuniziert hat.
Das passt auch gut mit "Eigensowieso" zusammen, weil lorentzkovariante Größen (auch Skalare, nicht nur Vektoren) ohne Bezug auf etwas anderes definiert sind.
"Proper velocity" sollte dann aber tatsächlich die Vierergeschwindigkeit bezeichnen und nicht nur deren Raumanteil, das passt nicht so gut.

Bauhof
15.02.13, 16:06
Das ist nicht unbedingt erforderlich. Heutzutage packt man das Minuszeichen lieber in die Metrik. Dann ist es nur noch eine "Pseudometrik", aber im Prinzip kein großer Unterschied zur normalen Geometrie.

Hallo ICH,

welches Minuszeichen ist nicht unbedingt erforderlich? Meinst du das Minuszeichen in der folgenden Beziehung:
d(tau)² = – dx² – dy² – dz² – ds²

Enthält die folgende Beziehung die "Pseudometrik", die du erwähnt hast?
ds² = dx² + dy² + dz² + d(ict)²
Ich kenne das als "pseudoeuklidische Metrik".

M.f.G. Eugen Bauhof

Ich
15.02.13, 18:55
welches Minuszeichen ist nicht unbedingt erforderlich?
Minuszeichen braucht's schon, aber die imaginäre Einheit vor der Zeitachse nicht.
Meinst du das Minuszeichen in der folgenden Beziehung:
d(tau)² = – dx² – dy² – dz² – ds²

Da fehlt noch eins.
Enthält die folgende Beziehung die "Pseudometrik", die du erwähnt hast?
ds² = dx² + dy² + dz² + d(ict)²
Ich kenne das als "pseudoeuklidische Metrik".

Ja, pseudoeuklidisch ist auch gut. Der Punkt ist, dass das keine Metrik im engen Sinne ist - aus Wikipedia:
Eine Metrik (auch Abstandsfunktion) ist eine Funktion, die je zwei Elementen des Raums einen nicht negativen reellen Wert zuordnet, der als Abstand der beiden Elemente voneinander aufgefasst werden kann.
Die Bedingung "reell" wird nicht eingehalten, deswegen Pseudometrik.

Ich wollte eigentlich bloß sagen, dass die von dir gebrauchte Schreibweise heutzutage ungewöhnlich ist und man eher
ds² = dx² + dy² + dz² - dt²
schreibt.

Marco Polo
15.02.13, 21:18
Zitat von Marco Polo
"Proper Velocity" scheint mit der Definition der 4-Geschwindigkeit übereinzustimmen, wenn ich da nichts übersehe.
Richtig, aber natürlich nur deren Raumanteil, der ein 3-Vektor ist.

Zunächst mal stammt das o.a Zitat nicht von mir sondern von Hawkwind.

Aber es stimmt schon. Man bildet den vierdimensionalen Geschwindigkeitsvektor aus der Differenziation des Zeit-Orts-Vektors nach der Eigenzeit tau.

Mit "proper" übersetzt man m.W. ursprünglich das deutsche "Eigen-", das historisch zuerst da war. Eigenzeit und Eigenlänge vor allem.
Die von dir zitierten Begriffe mögen später entstanden sein, als man die geometrische Darstellung fertig ausgearbeitet und nur noch englisch kommuniziert hat.
Das passt auch gut mit "Eigensowieso" zusammen, weil lorentzkovariante Größen (auch Skalare, nicht nur Vektoren) ohne Bezug auf etwas anderes definiert sind.
"Proper velocity" sollte dann aber tatsächlich die Vierergeschwindigkeit bezeichnen und nicht nur deren Raumanteil, das passt nicht so gut.Danke für die Info.

Grüsse, MP

Ich
15.02.13, 21:46
Zunächst mal stammt das o.a Zitat nicht von mir sondern von Hawkwind.
Ups.

Sorry, da waren eure beiden Namen so nah beieinandergestanden, dass ich falsch geschaut habe.
Lüdenscheid-Nord ist schließlich nicht Herne-West. Muss besser aufpassen in Zukunft, sowas kann böse enden.

Marco Polo
15.02.13, 22:20
Sorry, da waren eure beiden Namen so nah beieinandergestanden, dass ich falsch geschaut habe.
Lüdenscheid-Nord ist schließlich nicht Herne-West. Muss besser aufpassen in Zukunft, sowas kann böse enden.

Und zwar mit Betonschuhen. :D

Marco Polo
16.02.13, 07:56
Ich wollte eigentlich bloß sagen, dass die von dir gebrauchte Schreibweise heutzutage ungewöhnlich ist und man eher
ds² = dx² + dy² + dz² - dt²
schreibt.

Genau. ict findet man in der modernen Fachliteratur nicht mehr.

Eugen scheint diese Darstellung zu favorisieren. Ist ja auch OK.

Moderner ist aber halt ds² = dx² + dy² + dz² - dt² wie o.a. geschrieben.

Bauhof
16.02.13, 09:38
Ich wollte eigentlich bloß sagen, dass die von dir gebrauchte Schreibweise heutzutage ungewöhnlich ist und man eher
ds² = dx² + dy² + dz² - dt²
schreibt.

Hallo ICH,

möglichweise, wenn man c=1 setzt.
Müsste es nicht ansonsten ds² = dx² + dy² + dz² ─ d(c•t)² heißen?

M.f.G. Eugen Bauhof

Bauhof
16.02.13, 10:05
Genau. ict findet man in der modernen Fachliteratur nicht mehr.

Hallo Marc,

nicht unbedingt.
Eckhard Rebhan leitet in seinem Buch "Theoretische Physik" in Kapitel 19 die Lorentz-Transformation her, indem er definiert: x(4) = i•c•t. Er schreibt dazu:

Die komplexe 'Zeitkoordinate' erlaubt die besonders symmetrische Beschreibung der Kugelwellenfront...

Das Buch ist 1999 erschienen. Inzwischen gibt es eine Neuauflage.

M.f.G. Eugen Bauhof

Marco Polo
16.02.13, 10:47
Hallo Marc,

nicht unbedingt.
Eckhard Rebhan leitet in seinem Buch "Theoretische Physik" in Kapitel 19 die Lorentz-Transformation her, indem er definiert: x(4) = i•c•t. Er schreibt dazu:



Das Buch ist 1999 erschienen. Inzwischen gibt es eine Neuauflage.

M.f.G. Eugen Bauhof

Ausnahmen bestätigen die Regel. :)

Marco Polo
16.02.13, 11:08
Hendrik van Hees schrieb dazu dereinst:

Weil es keinen Grund gibt, imaginäre Zeiten zu verwenden und sich das Leben unnötig kompliziert zu machen.

In alten Physikbüchern, auch in meinem sonst so geschätzten Sommerfeld,
hatte sich einst die Unsitte einer imaginären Zeitheinheit
eingebürgert, weil man meinte, es sei einfacher, wenn man x4^2 statt
-x0^2 schreibt. Man handelt sich damit aber unnötige mathematische
Komplikationen ein, die das praktische Rechnen eher erschweren als
erleichtern. Ich rate daher immer von der Verwendung dieser Unsitte ab.
In der ART kann man es dann sowieso nicht mehr gebrauchen.

Bauhof
16.02.13, 12:54
Hendrik van Hees schrieb dazu dereinst:

Hallo Marc,

tut mir leid, aber Hendrik van Hees folge ich in diesem Fall nicht.

Ich schätze Minkowski als einen genialen Menschen, der genau wusste was er tat und warum er es tat. Leider ist er sehr früh verstorben. Er hat die SRT von Einstein mit Begeisterung angenommen und weiterentwickelt. Die Arbeiten Minkowskis trugen auch zu einer einfacheren Herleitung der ART bei. Einsteins Herleitung war sehr kompliziert.

Minkowski’s eigentlichen mathematischen Arbeiten kann ich natürlich nicht verinnerlichen, denn dazu fehlt mir die mathematische Ausbildung. Der eigentliche Grund, warum man Minkowski bei seiner imaginären Herleitung der SRT in neuerer Zeit nicht gefolgt ist, ist folgender:

Man hatte Bedenken, dass es Verwechslungen mit der imaginären Einheit in der Quantenmechanik kommt, wenn SRT und Quantenmechanik gemeinsam behandelt werden. Bei der Quantenmechanik ist die imaginäre Einheit zwingend, in der SRT nicht.

M.f.G. Eugen Bauhof

P.S.
Minkowski war der Mathe-Lehrer des Schülers Einstein. Minkowski’s Beigeisterung über Einsteins schulischen mathematischen Leistungen hielt sich in Grenzen. Originalton Minkowski: "Der faule Hund Einstein!" Vermutlich auch deshalb hat Einstein später bei der mathematischen Formulierung der ART die Hilfe de Mathematikers Grossmann in Anspruch nehmen müssen.

Marco Polo
16.02.13, 13:08
Originalton Minkowski: "Der faule Hund Einstein!".

Haha. Den muss ich mir merken. 😃