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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Lorentz-Kontraktion


Bauhof
08.12.14, 10:45
Hallo zusammen,

sind die Ausführungen über die Lorentz-Kontraktion auf der nachstehenden Seite zutreffend?

http://www.uni-protokolle.de/Lexikon/Lorentzkontraktion.html

Insbesondere sind die folgenden Aussagen alle korrekt?

1. Für den Reisenden erscheinen Entfernungsmessungen verkürzt, die der ruhende Beobachter misst.

2. Diese Kontraktion verkürzt für den Reisenden Entfernungen, die er mit einem Raumschiff zurückzulegen hat.

3. Für den ruhenden Beobachter bewegt sich das Raumschiff. Für ihn ändern sich die von dem Reisenden zurückzulegenden Entfernungen nicht.

4. Der Effekt der Längenkontraktion beschränkt sich für ihn auf das relativ zu ihm bewegte System das Raumschiff. Das Raumschiff erscheint verkürzt.

5. Der Effekt der Längenkontraktion im Hinblick auf zurückzulegende Entfernungen wird also nur von dem Reisenden beobachtet für den ruhenden Beobachter gehen andererseits die Uhren im Raumschiff langsamer, er beobachtet die Zeitdilatation.

Beide Effekte zusammen bewirken das Zwillingsparadoxon und zwar die Zeitdilatation für den ruhenden Beobachter, die Längenkontraktion für den Reisenden.

M.f.G. Eugen Bauhof

JoAx
08.12.14, 13:08
Sieht gut aus, Eugen.

Wo siehst du ein Problem?

Bauhof
08.12.14, 14:08
Sieht gut aus, Eugen.

Wo siehst du ein Problem?

Hallo Johann,

ich sehe kein Problem, aber der User "Claus" im Zeitforum hält das für missverständlich. In dem Thread Basics spezielle Relativitätstheorie (http://www.manus-zeitforum.de/1/41505/page=18/Basics_spezielle_Relativitätstheorie)im Beitrag Nr. 1985-388 schreibt er:
Die Formulierung erweckt den Eindruck, als würde die Zeitdilatation nur vom ruhenden Beobachter wahrgenommen und die Längenkontraktion nur vom Reisenden. Tatsächlich nehmen aber beide Zwillinge beide Effekte wahr.

Hat er recht?

M.f.G. Eugen Bauhof

JoAx
08.12.14, 14:35
aber der User "Claus" im Zeitforum hält das für missverständlich.

Vlt. liegt es daran, dass Längenkontraktion und Zeitdilatation nicht etwas "abstraktes" ist, sondern ganz konkrete "Dinge" betrifft. In diesem Fall betrifft die Längenkontraktion ganz konkret die Abstände im ruhenden IS, aus der Sicht des Reisenden. Und die Zeitdilatation den Gang der Uhren des Reisenden, aus der Sicht des ruhenden IS. Entweder das eine oder das andere ist ausreichend, um das Ergebnis des "Zwillingsparadoxons" zu berechnen/zu erklären. Und beide liefern natürlich das selbe Ergebnis.

So muss man das verstehen. Das heisst natürlich nicht, dass wenn der Reisende die Uhren des ruhenden betrachtet, er keine Zeitdilatation feststellt. Bzw., dass wenn der ruhende die Länge des Raumschiffes betrachtet, er keine Längenkontraktion feststellt. Darauf wird einfach nicht geschaut, bei der Lösung der Aufgabe.

So in etwa.

Ich
08.12.14, 15:47
Ich find's auch missverständlich und sehr schlecht formuliert. Insbesondere die von dir rot markierten Stellen.

Edit: habe auch noch die ersten paar Beiträge von "Claus" gelesen und bin mit ihm vollkommen einer Meinung.

Bauhof
08.12.14, 16:36
Hallo zusammen,

jetzt habe ich es Laie natürlich etwas schwer, mich für die Auffassung von "ICH" oder für die Auffassung von Johann zu entscheiden. Der Erklärungsversuch von Johann erscheint mir plausibel.

M.f.G. Eugen Bauhof

Marco Polo
08.12.14, 17:10
Hallo Eugen,

Der Ruhezwilling misst eine Längenkontraktion und eine Zeitdilataion für das aus seiner Sicht bewegte System Raumschiff-Reisezwilling.

Der Reisezwilling misst eine Längenkontraktion und eine Zeitdilatation für das aus seiner Sicht bewegte System Ruhezwilling.

Muss ja so sein. Der Reisezwilling misst Längen in Bewegungsrichtung (hier die Strecke Erde-Wendepunkt) verkürzt. Für den Ruhezwilling trifft das nicht zu.

Die Frage, warum der Reisezwilling den Wendepunkt früher erreicht, als es seine Geschwindigkeit erahnen lässt, beantwortet der Reisezwilling mit der Längenkontraktion in Bewegungsrichtung, während der Ruhezwilling die Zeitdilatation im System Raumschiff-Reisezwilling dafür verantwortlich macht.

Ungeschickt ausgedrückt finde ich folgendes:

Beide Effekte zusammen bewirken das Zwillingsparadoxon und zwar die Zeitdilatation für den ruhenden Beobachter, die Längenkontraktion für den Reisenden.

Denn ohne Inertialsystemwechsel würde es gar kein Zwillingsparadoxon geben. Längenkontraktion und Zeitdilatation spielen zwar eine quantitative Rolle, sind aber nicht ursächlich. Das ist imho erst der Inertialsystemwechsel.

Bauhof
08.12.14, 17:40
Der Ruhezwilling misst eine Längenkontraktion und eine Zeitdilataion für das aus seiner Sicht bewegte System Raumschiff-Reisezwilling.

Hallo Marc,

wie kann der Ruhezwilling die Längenkontraktion des Weges vom Reisezwilling messen?

M.f.G Eugen Bauhof

Marco Polo
08.12.14, 17:51
Hallo Marc,

wie kann der Ruhezwilling die Längenkontraktion des Weges vom Reisezwilling messen?

M.f.G Eugen Bauhof

Garnicht. Der Ruhezwilling misst lediglich das System Raumschiff-Reisezwilling kontrahiert. Nicht aber den Weg des Reisezwillings.

Beispiel: Der Reisezwilling fliegt zur 25 LJ entfernten Wega. Trotz Unterlichtgeschwindigkeit kommt er dort in Abhängigkeit von v/c beispielsweise in 8 Jahren an.

Für den Reisezwilling beträgt die Entfernung zur Wega also nicht 25 LJ sondern deutlich weniger. Weil er sich auf Wega zubewegt.

Wega bewegt sich aber nicht auf den Ruhezwilling zu. Deswegen misst der Ruhezwilling auch keine Längenkontraktion für die Strecke Erde-Wega und natürlich auch nicht für die Entfernung Reisezwilling-Wega.

Bauhof
08.12.14, 18:21
Garnicht. Der Ruhezwilling misst lediglich das System Raumschiff-Reisezwilling kontrahiert. Nicht aber den Weg des Reisezwillings.

Beispiel: Der Reisezwilling fliegt zur 25 LJ entfernten Wega. Trotz Unterlichtgeschwindigkeit kommt er dort in Abhängigkeit von v/c beispielsweise in 8 Jahren an.

Für den Reisezwilling beträgt die Entfernung zur Wega also nicht 25 LJ sondern deutlich weniger. Weil er sich auf Wega zubewegt.

Wega bewegt sich aber nicht auf den Ruhezwilling zu. Deswegen misst der Ruhezwilling auch keine Längenkontraktion für die Strecke Erde-Wega und natürlich auch nicht für die Entfernung Reisezwilling-Wega.

Hallo Marc,

also halten wir mal fest:
Der Ruhezwilling kann keine Verkürzung des Weges messen, den der Reisezwilling zurücklegt.

Hingen der Reisezwilling kann die Verkürzung seines Weges messen, richtig?

Wie der Ruhezwilling die Verkürzung der Raketenlänge messen will, ist mir nicht klar. Er müsste die Rakete doch dazu an ihm vorbeifliegen sehen, oder?

M.f.G. Eugen Bauhof

Ich
08.12.14, 18:28
Hallo Eugen,
Der Effekt der Längenkontraktion im Hinblick auf zurückzulegende Entfernungen wird also nur von dem Reisenden beobachtetNachdem denRuhende per Definitionem keine Entfernung zurücklegt, ist das sicher so. Aber auch nur deshalb. Ich kann mir kaum vorstellen, dass diese Aussage für einen Laien sonderlich hilfreich ist.
Beide Effekte zusammen bewirken das Zwillingsparadoxon und zwar die Zeitdilatation für den ruhenden Beobachter, die Längenkontraktion für den Reisenden.Das finde ich auch ganz schlecht formuliert. Man kann sich das Zwillingsparadoxon auf diese Weise erklären, wenn man will. Man kann es auch auf ein Dutzend andere Weisen erklären. Aber es ist nicht so, dass durch diese Effekte das Zwillingsparadoxon bewirkt würde.
"Bewirkt" wird es durch das Ignorieren der Tatsache, dass einer der beiden keineswegs immer inertial bewegt ist. Hätte man das nicht vergessen, gäbe es von vornherein keinen Grund, anzunehmen, dass beide nach dem Relativitätsprinzip gleichberechtigt wären, und es gibt kein Paradoxon.
Und das - keineswegs paradoxe - unterschiedliche Altern wird darurch "bewirkt", dass die beiden Weltlinien unterschiedlich lang sind (eigentlich nicht bewirkt, das ist vielmehr dasselbe). Und das wird dadurch bewirkt, dass die eine Weltlinie gerade ist und die andere nicht.
Längenkontraktion und Zeitdilatation haben da eigentlich nichts verloren, die verwirren nur. Inkorrekt ist eine Behandlung mit diesen Konzepten aber deswegen nicht.

Marco Polo
08.12.14, 18:29
also halten wir mal fest:
Der Ruhezwilling kann keine Verkürzung des Weges messen, den der Reisezwilling zurücklegt.

Hingen der Reisezwilling kann die Verkürzung seines Weges messen, richtig?

Ja.

Wie der Ruhezwilling die Verkürzung der Raketenlänge messen will, ist mir nicht klar. Er müsste die Rakete doch dazu an ihm vorbeifliegen sehen, oder?

Wenn ich von Längenkontraktion spreche, dann im Sinne einer Messvorhersage. Da wird nichts gemessen. Wenn man es messen würde, bekäme man aber das Ergebnis der Messvorhersage raus.

Wie man die Messung genau durchführt, ist erst mal sekundär. Müsste ich mich auch nochmal schlau machen. Auf keinen Fall muss der Ruhezwilling aber das Raumschiff an sich vorbeifliegen sehen, um an diesem Messungen durchzuführen. Das geht eher mit Licht- oder Funksignalen.

Hawkwind
09.12.14, 09:36
Wie der Ruhezwilling die Verkürzung der Raketenlänge messen will, ist mir nicht klar. Er müsste die Rakete doch dazu an ihm vorbeifliegen sehen, oder?



Er muss die Koordinaten von Spitze und Ende der Rakete zum selben Zeitpunkt bestimmen; aus der Differenz der Koordinaten ergibt sich die gemessene Länge der Rakete.
Am einfachsten geht das vielleicht, wenn er einen Schnappschuss macht in dem Moment, in dem die Rakete ihn gerade passiert (die Mitte auf seiner Höhe ist und Ende und Spitze deshalb gleich weit von ihm entfernt sind). Dann braucht er keine Korrekturen für unterschiedliche Lichtlaufzeiten von Spitze und Ende der Rakete zu machen, da diese Strahlen in diesem Fall eh gleichzeitig bei ihm eintreffen.


| Spitze
|
|
------------------------------------------Beobachter
|
|
| Ende

Hawkwind
09.12.14, 09:42
...
Und das - keineswegs paradoxe - unterschiedliche Altern wird darurch "bewirkt", dass die beiden Weltlinien unterschiedlich lang sind (eigentlich nicht bewirkt, das ist vielmehr dasselbe). Und das wird dadurch bewirkt, dass die eine Weltlinie gerade ist und die andere nicht.
Längenkontraktion und Zeitdilatation haben da eigentlich nichts verloren, die verwirren nur. Inkorrekt ist eine Behandlung mit diesen Konzepten aber deswegen nicht.

Schätze, es gibt da keine ideale Formulierung, die gleichermaßen korrekt wie einfach ist. Ich habe meine Zweifel, ob der Vergleich von Minkowskilängen von Weltlinien im 4-dimensionalen pseudoeuklidischen Raum Laien wirklich zugänglicher ist.
Ich persönlich würde es eher über Zeitdilatation und Längenkontraktion versuchen so wie es hier versucht wird: es kommt ein konsistentes Bild heraus.

JoAx
09.12.14, 12:31
Ich schätze, mein Feedback wird noch erwartet. :D

Wenn ich mir den letzten Satz nochmal ansehe, der komplett rot markiert ist, dann kommt mir es schon komisch vor, dass dort von beiden Effekten zusammen gesprochen wird. Das ist wirklich nicht korrekt. Entweder oder, aber nicht beides zusammen.

Im Prinzip hat Ich Recht. Das Problem ist, dass wenn man über Längenkontraktion/Zeitdilatation geht, man im grunde 3-dimensional+Zeit denkt, was den meisten Neulingen in der SRT näher liegt. Und da gibt es einfach mehrere Möglichkeit ein und das selbe zu machen. Nicht, dass das eine richtig und das andere falsch ist, sondern, es sind unterschiedliche Wege.

Denkt man aber 4-dimensional, über die Länge des Raumzeitintervalls, dann gibt es eine einzige Formulierung. Z.B.:

ds1>ds2

Und wenn ds zeitartig ist, dann heißt es direkt, dass

dτ1>dτ2

Wo dτ die Eigenzeit bedeutet, sprich - die Zeit, die auf der Uhr vergangen ist. Das ist direkt und eindeutig, hat aber den "Nachteil", dass man sich zuerst das 4D-Denken aneignen muss, bevor man das begreifen kann.

Hawkwind
09.12.14, 13:04
Ich schätze, mein Feedback wird noch erwartet. :D

Wenn ich mir den letzten Satz nochmal ansehe, der komplett rot markiert ist, dann kommt mir es schon komisch vor, dass dort von beiden Effekten zusammen gesprochen wird. Das ist wirklich nicht korrekt. Entweder oder, aber nicht beides zusammen.


Ein Effekt alleine reicht eben nicht, um eine konsistente Beschreibung zu ermöglichen. Gäbe es denn nur Zeitdilatation und keine Längenkontraktion, dann wäre der Reisende mit zigfach Überlichtgeschwindigkeit unterwegs um diese Entfernungen in entsprechend kurzer Eigenzeit zurückzulegen ==> Widerspruch zur SRT.

Ich
09.12.14, 13:20
Ich habe meine Zweifel, ob der Vergleich von Minkowskilängen von Weltlinien im 4-dimensionalen pseudoeuklidischen Raum Laien wirklich zugänglicher ist.
Das ist direkt und eindeutig, hat aber den "Nachteil", dass man sich zuerst das 4D-Denken aneignen muss, bevor man das begreifen kann.
Ja, und mein Ansatz ist es, auf die Formelbastelei anfänglich zu verzichten und stattdessen das 4D-Denken zu lehren. Wenn man auf zwei Raumdimensionen verzichtet, ist das gar nicht so tragisch, zumal Weg-Zeit-Diagramme aus dem Schulunterricht bekannt sind. Ich behaupte auch: alleine schon ein Diagramm der interessierenden Situation aufmalen zu können, ganz ohne SRT, ist die halbe Miete.
Die prinzipielle Wirkungsweise aller SRT-Effekte kann man anhand zweier norrmaler Dimensionen erklären, dort sind die Effekte nur genau andersherum (Längendilatation und Zeitkontraktion kämen da z.B. heraus). Der Weg zu echten Resultaten und Berechnungen ist aber nicht weit, nur ein Minus im Pythagoras.
Die Lorentztransformationen selbst sind noch das fieseste Stück Mathematik, aber m.E. sowieso unumgänglich.

Setzt natürlich voraus, dass man die SRT bis zu einem gewissen Grad lernen und verstehen will. Alleine das ZP erklären zu wollen ohne die absoluten Grundzüge der SRT zu vermitteln ist m.E. Zeitverschwendung.

JoAx
09.12.14, 13:24
Ein Effekt alleine reicht eben nicht, um eine konsistente Beschreibung zu ermöglichen. Gäbe es denn nur Zeitdilatation und keine Längenkontraktion, dann wäre der Reisende mit zigfach Überlichtgeschwindigkeit unterwegs um diese Entfernungen in entsprechend kurzer Eigenzeit zurückzulegen ==> Widerspruch zur SRT.

Bei der Berechnung reicht ein entweder/oder. Klar, dass bei der Berechnung aus der Sicht des Reisenden man die Längenkontraktion braucht und nicht die Zeitdilatation.

Natürlich gibt es an sich beides, aber stell dir vor, du würdest sowohl die Längenkontraktion als auch die Zeitdilatation in der Rechnung berücksichtigen. Dann würden sich die beiden Effekte entweder verstärken oder aufheben. So meine ich das.

Bauhof
09.12.14, 17:52
Bei der Berechnung reicht ein entweder/oder. Klar, dass bei der Berechnung aus der Sicht des Reisenden man die Längenkontraktion braucht und nicht die Zeitdilatation.

Hallo Johann,

ich zitiere noch mal den fraglichen Satz des Autors:
Beide Effekte zusammen bewirken das Zwillingsparadoxon und zwar die Zeitdilatation für den ruhenden Beobachter die Längenkontraktion für den Reisenden.

Der Autor dieses Satzes hätte vielleicht statt "bewirken" "erklären" schreiben sollen. Ich interpretiere diesen Satz wie folgt:

Der Reisende 'beobachtet' die Längenkontraktion, indem er anhand seiner mitgeführten Uhr die Zeitspanne abliest, die vom Start-Zeitpunkt bis zum Ziel-Zeitpunkt als Eigenzeit verstrichen ist. Nachdem er weiß, auf welche Geschwindigkeit er hochbeschleunigt hat, kennt er die (verkürzte) Länge der Strecke aufgrund der verstrichenen Eigenzeit.

Der ruhende Beobachter 'beobachtet' die Zeitdilatation, indem er nach der Rückkehr des Reisenden den Zeigerstand der Uhr des Reisenden mit dem Zeigerstand seiner ruhenden Uhr vergleicht.

Sehe ich das so richtig?

M.f.G. Eugen Bauhof

Marco Polo
09.12.14, 18:08
Man kanns ja einfach mal ausrechnen (ohne Beschleunigungsphasen).

A bleibt zurück und B begibt sich mit ß=0,8 zum Reiseziel (Stern) in 8 LJ Entfernung.

Für A dauert B´s Hin- und Rückreise jeweils 10 Jahre, also 20 Jahre, da t=s/v.

Aus Sicht von B rechnet man mit der Längenkontraktion. B fliegt mit ß=0,8 zum Reiseziel. Für B wird also die Entfernung Erde-Stern von 8LJ auf 4,8 LJ verkürzt.

l'=l/gamma also 8 LJ*sqrt(1-0,8²)=4,8 LJ

Die Hinreise dauert also für B 4,8 LJ/0,8c=6 Jahre. Insgesamt also 12 Jahre. Wenn A und B zusammentreffen, zeigt die Uhr von A 8 Jahre mehr an wie die Uhr von B.

Aus der Sicht des Reisezwillings rechnet man also mit der Längenkontraktion.

Jetzt aus Sicht von A. Hier rechnet man mit der Zeitdilatation.

Für A ist die Entfernung A-Stern natürlich nicht der Längenkontraktion unterworfen, da die Entfernung ja anders wie bei B konstant bleibt.

Für A ist aber B der Zeitdilatation unterworfen. Es vergehen also aus Sicht von A bei 10 Jahren Erdzeit bei B nur 6 Jahre.

t`=t*gamma also 10 Jahre*sqrt(1-0,8²)=6 Jahre

Nach 20 Jahren Erdzeit aus Sicht von A trifft B auf A. Für B sind aber nur 12 Jahre vergangen.

Man kann das Paradoxon also je nach Bezugssystem sowohl mit der Längenkontraktion als auch mit der Zeitdilatation berechnen.

Marco Polo
09.12.14, 18:26
Der Autor dieses Satzes hätte vielleicht statt "bewirken" "erklären" schreiben sollen.

Auch das wäre falsch. Weder Längenkontraktion noch Zeitdilatation erklären oder bewirken das Zwillingsparadoxon. Das Paradoxon ist ja der Altersunterschied der Zwillinge. Und der wird dadurch erklärt, dass nur "einer" der Zwillinge die ganze Zeit über "inertial" bleibt. Durch den Inertialsystemwechsel gilt das aber nicht für den Reisezwilling. Beide haben dadurch unterschiedlich lange Weltlinien.

Würde der Reisezwilling nicht umkehren, hätten wir ja auch Zeitdilatation und Längenkontraktion. Aber wir hätten kein Paradoxon.
Vielleicht kann man es so formulieren: Sowohl Längenkontraktion als auch Zeitdilatation sind maßgeblich für die Höhe des Altersunterschiedes beim Zwillingsparadoxon.

Der Reisende 'beobachtet' die Längenkontraktion, indem er anhand seiner mitgeführten Uhr die Zeitspanne abliest, die vom Start-Zeitpunkt bis zum Ziel-Zeitpunkt als Eigenzeit verstrichen ist. Nachdem er weiß, auf welche Geschwindigkeit er hochbeschleunigt hat, kennt er die (verkürzte) Länge der Strecke aufgrund der verstrichenen Eigenzeit.

Der ruhende Beobachter 'beobachtet' die Zeitdilatation, indem er nach der Rückkehr des Reisenden den Zeigerstand der Uhr des Reisenden mit dem Zeigerstand seiner ruhenden Uhr vergleicht.

Sehe ich das so richtig?Kann man so stehen lassen, denke ich.

Struktron
09.12.14, 20:53
Hallo alle miteinander,

vielleicht ist bei dieser Diskussion hier auch der klein gedruckte Hinweis bei den hauptsächlich diskutierten Formulierungen der "Uniprotokolle (http://www.uni-protokolle.de/Lexikon/Lorentzkontraktion.html)" zu beachten:
"Dieser Artikel von Wikipedia ist u.U. veraltet. Die neue Version gibt es hier (http://de.wikipedia.org/wiki/Lorentzkontraktion)"?
Das Zwillingsparadoxon (http://de.wikipedia.org/wiki/Zwillingsparadoxon) hat in Wikipedia mittlerweile einen eigenen Eintrag.

MfG
Lothar W.

TomS
10.12.14, 05:45
Ich halte die Erklärung mittels Lorentztransformation (reine Koordinatentransformation) sowie Längenkontraktion (nur indirekt mittels Geschwindigkeit) für sekundär. Primär ist die Zeitdilatation, denn bei den beiden Eigenzeiten handelt es sich um direkte und invariante Messgrößen.

Die eigtl. Verwirrung bzw. der Begriff Paradoxon stammt daher, das man sich eben gerade nicht klar macht, dass zwei verschiedene invariante Längen vorliegen. Wenn man von München nach Hamburg fährt, einmal direkt und einmal über Berlin, dann wundert sich auch niemand darüber, dass zwei verschiedene Strecken vorliegen. Jeder, der vom Zwillingsparadoxon verwirrt ist, ist letztlich ein Opfer ungeschickter didaktischer Methoden, verwirrender Internetseiten o.ä.

Ich habe dazu an anderer Stelle etwas geschrieben

http://www.physikerboard.de/topic,37752,-faq---zeitdilatation-und-zwillingsparadoxon.html

Bauhof
10.12.14, 09:31
Hallo alle miteinander,

vielleicht ist bei dieser Diskussion hier auch der klein gedruckte Hinweis bei den hauptsächlich diskutierten Formulierungen der "Uniprotokolle (http://www.uni-protokolle.de/Lexikon/Lorentzkontraktion.html)" zu beachten:
"Dieser Artikel von Wikipedia ist u.U. veraltet. Die neue Version gibt es hier (http://de.wikipedia.org/wiki/Lorentzkontraktion)"?
Das Zwillingsparadoxon (http://de.wikipedia.org/wiki/Zwillingsparadoxon) hat in Wikipedia mittlerweile einen eigenen Eintrag.

MfG
Lothar W.

Hallo Lothar,

danke für diesen Hinweis.
Aus den "Uniprotokollen" werde ich künftig nichts mehr zitieren. Wenn schon ein Verweis auf die neue Version eingebracht wird, dann sollte man die alte Version löschen, damit keine Verwirrung entsteht.

M.f.G. Eugen Bauhof

Marco Polo
10.12.14, 11:47
Die eigtl. Verwirrung bzw. der Begriff Paradoxon stammt daher, das man sich eben gerade nicht klar macht, dass zwei verschiedene invariante Längen vorliegen. Wenn man von München nach Hamburg fährt, einmal direkt und einmal über Berlin, dann wundert sich auch niemand darüber, dass zwei verschiedene Strecken vorliegen.

Man würde sich aber wundern, wenn ausgerechnet der, der den Umweg über Berlin nimmt, am wenigsten altert. :)

Ich
10.12.14, 12:21
Man würde sich aber wundern, wenn ausgerechnet der, der den Umweg über Berlin nimmt, am wenigsten altert. :)

Weil Berliner oft ziemlich alt für ihr Alter sind? Kreuzberger Nächte und so, das verschleißt.

Marco Polo
10.12.14, 17:09
Weil Berliner oft ziemlich alt für ihr Alter sind? Kreuzberger Nächte und so, das verschleißt.

Uups. Das habe ich unglücklich formuliert. :o

Es ging mir garnicht um Berlin. So passt es besser:

Man würde sich aber wundern, wenn ausgerechnet der, der einen Umweg fährt, am wenigsten altert. :)

Worauf ich hinaus will:

Es ist imho ein eher anti-intuitiver Effekt, dass derjenige mit der längeren Weltlinie durch die Raumzeit, am wenigsten altert.

Naiv betrachtet würde ich nämlich vom Gegenteil ausgehen. So nach dem Motto: Ja wenn die Weltlinie länger ist, dann benötigt man doch sicherlich mehr Zeit für diese. Und dann ist man doch ganz gewiss mehr gealtert wie derjenige mit der kürzeren Weltlinie. Klar was ich meine?

TomS
10.12.14, 18:24
Es ist imho ein eher anti-intuitiver Effekt, dass derjenige mit der längeren Weltlinie durch die Raumzeit, am wenigsten altert.

Die Länge der Weltlinie ds sowie die Eigenzeit dT entlang der Weltlinie sind bis auf einen konstanten Faktor c identisch

ds = c * dT

Marco Polo
10.12.14, 18:41
Die Länge der Weltlinie ds sowie die Eigenzeit dT entlang der Weltlinie sind bis auf einen konstanten Faktor c identisch

ds = c * dT

Wie erklärt sich dann die kürzere Eigenzeit trotz längerer Weltlinie?

TomS
10.12.14, 18:52
Wie erklärt sich dann die kürzere Eigenzeit trotz längerer Weltlinie?
Gar nicht. Kürzere Weltlinie entspricht kürzere Eigenzeit entlang der Weltlinie.

Marco Polo
10.12.14, 19:50
Gar nicht. Kürzere Weltlinie entspricht kürzere Eigenzeit entlang der Weltlinie.

Der Reisezwilling hat doch die längere Weltlinie. Er altert aber weniger. Also scheint er doch die geringere (kürzere) Eigenzeit zu haben. Widerspricht sich das nicht?

TomS
10.12.14, 20:06
Der Reisezwilling hat doch die längere Weltlinie. Er altert aber weniger. Also scheint er doch die geringere (kürzere) Eigenzeit zu haben. Widerspricht sich das nicht?
Ich denke, du verwechselst die Länge der zurückgelegten Strecke berechnet nach der euklidschen Geometrie mit der Länge der Weltlinie berechnet nach der Minkowski-Geometrie.

Für geradlinige Bewegungen gilt s^2 = (cT)^2 = (ct)^2 - x^2

Wenn also innerhalb einer festen Koordinatenzeit t eine längere Strecke x zurückgekegt wird, verkürzt sich die Weltlinie s sowie die Eigenzeit T.

Struktron
10.12.14, 20:07
Nur ganz kurz hallo!
Der Reisezwilling hat doch die längere Weltlinie. Er altert aber weniger. Also scheint er doch die geringere (kürzere) Eigenzeit zu haben. Widerspricht sich das nicht?
Wie heißt der? Ist der auch mit in Maribor? Wie ist er hin gekommen?

MfG aus Sarajevo vorm Fernseher,
Lothar W.

Marco Polo
10.12.14, 20:20
Ich denke, du verwechselst die Länge der zurückgelegten Strecke berechnet nach der euklidschen Geometrie mit der Länge der Weltlinie berechnet nach der Minkowski-Geometrie.

Für geradlinige Bewegungen gilt s^2 = (cT)^2 = (ct)^2 - x^2

Wenn also innerhalb einer festen Koordinatenzeit t eine längere Strecke x zurückgekegt wird, verkürzt sich die Weltlinie s sowie die Eigenzeit T.

Zum Verständnis:

Gehen wir die Sache mal anders an. Welcher der beiden Zwillinge hat die längere Weltlinie? Der Ruhezwilling oder der Reisezwilling?

TomS
10.12.14, 20:32
Welcher der beiden Zwillinge hat die längere Weltlinie? Der Ruhezwilling oder der Reisezwilling?
Der Ruhezwilling. Für diesen gilt x = 0, d.h.

s^2 = (cT)^2 = (ct)^2 - x^2 = (ct)^2

Der Reisezwilling legt eine Strecke x > 0 zurück, demnach gilt für ihn s < (ct)^2.

Marco Polo
10.12.14, 20:37
Nur ganz kurz hallo!

Wie heißt der? Ist der auch mit in Maribor? Wie ist er hin gekommen?

MfG aus Sarajevo vorm Fernseher,
Lothar W.

Von Bosnien bis Slowenien ist´s aber doch noch ein Stück. Hauptsache S04 gewinnt in Maribor. Chelsea leistet ja Schützenhilfe. Glück auf. :)

Marco Polo
10.12.14, 20:42
Der Ruhezwilling. Für diesen gilt x = 0, d.h.

s^2 = (cT)^2 = (ct)^2 - x^2 = (ct)^2

Der Reisezwilling legt eine Strecke x > 0 zurück, demnach gilt für ihn s < (ct)^2.

Das erklärt einiges. Bisher dachte ich, dass der Reisezwilling die längere Weltlinie hat. Genau das hatte ich nie kapiert. Hab mich da wohl verlesen.

Vielen Dank für die Aufklärung. Jetzt erscheint mir alles logisch. :)

TomS
10.12.14, 20:47
Schau dir doch nochmal meinen verlinkten Beitrag im Physikforum an. Da hab ich die Erklärung auf's absolut notwendige Minimum reduziert.

TomS
10.12.14, 20:51
Das erklärt einiges. Bisher dachte ich, dass der Reisezwilling die längere Weltlinie hat. Genau das hatte ich nie kapiert. Hab mich da wohl verlesen.

Vielen Dank für die Aufklärung. Jetzt erscheint mir alles logisch. :)
Nochwas: manche definieren auch

s^2 = -(cT)^2 = -(ct)^2 + x^2

mit einem zusätzlichen Minuszeichen; vielleicht stammt die Verwirrung daher.

Marco Polo
10.12.14, 21:09
Schau dir doch nochmal meinen verlinkten Beitrag im Physikforum an. Da hab ich die Erklärung auf's absolut notwendige Minimum reduziert.

Hab ich doch schon längst gemacht. Es ist aber leider nicht der Fall, dass ich beim Anblick von Eigenzeitintegralen sofort den Durchblick habe, auch wenn ich diese mit etwas Mühe lösen könnte.

Aber wann löst man schon mal als "Normalsterblicher" Integrale? Vor 25 Jahren war ich da mal Experte. Lang ist´s her. Heute muss ich da immer erst rumknobeln. :o

Egal. Wichtig ist, dass ich denke, es jetzt verstanden zu haben. Dafür meinen Dank. :)

Struktron
10.12.14, 22:41
Hallo, erst mal Glückwunsch. Die zitternden Quantenfluktuationen waren vermutlich mit dem Reisezwilling verschränkt.
Hab ich doch schon längst gemacht. Es ist aber leider nicht der Fall, dass ich beim Anblick von Eigenzeitintegralen sofort den Durchblick habe, auch wenn ich diese mit etwas Mühe lösen könnte.

Aber wann löst man schon mal als "Normalsterblicher" Integrale? Vor 25 Jahren war ich da mal Experte. Lang ist´s her. Heute muss ich da immer erst rumknobeln. :o

Egal. Wichtig ist, dass ich denke, es jetzt verstanden zu haben. Dafür meinen Dank. :)

Danke, dass Du damit bestätigst, dass es mir nicht allein so geht, mit Integralen,..., die man vor vielen Jahren öfter berechnete, aber jetzt nicht mehr.
In der letzten Zeit habe ich einiges von Feynman gelesen und er schrieb immer wieder, wie es ihm selbst ging. Bei solchen Theman muss man halt oft probieren, spekulieren,... Was tatsächlich die Natur mit uns macht, weiß niemand genau.

MfG
Lothar W.

TomS
11.12.14, 06:04
Vielleicht zum Verständnis: es geht mir überhaupt nicht um die Berechnung der konkreten Integrale, einfache Beispiele mit konstantem Geschwindigkeitsbetrag sind natürlich leicht ausreichend.

Es geht mit vielmehr um folgendes:
1) Eigenzeit ist eine sowohl messbare als auch berechenbare Größe
2) Die Definition von Eigenzeit funktioniert zunächst mal ohne Einführung eines Koordinatensystems
3) Es ist allgemein sowie speziell im Falle des Zwillingsparadoxons nicht notwendig, mittels Inertialsystemen zu argumentieren (die erste Formel funktioniert auch in der ART und ist koordinatenfrei)
4) Die Zeitdilatation ist kein Spezialfall der Lorentztransformation; letztere wird auch nicht zur Definition benötigt

Wenn das bisher nicht klar wurde, dann bitte um kurze Rückmeldung; ich würde den Beitrag dann entsprechend ergänzen.

Bauhof
11.12.14, 09:52
4) Die Zeitdilatation ist kein Spezialfall der Lorentztransformation; letztere wird auch nicht zur Definition benötigt

Wenn das bisher nicht klar wurde, dann bitte um kurze Rückmeldung; ich würde den Beitrag dann entsprechend ergänzen.

Hallo TomS,

die Zeitdilatation wird in der Literatur im allgemeinen aus den Lorentztransformationen hergeleitet. Welche alternative Herleitung gibt es?

M.f.G. Eugen Bauhof

JoAx
11.12.14, 10:07
Der Ansatz von TomS gefällt mir und ist mir dann auch irgendwann in den Sinn gekommen.

Der Weg über die Längenkontraktion und Zeitdilatation ist der Weg über Koordinaten und der Weg über die Länge der Weltlinie ist koordinatenfreie Variante, da es gilt ds^2 = const.

JoAx
11.12.14, 10:32
Bisher dachte ich, dass der Reisezwilling die längere Weltlinie hat.


Das sieht für unser "euklidisches Auge" auf dem Minkowski-Diagramm auch so aus. Ist aber in der Tat kürzer. :D

Hawkwind
11.12.14, 10:50
Das sieht für unser "euklidisches Auge" auf dem Minkowski-Diagramm auch so aus. Ist aber in der Tat kürzer. :D

Da die Metrik nicht einmal positiv definit ist, kann die Länge der Weltlinie im Prinzip ja auch mal negativ werden; dann läuft die Uhr des Reisenden eben rückwärts. :)

Allerdings entsprechen solchen Weltlinien keine Lösungen der Bewegungsgleichungen der SRT.

Ich
11.12.14, 11:10
Da die Metrik nicht einmal positiv definit ist, kann die Länge der Weltlinie im Prinzip ja auch mal negativ werden; dann läuft die Uhr des Reisenden eben rückwärts. :)

Allerdings entsprechen solchen Weltlinien keine Lösungen der Bewegungsgleichungen der SRT.
Solche Linien werden auch nicht "Weltlinien" genannt, das sind einfach raumartige Kurven. Die haben mitunter auch ihre Bedeutung:
Bei einem vorbeifliegenden Meterstab ist z.B. die Verbindungslinie zwischen den Ereignissen (t=0, pos=Stabanfang) und (t=0, pos=Stabende) raumartig. Ihre Länge ist die lorentzkontrahierte "Länge" des Meterstabs für den betreffenden Beobachter.
Oder die Kurve entlang konstanter kosmologischer Zeit, die zwei entfernte Galaxien verbindet. Deren Länge ist die "cosmological proper distance" der beiden Galaxien zu diesem Zeitpunkt.

Glückwunsch außerdem.

JoAx
11.12.14, 11:26
Da die Metrik nicht einmal positiv definit ist, kann die Länge der Weltlinie im Prinzip ja auch mal negativ werden; dann läuft die Uhr des Reisenden eben rückwärts. :)

Allerdings entsprechen solchen Weltlinien keine Lösungen der Bewegungsgleichungen der SRT.

Oder es sind Tachionen. :)
Nee ... ich habe in diesem Moment natürlich ausschließlich an zeitartige Weltlinien gedacht.

TomS
11.12.14, 20:14
die Zeitdilatation wird in der Literatur im allgemeinen aus den Lorentztransformationen hergeleitet.
Ja, leider, ich halte das für didaktisch völlig verfehlt (es ist unnötig; und es ist irreführend, denn es gibt z.B. auch in der ART die Zeitdilatation, jedoch keine globale Lorentzinvarianz)

Welche alternative Herleitung gibt es?
Siehe der verlinkte Beitrag im Physikboard

Marco Polo
11.12.14, 21:12
Der Weg über die Eigenzeiten ist ganz Gewiss der Elegantere. Schon verwunderlich, dass dieses Konzept in kaum einem Lehrbuch zur SRT zu finden ist.

Möglicherweise will man damit auch Lesern oder Schülern, ohne Kenntnisse der Integralrechnung, einen Zugang ermöglichen.

Ohne strikte Unterscheidung von Eigen- und Koordinatenzeiten kommt man nämlich nur in der SRT mit durch. Spätestens bei der ART geht man damit baden.

TomS
11.12.14, 21:29
Der Weg über die Eigenzeiten ist ganz Gewiss der Elegantere. Schon verwunderlich, dass dieses Konzept in kaum einem Lehrbuch zur SRT zu finden ist.
Kann ich nicht auf einer breiten Basis von Literatur beurteilen (aber der Eindruck drängt sich auf, wenn man Diskussionen, Fragen und Missverständnisse verfolgt)

Ohne strikte Unterscheidung von Eigen- und Koordinatenzeiten kommt man nämlich nur in der SRT mit durch. Spätestens bei der ART geht man damit baden.
Genau! Das ist die Sackgasse, und das bereitet den Leuten die größten Probleme.

Ich halte das Argument, dass man Integralrechnung vermeiden sollte, nicht unbedingt für gerechfertigt. Gegenbeispiel: man verwendet gerne anschauliche Minkowskidiagranme zur Einführung in die SRT, und man zeichnet Weltlinien sowie Abschnitte für bestimmte Eigenzeiten ein. Die Schüler haben das "verstanden", messen die Längen mit dem Geodreieck (verwenden also den euklidischen Abstandsbegriff bzw. Pythagoras) und wundern sich, dass das schief geht. Sie haben also letztlich nichts verstanden und leben mit einen Scheinwissen. Besser, man zeigt ihnen etwas, was sie zunächst nicht verstehen, als dass man ihnen etwas zeigt, was sie vermeintlich sofort verstehen.

Timm
12.12.14, 10:22
Der Weg über die Eigenzeiten ist ganz Gewiss der Elegantere.
Vielleicht darüber hinaus. Wir hatten hier bei der Diskussion der Eigenzeit des Photons (liegt schon eine Weile zurück) die Auffassung, diese sei unbestimmt, weil eine Grenzwertbetrachtung in Verbindung mit dem gamma Faktor das nahelegte. Vielleicht erinnerst Du Dich, Marc. Dabei ist der Weg über die Invarianten dtau und ds mit der Folge dtau = 0, also losgelöst von der SRT, der Allgemeingültige. Was mir damals noch nicht klar war.

TomS
12.12.14, 11:50
Wir hatten hier bei der Diskussion der Eigenzeit des Photons die Auffassung, diese sei unbestimmt, weil eine Grenzwertbetrachtung in Verbindung mit dem gamma Faktor das nahelegte.
Das funktioniert ganz prinzipiell nicht. D.h. dass der masselose Fall nicht als Grenzwert des massebehafteten Falls darstellbar ist.

Deutlich wird dies anhand der Wigner-Klassifizierung von irreduziblen Darstellungen der Poincaregruppe. Klingt etwas hochgestochen, aber es gibt ein ganz einfaches Beispiel:

Betrachten wir ein massebehaftetes Teilchen mit Masse m > 0 sowie Spin S = 1; die z- bzw. 3-Komponente des Spins kann bzgl. einer beliebigen z-Achse die Werte S³ = -1,0,+1 annehmen; es gibt also drei mögliche Spinausrichtungen (Bsp.: W- und Z-Boson, Vektormesonen).

Betrachten wir ein masseloses Teilchen mit m = 0 sowie ebenfalls S = 1; die z-Komponente die Werte S³ = -1,+1 annehmen; es gibt also zwei mögliche Spinausrichtungen (Bsp.: Photonen mit zwei möglichen Polarisationsrichtungen).

Offensichtlich kann die ganze Zahl 2 nicht als Grenzwert der ganzen Zahl 3 im Grenzübergang m gegen Null auftreten. D.h. dass in der RT der Fall m = 0 prinzipiell nie als Grenzfall von m > 0 darstellbar ist. Leider wird das erst dann klar, wenn man die entsprechenden Liegruppen mathematisch exakt analysiert; in einfachen Fällen wie E² = (pc)² + (mc²)² sieht es so aus, als ob das doch möglich wäre, aber das ist irreführend.

Timm
13.12.14, 11:04
Offensichtlich kann die ganze Zahl 2 nicht als Grenzwert der ganzen Zahl 3 im Grenzübergang m gegen Null auftreten. D.h. dass in der RT der Fall m = 0 prinzipiell nie als Grenzfall von m > 0 darstellbar ist. Leider wird das erst dann klar, wenn man die entsprechenden Liegruppen mathematisch exakt analysiert; in einfachen Fällen wie E² = (pc)² + (mc²)² sieht es so aus, als ob das doch möglich wäre, aber das ist irreführend.
Danke, eine solch tiefgehende Begründung habe ich noch nirgendwo gesehen.
Auch mit "leider" hast Du nur zu recht, denn unter einer Liegruppe kann ich mir reichlich wenig vorstellen. Ist auch weiter nicht tragisch, an seine Grenzen zu stoßen gehört zu den Dingen, die man zu akzeptieren hat. :)

TomS
13.12.14, 11:38
Die Drehmatrizen im 3-dim. Raum sind die Darstellung der Liegruppe SO(3); die komplexe Zahl z in Polardarstellung ist eine Darstellung der Liegruppe U(1). Im Falle der Lorentzgruppe hamdelt es sich grob gesprochen um die SO(3,1) mit drei raum- und einer zeitartigen Richtung; die eigtl. Lorentztransformationen (Boosts) kann man auch als Rotationen mit imaginärem Winkel auffassen, d.h. man hat drei Rotationsachsen und drei Boostrichtungen, also sechs "Winkel".

Ich
13.12.14, 21:36
Hi Tom,

ich sehe ein paar Dinge etwas anders als du - aber nicht sehr, vermutlich.
Ich halte das Argument, dass man Integralrechnung vermeiden sollte, nicht unbedingt für gerechfertigt. Gegenbeispiel: man verwendet gerne anschauliche Minkowskidiagranme zur Einführung in die SRT, und man zeichnet Weltlinien sowie Abschnitte für bestimmte Eigenzeiten ein. Die Schüler haben das "verstanden", messen die Längen mit dem Geodreieck (verwenden also den euklidischen Abstandsbegriff bzw. Pythagoras) und wundern sich, dass das schief geht. Sie haben also letztlich nichts verstanden und leben mit einen Scheinwissen. Besser, man zeigt ihnen etwas, was sie zunächst nicht verstehen, als dass man ihnen etwas zeigt, was sie vermeintlich sofort verstehen.Zum Minkowskidiagramm gehört natürlich die Anleitung, wie Abstände zu messen sind. Das ist nicht sonderlich schwierig, denke ich. Darum wird so eine Situation wohl kaum vorkommen, denke ich.
Ich stimme mit dir überein, dass man bestimmte Dinge - wie eben den geänderten Abstandsbegriff - unbedingt und zentral lehren sollte. Die "schwierigen" Stellen zu vermeiden und mit altbekannten, aber irreführenden Bildern zu ersetzen ist eine pädagogische Katastrophe. Leider trotzdem üblich.

Integralrechnung etc. sind vielleicht wirklich Overkill. Ich habe deine FAQs auch durchgelesen, und denke, du sprichst damit nur eine kleine Zielgruppe an. Leute, deren Mathematikkenntnisse mehere Semester über ihren Physikkenntnissen liegen, nämlich.

Das funktioniert ganz prinzipiell nicht. D.h. dass der masselose Fall nicht als Grenzwert des massebehafteten Falls darstellbar ist.Da bin ich nicht ganz bei dir. Natürlich gibt es da einen fundamentalen Unterschied, kein Bezugssystem für Photonen und divergierende Energie und so. Aber der Limes funktioniert fast immer, wenn man nicht gerade auf irgendwas divergierendes aus ist.
Offensichtlich kann die ganze Zahl 2 nicht als Grenzwert der ganzen Zahl 3 im Grenzübergang m gegen Null auftreten. D.h. dass in der RT der Fall m = 0 prinzipiell nie als Grenzfall von m > 0 darstellbar ist.Das glaube ich nicht.
Ich kann die ganzen gruppentheoretischen Überlegungen nicht nachvollziehen, da fehlt mir der mathematische Hintergrund. Aber ich weiß, dass man auf komplizierte Art und Weise Obergrenzen für die Photonenmasse zu finden versucht. Wenn der Unterschied so fundamental wäre, wie du sagst, wäre das nicht nötig, man könnte die Fälle leicht unterscheider - 3!=2, fertig.
Das heißt wohl, dass der Spin=0-Fall auch bei ultrarelativistischen Teilchen nur mit verschwindender Wahrscheinlichkeit auftritt.
Etwas ganz Ähnliches ist es wohl mit den Neutrinos, wobei's dann wohl eher um ihre Linkshändigkeit geht.
Ich habe also den Eindruck, dass ein masseloses Teilchen, ob Boson oder Fermion, nicht von einem ausreichend schnellen Teilchen gleicher Energie zu unterscheiden ist. Ob der mathematische Formalismus ganz unterschiedlich ist, ist für mich als Physiker erst mal sekundär.
Es gibt auch wirklich viele Beispiele für sinnvolle Grenzbetrachtungen, wie z.B. verstrichene Eigenzeit und die Tatsache, dass beliebig schnelle Teilchen beliebig genau einer Nullgeodäte folgen.
Ich formuliere mal folgendermaßen: In der Außenbetrachtung ist es immer egal, ob ein Testteilchen genau mit c oder (ausreichend) knapp langsamer unterwegs ist. D.h. der masselose Fall ist in dieser Betrachtung immer als Grenzwert den massebehafteten Falls darstellbar. Bei gleicher Energie gilt das auch für die Gravitationswirkung und überhaupt alles, also nicht nur für Testteilchen.

Marco Polo
13.12.14, 22:32
Zum Minkowskidiagramm gehört natürlich die Anleitung, wie Abstände zu messen sind.

Und auch die Info, dass sich die Längeneinheiten der Koordinatenachsen ändern. Das ist ja so manchem beim Anblick von Minkowski-Diagrammen gar nicht bewusst.

Natürlich gibt es da einen fundamentalen Unterschied, kein Bezugssystem für Photonen und divergierende Energie und so. Aber der Limes funktioniert fast immer, wenn man nicht gerade auf irgendwas divergierendes aus ist. Es gibt auch wirklich viele Beispiele für sinnvolle Grenzbetrachtungen, wie z.B. verstrichene Eigenzeit und die Tatsache, dass beliebig schnelle Teilchen beliebig genau einer Nullgeodäte folgen.
Ich formuliere mal folgendermaßen: In der Außenbetrachtung ist es immer egal, ob ein Testteilchen genau mit c oder (ausreichend) knapp langsamer unterwegs ist.Das mag hinkommen. Bei diesen Grenzwertbetrachtungen besteht aber imho die Gefahr, dass mancheiner denkt, dass es da so eine Art Übergang von fast c zu c gibt und demnach womöglich auch noch lichtschnelle Koordinatensysteme erlaubt wären.

Denn fast c hat nichts mit c zu tun. Aber vielleicht habe ich dich auch falsch verstanden. Dann vorweg schonmal sorry. :)

Ich
14.12.14, 08:18
Und auch die Info, dass sich die Längeneinheiten der Koordinatenachsen ändern. Das ist ja so manchem beim Anblick von Minkowski-Diagrammen gar nicht bewusst.
Ich mag die Diagramme mit zwei verschiedenen Achsen sowieso nicht. Ich male lieber für jedes System ein eigenes Diagramm, das ist übersichtlicher.


Das mag hinkommen. Bei diesen Grenzwertbetrachtungen besteht aber imho die Gefahr, dass mancheiner denkt, dass es da so eine Art Übergang von fast c zu c gibt und demnach womöglich auch noch lichtschnelle Koordinatensysteme erlaubt wären.

Denn fast c hat nichts mit c zu tun. Aber vielleicht habe ich dich auch falsch verstanden. Dann vorweg schonmal sorry. :)Es ist vollkommen unmöglich, sich selbst als "mit c bewegt" zu betrachten, da hast du sicher recht. Aber ob etwas anderes mit c oder fast c unterwegs ist, macht keinen Unterschied, solange die Energie dieselbe ist.

TomS
14.12.14, 09:20
Ich und ich unterscheiden uns wohl nur in bestimmten Einzelfragen.

Bzgl. der Ruhemasse m ist ein derartiger Limes möglich und erlaubt. Habe ich oben auch so geschrieben.

In andern Fällen (Bezugssystem & Lorentz-Transformation, Spin & Darstellungen der Poincaire-Gruppe, Eichtheorien, ...) ist das nicht der Fall.

Hawkwind
14.12.14, 09:39
Und auch die Info, dass sich die Längeneinheiten der Koordinatenachsen ändern. Das ist ja so manchem beim Anblick von Minkowski-Diagrammen gar nicht bewusst.

Das mag hinkommen. Bei diesen Grenzwertbetrachtungen besteht aber imho die Gefahr, dass mancheiner denkt, dass es da so eine Art Übergang von fast c zu c gibt und demnach womöglich auch noch lichtschnelle Koordinatensysteme erlaubt wären.

Denn fast c hat nichts mit c zu tun. Aber vielleicht habe ich dich auch falsch verstanden. Dann vorweg schonmal sorry. :)

Naja, es muss sicher ein "stetiger Übergang" sein nach v -> c. Letztendlich weiss man ja nun auch gar nicht, ob ein Quant exakt masselos ist oder nicht; Experimente werden immer höchstens eine obere Schranke für die Masse liefern.

Die Ausbreitung von Neutrinos im All (m anscheinend ungleich 0 aber praktisch gleich 0) unterscheidet sich nicht von der von Photonen. So schafften es die Photonen bei der Supernovaexplosion SN 1987A über 168 000 Lichtjahre nicht, die kurz zuvor ausgesandten Neutrinos einzuholen, obwohl diese massiv sind.
"Praktisch gleich Null" und "Exakt gleich Null" kann für Beobachtungen keinen dramatischen Unterschied machen.

Marco Polo
14.12.14, 10:09
Naja, es muss sicher ein "stetiger Übergang" sein nach v -> c. Letztendlich weiss man ja nun auch gar nicht, ob ein Quant exakt masselos ist oder nicht; Experimente werden immer höchstens eine obere Schranke für die Masse liefern.

Ja schon. Ich sprach aber nicht von Quanten, von denen wir nicht wissen, ob sie masselos sind oder nicht.

Mir gings um die SRT. Und da ist dieser "Übergang" einfach nicht erlaubt, ja nicht mal definiert.

Marco Polo
14.12.14, 10:42
Aber ob etwas anderes mit c oder fast c unterwegs ist, macht keinen Unterschied, solange die Energie dieselbe ist.

Das dürfte das Stichwort sein: "Solange die Energie dieselbe ist".

In dem von mir angedachten Fall ist das aber nicht so. Also beim Versuch m>0 auf c zu beschleunigen. So gibt es z.B. auch
keine lichtschnellen Uhren.

Ich war diesen Sommer in einer öffentlichen Physikvorlesung zur RT an der UNI Düsseldorf. Zielpublikum: interessierte Laien.

Der Professor meinte anmerken zu dürfen, dass bei der Beschleunigung eines Raumschiffes auf c, alle Längen auf Null schrumpfen und die Zeit stillstehen würde.

Wie kann man so einen Schwachsinn vermitteln? Am liebsten hätte ich in bester Fussballfan-Tradition laut losgesungen: "Du kannst nach Hause fahrn."
Hab mich aber nicht getraut. Haha. :D

TomS
14.12.14, 11:12
es muss sicher ein "stetiger Übergang" sein nach v -> c.
Kommt drauf an

Letztendlich weiss man ja nun auch gar nicht, ob ein Quant exakt masselos ist oder nicht; Experimente werden immer höchstens eine obere Schranke für die Masse liefern

...

"Praktisch gleich Null" und "Exakt gleich Null" kann für Beobachtungen keinen dramatischen Unterschied machen.
Kommt drauf an, was du beobachten möchtest.

s.o.:

Bzgl. der Ruhemasse m [bzw. deren Messung] ist ein derartiger Limes möglich und erlaubt.

In andern Fällen (Bezugssystem & Lorentz-Transformation, Spin & Darstellungen der Poincaire-Gruppe, Eichtheorien, ...) ist das nicht der Fall.

Die Ausbreitung von Neutrinos im All (m anscheinend ungleich 0 aber praktisch gleich 0) unterscheidet sich nicht von der von Photonen.
Im Falle von Neutrinos verhält es sich völlig anders wie für Photonen. Photonen haben Spin S = 1 uns im masselosen (massebehafteten) Fall entsprechend zwei +1, -1 (drei +1, 0, -1) Polarisationen. Neutrinos haben Spin S = 1/2 und damit in beiden Fällen nur zwei Polarisationszustände.

Ich habe mal nach Experimenten zur Bestimmung der Photonmasse gesucht. So wie ich das sehe, nutzen diese alle makroskopische Effekte (d.h. letztlich die Suche nach Effekten aus modifizierten Maxwellgleichungen). Mikroskopische Effekte wären m.E. z.B. Modifikationen des Compton-Streuquerschnitts resultierend aus der longitudinalen Polarisation im Falle massebehafteter Photonen. Auch Elektron-Elektron- sowie Elektron-Positron-Streuquerschnitte müssten entsprechend modifiziert werden. Dazu habe ich jedoch (noch) nichts gefunden.

Hawkwind
14.12.14, 13:10
Im Falle von Neutrinos verhält es sich völlig anders wie für Photonen. Photonen haben Spin S = 1 uns im masselosen (massebehafteten) Fall entsprechend zwei +1, -1 (drei +1, 0, -1) Polarisationen. Neutrinos haben Spin S = 1/2 und damit in beiden Fällen nur zwei Polarisationszustände.



Die Unterdrückung der Sz=0 -Komponente hat ja damit zu tun, dass kein Ruhesystem für ein Photon existiert. Für ein Photon mit winziger, aber unmessbar kleiner, Masse würde es im Prinzip existieren. Für die Praxis wäre das aber wohl kaum von Relevanz. Wenn sich die Dinger praktisch immer mit fast gleich c bewegen, hat ein Beobachter große Mühe dieses Ruhesystem "aufzusuchen". Der Unterschied zwischen 0 und unmessbar klein aber ungleich Null, ist eigentlich keine Frage mehr, die überhaupt die Physik angeht, oder?
In der Physik geht es doch um Beobachtungen.

Gruß,
Uli

TomS
14.12.14, 13:23
Ja, in der Physik geht es um Beobachtungen. Die Frage ist, ob diese dritte Komponente beobachtbar ist oder nicht. Für m=0 ist sie prinzipiell nicht beobachtbar, für m>0 ist sie ggf. sehr klein und daher evtl. praktisch nicht beobachtbar. Aber das ist ein grundsätzlicher Unterschied. Und es hat nichts damit zu tun, dass der Beobachter nicht in dieses Bezugsystem gelangen kann. Im Ruhesystem des Photons würde diese Polarisation existieren, das Photon hätte kein Problem damit, in sein eigenes Ruhesystem zu gelangen.

Marco Polo
14.12.14, 13:24
Der Unterschied zwischen 0 und unmessbar klein aber ungleich Null, ist eigentlich keine Frage mehr, die überhaupt die Physik angeht, oder?


Hmm...du hast da sicherlich nicht Unrecht. (btw: wird Unrecht gross oder klein geschrieben? :confused:)

Aber mal anders gefragt:

Einem Teilchen mit m>0 (und sei die Masse auch unmessbar klein, aber vorhanden) kann ich gedanklich gemäß der SRT eine virtuelle Uhr mitschicken.

Das kann ich bei einem Teilchen der Masse m=0 aber nicht, gell?

Timm
14.12.14, 15:00
Der Professor meinte anmerken zu dürfen, dass bei der Beschleunigung eines Raumschiffes auf c, alle Längen auf Null schrumpfen und die Zeit stillstehen würde.

Wie kann man so einen Schwachsinn vermitteln?
Hat er nicht von unendlich langer Beschleunigung gesprochen?

Uli, sprechen wir, wenn Du sagst "es muss sicher ein "stetiger Übergang" sein nach v -> c"" noch von Physik? Für endliche Zeit mit v < c läßt sich für eine beschleunigende Masse ein Bezugssystem definieren, für t = oo aber nicht. Für mich sind das (BS ja und BS nein) zwei Zustände, die nicht stetig ineinander übergehen können. Ebenso fiktiv (weil in diesem Fall wohl tatsächlich unphysikalisch), wie die still stehende Uhr auf dem EH eines SLes aus der Sicht des entfernten Beobachters.

Marco Polo
14.12.14, 15:27
Hat er nicht von unendlich langer Beschleunigung gesprochen?

Nein. Hat er nicht. Würde das denn einen Unterschied machen?

Es ist doch ein völliger Käse zu behaupten, dass ein Raumschiff auf c beschleunigen kann.

Ich kann beschleunigen solange und/oder stark wie ich will.

Für c reichts halt nicht.

Ergo schrumpfen daher weder Längen auf Null noch bleibt die Zeit stehen.

Natürlich streben Längen gegen Null und ebenso mag die Zeit nahezu stillstehen.

Das ist aber nicht das Gleiche.

Selbst für Photonen gilt nicht, dass z.B. die Zeit stillsteht. Man kann einem Photon eben keine Uhr ankleben.

Die Zeitachse in einem lichtschnellen System wäre ja noch nicht mal definierbar. Ganz abgesehen davon, dass lichtschnelle Bezugssysteme ohnehin nicht existieren.

TomS
14.12.14, 15:44
... sprechen wir, wenn Du sagst "es muss sicher ein "stetiger Übergang" sein nach v -> c"" noch von Physik? Für endliche Zeit mit v < c läßt sich für eine beschleunigende Masse ein Bezugssystem definieren, für t = oo aber nicht. Für mich sind das (BS ja und BS nein) zwei Zustände, die nicht stetig ineinander übergehen können. Ebenso fiktiv (weil in diesem Fall wohl tatsächlich unphysikalisch), wie die still stehende Uhr auf dem EH eines SLes aus der Sicht des entfernten Beobachters.
Genau, es gibt diesen stetigen Übergang nicht.

Für m > 0 gilt für die Eigenzeit eines Teilchens entlang seiner Weltlinie immer dT > 0, d.h. mit zurückgelegtem Weg wächst diese Eigenzeit; deswegen kann diese Eigenzeit als Koordinatenzeit im Ruhesystem des Teilchens verwendet werden.

Für m = 0 ist jedoch dT = 0, d.h. die Eigenzeit ist eine Konstante und kann nicht als Koordinatenzeit verwendet werden; oft sagt man auch, dass masselose Teilchen kein Ruhesystem "haben".

Man kann einem Photon eben keine Uhr ankleben.

Die Zeitachse in einem lichtschnellen System wäre ja noch nicht mal definierbar. Ganz abgesehen davon, dass lichtschnelle Bezugssysteme ohnehin nicht existieren.
Genau!

D.h. dass der "Grenzübergang v gegen c" nicht so einfach definiert werden kann, denn es kommt auf das mathematische Objekt an, für das der Grenzübergang betrachtet wird. Offensichtlich funktioniert das nicht "stetig" für die Gesamtenergie (Divergenz), das Koordinatensystem (die Zeitachse "verschwindet"), sowie den Spin (eine Polarisationsrichtung "verschwindet").

Ich
15.12.14, 10:48
Ich wiederhole besser noch mal. Tom sagte:
Das funktioniert ganz prinzipiell nicht. D.h. dass der masselose Fall nicht als Grenzwert des massebehafteten Falls darstellbar ist.
und hat als Beispiel den Spin gebracht.
Ich halte das für übertrieben. Es gibt Phänomene, wo ein wunderbarer Grenzübergang funktioniert, und es gibt welche, wo das nicht funktioniert.
Ein glatter Grenzübergang funktioniert nicht für die "Innenansicht", also alles à la "wenn wir uns mit Lichtgeschwindigkeit bewegen würden". Koordinatensysteme, Spinbeschreibung, Gedankenexperimente, alles undefintiert, sinnlos oder zumindest fundamental verschieden. Ist auch irgendwie logisch, wenn man die SRT näher kennt.
Der Grenzübergang funktioniert i.A. sehr gut für die Außenansicht. Gegenbeispiel wäre natürlich sofort die divergierende Energie eines Teilchens mit endlicher Ruhemasse (gibt sicher noch weitere, mir fällt aber gerade keins ein). Aber sonst geht's eigentlich einwandfrei - einschließlich der Spinrichtung.
Ja, in der Physik geht es um Beobachtungen. Die Frage ist, ob diese dritte Komponente beobachtbar ist oder nicht. Für m=0 ist sie prinzipiell nicht beobachtbar, für m>0 ist sie ggf. sehr klein und daher evtl. praktisch nicht beobachtbar. Aber das ist ein grundsätzlicher Unterschied.Nein, ist es nicht. Das ist ein Paradebeispiel für einen gelungenen Grenzübergang. Mit v-> c geht p -> 0. Da passiert überhaupt nichts Aufregendes.
Und es hat nichts damit zu tun, dass der Beobachter nicht in dieses Bezugsystem gelangen kann. Im Ruhesystem des Photons würde diese Polarisation existieren, das Photon hätte kein Problem damit, in sein eigenes Ruhesystem zu gelangen.Das Photon hat kein Ruhesystem. Es hat durchaus etwas damit zu tun, dass das Photon salbst nicht in sein eigenes Ruhesystem gelangen kann, weil ein solches Ruhesystem den Postulaten der SRT widersprechen würde. Die Aussage "Im Ruhesystem des Photons würde diese Polarisation existieren" ist ziemlich wesensgleich mit der von Marco Polos Professor.

Im Falle von Neutrinos verhält es sich völlig anders wie für Photonen. Photonen haben Spin S = 1 uns im masselosen (massebehafteten) Fall entsprechend zwei +1, -1 (drei +1, 0, -1) Polarisationen. Neutrinos haben Spin S = 1/2 und damit in beiden Fällen nur zwei Polarisationszustände.
Neutrinos mit rechtshändiger Helizität sind durchaus vergleichbar. Die Wahrscheinlichkeit dieses Zustands verschwindet kontinuierlich mit der Masse. Genauso wie m=0 bei einem Boson. (Außenansicht, wohlgemerkt! In der Innenansicht ist es wohl so, dass der kritische Spinzustand bei Neutrinos eh nicht vorhanden ist und deswegen auch keine Schwierigkeiten beim Übergang macht.)
Genau, es gibt diesen stetigen Übergang nicht.

Für m > 0 gilt für die Eigenzeit eines Teilchens entlang seiner Weltlinie immer dT > 0, d.h. mit zurückgelegtem Weg wächst diese Eigenzeit; deswegen kann diese Eigenzeit als Koordinatenzeit im Ruhesystem des Teilchens verwendet werden.

Für m = 0 ist jedoch dT = 0, d.h. die Eigenzeit ist eine Konstante und kann nicht als Koordinatenzeit verwendet werden; oft sagt man auch, dass masselose Teilchen kein Ruhesystem "haben".
Der Übergang von T>0 auf T=0 ist stetig. Das ist eine mathematische Tatsache, mit nichttrivialen Konsequenzen. Zum Beispiel Neutrinooszillationen: Hätte man diese nicht beobachten können, wäre das kein Beweis für die Masselosigkeit von Neutrinos, weil man für jede Messgenauigkeit eine endliche Neutrinomasse angeben kann, die mit den Beobachtungen konsistent ist. Das eine ist eine stetige Funktion des anderen.
Dass man auf T=0 kein Inertialsystem aufbauen kann ist etwas anderes und (hoffentlich) unbestritten.
Offensichtlich funktioniert das nicht "stetig" für die Gesamtenergie (Divergenz), das Koordinatensystem (die Zeitachse "verschwindet"), sowie den Spin (eine Polarisationsrichtung "verschwindet").Es funktioniert ganz offensichtlich für den Spin. Den tatsächlich beobachtbaren, wohlgemerkt, nicht den hypothetischen im (grusel) "Ruhesystem des Photons". Und für relativ viele andere Dinge, so dass ich der Aussage, das ginge "prinzipiell nicht" widerspreche.

TomS
17.12.14, 16:54
... und für relativ viele andere Dinge, so dass ich der Aussage, das ginge "prinzipiell nicht" widerspreche.
Einverstanden.

Es gibt Größen, Beobachtungen usw., für die der Grenzübergang funktioniert und sinnvoll ist. Und es gibt Fälle, für die das nicht gilt. Also ist mein "prinzipiell" falsch.

Mir ging es lediglich darum, darauf hinzuweisen, dass man bitte nicht aus den Fällen, für die das funktioniert, die Schlussfolgerung ziehen darf, dass dies prinzipiell ein sinnvoller Grenzübergang wäre.

***

Vielleicht eine grundsätzliche Anmerkung, wo Ich und ich uns immer wieder unterschieden - und das in verschiedenen Threads und Foren:
1) ich gehe sehr gerne vom Allgemeinen zum Speziellen über; wenn etwas nicht allgemeingültig funktioniert, dann lasse ich es prinzipiell nicht zu, und es gibt dann keine Spezialfälle, wo es doch klappt => deduktiver, mathematisch - theoretischer Ansatz
2) Ich geht eher umgekehrt vor und betrachtet, wohin ein speziell gewählter Weg führt; wenn physikalisch sinnvoll, dann auch zulässig; erst wenn nicht sinnvoll, dann verboten => pragmatischer, phänomenologischer Ansatz

Es gibt keinen Königsweg; es gibt verschiedene Sichtweisen auf das selbe Thema; keine davon ist richtig oder falsch, sie ergänzen sich. Wenn jeder so denken würde wie ich (1), dann würde die Physik wohl wesentlich langsamere Fortschritte machen.

Warum beharre ich dann so oft auf meiner Denkweise? Weil ich in vielen Diskussionen wieder und wieder erlebe, wie (2) zu endlosen Verwirrungen führt, weil a) die Leute das Problem z.B. mangels Erfahrung nicht erkennen können und weil b) niemanden den Leuten ein "Stop" entgegenruft.

ich will damit sagen, dass die pragmatische Herangehensweise (2) in vielen Darstellungen (Büchern, Vorlesungen) viel häufiger durch ein "Warnsignal" flankiert warden sollte; ich bin sozusagen dieses fehlende Warnsignal - und schieße eben manchmal über das Ziel hinaus ;-)

Hawkwind
17.12.14, 21:06
Hat er nicht von unendlich langer Beschleunigung gesprochen?

Uli, sprechen wir, wenn Du sagst "es muss sicher ein "stetiger Übergang" sein nach v -> c"" noch von Physik? Für endliche Zeit mit v < c läßt sich für eine beschleunigende Masse ein Bezugssystem definieren, für t = oo aber nicht. Für mich sind das (BS ja und BS nein) zwei Zustände, die nicht stetig ineinander übergehen können. Ebenso fiktiv (weil in diesem Fall wohl tatsächlich unphysikalisch), wie die still stehende Uhr auf dem EH eines SLes aus der Sicht des entfernten Beobachters.

Naja, ich habe da momentan mal einen sehr pragmatischen Standpunkt angenommen und stelle die Bebachtungen in den Vordergrund. Die Theorie tut so, als sei das Photon exakt masselos; wir wissen es aber nicht: Experimente liefern nur eine obere Schranke für die Ruhemasse des Photons. Die Theorie, die von m=0 ausgeht, erklärt die Physik elm. Wellen tadellos. Wird man nun eines Tages (wie etwa bei den Neutrinos) feststellen, dass die Ruhemasse des Photons nicht exakt gleich 0 ist, dann wird daduch die bestehende Theorie für m=0 sicherlich nicht dramatisch falsch sondern m=0 bleibt eine extrem brauchbare Näherung, da die Masse gegen sonstige Massenskalen verschwindend klein ist. Das meine ich mit "stetigem Übergang".

Gruß,
Uli

TomS
17.12.14, 21:18
Naja, ich habe da momentan mal einen sehr pragmatischen Standpunkt angenommen und stelle die Bebachtungen in den Vordergrund. Die Theorie tut so, als sei das Photon exakt masselos; wir wissen es aber nicht: Experimente liefern nur eine obere Schranke für die Ruhemasse des Photons. Die Theorie, die von m=0 ausgeht, erklärt die Physik elm. Wellen tadellos. Wird man nun eines Tages (wie etwa bei den Neutrinos) feststellen, dass die Ruhemasse des Photons nicht exakt gleich 0 ist, dann wird daduch die bestehende Theorie für m=0 sicherlich nicht dramatisch falsch sondern m=0 bleibt eine extrem brauchbare Näherung, da die Masse gegen sonstige Massenskalen verschwindend klein ist. Das meine ich mit "stetigem Übergang".
Das gilt sicher für die klassische Elektrodynamik, sicher nicht jedoch für die Quantenelektrodynamik bzw. die elektro-schwache Wechselwirkung. Quantisierung, Higgs-artiger Mechanismus, Anzahl und Eigenschaften der Higgs-Teilchen, UV-Verhalten und Renormierbarkeit wären wohl dramatisch anders.

Ich
17.12.14, 21:33
Ich glaube, du hast das sehr gut auf den Punkt gebracht.
Nur bei dem "phänomenologisch" würde ich mich ein bisschen wehren, das hört sich so nach Ergebnis ohne zugrundeliegendes Modell an. Mir sind die Modelle sehr wichtig, allerdings bevorzuge ich das einfachste und verständlichste, das zuverlässig anwendbar ist. Ich mag es nicht komplizierter als nötig. Dass es nicht einfacher als möglich werden darf, versteht sich.

Ich denke, wir ergänzen und da ganz gut.

TomS
17.12.14, 21:50
Ich denke, wir ergänzen und da ganz gut.
ja ... mit der Gefahr, dass wir ja nicht immer und überall paarweise auftreten werden ...

Hawkwind
17.12.14, 22:07
Das gilt sicher für die klassische Elektrodynamik, sicher nicht jedoch für die Quantenelektrodynamik bzw. die elektro-schwache Wechselwirkung. Quantisierung, Higgs-artiger Mechanismus, Anzahl und Eigenschaften der Higgs-Teilchen, UV-Verhalten und Renormierbarkeit wären wohl dramatisch anders.


Ich spreche hier von den Vorhersagen für Beobachtungen und nicht von irgendwelchen Methoden der mathematischen Physik.
Die QED mit ihren Vorhersagen würde sicherlich nicht schlagartig falsch werden, wenn man eines Tages eine winzige Masse des Photons entdeckt.

TomS
17.12.14, 22:49
Ich spreche hier von den Vorhersagen für Beobachtungen und nicht von irgendwelchen Methoden der mathematischen Physik.
Die QED mit ihren Vorhersagen würde sicherlich nicht schlagartig falsch werden, wenn man eines Tages eine winzige Masse des Photons entdeckt.
Hm, was ist mit
... Higgs-artiger Mechanismus, Anzahl und Eigenschaften der Higgs-Teilchen, UV-Verhalten ...
Das sind doch messbare Größen.

1) Higgs-Teilchen, ihre Massen und Eigenschaften kann man experimentell bestimmen.
2) Die QED ist m.W.n. auch ohne Higgs jedoch mit massebehaftetem Photon quantisierbar und renormierbar (das gilt nicht für nicht-abelsche Eichtheorien). Auch die nicht-Existenz des Higgs kann man (in bestimmten Energiebereichen) experimentell überprüfen.
3) Das UV-Verhalten, insbs. die beta-Funktion sind messbare Größen. Ich kenne nun die beta-Funktion für QED mit massebehafteten Photonen nicht, aber üblicherweise sind die beta-Funktionen für massive und masselose Theorien qualitativ völlig verschieden.
4) Auch die Frage ob mit oder ohne Higgs führt zu qualitativ verschiedenen Theorien, zwischen denen kein glatter Übergang existiert.

Generell kann man sagen, dass massebehaftete Photonen im IR- / klassischen Limes zu (kleinen) Korrekturen führen, dass im UV-Bereich jedoch qualitative Unterschiede auftreten, keine kleinen Korrekturen.

Hawkwind
18.12.14, 08:00
Hm, was ist mit

Das sind doch messbare Größen.

1) Higgs-Teilchen, ihre Massen und Eigenschaften kann man experimentell bestimmen.
2) Die QED ist m.W.n. auch ohne Higgs jedoch mit massebehaftetem Photon quantisierbar und renormierbar (das gilt nicht für nicht-abelsche Eichtheorien). Auch die nicht-Existenz des Higgs kann man (in bestimmten Energiebereichen) experimentell überprüfen.
3) Das UV-Verhalten, insbs. die beta-Funktion sind messbare Größen. Ich kenne nun die beta-Funktion für QED mit massebehafteten Photonen nicht, aber üblicherweise sind die beta-Funktionen für massive und masselose Theorien qualitativ völlig verschieden.
4) Auch die Frage ob mit oder ohne Higgs führt zu qualitativ verschiedenen Theorien, zwischen denen kein glatter Übergang existiert.

Generell kann man sagen, dass massebehaftete Photonen im IR- / klassischen Limes zu (kleinen) Korrekturen führen, dass im UV-Bereich jedoch qualitative Unterschiede auftreten, keine kleinen Korrekturen.

Die Erwähnung des Higgs überrascht micht etwas; ich ordne das der elektroschwachen Theorie und nicht der QED zu.
Nach meinem Verständnis ist die Existenz des Higgs unabhängig von der Massivität des Photons; es wird ja in SU(2)xU(1) schon gebraucht um den schweren Vektorbosonen Massen zu geben. Wahrscheinlich werden sich Details der Symmetriebrechung ändern (Weinbergwinkel?) um den Photonen nun auch noch Masse zu verleihen. Ein ziemlich stetiger Übergang, scheint mit, aber ich weiss, dass ich nichts weiss. :)

TomS
18.12.14, 12:55
Die Erwähnung des Higgs überrascht micht etwas; ich ordne das der elektroschwachen Theorie und nicht der QED zu.
Also wie willst du dem Photon eine Masse geben?

1a) in der reinen QED mit einem Higgs? dann benötigst du genau dafür ein zusätzliches Higgsfeld
1b) in der el.-schw. Theorie? dann benötigst du m.E. wiederum ein zusätzliches Higgsfeld (das bisherige ist so konstruiert, dass es genau an W und Z koppelt, nicht jedoch ans Photon)

2) ohne Higgs? dann änderst du die Renormierungseigenschaften und damit das UV-Verhalten völlig.

D.h. (1) führt zu einem anderen Teilcheninhalt, (2) zu einem qualitativ völlig anderen UV-Verhalten. In beiden Fällen kann ich keinen stetigen Übergang erkennen. Bei (1b) lasse ich mich überzeugen, wenn du's mir vorrechnest.

Timm
18.12.14, 13:48
Wird man nun eines Tages (wie etwa bei den Neutrinos) feststellen, dass die Ruhemasse des Photons nicht exakt gleich 0 ist, dann wird daduch die bestehende Theorie für m=0 sicherlich nicht dramatisch falsch sondern m=0 bleibt eine extrem brauchbare Näherung, da die Masse gegen sonstige Massenskalen verschwindend klein ist. Das meine ich mit "stetigem Übergang".


Ja, verstanden, wobei bei "sonstige Massenskalen" die Neutrinos die Ausnahme wären. Aus dem Bauch fände ich eine noch so geringfügige Einschränkung der Invarianz von c unbefriedigend.

TomS
18.12.14, 13:50
Wie ich schon mehrfach betont habe, sehe ich diese stetigen Übergang von m = 0 zu m > 0 so nicht. Ich zeige das mal anhand des Teilcheninhalts von (1b) sowie (1a) auf:

Für ein masseloses Photon

Vor der Symmetriebrechung

B, W, phi
4, 4*3, 2*2
-2, -2*3
12

4 steht für die Lorentz-Indizes, 3 für die SU(2) Indizes;
-2 steht für die zwei Eichfreiheitsgrade, die durch die Eichsymmetrie eliminiert werden (nur 2 transversale Polarisationen trotzt 4 Lorentz-Indizes)

Nach der Symmetriebrechung

A, W, Z, h
2, 2*3, 3, 1
12

jetzt werden direkt die 2 bzw. 3 Freihgeitsgrade der Eichbosonen geschrieben;
es ist noch genau 1 skalares, ungeladenes Higgsfeld übrig (3 Freiheitsgrade fallen durch die Eichsymmetrie = im Zuge des Higgsmechanismus weg)

Wir sehen, wir haben in beiden Fallen 12 als Ergebnis; OK

Für ein massives Photon

Vor der Symmetriebrechung

B, W, X
4, 4*3, x
-2, -2*3
8 + x

x steht für die zunächst unbekannte Anzahl der Higgsfelder

Nach der Symmetriebrechung

A, W, Z, Y
3, 2*3, 3, y
12 + y

y steht für die zunächst unbekannte Anzahl der verbleibenden physikalischen Higgsfelder

Statt 12 = 12 erhalten wir jetzt die Gleichung

8 + x = 12 + y
x = 4 + y

für die Anzahl der Freiheitsgrade vor bzw. nach der Symmetriebrechung.

Betrachten wir folgende Fälle

x = 4 wie im masselosen Fall; dann wäre y = 0, d.h. es gäbe kein Higgs (der LHC hat's aber gefunden, kann also nicht sein ;-)

y = 1 wie im masselosen Fall für das physikalische Higgs; dann ware jedoch x = 5, d.h. wir benötigen ein Higgs (vor der Symmetriebrechung) mehr, was den zusätzlichen longitudinalen Freiheitsgrad des Photons (nach der Symmetriebrechung) wiederspiegelt. Wie soll das gehen?

Entweder 5 = 4 + 1, d.h. wir hätten das urspüngliche komplexe Higgs-Dublett 4 = 2*2 sowie ein einziges, skalares, neutrals Higgs. Das wäre evtl. irgendwie konstruierbar (sicher bin ich mir nicht), entspricht nun aber exakt dem Fall (1a), d.h. einem skalaren Higgs in der reinen QED. Damit haben wir den Teilcheninhalt explizit geändert, es gäbe ein Teilchen mehr als wir beobachten.

Oder einfach 5, d.h. aber ein völlig anderes Teilchen-Multiplett.

Für alle anderen Lösungen von x = 4 + y weichen die Teilcheninhalte ebenfalls sicher noch mehr vom beobachteten ab.

Ich sehe mittels Higgs nur einen einzige theoretisch mögliche Lösung, nämlich y = 1 und x = 4 + 1. Dabei muss mir aber jemand explizit zeigen, wie man die Lagrangedichte konstruiert, so dass sie mit Ausnahme des zusätzlichen Teilchens im Y-Sektors vollständig identisch mit der des Standardmodells ist. Und dann muss man dem Y noch eine genügend große Masse geben, so dass es sich weder im bisherigen ~ 100 - 200 GeV-Bereich am CERN zeigt, noch in anderen Quantenkorrekturen. Ich schließe nun nicht kategorisch aus, dass das irgendwie konstruierbar wäre. Aber bisher haben wir nur die Teilchen-Multiplets, noch keine Lagrangedichte mit Wechselwirkungen! Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass ein Modell mit einem neuen Teilchen, das zu einer winzigen Symmetriebrechung im el.-mag. Sektor führt, keine anderen beobachtbaren Konsequenzen hat.

Und nicht zuletzt hat unser Modell sicher ein qualitativ völlig anderes Hochenergieverhalten! D.h. dass ein stetiger Übergang vielleicht im IR-Sektor denkbar ist (Voraussetzungen s.o.), nicht jedoch im UV-Sektor (entspr. ungebrochener Eichsymmetrie ), denn da geht in jeden Wirkungsquerschnitt grob gesprochen die Anzahl der beitragenden Freiheitsgrade ein. Und da müsste es dann einen stetigen Übergang von 4 nach 5 geben - und den gibt es nicht ;-)


Also zusammenfassend: ich sehe keinen stetigen Übergang von m = 0 zu m > 0 für das Photon, der universell gültig wäre. Das mag im klassischen / IR-Sektor so sein, nicht jedoch universell, da haben wir qualitative und quantitative große Unterschiede.

TomS
18.12.14, 14:30
Aus dem Bauch fände ich eine noch so geringfügige Einschränkung der Invarianz von c unbefriedigend.
Das kommt darauf an, was du unter c verstehst:
- die dynamische Eigenschaft der (Q)ED bzgl. der Ausbreitung von el.-mag. Wellen (Photonen)
- die geometrische Eigenschaft der Raumzeit als universelle Grenzgeschwindigkeit
Letzteres bleibt natürlich auch im Falle massebehafteter Photonen streng gültig.

Hawkwind
18.12.14, 16:41
Also wie willst du dem Photon eine Masse geben?


Ist das so klar, dass man auch schon in der QED ein Higgs einführen muss, um Eichinvarianz der Theorie mit einem massiven Photon zu sichern?

siehe z.B.
http://journals.aps.org/prd/abstract/10.1103/PhysRevD.4.1620


We extend an earlier canonical formulation of quantum electrodynamics in the infinite-momentum frame by replacing the photons with massive vector mesons. The structure of the theory remains nearly the same except that a new term appears in the infinite-momentum Hamiltonian describing the emission of helicity-zero vector mesons with an amplitude proportional to the meson mass.


oder
http://www.scielo.br/scielo.php?pid=S0103-97332010000300011&script=sci_arttext


Therefore, a massive photon, unlike the popular belief, can be adequately accommodated within the context of a gauge-invariant electrodynamics.


Ich kenne mich da leider nicht aus.

TomS
18.12.14, 17:12
Ist das so klar, dass man auch schon in der QED ein Higgs einführen muss, um Eichinvarianz der Theorie mit einem massiven Photon zu sichern?
Nein, das ist nicht so klar. Ich hatte aber auch auf die Möglichkeit hingewiesen, dies ohne Higgs und stattdessen direkt zu realisieren (wobei ich mich da im Detail nicht auskenne).

Aber auch dann änderst du das UV-Verhalten der Theorie ganz erheblich (wobei das UV-Verhalten der QED auch im masselosen Fall zumindest störungstheoretisch einen Landau-Pol und damit eine Inkonsistenz aufweist, was letztlich bedeutet, dass die QED UV-unvollständig ist; für die elektro-schwache Theorie ist das noch nicht endgültig geklärt)

siehe z.B.
http://journals.aps.org/prd/abstract/10.1103/PhysRevD.4.1620
Ohne das jetzt gelesen zu haben: mit infinite momentum frame / light-cone coordinates habe ich mich (haben wir uns) intensiv auseinandergesetzt - und das letztlich wieder fallen lassen. Der Ansatz ist irgendwie "krank", da man (implizit) einen singulären Limes in die Theorie einbaut, den man nicht wirklich unter Kontrolle hat. Bestimmte Rechnungen werden in Lichtkegelkoordinaten einfacher; für prinzipielle Fragestellungen sind sie jedoch ungeeignet (meine Meinung).

The construction of an alternative electromagnetic theory that preserves Lorentz and gauge symmetries, is considered ... while the latter requires the presence of higher-order derivatives of the gauge field in the Lagrangian. This theory, usually known as Podolsky electrodynamics, is simultaneously gauge and Lorentz invariant; in addition, it contains a massive photon. Therefore, a massive photon, unlike the popular belief, can be adequately accommodated within the context of a gauge-invariant electrodynamics
Ja, sieht wohl so aus, ich habe diese Ansätze nie im Detail untersucht. Aber der wesentliche Punkt ist "presence of higher-order derivatives" die im masselosen Fall wegen der Renormierungsgruppengleichungen verschwinden sollten, hier aber relevant bleiben.

Wie schon gesagt, alle diese verschiedenen Ansätze führen zu Theorien mit radikal unterschiedlichem UV-Verhalten. Im IR sehen sie alle ziemlich gleich aus (muss ja so sein); im UV hast du dagegen völlig verschiedenes Verhalten, einmal einen Landau-Pol (inkonsistent), dann vielleicht renormierbar und asymptotisch sicher, dann wieder etwas anderes.

Es ist so, wie wenn du von einer Funktion nur die ersten paar Terme der Taylorreihe in einem kleinen Kreis in der komplexen Ebene näherungsweise kennst. Du kannst Funktionen angeben, die innerhalb sich dieses Kreises alle sehr ähnlich verhalten, weit außerhalb dagegen völlig verschieden (Pole, Schnitte / Blätter, ...)

Du kannst ziemlich sicher sein, dass wenn du die Konstruktionsvorschrift der Theorie änderst, du auch das UV-Verhalten radikal änderst.

Hawkwind
18.12.14, 17:22
Danke für deine Kommentare: ich glaube, ich verstehe. Die "klassischen hochpräzisen" Vorhersagen der QED zweier solcher Theorien sind in der Tat ganz dicht beieinander. Bei sehr hohen Energien (running coupling constant etc.) wird man sie aber phänomenologisch voneinander unterscheiden können. Das klingt für mich plausibel.

TomS
18.12.14, 17:42
Ein anderes Beispiel (für das im Gegensatz zur massiven QED viele gesicherte Erkenntnisse vorliegen): führe in die QCD weitere extrem schwere Quarks ein. Da sie extrem schwer sind, werden sie im IR kaum einen Beitrag leisten (heißt, die Eigenschaften von Nukleonen, Pionen etc. bleiben praktisch identisch; die Effekte der schweren Quarks sind im IR unsichtbar).

Bedeutet das, dass sozusagen ein "stetiger Übergang" zwischen Theorien mit unterschiedlichem Quarkinhalt möglich ist? Nein!

Damit meine ich jetzt nicht rein theoretische sondern prinzipiell experimentell zugängliche Phänomene.

Wesentlich ist das Verhalten der beta-Funktion der Renormierungsgruppengleichung. Für die "normale" QCD gilt es als gesichert, dass die Theorie asymptotisch frei ist, d.h. für hohe Energieskalen wird die Kopplungskonstante Null (weitere Kopplungskonstanten für höhere Terme im Lagrangian sind Null und bleiben Null, d.h. irrelevant). Das gilt wohl auch nicht-perturbativ, man spricht von einem sog. Gaußschen Fixpunkt bei g=0.

Für die Kopplungskonstante g gilt nun soetwas wie

ß(g) = dg / d(log m)

wobei m eine (dimensionslose) Massenskala darstellt (nicht die Masse eines Teilchens, sondern die invariante Skala mc², bei der z.B. ein Streuprozess stattfindet).

Diese beta-Funktion ß(g) bestimmt das Verhalten der Kopplungskonstante bei Änderung der betrachteten Energieskala. Es gilt:

ß(g) ~ -(11 - 2N/3)g³

wobei N für die Anzahl der Quark-Flavors steht. Für N = 3 gilt

-(11 - 2N/3) = -9

Für N > 16 wechselt die beta-Funktion ihr Vorzeichen, d.h. die Theorie ist nicht mehr asymptotisch frei!

Dieses Verhalten der asymptotischen Freiheit nutzt man explizit für Rechnungen (Störungstheorie), man beobachtet es jedoch auch in Experimenten (deep inelastic scattering, Bjorken scaling). Nun kann man Quarks einführen, die einerseits so schwer sind, dass man sie bis weit jenseits der LHC-Energieskala nicht sieht, die jedoch andereseits ab N > 16 das UV-Verhalten der Theorie massiv ändern. D.h. die Theorie sieht am LHC weiterhin aus, wie wenn sie asymptotisch frei wäre, d.h. g(s) = 0), tatsächlich divergiert g(s) jedoch bei einer extreme hohen jedoch endlichen Energieskala im UV (sog. Landau Pol).

Das ist eigtl. ein ganz allgemeines Phänomen fast aller Quantenfeldtheorien: rumschrauben am Konstrukt (Symmetrien, Felder, WW-Terme) führt
a) im Allgemeinen zu phänomenologisch unhaltbaren Ergebnissen im IR
b) in Einzelfällen zu phänomenologisch akzeptablen Ergebnissen im IR
c) aber praktisch immer zu einem drastisch veränderten Verhalten im UV

Insofern ist eine winzige Masse in einer ansonst masselosen Theorie im IR unsichtbar, im UV jedoch teilweise der Unterschied zwischen einer wohldefinierten und einer inkonsistenten Theorie.

TomS
18.12.14, 17:43
Danke für deine Kommentare: ich glaube, ich verstehe. Die "klassischen hochpräzisen" Vorhersagen der QED zweier solcher Theorien sind in der Tat ganz dicht beieinander. Bei sehr hohen Energien (running coupling constant etc.) wird man sie aber phänomenologisch voneinander unterscheiden können. Das klingt für mich plausibel.
genau so ist es

Marco Polo
18.12.14, 18:42
Kurze Frage: welche Konsequenzen hätte die Entdeckung einer winzigen Masse des Photons für die SRT bzw. die RT allgemein?

Mir ist natürlich schon klar, dass Photonen im Grunde nicht Gegenstand der SRT sind.

Aber wenn sie nicht mehr masselos wären, wäre dann noch ein unendliche Energiemenge nötig, um auf c zu beschleunigen? *am Kopf kratz*

TomS
18.12.14, 19:11
Kurze Frage: welche Konsequenzen hätte die Entdeckung einer winzigen Masse des Photons für die SRT bzw. die RT allgemein?
Im engeren Sinn keine.

Außer natürlich der Tatsache, dass sich die Einstein-Maxwell-Gleichungen (minimal) ändern würden und man auch im Rahmen der Astrophysik (minimale) Abweichungen erwarten würde; aber das sind jetzt keine Effekte der ART selbst, sondern der an die ART gekoppelten Theorie.

Aber wenn sie nicht mehr masselos wären, wäre dann noch ein unendliche Energiemenge nötig, um auf c zu beschleunigen?
Ja, und?

Bitte denke dir c nicht speziell als Signalgeschwindigkeit von Licht, sondern als universelle Grenzgeschwindigkeit, dioe alleine aus der Geometrie der RZ (SRT, ART) folgt. Die RT bleibt auch dann gültig, wenn es nichts gibt, was sich mit c bewegt. Die RT ist zunächst reine Geometrie, die einen rahmen für verschiedenste andere Wechselwirkungen darstellt; ob diese anderen WWs nun masselose oder massebehaftete Teilchen enthalten, ist völlig egal.

c als universelle Grenzgeschwindigkeit bleibt gültig, selbst wenn es kein einziges masselosen Teilchen gibt, für das dieses c dann die tatsächlich ereichbare Geschwindgikeit darstellt.

(in Deutschland steht Rechtsverkehr in der Straßenverkehrsordnung; das gilt auch dann noch, wenn wir morgen sämtliche Fahrzeuge vollständig verschrotten)

Marco Polo
18.12.14, 19:27
Vielen Dank Tom (ich darf doch Tom sagen?). So ähnlich hatte ich es zwar vermutet, war mir aber nicht sicher. :)

TomS
18.12.14, 19:37
ich darf doch Tom sagen?
klar - gerne