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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : welche Eigenchaften können verschränkt sein?


future06
01.03.15, 10:06
Hallo,
gibt es prinzipielle, d.h. aus der Quantentheorie ableitbare, Einschränkungen hinsichtlich der Eigenschaften, die verschränkt werden können?
Bei Photonen wird ja üblichenweise von Polarisationsverschränkung berichtet usw. Aber wie verhält es sich mit Masse, Ladung, usw.?

Hintergrund der Frage ist, ob die aktuellen Experimente zur Leggettschen Ungleichung eine vollständige Abkehr von einer realistischen Sichtweise bedeuten oder nur bezogen auf bestimmte Eigenschaften.

TomS
01.03.15, 10:42
Ich bin kein Experte bzgl. der Leggettschen Ungleichung, aber ich denke, man kann folgendes sagen: die Argumentationen bezieht sich immer auf "Eigenschaften" A, die einer quantenmechanischen Observablen A sowie deren Eigenwerten a bzw. Eigenzuständen |a> entsprechen.

Masse und Ladung sind in der QM "externe Parameter", keine quantenmechanischen Eigenschaften. Daher bezieht sich die Argumentation nicht auf Masse und Ladung.

future06
01.03.15, 12:06
Ich habe jedoch auch mal von Energie- und Zeit-verschränkten Photonen gelesen.

Somit würde die QM keine vollständige Beschreibung der Physik darstellen. Wie sieht es mit der Quantenfeldtheorie aus? Werden hier alle Eigenschaften beschrieben?

TomS
01.03.15, 12:21
Somit würde die QM keine vollständige Beschreibung der Physik darstellen.
Das kommt darauf an, wie du das meinst. Natürlich ist die QM dahingehend "unvollständig", dass sie offensichtlich für eine einzelne Messung keine exakte Vorhersage bzgl. des Ergebnisses macht, sondern nur eine Wahrscheinlichkeit angibt. Das ist aber nur dann tatsächlich unvollständig, wenn du annimmst, du könntest tatsächlich mehr über die Welt sagen als die QM zulässt. Es gibt jedoch viele Hinweise darauf, warum dies nicht möglich ist, d.h. es gibt diverse no-go-Theoreme, die dir sagen, wie eine über die QM hinausgehende Theorie sicher nicht aufgebaut sein kann (Bell, Kochen-Specker). Und es gibt heute keine Theorie, die ein Schlupfloch ausnutzt und tatsächlich in dieser Hinsicht "vollständig" wäre. D.h. letztlich ist die Schlussfolgerung naheliegend, dass die QM eben doch vollständig ist.

Wie sieht es mit der Quantenfeldtheorie aus? Werden hier alle Eigenschaften beschrieben?
Wenn du Masse und Ladung meinst, dann sieht es da besser aus. Z.B. sind zwar die Massen einzelner Teilchen freie Parameter, die Gesamtenergie bzw. die Ruhemasse eines Zustandes sind jedochEigenwerte von Observablen. Genauso verhält es sich mit den Ladungen. Ich denke aber, dass es aufgrund diverser Superauswahlregeln physikalisch nicht möglich ist, beliebige Zustände zu verschränken.

Bsp.: Du kannst einen verschränkten Zustand |e,p> mit einem Elektron und einem Positron konstruieren; du kannst aber keinen verschränkten Zustand aus dem Zustand |0>, d.h. Vakuum und |e,p> konstruieren, also z.B. |0> + |e,p>; das verbietet m.E. die Superauswahlregel für die Masse. Ähnlich kann man auch für die Ladung argumentieren.

ghostwhisperer
01.03.15, 14:00
Somit würde die QM keine vollständige Beschreibung der Physik darstellen. Wie sieht es mit der Quantenfeldtheorie aus? Werden hier alle Eigenschaften beschrieben?

Leider nein. Alle Theorien, die ART inklusive, sind Wechselwirkungstheorien. Sie beschreiben die Felder zwischen Teilchen, aber nicht die Teilchen selbst. SÄMTLICHE Quellen-Ausdrücke sind tatsächlich unverstanden!
Bosonen als Anregungen der Felder werden von den Theorien beschrieben und verstanden, aber kein einziges Fermion.
Eine Konsequenz sind unendliche Divergenzen. Was eine Singularität für die ART ist, ist das gegen Unendlich gehende Laufen der Wechselwirkungs-Stärken für die Quantenfeld-Theorien.
MFG ghosti

TomS
01.03.15, 14:33
Leider nein. Alle Theorien, die ART inklusive, sind Wechselwirkungstheorien. Sie beschreiben die Felder zwischen Teilchen, aber nicht die Teilchen selbst.
Selbstverständlich beschreibt eine QFT Teilchen als Anregungen von Feldern.

Bosonen als Anregungen der Felder werden von den Theorien beschrieben und verstanden, aber kein einziges Fermion.
Fermionen werden ebenfalls als Anregungen von Feldern beschrieben. Das funktioniert für elementare Felder (z.B. Quarks) sowie für gebundene Zustände (z.B. Nukleonen).

Eine Konsequenz sind unendliche Divergenzen ... das gegen Unendlich gehende Laufen der Wechselwirkungs-Stärken für die Quantenfeld-Theorien.
Die Divergenzen versteht man im Rahmen der Renormierungsgruppe. Für fundamentale Theorien erwartet man außerdem, dass die Kopplungskonstanten im UV endlich bleiben oder sogar Null werden (asymptotische Freiheit, QCD).

Das alles hat jedoch nichts mit der Frage der Verschränkung zu tun.

future06
01.03.15, 17:24
Bsp.: Du kannst einen verschränkten Zustand |e,p> mit einem Elektron und einem Positron konstruieren; du kannst aber keinen verschränkten Zustand aus dem Zustand |0>, d.h. Vakuum und |e,p> konstruieren, also z.B. |0> + |e,p>; das verbietet m.E. die Superauswahlregel für die Masse. Ähnlich kann man auch für die Ladung argumentieren.
Elektron und Positron unterscheiden sich aber doch nur bzgl. ihrer Ladung. D.h. wenn man eine Verschränkung Elektron u. Positron hätte, wäre die Ladung bis zur Messung undefiniert. Insofern müsste man also auch der Ladung eine nicht-realistische Deutung zuschreiben.

Bzgl. der Masse könnte man sich ja ein Kollisions-Experiment vorstellen, bei dem neue Teilchen entstehen, die dann bis zur Messung ebenfalls nicht-real zu deuten wären. Also im Prinzip folgendes (ohne konkreten Bezug auf die Durchführbarkeit): Man läßt 2 Teilchen mit der Gesamtmasse 2u kollidieren u. vollständig zerstrahlen. Daraus können mehrere Teilchenkombinationen entstehen, die dann eine hypothetische "Masseverschränkung" hätten, also bis zur Messung undefiniert sind. Ist sowas prinzipiell vorstellbar oder verbieten die momentanen Theorien sowas explizit?

TomS
01.03.15, 18:59
Elektron und Positron unterscheiden sich aber doch nur bzgl. ihrer Ladung. D.h. wenn man eine Verschränkung Elektron u. Positron hätte, wäre die Ladung bis zur Messung undefiniert. Insofern müsste man also auch der Ladung eine nicht-realistische Deutung zuschreiben.
Da hab' ich dich jetzt irritiert. Es geht um einen Zustand mit Ladung Null, also

Q|0> = 0

oder

Q|e,p> = 0.

Diese beiden Zustände (u.v.a.m.) liegen im selben Superselection-Sector bzgl. Q und wären diesbzgl. verschränkbar.

Sie sind jedoch nicht verschränkbar wg. M, denn es ist ja

M|0> = 0

aber für den Eigenwert zu

M|e,p>

gilt sicher, dass dieser größer oder gleich 2m (m = Masse von e bzw. p) ist. D.h. bzgl. M ist die Verschränkung von |0> und |e,p> nicht möglich.

Bzgl. der Masse könnte man sich ja ein Kollisions-Experiment vorstellen, bei dem neue Teilchen entstehen, die dann bis zur Messung ebenfalls nicht-real zu deuten wären. Also im Prinzip folgendes (ohne konkreten Bezug auf die Durchführbarkeit): Man läßt 2 Teilchen mit der Gesamtmasse 2u kollidieren u. vollständig zerstrahlen. Daraus können mehrere Teilchenkombinationen entstehen, die dann eine hypothetische "Masseverschränkung" hätten, also bis zur Messung undefiniert sind. Ist sowas prinzipiell vorstellbar oder verbieten die momentanen Theorien sowas explizit?
Ja, alle diese Zustände beliebiger Einzelmassen jedoch fester invarianter Masse 2u sind verschränkbar (und sind auch tatsächlich verschränkt). Nur eine Verschränkung der Form

|0> + |2u>

mit u > 0 wäre m.E. verboten, da hier verschiedene Superselection-Sectors vorliegen.

ghostwhisperer
02.03.15, 12:27
Hallo! Meine Darlegung bezieht sich auf die Frage:
<<Somit würde die QM keine vollständige Beschreibung der Physik darstellen. Wie sieht es mit der Quantenfeldtheorie aus? Werden hier alle Eigenschaften beschrieben?>>
Kann natürlich sein, dass ich die Frage falsch aufgefasst habe..
Dann bitte ich um Entschuldigung und wünsche frohes Schreiben!

Selbstverständlich beschreibt eine QFT Teilchen als Anregungen von Feldern.
Beschrieben ja, aber nicht verstanden. Es ist lediglich eine Verallgemeinerung des mathematischen Ansatzes. Niemand kann sagen (oder besser berechnen), warum die el. Ladung ihren speziellen Wert hat. Dasselbe gilt für alle Fermionen-Massen, Farbladungen und schwache Ladungen. Das sind alles freie Parameter der Theorie.
Gebundene Zustände und die Eigenschaften der Bosonen hingegen sind berechenbar.


Die Divergenzen versteht man im Rahmen der Renormierungsgruppe. Für fundamentale Theorien erwartet man außerdem...
NÖ. Renormierung ist ein Rechentrick. Er funktioniert, aber niemand kann sagen, warum er funktioniert. Eine fundamentale Theorie in dem Sinne ist bis dato nicht existent!

MFG Ghosti

TomS
02.03.15, 15:02
Beschrieben ja, aber nicht verstanden. Es ist lediglich eine Verallgemeinerung des mathematischen Ansatzes. Niemand kann sagen (oder besser berechnen), warum die el. Ladung ihren speziellen Wert hat. Dasselbe gilt für alle Fermionen-Massen, Farbladungen und schwache Ladungen. Das sind alles freie Parameter der Theorie.
Richtig. Aber inwiefern stört das bei der Betrachtung von verschränkten Zuständen? m.E. stört es nicht.

Renormierung ist ein Rechentrick. Er funktioniert, aber niemand kann sagen, warum er funktioniert.
Das ist so nicht richtig. Bei UV-stabilen Theorien funktioniert die Renormierung auch ohne Tricks und ohne jemals Unendlichkeiten zu betrachten.

http://en.wikipedia.org/wiki/Renormalization_group
http://en.wikipedia.org/wiki/Ultraviolet_fixed_point
http://en.wikipedia.org/wiki/Asymptotic_safety_in_quantum_gravity

(aber auch das ist m.E. in diesem Kontext wenig relevant)

Hawkwind
03.03.15, 12:48
Das ist so nicht richtig. Bei UV-stabilen Theorien funktioniert die Renormierung auch ohne Tricks und ohne jemals Unendlichkeiten zu betrachten.


Renormierung ist ja nicht nur ein Trick um Divergenzen loszuwerden; die Notwendigkeit zu renormieren ergibt sich ja auch bei endlichen Theorien schon bei einem störungstheoretischen Ansatz (wie auch Tom ja schon andeutet).

In der nullten Ordnung einer Störungstheorie hat man eine Reihe freier Parameter wie z.B. die Masse eines Elektrons oder die Feinstrukturkonstante. Über die entsprechenden numerischen Vorhersagen der Theorie kann man diese freien Parameter an die Beobachtungen anpassen.

Geht man nun zur 1. Ordnung über, so ergeben sich Korrekturen für diese numerischen Vorhersagen; die freien Parameter werden "renormiert" und behalten nicht mehr die ursprünglichen Werte der ungestörten Theorie, wenn sie an die Beobachtungen angepasst werden.

Es ist nun keineswegs selbstverständlich, dass jede neue Ordnung Störungstheorie immer wieder nur denselben überschaubare Satz freier Parameter betrifft. Es wäre ja denkbar, dass mit höheren Ordnungen die Anzahl zu korrigierender Konstanten inmmer weiter zunimmt. dann wäre die Theorie unrenormierbar.

@Tom: bitte gerne verbessern, falls da was nicht stimmen sollte. Danke.

Gruß,
Uli

TomS
03.03.15, 12:59
soweit alles OK;

ich weise nur nochmal darauf hin, dass die Renormierungsgruppe unabhängig von der Methode der Störungstheorie existiert

und das hat m.E. nichts mit Verschränkung zu tun

Hawkwind
03.03.15, 15:28
soweit alles OK;

ich weise nur nochmal darauf hin, dass die Renormierungsgruppe unabhängig von der Methode der Störungstheorie existiert

und das hat m.E. nichts mit Verschränkung zu tun

Wohl kaum, denn Renormierung gibt es auch schon in klassischen Feldtheorien. Siehe z.B. http://iopscience.iop.org/0143-0807/31/1/L02/