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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : kosmologischer Stab und Gezeitenkraft


Timm
01.03.15, 15:13
Im FRW Modell mit ä>0 entfernen sich mitbewegte freie Testpartikel beschleunigt voneinander. Wenn ich es recht sehe, versteht man diese relative Beschleunigung als Gezeitenbeschleunigung, die lokal (lokal kann man ja ein IS aufspannen) proportional zum Abstand zweier betrachteter Partikel ist. Bei größeren Abständen ist diese Proportionalität vermutlich nicht mehr gegeben, aber das soll jetzt nicht das Thema sein.

Nun zu einem Stab von kosmologischer Länge, dessen Mitte mitbewegt sei. Es scheint so zu sein, daß die auf den Stab wirkenden Gezeitenkräfte überall gleich groß sind. Ein Gummistab würde wohl über die gesamte Länge gleichmäßig gedehnt, unabhängig von der lokalen in Richtung Stabende zunehmenden Relativgeschwindigkeit von Stab und benachbarten mitbewegten freien Objekten.
Aber wie wirken diese Kräfte? Dazu zwei Szenarien.

a) Sobald irgendwo 2 zunächst auf dem Stab fixierte benachbarte Partikel frei gelassen werden, beginnen sie sich in Richtung des Stabendes (des Näheren natürlich) zu bewegen und dies relativ zueinander beschleunigt. Zeigt nun diese Relativbeschleunigung die an dieser Stelle auf den Stab wirkende Gezeitenkraft an?

b) Ein freigelassenes Partikel beschleunigt relativ zu seinem ursprünglichem Ort auf dem Stab in Richtung zu dessen Ende. Das ist zwar keine Beschleunigung im oben erwähnten Sinne, denn der Stab ist nicht kräftefrei. Aber vielleicht ist diese Beschleunigung für die an dieser Stelle des Stabes angreifende Kraft verantwortlich.

Zwei zunächst fixierte benachbarte Partikel driften langsam (beschleunigt) auseinander, sobald sie frei sind. Ist vergleichbar zum Stab, wenn man ihn in der Mitte durchschneidet?

Wie müßte man die Gezeitenkräfte zwischen entfernteren Orten auf dem Stab betrachten, z.B. zwischen dessen Enden?

Ich höre jetzt mal besser auf. Es ist alles laut gedacht. Bitte nach Kräften kritisieren.

Ich
02.03.15, 09:52
Hallo Timm,
Es scheint so zu sein, daß die auf den Stab wirkenden Gezeitenkräfte überall gleich groß sind. Ein Gummistab würde wohl über die gesamte Länge gleichmäßig gedehnt, unabhängig von der lokalen in Richtung Stabende zunehmenden Relativgeschwindigkeit von Stab und benachbarten mitbewegten freien Objekten. Die Kraft bzw. Beschleunigung ist proportional zum Abstand. Das ist vergleichbar mit einem Stab, der senkrecht zu seiner Längsachse rotiert und deswegen Fliehkräften ausgesetzt ist. Ab da ist es ein Problem in technischer Mechanik.
Die Dehnung ist in der Mitte am stärksten, und dort wird der Stab auch reißen, wenn man es übertreibt.
a) Sobald irgendwo 2 zunächst auf dem Stab fixierte benachbarte Partikel frei gelassen werden, beginnen sie sich in Richtung des Stabendes (des Näheren natürlich) zu bewegen und dies relativ zueinander beschleunigt. Zeigt nun diese Relativbeschleunigung die an dieser Stelle auf den Stab wirkende Gezeitenkraft an?Gezeitenkräfte gibt man (laut Wikipedia) wohl bezogen auf den Schwerpunkt an. Dann reden wir also eher von der Beschleunigung relativ zur Stabmitte.
b) Ein freigelassenes Partikel beschleunigt relativ zu seinem ursprünglichem Ort auf dem Stab in Richtung zu dessen Ende. Das ist zwar keine Beschleunigung im oben erwähnten Sinne, denn der Stab ist nicht kräftefrei. Aber vielleicht ist diese Beschleunigung für die an dieser Stelle des Stabes angreifende Kraft verantwortlich.Nach ART sind es ja die Partikel im Stab, die beschleunigt sind. Wenn man daneben ein Teilchen frei falles lässt, dann bewegt sich dieses inertial, währen die Partikel im Stab nach innen beschleunigen.
Nach Newton ist es aber natürlich das frei fallede Partikel, das nach außen beschleunigt wird, während der Stab ruht und durch Gezeitenkräfte beansprucht wird.
Zwei zunächst fixierte benachbarte Partikel driften langsam (beschleunigt) auseinander, sobald sie frei sind. Ist vergleichbar zum Stab, wenn man ihn in der Mitte durchschneidet?Vergleichbar schon. Der Stab hat als ausgedehntes Objekt halt auch noch ein Innenleben.
Wie müßte man die Gezeitenkräfte zwischen entfernteren Orten auf dem Stab betrachten, z.B. zwischen dessen Enden? Ich glaube, das hängt ausschließlich an der Definiton des Worts "Gezeitenkraft".

Timm
02.03.15, 16:20
Hallo 'Ich',

Die Kraft bzw. Beschleunigung ist proportional zum Abstand. Das ist vergleichbar mit einem Stab, der senkrecht zu seiner Längsachse rotiert und deswegen Fliehkräften ausgesetzt ist. Ab da ist es ein Problem in technischer Mechanik.
das leuchtet mir ein. Dann sind die Grenzfälle wohl:
Stab passgenau in der Hubble-Sphäre und Stab rotiert so, daß die Enden sich mit LG bewegen (Stabilitätsproblematik ausgeklammert).

Die Dehnung ist in der Mitte am stärksten, und dort wird der Stab auch reißen, wenn man es übertreibt.
Das auch.

Vielleicht sollte man - jetzt wieder bei der ART - nur bei kleinen Objekten über Gezeitenkräfte sprechen. Jedenfalls geht es bei "geodesic deviation" um "nearby geodesics" in Zusammenhang mit "tide producing acceleration", MTW S.30. Aber der Hintergrund ist mir nicht klar. Warum begrenzt auf lokal, solche Beschleunigungen treten doch auch über größere Distanzen auf? Hat es was damit zu tun, daß die Raumzeit-Krümmung lokal angegeben wird?

Noch eine Frage. Ein kleines Objekt ruht, ein gleichartiges anderes bewegt sich trägheitsfrei schnell relativ zum CMB. Unterscheiden sich die auf die beiden Objekte wirkenden Gezeitenkräfte?

Grüße, Timm

Ich
03.03.15, 09:21
Dann sind die Grenzfälle wohl:
Stab passgenau in der Hubble-Sphäre und Stab rotiert so, daß die Enden sich mit LG bewegen (Stabilitätsproblematik ausgeklammert). Qualitativ ja, ob's auch quantitativ noch stimmt weiß ich nicht, da habe ich noch nicht drüber nachgedacht.
Wobei die Hubble-Sphäre nur dann die Grenze ist, wenn es nichts außer Dunkler Energie gibt (de Sitter).
Jedenfalls geht es bei "geodesic deviation" um "nearby geodesics" in Zusammenhang mit "tide producing acceleration", MTW S.30. Aber der Hintergrund ist mir nicht klar. Warum begrenzt auf lokal, solche Beschleunigungen treten doch auch über größere Distanzen auf? Hat es was damit zu tun, daß die Raumzeit-Krümmung lokal angegeben wird?Ja, genau. Es hat mit dem Ausspruch auf S. 29 zu tun, dass Physik nur lokal einfach ist. Die Mathematik wird erst dann einfach genug, wenn man alle Abweichungen von Flachheit nur in erster Näherung betrachtet. Dann kann man für jeden Ort die Krümmung angeben, die für zeitartige Kurven mit der Bewegung benachbarter Partikel zu tun hat.
Wenn man das hat, kann man auch weiter auseinanderliegende Partikel betrachten, wobei dann mit größer werdender Entfernung immer mehr ekelhafte Details zu berücksichtigen sind.

Der Weg andersherum, also erst entfernte Partikel zu betrachten, die benachbarte Partikel als Grenzfall mit einschließen, ist nicht gangbar.
Noch eine Frage. Ein kleines Objekt ruht, ein gleichartiges anderes bewegt sich trägheitsfrei schnell relativ zum CMB. Unterscheiden sich die auf die beiden Objekte wirkenden Gezeitenkräfte?Generell ja. Im Spezialfall des de Sitter-Raums nicht, weil das Vakuum (und damit eventuelle Vakuumenergie) in jedem Inertialsystem gleich aussieht. Darüber steht auch was in Baez' Artikel (http://math.ucr.edu/home/baez/einstein/einstein.pdf).

Timm
03.03.15, 19:09
Generell ja. Im Spezialfall des de Sitter-Raums nicht, weil das Vakuum (und damit eventuelle Vakuumenergie) in jedem Inertialsystem gleich aussieht. Darüber steht auch was in Baez' Artikel (http://math.ucr.edu/home/baez/einstein/einstein.pdf).
In dem Artikel finde ich nichts über den de Sitter-Raum. Aber vielleicht helfen die Überlegungen zum statische Universum weiter. Das Volumen von Baez's Ball ist im statischen Universum konstant und schrumpft bei der relativ zur Materie (interpretiere ich als relativ zum CMB aber mit?) bewegten Kugel wegen der dann erhöhten Energiedichte.

Überträgt man das auf das expandierende materiehaltige Universum, dann würde ich erwarten, daß der bewegte Ball weniger stark expandiert als der ruhende. Dann wäre - um auf die Frage zurückzukommen - die Gezeitenkraft auf das bewegte Objekt geringer als auf das ruhende. Falls ich mich da jetzt nicht verrannt habe.

Ich
04.03.15, 12:15
Das Volumen von Baez's Ball ist im statischen Universum konstant und schrumpft bei der relativ zur Materie (interpretiere ich als relativ zum CMB aber mit?) bewegten Kugel wegen der dann erhöhten Energiedichte....während die Energiedichte des Vakuums konstant bleibt, die die ruhende Kugel an der Implosion gehindert hat.
Überträgt man das auf das expandierende materiehaltige Universum, dann würde ich erwarten, daß der bewegte Ball weniger stark expandiert als der ruhende. Dann wäre - um auf die Frage zurückzukommen - die Gezeitenkraft auf das bewegte Objekt geringer als auf das ruhende. Falls ich mich da jetzt nicht verrannt habe.Da bringst du diie Zeitableitungen durcheinander. Die Auseinanderbewegung hat nichts mit Gezeiten(kräften) zu tun.
Durch die Bewegung wird die Abbremsung der Expansion verstärkt; wenn auch der ruhende Ball gebremst expandiert, dann haben wird also verstärkte Gezeitenkräfte. Wobei die Wirkung der Bewegung auf den Ball sowieso asymmetrisch ist, also noch zusätzliche Gezeiten verursacht.

Timm
07.03.15, 11:08
Zitat von Timm:
Noch eine Frage. Ein kleines Objekt ruht, ein gleichartiges anderes bewegt sich trägheitsfrei schnell relativ zum CMB. Unterscheiden sich die auf die beiden Objekte wirkenden Gezeitenkräfte? Generell ja. Im Spezialfall des de Sitter-Raums nicht ...
V../V = -1/2(rho + 3p), Gl(2) in "The Meaning of Einstein's Equation"
Dann sollten die Gezeitenkräfte beim Vergleich bewegter (rho größer, Lambda konstant) zu ruhender Ball im beschleunigt expandieren Universum schwächer und im gebremst expandierendem Universum stärker sein.

Letzteres hast Du schon geschrieben. Mir geht's nur darum ob diese Überlegung so richtig ist?

Ich
09.03.15, 13:27
Mir geht's nur darum ob diese Überlegung so richtig ist?Im Prinzip ja. Nur ist der Effekt eben nicht mehr kugelsymmetrisch, was zusätzliche Gezeiten bedeutet.