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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Casimir-Effekt verschiedene Beschreibungen


Hawkwind
11.05.18, 14:54
Wenn man von virtuellen Teilchen spricht, meint man heutzutage eigentlich die Komponenten von Feynman-Graphen.


Vielleicht siehst du das etwas eng?
Es gibt durchaus Phänomene, die auch bei nicht-perturbativer Behandlung auf die Existenz virtueller Teilchen hinweisen.

Ich denke z.B. an den Casimir-Effekt. Casimir sagte ihn voraus, indem er über die Energien virtueller Elektron-Positron-Paaren summierte.

Es gibt aber mittlerweile auch störungstheoretische Ansätze (z.B. Jaffe & Co)
CASIMIR EFFECTS IN RENORMALIZABLE QUANTUM FIELD THEORIES (https://www.worldscientific.com/doi/abs/10.1142/S0217751X02010224)

Wir hatten übrigens vor Urzeiten mal einen Thread hier, der das Thema entfernt tangierte.
http://www.quanten.de/forum/showthread.php5?t=1842
da kam man aber immer von Höcksken auf Stöcksken... :)

Timm
11.05.18, 20:34
Wir hatten übrigens vor Urzeiten mal einen Thread hier, der das Thema entfernt tangierte.
http://www.quanten.de/forum/showthread.php5?t=1842
da kam man aber immer von Höcksken auf Stöcksken... :)

Ja, der damalige Stand war, daß Jaffe den Casimir Effekt ohne Bezug auf Quantenfluktuationen erklären konnte, was für die Lamb shift allerdings nicht galt. Und vermutlich bis heute nicht gilt.

Marco Polo
11.05.18, 22:23
Höcksken auf Stöcksken... :)

Sorry. Aber ich muss das einfach korrigieren, wenn ich keinen Augenkrebs riskieren möchte. :)

Es muss natürlich heissen: "Hölzken auf Stöcksken", du meine Güte noch eins. :D

*duck und wegrenn*

Bernhard
12.05.18, 08:04
Ja, der damalige Stand war, daß Jaffe den Casimir Effekt ohne Bezug auf Quantenfluktuationen erklären konnte
Gibt es schon Meinungen dazu, in welchem Zusammenhang der kosmische Mikrowellenhintergrund zum Casimir-Effekt steht?

Timm
12.05.18, 08:31
Gibt es schon Meinungen dazu, in welchem Zusammenhang der kosmische Mikrowellenhintergrund zum Casimir-Effekt steht?
Was meinst du hier, ich verstehe den Bezug nicht. Der Casimir-Effekt beschreibt eine zwischen 2 Platten niedrigere Energiedichte verglichen mit außerhalb. Die nach Jaffe auch auf van der Waals Kräfte zurückgeführt werden kann, quasi gleichwertig zur Deutung mittels Quantenfluktuationen.

Bernhard
12.05.18, 11:33
Was meinst du hier, ich verstehe den Bezug nicht.
Ich frage mich, ob man zur Erklärung wirklich Fluktuationen benötigt. Die möglichen Zustände eines em-Feldes kann man prinzipiell auch für den CMB (cosmic microwave background) berechnen. Die Frage ist nur, ob das quantitativ ausreicht, um den Effekt zu erklären.

Timm
12.05.18, 13:32
Ich frage mich, ob man zur Erklärung wirklich Fluktuationen benötigt.
Sprichst du von den Quantenfluktuationen während der Inflation, die den Samen zu den Materie Inhomogenitäten ab etwa reheating gelegt hatten (nach derzeitiger Theorie)? Wenn solche Fluktuationen die Ursache sind, muß man m.E. von einem sehr frühen Stadium ausgehen. Mir ist keine andere Hypothese zur Erklärung der Dichteinhomogenitäten im CMB bekannt.

Bernhard
12.05.18, 19:43
Sprichst du von den Quantenfluktuationen während der Inflation
Nein, ganz anders. Ich spekuliere, ob man bei der Berechnung des Casimir-Effektes anstelle von virtuellen Photonen nicht auch thermische Photonen annehmen kann.

Timm
12.05.18, 21:11
Nein, ganz anders. Ich spekuliere, ob man bei der Berechnung des Casimir-Effektes anstelle von virtuellen Photonen nicht auch thermische Photonen annehmen kann.
Wenn ich das richtig verstehe, hätte man dann anstelle der Nullpunksenergie des Quantenvakuums ein Temperaturbad realer Photonen. Hat das noch etwas mit dem Casimir Effekt zu tun?

Marco Polo
12.05.18, 22:04
Nein, ganz anders. Ich spekuliere, ob man bei der Berechnung des Casimir-Effektes anstelle von virtuellen Photonen nicht auch thermische Photonen annehmen kann.

Gibt es Fachpublikationen zu diesem Thema, die deine Mutmaßung stützen?

Bernhard
12.05.18, 22:16
Gibt es Fachpublikationen zu diesem Thema, die deine Mutmaßung stützen?
Ich kann da für den Moment nur die Pioneer-Anomalie als weitere Motivation anführen. Da war man auch schon dabei neue Gravitationstheorien zu entwickeln, bis man darauf kam, dass simple thermische Strahlung die Ursache ist.

Richtig überzeugend wäre die Argumentation über Fluktuationen mMn erst dann, wenn der Effekt auch bei extremer Kühlung nachzuweisen ist. Bei Raumtemperatur gibt es zwangsläufig auch thermische Strahlung, die ebenfalls eine entsprechende Kraft erzeugen könnte.

Für eine fundierte Argumentation müsste man natürlich nachrechnen. Die Frage ist allerdings, ob man, bzw. ich das in der Freizeit auch machen will :rolleyes: .
EDIT: Interessant ist auch, dass die Berechnung über die thermische Strahlung mMn sehr ähnlich wie die Rechnung über die Nullpunktsenergie aussieht. Man hat im Außenbereich mehr Schwingungsmoden, als zwischen den Platten. Das benutzte physikalische Prinzip ist in beiden Fällen also gleich oder zumindest sehr ähnlich.

Marco Polo
12.05.18, 22:31
Wegen der Unschärferelation von Energie und Zeit soll es aber in sehr kleinen Raumgebieten quasi zwingend zu Vakuumfluktuationen kommen.

Mit den daraus resultierenden Van der Waals Kräften, hat sich die Angelegenheit eigentlich erledigt. :rolleyes:

p.s. Denkbar wäre natürlich ein kombinierter Effekt von virtuellen und thermischen Photonen

Bernhard
13.05.18, 07:44
Wegen der Unschärferelation von Energie und Zeit soll es aber in sehr kleinen Raumgebieten quasi zwingend zu Vakuumfluktuationen kommen.
Die Nullpunktsenergie bildet schon ein etwas problematisches Feld. Der Absolutwert wird laut Lehrbuch durch die Normalordnung auf Null gesetzt, um keine unsinnigen physikalischen Werte zu bekommen. Als Effekt bleibt nur der Casimir-Effekt, der auf der renormierten Differenz der Nullpunktsenergien beruht.

Dass so eine Argumentation ein gewisses Unwohlsein ( ;) ) erzeugen kann, halte ich für nachvollziehbar. Ganz deutlich wird das beispielsweise hier bei einem Beitrag von pauli (http://quanten.de/forum/showpost.php5?p=87563&postcount=1). Im Astronews Nachbarforum gab es zu den Vakuumfluktuationen auch immer wieder allgemeine Fragen, die einen nachdenklich machen können.

p.s. Denkbar wäre natürlich ein kombinierter Effekt von virtuellen und thermischen Photonen
Richtig. Die Frage nach einer (möglichen) Aufteilung der Ursachen ist interessant.

Bernhard
13.05.18, 08:30
Richtig. Die Frage nach einer (möglichen) Aufteilung der Ursachen ist interessant.
Im englischen WP-Artikel zum Casimir-Effekt findet man offenbar schon die Antwort auf die gestellte Frage:
Casimir effects can be formulated and Casimir forces can be computed without reference to zero-point energies
und
In fact, the description in terms of van der Waals forces is the only correct description from the fundamental microscopic perspective

Hawkwind
13.05.18, 13:51
Sorry. Aber ich muss das einfach korrigieren, wenn ich keinen Augenkrebs riskieren möchte. :)

Es muss natürlich heissen: "Hölzken auf Stöcksken", du meine Güte noch eins. :D

*duck und wegrenn*

Quatsch - es gibt unterschiedliche regionale Ausprägungen; es gibt sogar ein Buch dieses Titels von Ralf Boscher:
https://www.amazon.de/Höcksken-Stöcksken-Hartes-Geschichten-Gedichten/dp/393753654X/ref=sr_1_11?ie=UTF8&qid=1526215810&sr=8-11&keywords=ralf+boscher

Wo ich jetzt lebe (Niederösterreich), würde das allerdings niemand verstehen. :)

JoAx
13.05.18, 14:03
Sorry. Aber ich muss das einfach korrigieren, wenn ich keinen Augenkrebs riskieren möchte. :)


Quatsch ...

Na endlich, mal wieder! Ich hab' drauf gehofft, ehrlich gesagt. :D

Hawkwind
13.05.18, 14:34
Na endlich, mal wieder! Ich hab' drauf gehofft, ehrlich gesagt. :D

Man kann Herne-West nicht alles durchgehen lassen. :)

Marco Polo
13.05.18, 14:59
Man kann Herne-West nicht alles durchgehen lassen. :)

Ok, dann gibts da wohl regionale Unterschiede.

Bevor ich´s vergesse, schnell noch nachstehende Frage an alle Nord-Lüdenscheider:

Wer ist die Nummer Eins im Pott? :)

Hawkwind
13.05.18, 15:48
Ok, dann gibts da wohl regionale Unterschiede.

Bevor ich´s vergesse, schnell noch nachstehende Frage an alle Nord-Lüdenscheider:

Wer ist die Nummer Eins im Pott? :)

Auch das kann mit einem Buch beantwortet werden:
Nur der BVB (https://www.amazon.de/Nur-BVB-Geschichte-Borussia-Dortmund/dp/3730701428)

Zur momentanen Tabelle: "auch ein blindes Huhn find' mal ein Korn." :)

Benjamin
14.05.18, 09:46
Ich denke z.B. an den Casimir-Effekt. Casimir sagte ihn voraus, indem er über die Energien virtueller Elektron-Positron-Paaren summierte.

Es gibt aber mittlerweile auch störungstheoretische Ansätze (z.B. Jaffe & Co)
CASIMIR EFFECTS IN RENORMALIZABLE QUANTUM FIELD THEORIES (https://www.worldscientific.com/doi/abs/10.1142/S0217751X02010224)

Wir hatten übrigens vor Urzeiten mal einen Thread hier, der das Thema entfernt tangierte.
http://www.quanten.de/forum/showthread.php5?t=1842
da kam man aber immer von Höcksken auf Stöcksken... :)

Ich kenne den Casimir-Effekt als einen Effekt der 2. Quantisierung des em. Feldes, wo die Anzahl der möglichen Vakuum-Moden innerhalb zweier leitender Platten kleiner ist, als außerhalb davon, und es daher zu einer anziehenden Kraft auf diese Platten kommt.

Die jedoch wohl der Realität treffendere und anschaulichere Beschreibung des Casimir-Effekts gelingt über eine relativistische Behandlung der Van-der-Waals-WW: Casimir effect and the quantum vacuum (https://journals.aps.org/prd/abstract/10.1103/PhysRevD.72.021301)

"The Casimir force is simply the (relativistic, retarded) van der Waals force between the metal plates."

Benjamin
14.05.18, 09:51
Die jedoch wohl der Realität treffendere und anschaulichere Beschreibung des Casimir-Effekts gelingt über eine relativistische Behandlung der Van-der-Waals-WW: Casimir effect and the quantum vacuum (https://journals.aps.org/prd/abstract/10.1103/PhysRevD.72.021301)

"The Casimir force is simply the (relativistic, retarded) van der Waals force between the metal plates."

Okay, sorry, ich sehe, das wurde hier ja schon alles behandelt.

JoAx
14.05.18, 11:09
Ausgegliedert aus Was ist virtuelle Materie (http://quanten.de/forum/showthread.php5?t=2139)

JoAx
14.05.18, 11:20
Was mich in diesem Zusammenhang interessiert, ob und wie "raumartige Vakuumfluktuationen" mit "The Casimir force is simply the (relativistic, retarded) van der Waals force between the metal plates" zusammenhängen.

Kann man u.U. zeigen, dass beide Beschreibungen ein und dasselbe sind?
Welche ist dann "fundamentaler"?

Ich meine, QED ist fundamentaler als ED. Dann müsste die quantisierte Beschreibung auch fundamentaler sein. Und nicht etwa:

In fact, the description in terms of van der Waals forces is the only correct description from the fundamental microscopic perspective

Oder?

Benjamin
14.05.18, 13:43
Was mich in diesem Zusammenhang interessiert, ob und wie "raumartige Vakuumfluktuationen" mit "The Casimir force is simply the (relativistic, retarded) van der Waals force between the metal plates" zusammenhängen.

Kann man u.U. zeigen, dass beide Beschreibungen ein und dasselbe sind?
Welche ist dann "fundamentaler"?

Ich meine, QED ist fundamentaler als ED. Dann müsste die quantisierte Beschreibung auch fundamentaler sein.

Vorweg: Die Beschreibung von Jaffe ist mit Hilfe der QED gerechnet, und unterliegt damit der Quantisierung der elektromag. Wechselwirkung.

Ich bin kein Freund dessen, den sogenannten Vakuumfluktuation des elektromag. Feldes eine reale Bedeutung beizumessen. Die Beschreibung Jaffes erachte ich als die fundamental richtigere in diesem Zusammenhang.

Man muss aber auch sagen, dass der Einfluss des quantisierten elektromag. Feldes sich noch auf andere Weise äußert als beim Casimir-Effekt. Z.B. bei der spontanen Emission von Licht. Gäbe es nämlich den besagten Einfluss nicht, würden angeregte Zustände in Atomen niemals abstrahlen. Man braucht hierfür auch gar keine realtivistische QM ála Dirac aufziehen. Allein mit der Schrödinger'schen Wellenmechanik ergibt sich, dass die Wechselwirkung der Elektronenwellenfunktion mit dem quantisierten elektromag. Feld dazu führt, das angeregte Zustände abstrahlen können, und es auch tun, sofern der Übergang möglich (erlaubt) ist.

Es ist hier vielleicht nützlich, einmal zu erklären wie man auf die "Vakuumfluktuationen" überhaupt kommt. Diese kommen im Rahmen der 2. Quantisierung vor, wo man nicht nur die Elektronen mit einer Wellenfunktion beschreibt, sondern auch das elektromag. Feld. Bildlich kann man folgenden Vergleich ziehen: In der ersten Quantisierung beschreibt man den Ort des Elektrons (der im Grunde ein Vektor mit 3 Komponenten ist) mit Hilfe einer Wellenfunktion. Bei der zweiten Quantisierung beschreibt man die elektrische Feldstärke (die im Grund ebenfalls ein Vektor mit 3 Komponenten ist) auch mit Hilfe einer Wellenfunktion. Damit erhält das elektrische Feld dieselbe Unschärfe wie der Ort des Elektrons. Ein Vakuum ohne elektrischer Feldstärke (Feldstärkevektor (0,0,0) ) käme einem Elektron mit exaktem Aufenthaltsort gleich.

Der Wert des elektromag. Feldes kann über eine Schrödingersche Wellenfunktion im harmonischen Potential (https://en.wikipedia.org/wiki/Quantum_harmonic_oscillator) beschrieben werden. Das heißt, die elektrische Feldstärke verhält sich wie ein Elektron in diesem Potential, nur dass man anstatt des Ortes und Impulses eines Elektrons die konjugierten Variablen (Ort und Impuls) des elektromag. Feldes, wie sie aus der Hamiltonschen Formulierung der Maxwell-Gleichungen folgen, nimmt.

Der Grundzustand dieser Wellenfuntkion ist demnach das nicht angeregte Feld, also sprich "das leere Vakuum". Und genau wie der Ort eines Elektrons niemals genau in der Mitte des Potentials liegen kann, so kann das Feld nie genau null sein. Der Mittelwert und Erwartungswert können zwar null sein, es gibt aber dennoch die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Wert nicht null ist. Diese Wahrscheinlichkeit wird oftmals salopp als "Vakuumfluktuation" bezeichnet.

Ich bin ehrlich gesagt, sehr erstaunt, dass dieser gesamte Formalismus die Wirklichkeit richtig wieder gibt, nämlich wenn man die Wechselwirkung dieses quantisierten em. Feldes mit Elektronen beschreibt. Allein die Tatsache, dass man das em. Feld mit Hilfe der Schrödinger Gleichung beschreiben kann, erachte ich für bemerkenswert. Meiner Ansicht nach rührt dieser für mich keineswegs triviale Zusammenhang daher, dass man in Wahrheit nicht die Fluktationen des Feldes an sich abbildet, sondern die Fluktuationen der Elektronen. Da die Elektronen die Ursache für das elektromag. Feld sind, und ihr Ort unscharf ist, so ist es aus diesem Grund einleuchtend, dass auch das Feld unscharf ist. Aber nicht weil es das Feld selbst ist, sondern nur weil es der Ort der Elektronen ist, die dieses Feld verursachen!

Daher kann man meines Erachtens Vakuumfluktuationen niemals für sich getrennt beobachten, sondern nur in Zusammenhang mit der Wechselwirkung mit Elektronen oder anderen geladenen Teilchen. Dort offenbart sich in Wahrheit - so sehe ich es zumindest - aber nicht die Unschärfe des elektromag. Feldes, sondern die Unschärfe der Orte der Teilchen, die das Feld verursachen.

Benjamin
14.05.18, 13:55
Da die Elektronen die Ursache für das elektromag. Feld sind, und ihr Ort unscharf ist, so ist es aus diesem Grund einleuchtend, dass auch das Feld unscharf ist. Aber nicht weil es das Feld selbst ist, sondern nur weil es der Ort der Elektronen ist, die dieses Feld verursachen!

Die spontane Emission erklärt sich für mich in diesem Zusammenhang nicht als eine Wechselwirkung des Elektrons mit dem Vakuum, sondern als eine Wechselwirkung des Elektrons mit sich selbst, nämlich mit seinem eigenen Feld, das man mit Hilfe der Vakuumfluktuationen (Quantisierung des Feldes) korrekt abbildet.

Insofern finde ich es plausibel, dass sich auch der Casimir-Effekt als Wechselwirkung von Elektronen miteinander erklären lässt.

Bernhard
14.05.18, 18:52
Der Vollständigkeit halber verlinke ich hier einen Preprint, der von Hawkwind bereits im Thema "Was ist ein Higgs-Feld" verlinkt wurde. Dort findet man mindestens eine ausführliche Beschreibung, bzw. Berechnung des Casimir-Effektes, welche der Argumentation der Originalarbeit von Casimir folgt.

Everything You Always Wanted To Know About The Cosmological Constant Problem (But Were Afraid To Ask) (https://arxiv.org/abs/1205.3365)

EDIT: und hier der Link auf den frei zugänglichen Preprint von Jaffe, 2005: The Casimir Effect and the Quantum Vacuum (https://arxiv.org/abs/hep-th/0503158)

JoAx
14.05.18, 21:54
Vorweg: Die Beschreibung von Jaffe ist mit Hilfe der QED gerechnet, und unterliegt damit der Quantisierung der elektromag. Wechselwirkung.


Aber doch etwas anders, als von Casimir. Wenn ich es richtig verstanden habe und noch recht in Erinnerung habe, betrachtet Jaffe zum einen, dass die Ladungen sich nicht am selben Ort befinden (Atomkerne vs. Elektronen), und zum anderen, dass die Elektronen ihren relativen Ort ständig ändern. Im ganz Groben. Und nun stellt sich die Frage, ob es ein Zufall ist, dass man mit "falschen" (ohne realer Bedeutung) Vakuumfluktuationen auf das gleiche Ergebnis kommt? Oder steckt mehr dahinter? Ist das Ergebnis (quantitativ) überhaupt gleich?

... Da die Elektronen die Ursache für das elektromag. Feld sind, und ihr Ort unscharf ist, so ist es aus diesem Grund einleuchtend, dass auch das Feld unscharf ist. Aber nicht weil es das Feld selbst ist, sondern nur weil es der Ort der Elektronen ist, die dieses Feld verursachen!
...


Die berühmt berüchtigte Frage nach dem Huhn und Ei.* :)

Was passiert mit deiner Argumentation, wenn man das Elektron nicht als eine eigenständige Entität betrachtet, sondern als ein einelektronen Zustand des elektron-positronischen Feldes? Was muss passieren, damit das Feld aus dem Null-Teilchen-Zustand in den angeregten übergeht?

* Während es bei den Eiern und Hühnern doch eher schwierig ist, eine Trennung zu machen (für mich zumindest), haben wir es im SM vlt. deutlich einfacher. Es gibt em Feld für sich und ep Feld für sich. Außerdem gibt es eine Interaktion zwischen den beiden. Dass im Rahmen der klassischen Elektrodynamik die elektrischen Ladungen als "Quellen" des elektrostatischen Feldes daherkamen, darf uns nicht die Sicht verdecken...

Nur so, als ein wilder Gedanke.

Benjamin
15.05.18, 08:55
Aber doch etwas anders, als von Casimir. Wenn ich es richtig verstanden habe und noch recht in Erinnerung habe, betrachtet Jaffe zum einen, dass die Ladungen sich nicht am selben Ort befinden (Atomkerne vs. Elektronen), und zum anderen, dass die Elektronen ihren relativen Ort ständig ändern. Im ganz Groben. Und nun stellt sich die Frage, ob es ein Zufall ist, dass man mit "falschen" (ohne realer Bedeutung) Vakuumfluktuationen auf das gleiche Ergebnis kommt? Oder steckt mehr dahinter? Ist das Ergebnis (quantitativ) überhaupt gleich?

Zufall gibt es nicht. ;)
Sofern ich mich richtig erinnere, sind die Voraussagen nur qualitativ gleich, nicht quantitiv. Was aber vor allem daran liegen dürfte, dass bei der Beschreibung mit den Nullpunktsmoden des em Feldes vereinfachte Annahmen getroffen werden, wie z.B. dass das em. Feld nicht in die Platten eindringen kann. Ich denke, Jaffes Beschreibung ist quantitativ richtiger. Aber ich plaudere jetzt nur das nach, was ich mich darüber zu erinnern meine. Ich hab es nie selbst gerechnet.

Die berühmt berüchtigte Frage nach dem Huhn und Ei.*

Das sehe ich nicht ganz so, denn es ist klar, dass die Elektronen die Quellen der Strahlung sind, und nicht umgekehrt.


Was passiert mit deiner Argumentation, wenn man das Elektron nicht als eine eigenständige Entität betrachtet, sondern als ein einelektronen Zustand des elektron-positronischen Feldes?

Ich denke, man müsste meine These erweitern, bzw. prüfen, ob sie dann auch noch Stand hält. Ich sehe jedenfalls bis jetzt keinen Widerspruch.

Was muss passieren, damit das Feld aus dem Null-Teilchen-Zustand in den angeregten übergeht?


Es muss auf eine spezifische Art angeregt werden, durch Feldenergie "von außen", entweder die des ep Feldes oder des em Feldes.

Bernhard
15.05.18, 10:15
Zufall gibt es nicht. ;)
"Au wei" ;) .

Das sehe ich nicht ganz so, denn es ist klar, dass die Elektronen die Quellen der Strahlung sind, und nicht umgekehrt.
Ich könnte mir gut vorstellen, dass das viele Physiker ganz anders sehen. Ich denke, wir sollten die Berechnungen zur Nullpunktsenergie einfach mal so stehen lassen, wie sie auch in den Lehrbüchern zu finden sind.

Benjamin
15.05.18, 12:47
Ich denke, wir sollten die Berechnungen zur Nullpunktsenergie einfach mal so stehen lassen, wie sie auch in den Lehrbüchern zu finden sind.

Kann es sein, dass du das Bedürfnis hast aus diesem Forum ein Lehrbuch zu machen? :rolleyes:

Nach Lehrbuch jedenfalls ist die Nullpunktenergie des em Feldes unendlich. Und jeder selbstständig denkende Mensch, der etwas von Physik versteht, muss einsehen, dass da etwas nicht stimmen kann.

Wiki trifft es hier wieder auf den Punkt: https://en.wikipedia.org/wiki/Zero-point_energy

"Physics currently lacks a full theoretical model for understanding zero-point energy; in particular the discrepancy between theorized and observed vacuum energy is a source of major contention."

Fragt man also die Lehrbücher, kann nur eines die Antwort sein, nämlich, dass man heute weder den Casimir-Effekt noch Vakuumfluktuation bis ins Detail verstanden hat. Jeder, der etwas anderes behauptet, hat meiner Meinung nach eine sehr genügsame Auffassung von dem, was es heißt, etwas zu verstehen.

Bernhard
15.05.18, 12:52
Nach Lehrbuch jedenfalls ist die Nullpunktenergie des em Feldes unendlich.
Quatsch mit Sauce. Diese Unendlichkeit wird in jedem Lehrbuch mit Hilfe der Normalordnung der Operatoren, d.h. Renormierung behoben, was ich oben schonmal erwähnt habe.

Fragt man also die Lehrbücher, kann nur eines die Antwort sein, nämlich, dass man heute weder den Casimir-Effekt noch Vakuumfluktuation bis ins Detail verstanden hat.
Das schon eher. Das liegt aber nicht an der von Dir genannten Divergenz, bzw. Unendlichkeit.

Hawkwind
15.05.18, 13:40
"Lustig" finde ich auch die Tadpole-Diagramme:

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/en/a/a9/Tadpole.png

https://en.wikipedia.org/wiki/Tadpole_(physics))

Aber bitte mich nichts dazu fragen. Bei diesen Themen: wo ist eigentlich Tom?

Benjamin
15.05.18, 20:58
Quatsch mit Sauce. Diese Unendlichkeit wird in jedem Lehrbuch mit Hilfe der Normalordnung der Operatoren, d.h. Renormierung behoben, was ich oben schonmal erwähnt habe.

Und das ergibt dann welchen Wert für die Vakuumenergie, wenn nicht unendlich?

TomS
15.05.18, 23:01
Bei diesen Themen: wo ist eigentlich Tom?
Hier :-)

Ich versuche zu verstehen, was hier jetzt genau gefragt ist.

Der Casimir-Effekt kann auf unterschiedliche Weisen und für unterschiedliche Geometrien berechnet werden. Es gibt zumindest eine in Lehrbüchern immer wieder zitierte Messung, die die Vorhersagen der QED bestätigt.

Jaffe’s Ansatz ist jedenfalls eine interessante Alternative.

Bernhard
16.05.18, 00:12
Und das ergibt dann welchen Wert für die Vakuumenergie, wenn nicht unendlich?
Null. So, wie man das für das Vakuum auch erwartet.

Benjamin
16.05.18, 07:33
Null. So, wie man das für das Vakuum auch erwartet.

Das ist mir neu. Kannst du das vorrechnen, oder zumindest erklären, wie man das rechnet?

Bernhard
16.05.18, 08:30
Kannst du das vorrechnen, oder zumindest erklären, wie man das rechnet?
Du kannst das hier https://th.physik.uni-frankfurt.de/~drischke/Skript_QFT_I.pdf ab Seite 71 nachlesen. Die Nullpunktsenergie wird in dieser Beschreibung zwar zuerst künstlich auf Null gesetzt, allerdings wird dann auch erklärt, wie man das mit der Normalordnung der Operatoren erreichen kann. Die Normalordnung spielt für die gesamte Störungsrechnung eine wichtige Rolle.

Benjamin
16.05.18, 19:24
Du kannst das hier https://th.physik.uni-frankfurt.de/~drischke/Skript_QFT_I.pdf ab Seite 71 nachlesen. Die Nullpunktsenergie wird in dieser Beschreibung zwar zuerst künstlich auf Null gesetzt, allerdings wird dann auch erklärt, wie man das mit der Normalordnung der Operatoren erreichen kann. Die Normalordnung spielt für die gesamte Störungsrechnung eine wichtige Rolle.

Es wird hier künstlich weg subtrahiert. Damit lassen sich die Divergenzen in den Austauschwechselwirkungen vermeiden, aber es löst das fundamentale Problem nicht. Nichts anderes habe ich außerdem schon gesagt:

Daher kann man meines Erachtens Vakuumfluktuationen niemals für sich getrennt beobachten, sondern nur in Zusammenhang mit der Wechselwirkung mit Elektronen oder anderen geladenen Teilchen.

In den Wechselwirkungen kommt es zu keinen Divergenzen, weil man ja nur Energiedifferenzen messen kann. Die Grundzustandsenergien der Vakuummoden können nicht umgesetzt werden. Dennoch tauchen sie in der Theorie auf, und kein Lehrbuch, das ich kenne, löst dieses Problem auf, sondern umgeht es nur, was geht, weil es für diverse Berechnungen nicht gelöst werden muss. Aber nur weil man es unter den Teppich kehrt, ist es nicht weg.

Renormierung löst also nicht das Problem der Nullpunktsenergien, sondern lediglich die Divergenzen in den Berechnungen der Austauschwechselwirkungen. Das eine ist nicht gleich das andere!

Bernhard
17.05.18, 21:31
Hallo zusammen,

bei den Referenzen des deutschen WP-Artikels habe ich eben eine sehr lesenswerte, informative und öffentlich zugängliche Arbeit zum Thema gefunden: https://orbi.uliege.be//bitstream/2268/137507/1/238.pdf , "The Casimir Effect and the Vacuum Energy: Duality
in the Physical Interpretation" von J. Cugnon.

Dort wird die Herleitung mit Hilfe des Vakuumzustands des elektromagnetischen Feldes gezeigt. Die anderen hier erwähnten Modelle sind dort ebenfalls zu finden u.v.m.

Benjamin
18.05.18, 11:53
Hallo zusammen,

bei den Referenzen des deutschen WP-Artikels habe ich eben eine sehr lesenswerte, informative und öffentlich zugängliche Arbeit zum Thema gefunden: https://orbi.uliege.be//bitstream/2268/137507/1/238.pdf , "The Casimir Effect and the Vacuum Energy: Duality
in the Physical Interpretation" von J. Cugnon.

Dort wird die Herleitung mit Hilfe des Vakuumzustands des elektromagnetischen Feldes gezeigt. Die anderen hier erwähnten Modelle sind dort ebenfalls zu finden u.v.m.

Hi!

Die Arbeit gefällt mir. Wenn man den kleinsten gemeinsamen Nenner sucht, dann trifft ihn diese Arbeit meines Erachtens ganz gut.

Hawkwind
18.05.18, 12:24
... insgesamt eine interessante Diskussion hier über Casimir und Nullpunktenergie, finde ich.

BTW, welch eine beeindruckende Physik-Kompetenz vor Ort ist hier im Forum.:)

pauli
18.05.18, 16:29
danke dir!

Marco Polo
18.05.18, 21:41
danke dir!

Ja, pauli. Du darfst dich ganz sicher angesprochen fühlen. :);)

Bernhard
18.05.18, 22:13
BTW, welch eine beeindruckende Physik-Kompetenz vor Ort ist hier im Forum.:)
Ja, die Diskussionen sind immer wieder motivierend und interessant und man bemerkt doch ein kontinuierliches Interesse an Physik, was leider nicht ganz selbstverständlich ist.