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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Kann man Everetts "reine Quantenmechanik" noch weiter ignorieren?


Nexus
28.07.18, 11:27
Hallo zusammen,
In der mehr als hundertjährigen Geschichte der Quantentheorie
stellt Hugh Everetts Ansatz (1957) einen ersten Versuch dar, die
Quantenphysik und ihre kontraintuitiven Phänomene wie
Superposition und Verschränkung kohärent auf der Grundlage der
Schrödinger Gleichung (SG) zu deuten.
Dem angesichts der Quantenstruktur von Makroobjekten inkonsistent
erscheinende Dualismus von Mikrowelt vs. Makrowelt, wie von der
Kopenhagenschen Interpretation unterstellt , und der angesichts der
Unvollständigkeit der van Neumannschen Kollapstheorie (Heisenberg
Schnitt, Widerspruch mit der SG) setzt Everett seine These der
„relativen Zustände“ als Komponenten einer universellen Wellenfunktion
entgegen.
Der „Charme“ dieser Interpretation liegt nicht nur in ihrer Vollständigkeit
und Konsistenz, sondern vor allem darin, dass sie die die Quantentheorie
„wörtlich nimmt“.
Sie vermeidet eine Modifikation der genauesten Gleichung
der Quantentheorie, i.e. der unitären, deterministischen SG
(wie etwa durch die GRW - Theorie) oder ihre „Ergänzung“ durch
„verborgene Variablen“ (Broglie - Bohmsche Theorie).
Derartige Veränderungen der SG erscheinen mir im Rückblick wie
Versuche ihre vermeintlich „ inakzeptablen“ Konsequenzen
abzuwehren (z. B. globale Wellenfunktion des Universums,
Paralleluniversen inklusive Vervielfältigung bewusster Lebewesen).
Es wäre allerdings nicht das erste Mal, dass die Physik ihre
eigenen (revolutionären) Ergebnisse nicht akzeptieren möchte
(Kopernikus, Relativitätstheorie, Schwarze Löcher, etc.).
Die Dekohärenz - Theorie D. Zehs hat die Beschäftigung mit Everett
inspiriert und die Plausibilität seiner Theorie verstärkt (Wallace) , nachdem
sie zwanzig Jahre lang totgeschwiegen worden war.
Auch die Quantenkosmologie (z. B. Wheeler - deWitt Gleichung) setzt die
Existenz einer globalen Wellenfunktion des Universums voraus.
Jüngst wurde nicht nur die Existenz von Superpositionen
von Makroobjekten nachgewiesen („Quantum ground state and
single-phonon control of a mechanical resonator “, March 2010,
https://www.nature.com/articles/nature08967), sondern auch der
Versuch unternommen die reale Existenz von Ψ experimentell zu beweisen.
(„Exploring the realistic nature of the wave function in quantum mechanics”,
January 5, 2018,
https://phys.org/news/2018-01-exploring-realistic-nature-function-quantum.html)
Es wäre iangesichts angesichts der Fortschritte der Experimentalphysik,
interessanr, Eure Meinung zu dem faszinierenden Thema des
Everettschen Ansatzes (und seiner Nachfolger?) zu erfahren. Bin selbst
kein Physiker sondern nur interessierter Laie.

„Der mathematische Formalismus der Quantentheorie [ist) in der Lage ..
seine eigene Interpretation hervorzubringen, ohne auf irgendeine ‚externe
Metaphysik‘ zurückgreifen zu müssen.“ (Bryce deWitt)

Bernhard
28.07.18, 12:16
Hallo Nexus,

wie im Nachbarthema (http://quanten.de/forum/showpost.php5?p=88165&postcount=37) von Tom ausgeführt, halte ich die Arbeiten von Everett eher als Vorläufer der Arbeiten von D. Zeh. Wenn ich es recht verstanden habe, sind Everetts Arbeiten damit eher von historischem Interesse. Die aktuelle Modellbildung innerhalb der Physik kann/muss mit Dekohärenz bezeichnet werden.

Da der von Neumannsche Vorschlag des Kollapses aber trotzdem immer noch in der Welt ist, haben wir immer noch zwei verschiedene Modelle. Das präzisere Modell ist, wie Tom bereits geschrieben hat, das Modell der Dekohärenz.

Bernhard
30.07.18, 07:55
@Tom: Ich schlage vor, dass wir unsere Diskussion über die Interpretationen der QM hier fortsetzen.

Kannn man die VWI "auf den Nenner" bringen, dass es zu jedem System (inklusive Messapparatur) eine Wellenfunktion gibt, die das System realistisch im Sinne des Punktes 1 von hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Bellsche_Ungleichung#Realismus_und_Lokalit%C3%A4t beschreibt?

Timm
30.07.18, 20:09
@Tom: Ich schlage vor, dass wir unsere Diskussion über die Interpretationen der QM hier fortsetzen.


Gute Idee.

Zitat von TomS Beitrag anzeigen
Dieser Unerträglichkeit kann man auf verschieden Weise begegnen:
1) man spricht der Wellenfunktion ab, dass sie immer die Realität repräsentiert, sondern man entscheidet situativ, wie man sie verstehen möchte; instrumenatalistisch betrachtet, verwenden wir sie zur Berechnung von Messergebnissen, ohne zu klären, was eine Messung denn quantenmechanisch bedeutet (eine einfache Wechselwirkung kann es nicht sein, denn diese folgt der Schrödingergleichung und erzeugt keinen Kollaps o.ä. und nimmt keine Sonderstellung ein)
2) man versucht, den Kollaps realistisch zu deuten; da aus der Schrödingergleichung jedoch kein Kollaps folgt, wird diese modifiziert; damit hat man eine der Grundlagen der Quantenmechanik zerstört (ich halte diese Ansätze ggw. für nicht erfolgversprechend)
3) man akzeptiert die Unerträglichkeit des Weiterbestehens der Superposition - einschließlich derjenigen makroskopischer und menschlicher Beobachter.

Und die Hexenmeister im Sinne von (1) haben (3) oft nicht mal ansatzweise verstanden ...
Ich denke unerträglich ist weniger das “Weiterbestehen der Superposition”, sondern daß gemäß VWI alle möglichen Ergebnisse realisiert sind:

https://de.m.wikipedia.org/wiki/Viel...Interpretation
Das Ergebnis ist also eine Superposition des zusammengesetzten Systems Teilchen am Doppelspalt und Beobachter. Dies ist offensichtlich kein eindeutiges Ergebnis, stattdessen findet sich eine Superposition der zwei möglichen Ergebnisse. Dieses Ergebnis wird in der VWI so interpretiert, dass sich im Augenblick der Messung das Universum verzweigt und die beiden mathematisch geforderten Ergebnisse in verschiedenen Welten realisiert sind.
Diese Hürde entschärt von Weizsäcker elegant
Carl Friedrich von Weizsäcker weist darauf hin,[23] dass kein nennenswerter Unterschied zwischen der VWI und der Kopenhagener Interpretation im Rahmen einer Modallogik zeitlicher Aussagen bestehe, wenn rein semantisch „wirkliche Welten“ durch „mögliche Welten“ ersetzt werde: Die vielen Welten beschreiben den sich durch die Schrödingergleichung entwickelnden Möglichkeitsraum; die von einem realen Beobachter gemachte Beobachtung ist die Realisierung einer der formal möglichen Welten.
und mit welchem zwingendem Argument wollte man dem widersprechen?
__________________

Bernhard
31.07.18, 08:25
Als Versuch einer weiteren Antwort scheint es mir aktuell zielführender zu sein sich mit der begrifflichen und sprachlichen Strukturierung der QM zu beschäftigen: https://de.wikipedia.org/wiki/Interpretationen_der_Quantenmechanik#Informationst heoretische_Rekonstruktionen_der_Quantenmechanik . Dieses Vorhaben wird auch von A. Zeilinger unterstützt und eingefordert. In seiner Arbeit "A foundational principle for quantum mechanics", in Foundation of Physics, Band 29 (1999), S. 631–643 verweist er auf die Grundpostulate der Relativitätstheorie und das Fehlen von vergleichbaren Postulaten bei der QM.

TomS
31.07.18, 09:37
In seiner [Zeilinger'2]Arbeit "A foundational principle for quantum mechanics", in Foundation of Physics, Band 29 (1999), S. 631–643 verweist er auf die Grundpostulate der Relativitätstheorie und das Fehlen von vergleichbaren Postulaten bei der QM.
Hm, ich kenne schon axiomatische Einführungen der Quantenmechanik:

https://www.physikerboard.de/topic,54261,-faq---fundamentale-regeln-der-quantenmechanik-i.html

Dabei gibt es zwei Klassen von Axiomen, nämlich den eigtl. Kern sowie diejenigen, die sich teilweise je nach Interpretation ändern können; Kollapspostulat und Bornsche Regel gehören nach Everett sicher nicht zu den fundamentalen Axiomen.de Broglie und Bohm führen m.W.n. ebenfalls weitere Axiome ein.

TomS
31.07.18, 09:44
Ich denke unerträglich ist weniger das “Weiterbestehen der Superposition”, sondern daß gemäß VWI alle möglichen Ergebnisse realisiert sind:

Das Ergebnis ist also eine Superposition des zusammengesetzten Systems Teilchen am Doppelspalt und Beobachter. Dies ist offensichtlich kein eindeutiges Ergebnis, stattdessen findet sich eine Superposition der zwei möglichen Ergebnisse. Dieses Ergebnis wird in der VWI so interpretiert, dass sich im Augenblick der Messung das Universum verzweigt und die beiden mathematisch geforderten Ergebnisse in verschiedenen Welten realisiert sind.

Diese Formulierung ist extrem fragwürdig.


Diese Hürde entschärft von Weizsäcker elegant
Carl Friedrich von Weizsäcker weist darauf hin, dass kein nennenswerter Unterschied zwischen der VWI und der Kopenhagener Interpretation im Rahmen einer Modallogik zeitlicher Aussagen bestehe, wenn rein semantisch „wirkliche Welten“ durch „mögliche Welten“ ersetzt werde: Die vielen Welten beschreiben den sich durch die Schrödingergleichung entwickelnden Möglichkeitsraum; die von einem realen Beobachter gemachte Beobachtung ist die Realisierung einer der formal möglichen Welten.

Wenn das so ist - und das müsste man bei CFG im Original nachlesen - dann entschärft er diese Hürde keineswegs elegant, sondern er deutet die Everettsche Interpretation entgegen deren Intention um.

Nochmal: die Grundlage der Everettschen Interpretation ist die Idee, den Zustandsvektor und dessen Dynamik gem. der Schrödingergleichung konsistent ontisch auffassen zu können, d.h. in jeder Situation einschließlich der Messung.

Dabei ist nicht von Möglichkeitsraum o.ä. die Rede.

Wenn man die strikt ontische Auffassung aufgeben möchte, dann verwirft man besser die Everettschen Interpretation vollständig und bastelt nicht an ihr herum.

Interessanterweise lese ich in vielen Darstellungen zu Interpretationen der QM nichts von CFG; er scheint da nicht wahrgenommen zu werden.

JoAx
31.07.18, 10:42
Bornsche Regel gehören nach Everett sicher nicht zu den fundamentalen Axiomen.

Eine Frage, Tom - was hat man ohne der Bornschen Regel von der ganzen QM?

Wie stelle ich die Zahlen, die dann rauskommen, den experimentellen Daten gegenüber?

TomS
31.07.18, 11:02
Eine Frage, Tom - was hat man ohne der Bornschen Regel von der ganzen QM?

Wie stelle ich die Zahlen, die dann rauskommen, den experimentellen Daten gegenüber?
Man geht davon aus, dass die Bornsche Regel im Zuge der Everettschen Interpretation als Theorem aus anderen Axiomen ableitbar ist. Das hat bereits Everett versucht, allerdings besteht bis heute keine Einigkeit, ob und wie diese Argumentation funktionieren kann und ob derartige Ableitungen nicht alle irgendwie zirkulär wären.

Streng genommen muss man zwei Fragen klären:

1) Warum resultiert aus der Everettschen Interpretation überhaupt eine Wahrscheinlichkeit? Immerhin ist die Theorie explizit deterministisch.

2) Wenn (1) gelöst ist, warum resultiert gerade die Bornsche Regel?

In gewisser Weise ist (2) einfacher bzw. bereits gelöst; man kann nämlich streng beweisen, dass auf einem Hilbertraum nur ein einziges Wahrscheinlichkeitsmaß zulässig ist, und dies enstpricht gerade der Bornschen Regel; dies ist das sogenannte Gleasonsche Theorem (https://en.wikipedia.org/wiki/Gleason%27s_theorem)

Zu (1) gibt es diverse Indizien, angefangen bei Everett selbst. Nach der Dekohärenz tragen die o.g. resultierenden Zweige gerade den gem. Born richtigen Gewichtsfaktor. Nach Hartle konvergiert eine häufige Anordnung eines speziellen "Zähloperators" für das Auftreten bestimmter Ergebnisse bei unabhängigen Messungen gerade gegen das Ergebnis der Bornschen Regel.

All dies deutet darauf hin, dass die Bornschen Regel bereits in der Geometrie des Hilbertraumes und einiger Axiome angelegt ist. Es gibt jedoch keinen schlüssigen Beweis, warum diese so resultierenden Werte als Wahrscheinlichkeiten aufzufassen sind.

Stell dir vor ich gebe dir Tabellen der Form

A ½
B ½

A ¼
B ¾

...

Nun können wir beweisen, dass wenn wir die zweite Spalte als Wahrscheinlichkeiten P(A) = ½ auffassen wollen, dass dann P(B) = 1 - P(A) sowie 0 ≤ P ≤ 1 folgt.

Nur, wir können nicht beweisen, dass wenn ich dir diese Tabellen gebe und sie diese Bedingen erfüllen, dass ich sie dann als Wahrscheinlichkeiten interpretieren muss.

Das ist eines der wesentlichen Probleme der Everettschen Interpretation: warum folgt aus der Mathematik eine Wahrscheinlichkeitsaussage? Bisher sind alle Herleitungen recht verzwickt und werden immer wieder als zirkulär kritisiert, im Sinne von "wenn wir irgendetwas annehmen, was implizit bzw. versteckt irgendwas enthält, was irgendwie entfernt mit Wahrscheinlichkeiten zu tun hat, dann folgt irgendwie eine Wahrscheinlichkeitsinterpretation sowie die Bornsche Regel".

Bernhard
31.07.18, 11:56
Hallo Tom,

1) Warum resultiert aus der Everettschen Interpretation überhaupt eine Wahrscheinlichkeit? Immerhin ist die Theorie explizit deterministisch.

2) Wenn (1) gelöst ist, warum resultiert gerade die Bornsche Regel?
Sorry, wenn ich da nerve, aber die Literaturliste in der WP ist mir da zu lange. Kannst Du eine Referenz nennen, auf die man sich ggf. bei dieser Diskussion beziehen kann.

Ich würde mir das schon mal ansehen, auch wenn aus deinem Beitrag bereits gewisse Alarmsignale zu entnehmen sind.

TomS
31.07.18, 12:17
Literatur zu welchem Thema genau?

Bernhard
31.07.18, 12:31
Literatur zu welchem Thema genau?
Na zu den Axiomen der Everettschen Sichtweise, falls solche von Everett jemals ausreichend klar formuliert wurden. Sonst spekulieren wir doch noch "in 100 Jahren" über die everettschen Arbeiten.

soon
31.07.18, 13:07
Ausreichend klare Formulierungen kann es vielleicht nicht geben ohne eine zufriedenstellende Definition des Begriffs 'quantenmechanische Messung'.

TomS
31.07.18, 13:26
Ich suche dir einige Quellen zusammen.

mMn versteht man heute im Kern folgende Axiome als grundlegend:

1. Die Beschreibung eines Quantensystems erfolgt im Rahmen eines separablen Hilbertraumes
2. Der Zustand eines einzelnen Quantensystems wird durch einen normierten Vektor als Element dieses Hilbertraumes beschrieben.
3. Die Zeitentwicklung eines einzelnen isolierten Quantensystems wird durch einen unitären Zeitentwicklungsoperator U(t) = exp[-iHt] beschrieben
(H entspricht dabei dem Hamiltonoperator; dieses Axiom ist äquivalent zur
Schrödingergleichung)

TomS
31.07.18, 13:31
Ausreichend klare Formulierungen kann es vielleicht nicht geben ohne eine zufriedenstellende Definition des Begriffs 'quantenmechanische Messung'.
Richtig.

Das ist sicher ein wesentliches Defizit der orthodoxen Quantenmechanik.

Nach Everett entspricht eine Messung lediglich einer speziellen Wechselwirkung mit einem speziellen makroskopischen Objekt - dem Messgerät - das eine möglichst präzise Korrelation zwischen den Zuständen des zunächst isolierten Quantensystems und den Zuständen des makroskopischen Zeiger des Messgerätes herstellt.

JoAx
31.07.18, 13:46
Man geht davon aus, dass die Bornsche Regel im Zuge der Everettschen Interpretation als Theorem aus anderen Axiomen ableitbar ist. Das hat bereits Everett versucht, allerdings besteht bis heute keine Einigkeit, ob und wie diese Argumentation funktionieren kann und ob derartige Ableitungen nicht alle irgendwie zirkulär wären.
...
Bisher sind alle Herleitungen recht verzwickt und werden immer wieder als zirkulär kritisiert, im Sinne von "wenn wir irgendetwas annehmen, was implizit bzw. versteckt irgendwas enthält, was irgendwie entfernt mit Wahrscheinlichkeiten zu tun hat, dann folgt irgendwie eine Wahrscheinlichkeitsinterpretation sowie die Bornsche Regel".

Das erinnert mich jetzt an die Geschichte mit dem 5. Postulat der Euklidischen Geometrie. :)
Und wie sollen Wahrscheinlichkeiten rauspurzeln, wenn sie nicht "händisch" eingebaut werden?


1) Warum resultiert aus der Everettschen Interpretation überhaupt eine Wahrscheinlichkeit? Immerhin ist die Theorie explizit deterministisch.


Ich weiss, dass du mich jetzt wieder dafür kritisieren wirst, aber ich sehe die Lösung darin, dass man "Deterministik" und "Statistik" nicht als widersprüchlich/konkurierend ansieht.

Klar, wir lernen die Statistik an Beispielen lernen, wo man die Ursache für unterschiedliches Ergebnis im eigentlich ungleichen Ablauf vermuten kann. Aber muss deswegen jede Wahrscheinlichkeit eine (tiefere) Ursache haben. Ich persönlich sehe die Tatsache, dass QM die Bell'sche Ungleichung verletzt, als ein starkes Argument dafür, das es keine Ursache gibt.

So tickt es bei mir gerade.

TomS
31.07.18, 14:25
Und wie sollen Wahrscheinlichkeiten rauspurzeln, wenn sie nicht "händisch" eingebaut werden?
Das ist die Frage.

Ich weiss, dass du mich jetzt wieder dafür kritisieren wirst, aber ich sehe die Lösung darin, dass man "Deterministik" und "Statistik" nicht als widersprüchlich/konkurierend ansieht.
Das ist sogar im wesentlichen die Sicht von Everett et al.

Während ein Beobachter nur das wahrnimmt, was ihm die Dekohärenz "innerhalb seines Zweiges zu beobachten gestattet", bleibt der "sich auffächernde" Quantenzustand weiterhin streng deterministisch.

Stell dir ein Quantenexperiment vor, bei dem ein Zustand beschrieben durch κ|1> + ζ|2> mit einer Münze verschränkt wird, so dass der Gesamtzustand dem resultierenden Vektor κ|1,K> + ζ|2,Z> + ... entspricht. Dies erfolgt streng deterministisch. Das Auffächern dieses Zustandes einschließlich deiner selbst als Beobachter resultiert in dem Vektor

κ|1,K, B beobachtet K> + ζ|1,Z, B beobachtet Z> + ...

Ob du nun der "B beobachtet K" oder "B beobachtet Z" bist, ist rein zufällig.

Das alles ist mathematisch unstrittig; es ist absolute Standard-Quantenmechanik und wird von Tausenden von Physikern im Rahmen von unzähligen Berechnungen und Experimenten täglich verwendet.

Strittig wird es erst, wenn man erwähnt, dass eine Messung stattfindet, bei der ein Beobachter B im Spiel ist.

Anhänger von Everett werden behaupten, dass der Zustand, beschrieben durch

κ|1,K, B beobachtet K> + ζ|1,Z, B beobachtet Z> + ...

real existent bleibt.

Diejenigen Physiker, die die Everettsche Interpretation ablehnen, werden eine neue Regel erfinden, derzufolge nach Beobachtung von "K" nur noch der Zustand real existiert, der durch |1,K> beschrieben wird. Man beachte, dass diese Regel in allen anderen Fällen explizit inkonsistent mit der Schrödingergleichung ist, während Everetts Regel universell gültig und sonst nie umstritten ist.

Man beachte außerdem, dass Everett mittels der Schrödingergleichung den Zustandsvektor

κ|1,K, B beobachtet K> + ζ|1,Z, B beobachtet Z> + ...

einschließlich der korrekten Amplituden κ, ζ berechnen kann.

Was Everett et al. jedoch bisher nicht zeigen können ist, warum aus κ, ζ mittels

p(K) = |κ|²
p(Z) = |ζ|²

die Wahrscheinlichkeiten für Kopf oder Zahl folgen.

Versuche bitte zu verstehen, dass die orthodoxe QM sowie die QM nach Everett in fast allen Punkten mathematisch übereinstimmen. Versuche bitte auch zu verstehen, dass es sowohl der Kollaps als auch der nicht-Kollaps nicht weiter hinterfragbare Postulate sind. Während die Everett-Anhänger laut ihren Gegnern etwas unsinniges postulieren, tun die Everett-Gegner laut der Everett-Anhänger dies ebenfalls. Je nach persönlichen Vorlieben kann man beide Ansichten teilen oder ablehnen.

Bernhard
31.07.18, 15:22
mMn versteht man heute im Kern folgende Axiome als grundlegend:

1. Die Beschreibung eines Quantensystems erfolgt im Rahmen eines separablen Hilbertraumes
2. Der Zustand eines einzelnen Quantensystems wird durch einen normierten Vektor als Element dieses Hilbertraumes beschrieben.
3. Die Zeitentwicklung eines einzelnen isolierten Quantensystems wird durch einen unitären Zeitentwicklungsoperator U(t) = exp[-iHt] beschrieben
(H entspricht dabei dem Hamiltonoperator; dieses Axiom ist äquivalent zur
Schrödingergleichung)
Wie sieht es mit Operatoren auf dem Hilbertraum aus?

TomS
31.07.18, 15:40
Wie sieht es mit Operatoren auf dem Hilbertraum aus?
Die mathematische Existenz der Operatoren ist natürlich durch den Hilbertraum gegeben. Dass bestimmte Operatoren physikalischen Observablen entsprechen, bleibt weiterhin gültige Konvention.

Die Eigenwerte dieser Operatoren werden jedoch nicht mehr per Postulat als mögliche Messwerte eingeführt. Es ist eher umgekehrt so, dass eine Messung bzw. ein Messgerät gerade so konstruiert sind, dass eine Korrelation aus diesen Eigenzuständen mit ihren Eigenwerten sowie den makroskopischen Zeigerzuständen folgt.

D.h. wenn du z.B. den Spin s messen möchtest, dann musst du eine Messgerät konstruieren, so dass dessen Zeigerzustände |S> gerade mit den Eigenzuständen |s> korreliert sind, so dass du genau damit eine diesbzgl. Auffächerung |s,S> auszeichnest; dieses Messgerät bewirkt genau diese Auffächerung des Zustandes in jeweils stabile sowie wechselweise unsichtbare Zweige.

Es handelt sich nicht mehr um ein Postulat, sondern eher um einen Leitsatz zur Konstruktion geeigneter Messgeräte. Im Zuge der orthodoxen Quantenmechanik ist in keinster Weise klar, dass zu jedem selbstadjungierten Operator überhaupt eine physikalisch mögliche Messung existiert. Der Zusammenhang zwischen Messgerät und Observablen bleibt offen. Nach Everett ist klar, warum dies offen bleibt: die Eigenschaft der Messung bzw. des Messgerätes einer bestimmten Observablen hängt am Hamiltonoperator, der die WW des Quantensystems mit dem Messgerät beschreibt.

Bernhard
31.07.18, 15:47
so dass du genau damit eine diesbzgl. Auffächerung |s,S> auszeichnest;
… und mit Auffächerung ist dann obige Korrelation von Zuständen im Hilbertraum gemeint?

TomS
31.07.18, 15:55
Nun, wenn du verschiedene mögliche Spinzustände s₁, s₂, ... hast, dann enthält dein Gesamt-Endzustand eine Auffächerung der Form

a₁|s₁,S₁> + a₂|s₂, S₂> + a₃ ...

Korrelation meint, dass dein Spinmessgerät genau so konstruiert sein muss, dass es diese spezielle Auffächerung mit den Komponenten |s₁,S₁>, ... gemäß der Dekohärenz erzeugt, und dass andere Komponenten wie |s₁,S₂>, ... unterdrückt sind.

Wenn du stattdessen ein anderes makroskopisches System hinstellst, dann wird auch irgendein Zustand entstehen, aber eben nicht diese Auffächerung. Und damit wäre dein Gerät eben kein Spinmessgerät.

Timm
31.07.18, 15:58
https://de.wikipedia.org/wiki/Interpretationen_der_Quantenmechanik#Informationst heoretische_Rekonstruktionen_der_Quantenmechanik . Dieses Vorhaben wird auch von A. Zeilinger unterstützt und eingefordert. In seiner Arbeit "A foundational principle for quantum mechanics", in Foundation of Physics, Band 29 (1999), S. 631–643 verweist er auf die Grundpostulate der Relativitätstheorie und das Fehlen von vergleichbaren Postulaten bei der QM.
Es wäre interessant, das zu lesen. Vermutlich geht es u.a. um den Kollaps der Wellenfunktion. Zeilinger ist ein ein Anhänger der Kopenhagener Interpretation, lehnt die Vorstellung eines Kollapses der WF aber ab. In seinem populärwissenschaftlichen Buch “Einsteins Schleier” schreibt er sinngemäß, ein mathematisches Konstrukt könne nicht kollabieren. Wenn ich es richtig sehe, handelt es sich somit um eine minimalistische Auffassung der KI.

Diese Auffassung steht nicht im Widerspruch zur Dekohärenztheorie, zu der Zeilinger selbst wichtige Beiträge liefert. Natürlich entzieht sie a priori der VWI den Boden, denn wenn es keinen Kollaps der WF gibt, erübrigt sich jede Strategie ihn zu vermeiden.

TomS
31.07.18, 16:20
In seinem populärwissenschaftlichen Buch “Einsteins Schleier” schreibt er sinngemäß, ein mathematisches Konstrukt könne nicht kollabieren.

Diese Auffassung steht nicht im Widerspruch zur Dekohärenztheorie, zu der Zeilinger selbst wichtige Beiträge liefert. Natürlich entzieht sie a priori der VWI den Boden, denn wenn es keinen Kollaps der WF gibt, erübrigt sich jede Strategie ihn zu vermeiden.
Die orthodoxe QM kommt nicht ohne einen Kollaps aus - ob sie es nun so bezeichnet oder nicht. Mathematisch spricht man von einer Projektion.

Im Falle mehrerer aufeinanderfolgender Stern-Gerlach-artiger Experimente an einem Elektron mit zunächst

|up> + |down>

messe man in der ersten Messung z.B. "up".

In der darauf folgenden zweiten Messung am selben Elektron misst man dann sicher "up".

Nach der MWI + Dekohärenz ist dies klar, da der zweite Zweig dynamisch entkoppelt und keine Interferenz mehr auftreten kann.

Nach Kopenhagen o.ä. muss man jedoch annehmen, dass die erste Messung mit "up" der Präparation von |up> entspricht. Würde man auch für die zweite Messung den Zustand

|up> + |down>

ansetzen, so wäre weiterhin auch "down" mit 50% möglich, was offensichtlich falsch ist.

Die Projektion auf |up> ist also zwingend erforderlich!

Wenn man den Zustand nicht ontisch auffasst, dann ist das nicht weiter schlimm, insofern es nichts über die Realität aussagt. Man wird also den Kollaps "in der Realität" dadurch los, dass man verzichtet, über die Realität zwischen den Messungen zu reden. Aber man wird nicht die Projektion los.

***

Man sollte sich mal ernsthaft überlegen, welche Probleme die orthodoxe Interpretation wie löst:
1) sie sagt Messergebnisse korrekt vorher
2) sie verwendet einen in sich inkohärenten Begriffsrahmen, der von "Messung" spricht, ohne den Begriff definieren zu können, und der abhängig vom Vorliegen einer solchen "Messung" eine zweite ad hoc Regel anwendet, die einer anderen Regeln widerspricht

Die Anhänger der orthodoxen QM rechtfertigen (2) mit dem Erfolg von (1) und definieren alles andere zu Scheinproblemen. Die Gegner - und das ist nicht nur Everett - behaupten, dass die Anhänger der orthodoxen QM konsequent bei allen Fragen bzgl. (2) den Kopf in den Sand stecken. Ich halte die Everettsche QM in vielen Bereichen für noch unverstanden; evtl. ist sie sogar falsch. Aber ich schätze die Tatsache, dass ihre Anhänger über offene Probleme nachdenkt anstatt diese zu ignorieren oder gar zu leugnen. Man wird die QM nie verstehen, wenn man es nicht wenigsten versucht.

Timm
31.07.18, 17:32
Im Falle mehrerer aufeinanderfolgender Stern-Gerlach-artiger Experimente an einem Elektron mit zunächst

|up> + |down>

messe man in der ersten Messung z.B. "up".

In der darauf folgenden zweiten Messung am selben Elektron misst man dann sicher "up".

Nach der MWI + Dekohärenz ist dies klar, da der zweite Zweig dynamisch entkoppelt und keine Interferenz mehr auftreten kann.

Nach Kopenhagen o.ä. muss man jedoch annehmen, dass die erste Messung mit "up" der Präparation von |up> entspricht. Würde man auch für die zweite Messung den Zustand

|up> + |down>

ansetzen, so wäre weiterhin auch "down" mit 50% möglich, was offensichtlich falsch ist.

Die Projektion auf |up> ist also zwingend erforderlich!



Wenn das “offensichtlich falsch ist”, weshalb ist das dann nicht der Garaus der KI?
Weshalb bleibt es nach der KI nicht bei up, wenn up aufgrund der ersten Messung bereits feststeht?

Hawkwind
31.07.18, 17:49
Die orthodoxe QM kommt nicht ohne einen Kollaps aus - ob sie es nun so bezeichnet oder nicht. Mathematisch spricht man von einer Projektion.

Im Falle mehrerer aufeinanderfolgender Stern-Gerlach-artiger Experimente an einem Elektron mit zunächst

|up> + |down>

messe man in der ersten Messung z.B. "up".

In der darauf folgenden zweiten Messung am selben Elektron misst man dann sicher "up".

Nach der MWI + Dekohärenz ist dies klar, da der zweite Zweig dynamisch entkoppelt und keine Interferenz mehr auftreten kann.

Nach Kopenhagen o.ä. muss man jedoch annehmen, dass die erste Messung mit "up" der Präparation von |up> entspricht. Würde man auch für die zweite Messung den Zustand

|up> + |down>

ansetzen, so wäre weiterhin auch "down" mit 50% möglich, was offensichtlich falsch ist.


Nein, wesentlicher Teil der Kopenhagener Deutung ist die sog. Kollapshypothese: die Messung impliziert eine Reduktion der Wellenfunktion auf die Eigenfunktion zum gemessenen Wert, d.h. unmittelbar nach einer Messung würde nach KD eine 2. Messung derselben Observablen wiederum den gemessenen Wert produzieren (Impuls, Spin oder was auch immer), da sich die Wellenfunktion in einem Eigenzustand zum Messwert befindet.
---
Sehe grad: ich widerspreche dir gar nicht, denn du diskutierst was wäre KD ohne Kollaps.

Bernhard
31.07.18, 18:30
Es wäre interessant, das zu lesen.
Schick mir ne PN mit deiner eMail-Adresse. Dann schicke ich es dir. Du solltest da aber nicht zu viel erwarten. Es handelt sich auch um eine Festschrift.

Vermutlich geht es u.a. um den Kollaps der Wellenfunktion.
Es geht vor allem um die Forderung und den Vorschlag einer Axiomatisierung der QM.

BTW: Je länger ich über den Vorgang einer Messung nachdenke, desto mehr erscheint mir eine informationstheoretische Beschreibung als sinnvoll. Man befreit damit recht elegant Schrödingers Katze von "immerwährenden Toden" und bekommt auch Hinweise auf die generelle Natur der QM.

Ich halte es für beispielsweise für plausibel, dass die QM vor allem deswegen entstanden ist, weil unser Wissen vom Mikrokosmos prinzipiell und technisch gesehen sehr unvollständig ist und das legt die Verwendung von Wahrscheinlichkeiten nahe.

Timm
31.07.18, 20:15
Nein, wesentlicher Teil der Kopenhagener Deutung ist die sog. Kollapshypothese: die Messung impliziert eine Reduktion der Wellenfunktion auf die Eigenfunktion zum gemessenen Wert,


Mich würde interessieren, was Du von Zeilinger’s Position hältst, wonach die Wellenfunktion nicht kollabiert. Damit entfällt auch die Nichtlokalität des Kollapses. Es “zieht sich nichts auf einen Punkt zusammen”, wenn die Wellenfunktion kein physikalisches Ding ist, sondern nichts weiter als eine Rechen Vorschrift.
Man müßte mal schauen, was Kritiker dazu sagen, die KI ohne Kollaps.

TomS
31.07.18, 21:28
Wenn das “offensichtlich falsch ist”, weshalb ist das dann nicht der Garaus der KI?
Weshalb bleibt es nach der KI nicht bei up, wenn up aufgrund der ersten Messung bereits feststeht?
Ich erkläre doch gerade, dass die KI nicht falsch ist, wenn die Projektion angewandt wird; diese ist im Falle wiederholter Messungen zwingend.

Wenn Zeilinger eine orthodoxe QM ohne Kollaps befürwortet, dann klingt dies für mich so, als ob er einen Kollaps des realen Systems ausschließt, jedoch eine Pojektion des Zustandsvektors anwendet. Das ist natürlich konsistent, jedoch um den Preis, dass er auf jegliche Beschreibung des realen Systems vollständig verzichten muss.

Zeilinger kann das natürlich konsistent anwenden, er ist damit sicher nicht der erste, ich persönlich halte diese Interpretation jedoch für nicht überzeugend.

Mich würde interessieren, was Du von Zeilinger’s Position hältst, wonach die Wellenfunktion nicht kollabiert. Damit entfällt auch die Nichtlokalität des Kollapses. Es “zieht sich nichts auf einen Punkt zusammen”, wenn die Wellenfunktion kein physikalisches Ding ist, sondern nichts weiter als eine Rechen Vorschrift.
Man müßte mal schauen, was Kritiker dazu sagen, die KI ohne Kollaps.
Ich wäre mit dem Sprachgebrauch vorsichtig. Ob du es Kollaps oder Projektion nennst, ist letztlich egal. Es gibt da auch keine einheitliche Sicht, die Kopenhagener Schule hat auch nie einen wirklich eindeutigen Sprachgebrauch entwickelt.

Natürlich muss man nicht annehmen, dass etwas Reales kollabiert, wenn man vollständig darauf verzichtet, dass der Formalismus der QM irgendeinen realen Vorgang beschreibt.

Aber man kann nie auf die Projektion des Zustandsvektors oder der Wellenfunktion verzichten, andernfalls sind die Vorhersagen im Falle wiederholter Messungen falsch.

Man kann also lediglich die Position einnehmen, dass die Projektion des Zustandsvektors keinem real stattfindenden Kollaps entspricht. Wie gesagt, ich halte das für unbefriedigend.

TomS
31.07.18, 21:47
Je länger ich über den Vorgang einer Messung nachdenke, desto mehr erscheint mir eine informationstheoretische Beschreibung als sinnvoll. Man befreit damit recht elegant Schrödingers Katze von "immerwährenden Toden" und bekommt auch Hinweise auf die generelle Natur der QM.

Ich halte es für beispielsweise für plausibel, dass die QM vor allem deswegen entstanden ist, weil unser Wissen vom Mikrokosmos prinzipiell und technisch gesehen sehr unvollständig ist und das legt die Verwendung von Wahrscheinlichkeiten nahe.
Das ist lediglich eine der modernen Spielarten der orthodoxen Interpretation: der Zustandsvektor kodiert unser Wissen über das System; die Projektion entspricht einem Zuwachs an Wissen.

Ich persönlich halte diese informationstheoretische Sicht für genauso unbefriedigend wie die „alte Kopenhagener Schule“.

Timm
31.07.18, 22:36
Das ist natürlich konsistent, jedoch um den Preis, dass er auf jegliche Beschreibung des realen Systems vollständig verzichten muss.

Es bleibt wie häufig bei Diskussionen dieser Art bei subjektiven Standpunkten. Etwa so, der Verzicht auf die Beschreibung des realen Systems (der ja die Richtigkeit der Vorhersagen nicht tangiert) fällt leichter als die Vielen Welten als ebenso real anzunehmen, wie unsere täglich erlebte Welt.

TomS
01.08.18, 00:38
... der Verzicht auf die Beschreibung des realen Systems (der ja die Richtigkeit der Vorhersagen nicht tangiert) fällt leichter als die Vielen Welten als ebenso real anzunehmen, wie unsere täglich erlebte Welt.
Das bedeutet, Äpfel mit Birnen zu vergleichen.

Wenn ich auf die Beschreibung der Realität verzichten möchte, dann kann ich das konsistent tun. Ich muss jedoch akzeptieren, dass die funktionierende Vorhersage von Messergebnissen auf Basis einer Theorie, die die Realität explizit nicht beschreibt, rätselhaft bleibt.

Die vielen Welten zu akzeptieren fällt sicher nicht leicht. Wenn ich jedoch einen Formalismus habe, der neben vielen anderen korrekten Vorhersagen zusätzlich noch diese eine macht, und wenn ich die Existenz der vielen Welten sogar explizit akzeptiere solange sie sich auf die mikroskopische Größenordnung beziehen, dann sollte ich jeder Argumentation skeptisch gegenüberstehen, die die Existenz der vielen Welten verbietet, ohne dies konsistent begründen zu können: gemäß der orthodoxen Interpretation wird die Existenz vieler Welten durch das Projektionspostulat im Widerspruch zur Schrödingergleichung verboten.

Dass ich also eine Theorie rein bzgl. ihrer korrekte Vorhersagen der Messergebnisse akzeptiere, ist etwas anderes, als dass ich die selbe Theorie einschließlich ihrer inkonsistenten Verwendung von Begriffen und Prozessen sowie der rein instrumentalischen Auffassung jedoch gleichzeitig der Ablehnung der vielen Welten akzeptiere. Ersteres ist OK, letzteres nicht.

Wenn ich rein instrumentalischen denke, kann ich konsistent mit der orthodoxen QM arbeiten, darf jedoch daraus keinerlei Schlüsse bzgl. der Everettschen QM ziehen - außer dass ich sie aufgrund meiner instrumentalischen Haltung von vornehmeren ablehne. Die orthodoxen QM hat bzgl. der Existenz der vielen Welten keinerlei Aussagekraft; das übersehen ihre Anhänger gerne.

Wenn ich Everett kritisieren will - und dazu gibt es durchaus Gründe - dann muss ich dies aus seiner Interpretation heraus tun, nicht auf Basis einer vollkommen ungeeigneten Interpretation, die über ein shut-up-and-calculate hinaus nichts liefert. Das ist der Grundfehler vieler angeblicher Argumente gegen Everett.

Timm
01.08.18, 08:54
Ich sprach nicht von Kritik (Deinen disbezüglichen Ausführungen habe ich nicht widersprochen), sondern von “subjektiven Standpunkten” nachdem Du den Preis ins Spiel gebracht hast: “das ist konsistent, jedoch um den Preis, daß ...”

TomS
01.08.18, 09:56
Ich sprach nicht von Kritik (Deinen disbezüglichen Ausführungen habe ich nicht widersprochen), sondern von “subjektiven Standpunkten” nachdem Du den Preis ins Spiel gebracht hast: “das ist konsistent, jedoch um den Preis, daß ...”
OK.

Ja, es gibt bei diesen Diskussionen sicher - wie immer wenn's um Interpretationen geht - subjektive Aspekte.

Man kann jedoch auch objektive Aspekte finden, wenn man sich Mühe gibt :-)

Wichtig war mir nur, dass man sauber trennt, welche Positionen welche Argumentationen stützen und welche nicht. Dabei ist die Argumentation möglicherweise nicht wissenschaftlich im Popperschen Sinne der Falsifizierbarkeit, und damit eben auch nicht richtig oder falsch in diesem Sinne. Die Argumentation kann aber dennoch objektiv logisch oder unlogisch sein.

Der letzte Punkt ist mir in diesem Zusammenhang besonders wichtig, weil ich die Argumente der Vertreter von "Kopenhagen" gegen "Everett" häufig für zutiefst unlogisch halte.

Zunächst bezieht man rein subjektiv einen Standpunkt wie z.B. "pro Positivismus" und "shut-up-and-clacluate"; damit verbunden ist der Verzicht auf ontologische Aussagen. Unter dieser Voraussetzung ist eine Kritik aus Sicht von "shut-up-and-calculate" an "many worlds" objektiv unlogisch.

Hawkwind
01.08.18, 12:11
Mich würde interessieren, was Du von Zeilinger’s Position hältst, wonach die Wellenfunktion nicht kollabiert. Damit entfällt auch die Nichtlokalität des Kollapses. Es “zieht sich nichts auf einen Punkt zusammen”, wenn die Wellenfunktion kein physikalisches Ding ist, sondern nichts weiter als eine Rechen Vorschrift.
Man müßte mal schauen, was Kritiker dazu sagen, die KI ohne Kollaps.

Soweit ich weiss, diskutiert Zeh nicht die "KI ohne Kollaps", sondern verfolgt einen anderen Ansatz: "Herauskristallisierung" der klassischen Eigenschaften eines Systems aufgrund permanenter Wechselwirkungen mit der Umgebung ("Dekohärenz"), oder meinst du etwas anderes?

----

Mir kommt vor, dass der Verzicht auf den Kollaps bei der KI Konsequenzen für Beobachtungen hätte ... von der Art, wie Tom sie oben beschrieb: die gemessene Observable hätte nach einer Messung keinen "scharfen Zustand", was im Prinzip leicht überprüfbar wäre durch nachfolgende Messungen derselben Observablen und sicher im Widerspruch zu Beobachtungen stünde? Ich weiss nicht, ob und wie Zeh so einen Widerspruch vermeidet?

TomS
01.08.18, 12:29
Soweit ich weiss, diskutiert Zeh nicht die "KI ohne Kollaps", sondern verfolgt einen anderen Ansatz: "Herauskristallisierung" der klassischen Eigenschaften eines Systems aufgrund permanenter Wechselwirkungen mit der Umgebung ("Dekohärenz"), oder meinst du etwas anderes?
Das klingt für mich nicht logisch.

Ja, man kann mittels der Dekohärenz argumentieren, dass und warum sich die klassische Welt ausbildet. Man kann jedoch nicht argumentieren, dass genau eine und warum genau diese Welt entsteht - die Dekohärenz führt zunächst mathematisch auf eine Struktur a la Everett.

D.h. dass man sich auch mit Berücksichtigung der Dekohärenz entscheiden muss, ob man eine Art Projektion oder Kollaps einführt, oder ob man bei Everett bleibt.

----

Mir kommt vor, dass der Verzicht auf den Kollaps bei der KI Konsequenzen für Beobachtungen hätte ... von der Art, wie Tom sie oben beschrieb: die gemessene Observable hätte nach einer Messung keinen "scharfen Zustand", was im Prinzip leicht überprüfbar wäre durch nachfolgende Messungen derselben Observablen und sicher im Widerspruch zu Beobachtungen stünde? Ich weiss nicht, ob und wie Zeh so einen Widerspruch vermeidet?
Das sehe ich auch nicht.

Bernhard
01.08.18, 12:34
Zunächst bezieht man rein subjektiv einen Standpunkt wie z.B. "pro Positivismus" und "shut-up-and-clacluate"; damit verbunden ist der Verzicht auf ontologische Aussagen. Unter dieser Voraussetzung ist eine Kritik aus Sicht von "shut-up-and-calculate" an "many worlds" objektiv unlogisch.
Wie wäre es, wenn man die Tätigkeit des Beobachters mitbetrachtet?

Der Beobachter macht u.U. ungenaue Einschätzungen, wie z.B. das Elektron befindet sich in einem gewissen Bereich der Breite L. Diese Mehrdeutigkeit ist in der QM erlaubt und geht als Anfangsbedingung in die Wellenfunktion ein.

Diese Mehrdeutigkeit scheint mir aber Toms Darstellung der VWI (teilweise ?) zu widersprechen.

TomS
01.08.18, 12:49
Wie wäre es, wenn man die Tätigkeit des Beobachters mitbetrachtet?

Der Beobachter macht u.U. ungenaue Einschätzungen, wie z.B. das Elektron befindet sich in einem gewissen Bereich der Breite L. Diese Mehrdeutigkeit ist in der QM erlaubt und geht als Anfangsbedingung in die Wellenfunktion ein.

Diese Mehrdeutigkeit scheint mir aber Toms Darstellung der VWI (teilweise ?) zu widersprechen.
Das verstehe ich nicht.

Der Beobachter ist doch nur ein weiteres "Messgerät", das sensorischen Input in Output übersetzt. Diese Übersetzung folgt den selbe fundamentalen Regeln der QM wie alles andere auch.

Evtl. habe ich deinen Einwand aber auch nicht richtig verstanden.

Bernhard
01.08.18, 13:50
Der Beobachter ist doch nur ein weiteres "Messgerät", das sensorischen Input in Output übersetzt. Diese Übersetzung folgt den selbe fundamentalen Regeln der QM wie alles andere auch.
OK. Guter Einwand.

Es bliebe dann nur noch die Frage nach den Wahrscheinlichkeiten. Um zu realen Messerbnissen mit Wahrscheinlichekeit 1 (d.h. Beobachter A misst tatsächlich den Wert xy) zu kommen, müsste man innerhalb der VWI dann doch auch mit den Eigenzuständen der Observablen argumentieren?

TomS
01.08.18, 14:57
OK. Guter Einwand.

Es bliebe dann nur noch die Frage nach den Wahrscheinlichkeiten. Um zu realen Messerbnissen mit Wahrscheinlichekeit 1 (d.h. Beobachter A misst tatsächlich den Wert xy) zu kommen, müsste man innerhalb der VWI dann doch auch mit den Eigenzuständen der Observablen argumentieren?
Letztlich ja.

Die Dekohärenz sagt uns, dass die resultierende Komponenten zwar nicht exakt |a,A> entsprechen, jedoch extrem präzise um |a,A> gepeaked ist. D.h. dass nach Kopenhagen

|ψ> → |a,A>

p(a) = |<ψ|a,A>|² = |α|²

exakt gilt, während nach Everett

|ψ> → α|a,A> + β|b,B> + ...

p(a) = |<ψ|a,A>|² = |α|²

rein praktisch in extrem guter Näherung gilt.

→ bezeichnet die Projektion nach Kopenhagen bzw. die Zeitentwicklung entsprechend der Dekohärenz, jeweils im Zuge der Messung.

Eigtl. müsste man über einen kleinen Bereich im Hilbertraum integriren, d.h. so etwas wie

∫ da dA tr(ρÂ)

betrachten; da und dA bezeichnen Maße im Hilbertraum, tr steht für die Spur, ρ = |ψ><ψ| für den Dichteoperator und  für den jeweiligen Projektor; das Integral ∫ läuft dabei über einen kleinen Bereich im Hilbertraum.

Die Anwendung des Projektionspostulates und der Bornschen Regel werden also nachträglich durch die Eigenschaften der Dekohärenz gerechtfertigt.

Damit wird klar, warum die Regeln gemäß Born, von Neumann et al weiterhin praktisch (fapp) gültig bleiben


∫ da dA tr(ρÂ)

entspricht dabei dem Wahrscheinlichkeitsmaß entsprechend der Bornschen Regel; dieses Wahrscheinlichkeitsmaß ist eindeutig, d.h. man kann kein anderes Wahrscheinlichkeitsmaß auf einem Hilbertraum konstruieren.

Timm
01.08.18, 16:45
Wir hatten weiter oben von Weizsäcker's Ansatz gesehen, sich von der Realität aller Welten zu distanzieren. Gänzlich unverdächtig ist Dieter Zeh (leider schon verstorben). Er schreibt in seinem sehr lesenswerten Artikel Wozu braucht man “Viele Welten” in der Quantentheorie? (http://www.rzuser.uni-heidelberg.de/~as3/VieleWelten.pdf)

3. Müssen alle “Welten” tatsächlich existieren?

Das müssen sie sicher nicht. Nur ihre Konsequenzen sowie Argumente der Ökonomie der Beschreibung können über die Berechtigung der Annahme ihrer Existenz entscheiden. Wenn wir innerhalb der Viele-Welten-Vorstellung die Tatsache akzeptieren, daß wir als lokale Beobachter nach dem Eintreten eines Dekohärenzereignisses (etwa bei der Messung eines mikroskopischen
Objektes) subjektiv in einer der dabei voneinander unabhängig gewordenen
Komponenten des Quantenuniversums leben, könnten wir ebensogut auch annehmen, daß alle anderen von nun an nicht mehr “existieren” – auch wenn wir im Experiment niemals eine objektive Modifikation der Schrödinger-Gleichung nachweisen können. Dies scheint sogar die ökonomischere Annahme zu sein, für die deswegen oftmals “Occams Rasiermesser” ins Feld geführt wird, mit dem man alles Überflüssige und nicht Nachprüfbare aus unserem Weltbild
entfernen soll. Ich hatte im vorangegangenen Teil des Artikels den Eindruck gewonnen, daß tatsächlich alle Welten existieren müssen und Herrn Zeh 2009 deshalb gefragt:

Trotz vielfachen Lesens werde ich mit mit Ihrer Antwort auf die Frage 3. Müssen alle "Welten" tatsächlich existieren? nicht fertig. Ihre Antwort lautet: "Das müssen sie sicher nicht." Sie mag ökonomisch sein, wenn man bedenkt, daß es zwischen den Welten keine kausalen Wechselwirkungen gibt, aber ist sie sachlich - vielleicht sollte ich eher sagen global gesehen - wirklich richtig? Man spricht ja auch in der ART raumartig separierten Ereignissen nicht die Existenz ab. Es ist die Ungleichbehandlung der vielen Welten, die mich verwirrt. Denn Sie schreiben:

"Diese Identifikation von (offenbar auch bewußten) Beobachtern mit Zuständen lokaler Syteme in individuellen, sich ständig kausal verzweigenden Komponenten einer universellen, ein Multiversum
beschreibenden Wellenfunktion ist im Vergleich zu konventionellen
Weltbildern sicher ganz neuartig."

Aber wenn das so ist, dann erwarte ich zwingend, daß alle Komponenten und damit alle Welten, gleichermaßen tatsächlich existieren, und unabhängig davon, welche dieser Welten ich subjektiv als meine Welt empfinde.
Darauf Zeh's Antwort:

"ich teile durchaus Ihre persoenliche "Erwartung", dass alle Welten
gleichermassen existieren, wenn sich die Gueltigkeit der QT nicht
irgendwo als begrenzt erweist. Aber die Betonung lag bei mir auf dem
"muessen". Es gibt rein logisch viele Moeglichkeiten, dieser
Konsequenz zu entgehen, und so haengt alles davon ab, was man als
plausibel oder akzeptabel ansieht. Genau darin unterscheiden sich aber
auch die "Profis". Ich zeige das, weil offenbar die Realität aller Welten, die hier von Tom nach meinem Eindruck kategorisch vertreten wird, selbst im Rahmen der VWI nicht unumstritten ist. Für mich persönlich ist der "Preis" der kategorischen Sichtweise zu hoch.

Bernhard
01.08.18, 17:01
Ich zeige das, weil offenbar die Realität aller Welten, die hier von Tom nach meinem Eindruck kategorisch vertreten wird,
Hä? Tom hat doch überdeutlich klar gemacht, dass die Realität aller Welten praktisch nichts mit der VWI zu tun hat :confused:

Bernhard
01.08.18, 17:05
Letztlich ja.

Die Dekohärenz sagt uns, dass die resultierende Komponenten zwar nicht exakt |a,A> entsprechen, jedoch extrem präzise um |a,A> gepeaked ist.

Das klingt so, als wären exakte Eigenzustände prinzipiell unrealistisch.

Timm
01.08.18, 17:15
Hä? Tom hat doch überdeutlich klar gemacht, dass die Realität aller Welten praktisch nichts mit der VWI zu tun hat :confused:
Das verstehe ich nicht.

Die vielen Welten zu akzeptieren fällt sicher nicht leicht. Wenn ich jedoch einen Formalismus habe, der neben vielen anderen korrekten Vorhersagen zusätzlich noch diese eine macht, und wenn ich die Existenz der vielen Welten sogar explizit akzeptiere solange sie sich auf die mikroskopische Größenordnung beziehen, dann sollte ich jeder Argumentation skeptisch gegenüberstehen, die die Existenz der vielen Welten verbietet, ohne dies konsistent begründen zu können

Bernhard
01.08.18, 17:26
Das verstehe ich nicht.
Siehe z.B. hier:
http://quanten.de/forum/showpost.php5?p=88179&postcount=47

Timm
01.08.18, 17:45
Siehe z.B. hier:
http://quanten.de/forum/showpost.php5?p=88179&postcount=47
Hier geht's um Everett, nicht um die nach Everett VWI, wie sie etwa Zeh vertreten hat. Dessen Artikel (den oben erwähnten, es gibt noch weitere von ihm zu dieser Thematik) empfehle ich Dir.

TomS
01.08.18, 17:50
Ich möchte Zeh nicht kommentieren. Ich hatte mehrfach Mailkontakt mit ihmund war immer wieder enttäuscht, dass seine Aussagen teilweise recht unklar blieben.

Standard-Ansicht von Everett et al. ist:

Everett postuliert keine neue Welten, er akzeptiert lediglich das Ergebnis der Schrödingergleichung als Beschreibung der Realität. Für mikroskopische Skalen stimmen hier alle Physiker überein; für makroskopische Skalen oder “Messungen” postulieren viele einen Kollaps, führen also ad hoc ein zusätzliches Element ein, um bestimmte Konsequenz zu vermeiden. Everett akzeptiert die Konsequenzen auch bzgl. makroskopischer Systeme, vermeidet den ad hoc Kollaps und nimmt damit der Messung und dem Beobachter ihren Sonderstatus
D.h. man akzeptiert die durch Schrödingergleichung und Dekohärenz resultierende Auffächerung in makroskopisch getrennte Zweige.

Wenn Zeh etwas anderes sagt, dann ist das m.E. nicht Konsens innerhalb der Community sondern sozusagen eine Zwischenlösung. Zeh hat aber m.W.n. nie explizit pro Everett argumentiert, sondern eher pragmatisch auf Basis Dekohärenz.

TomS
01.08.18, 17:53
Das klingt so, als wären exakte Eigenzustände prinzipiell unrealistisch.
Wenn man ausschließlich Dekohärenz ohne Projektionspostulat annimmt, dann werden die Eigenzustände sicher nie exakt eingenommen, jedoch in extrem guter Näherung.

TomS
01.08.18, 18:42
Hier ein guter Artikel:

http://www.preposterousuniverse.com/blog/2014/06/30/why-the-many-worlds-formulation-of-quantum-mechanics-is-probably-correct/

Hawkwind
01.08.18, 19:04
Wenn man ausschließlich Dekohärenz ohne Projektionspostulat annimmt, dann werden die Eigenzustände sicher nie exakt eingenommen, jedoch in extrem guter Näherung.

Hmm, das mag so sein, wenn ein Kontinuum von Eigenzuständen vorliegt. Bei gebundenen Zuständen haben wir aber ein diskretes Spektrum; die Orbitale im Atom z.B. entsprechen nach meinem Verständnis exakt den Energie-Eigenzuständen.

TomS
01.08.18, 19:16
Hmm, das mag so sein, wenn ein Kontinuum von Eigenzuständen vorliegt. Bei gebundenen Zuständen haben wir aber ein diskretes Spektrum; die Orbitale im Atom z.B. entsprechen nach meinem Verständnis exakt den Energie-Eigenzuständen.
In der QM existiert kein Mechanismus, der fordert, dass Systeme ausschließlich in Eigenzuständen existieren. Und nach Everett = ohne Kollaps existiert kein Mechanismus, der ein System in einen Eigenzustand zwingt.

Timm
01.08.18, 19:55
Soweit ich weiss, diskutiert Zeh nicht die "KI ohne Kollaps", sondern verfolgt einen anderen Ansatz: "Herauskristallisierung" der klassischen Eigenschaften eines Systems aufgrund permanenter Wechselwirkungen mit der Umgebung ("Dekohärenz"), oder meinst du etwas anderes?

----

Mir kommt vor, dass der Verzicht auf den Kollaps bei der KI Konsequenzen für Beobachtungen hätte ... von der Art, wie Tom sie oben beschrieb: die gemessene Observable hätte nach einer Messung keinen "scharfen Zustand", was im Prinzip leicht überprüfbar wäre durch nachfolgende Messungen derselben Observablen und sicher im Widerspruch zu Beobachtungen stünde? Ich weiss nicht, ob und wie Zeh so einen Widerspruch vermeidet?
Aus Zeilinger's Einsteins Schleier:

S. 166 "Die Kopenhagener Interpretation sagt nun, dass es sinnlos sei, von Eigenschaften zu reden, die wir gar nicht kennen können."

S. 194 "Es gibt keinerlei Notwendigkeit für die Annahme, daß sich die Wellenfunktion tatsächlich im Raum ausbreitet. Es reicht, sie sich als mentale Konstruktion vorzustellen. Klarerweise hat in dem Moment, in dem wir das Teilchen an einem Ort nachgewiesen haben, die Kugelwelle überhaupt keinen Sinn mehr, denn die Wahrscheinlichkeit, es woanders zu finden, ist dann ja null. ... Dieser Kollaps der Wellenfunktion ist dann aber nicht etwas, was im wirklichen Raum stattfindet. Sondern er ist eine ganz simple Denknotwendigkeit, da ja die Wellenfunktion nichts anderes ist als unser Hilfsmittel zur Berechnung von Wahrscheinlichkeiten."

Ich denke nicht, daß man Zeilinger vorwerfen kann, die konsistente Anwendung der QM nicht verstanden zu haben. Ob sein Verständnis des Kollapses als simple Denknotwendigkeit "eine Projektion des Zustandsvektors" ist, wie Tom das sieht, weiß ich nicht.

Seine Experimente zur Dekohärenz zeigen mit der Temperatur der Quantenobjekte (C70 Fullere) zunehmende Verschränkung mit der Umwelt. Ich bin mir jedoch nicht sicher, ob er das Messresultat klassisch oder quasiklassisch (Verschränkung mit Detektor ist nicht wahrnehmbar) sieht.

Jedenfalls scheint Zeilinger's Position von der üblichen KI abzuweichen.

Timm
01.08.18, 20:18
D.h. man akzeptiert die durch Schrödingergleichung und Dekohärenz resultierende Auffächerung in makroskopisch getrennte Zweige.

Wenn Zeh etwas anderes sagt, dann ist das m.E. nicht Konsens innerhalb der Community sondern sozusagen eine Zwischenlösung. Zeh hat aber m.W.n. nie explizit pro Everett argumentiert, sondern eher pragmatisch auf Basis Dekohärenz.
Das müßte ich nochmal nachlesen.

Die vielen Welten zu akzeptieren fällt sicher nicht leicht. Wenn ich jedoch einen Formalismus habe, der neben vielen anderen korrekten Vorhersagen zusätzlich noch diese eine macht, und wenn ich die Existenz der vielen Welten sogar explizit akzeptiere solange sie sich auf die mikroskopische Größenordnung beziehen, dann sollte ich jeder Argumentation skeptisch gegenüberstehen, die die Existenz der vielen Welten verbietet, ohne dies konsistent begründen zu können.
Das hatte ich so verstanden, daß gemäß VWI die vielen Welten real existieren, wie es auch Wikipedia schreibt. Falls nicht, was genau sagt die VWI hierzu?

TomS
01.08.18, 22:12
S. 166 "Die Kopenhagener Interpretation sagt nun, dass es sinnlos sei, von Eigenschaften zu reden, die wir gar nicht kennen können."
Es gibt sicher nicht „die“ Kopenhagener Interpretation, und demnach auch nicht unbedingt Konsens.

Ich denke, der kleinste und sicher gemeinsame Nenner innerhalb der instrumentalistischen Schule ist, dass es nicht notwendig ist, von Eigenschaften zu reden, die wir gar nicht kennen können.

S. 194 "Es gibt keinerlei Notwendigkeit für die Annahme, daß sich die Wellenfunktion tatsächlich im Raum ausbreitet. Es reicht, sie sich als mentale Konstruktion vorzustellen. Klarerweise hat in dem Moment, in dem wir das Teilchen an einem Ort nachgewiesen haben, die Kugelwelle überhaupt keinen Sinn mehr, denn die Wahrscheinlichkeit, es woanders zu finden, ist dann ja null. ... Dieser Kollaps der Wellenfunktion ist dann aber nicht etwas, was im wirklichen Raum stattfindet. Sondern er ist eine ganz simple Denknotwendigkeit, da ja die Wellenfunktion nichts anderes ist als unser Hilfsmittel zur Berechnung von Wahrscheinlichkeiten."
Wie schon gesagt, unter der Voraussetzung des Instrumentalismus entfällt die Notwendigkeit des realen Kollapses eines realen Objektes. Es bleibt lediglich die Projektion des Zustandsvektors.

Ich denke nicht, daß man Zeilinger vorwerfen kann, die konsistente Anwendung der QM nicht verstanden zu haben. Ob sein Verständnis des Kollapses als simple Denknotwendigkeit "eine Projektion des Zustandsvektors" ist, wie Tom das sieht, weiß ich nicht.
Ich denke schon.

Jedenfalls scheint Zeilinger's Position von der üblichen KI abzuweichen.
Was meinst du mit „der Position von der üblichen KI“?

Ich denke, dass insbs. Bohr hier sehr vorsichtig war, und dass Zeilinger eine nahe verwandte Sichtweise vertritt.

Der „reale Kollaps“ ist inkonsistent und insbs. nicht notwendig. Das hat sich schon herumgesprochen:-)

Wahrscheinlich ist es aber so, dass viele Physiker sehr unsauber argumentieren, wenn es um diese Interpretation geht, weil das nicht ihr Tagesgeschäft ist.

Die Kopenhagener Deutung in ihrer ursprünglichen Version von Niels Bohr verneint nun die Existenz jeglicher Beziehung zwischen den Objekten des quantentheoretischen Formalismus einerseits und der „realen Welt“ andererseits, die über dessen Fähigkeit zur Voraussage von Wahrscheinlichkeiten von Messergebnissen hinausgeht. Einzig den durch die Theorie vorhergesagten Messwerten, und damit klassischen Begriffen, wird eine unmittelbare Realität zugewiesen. In diesem Sinne ist die Quantenmechanik eine nichtreale Theorie.

Die Kopenhagener Deutung wird oft, sowohl von einigen ihrer Anhänger wie von einigen ihrer Gegner, dahingehend missdeutet, als behaupte sie, was nicht beobachtet werden kann, das existiere nicht. Diese Darstellung ist logisch ungenau. Die Kopenhagener Auffassung verwendet nur die schwächere Aussage: ‚Was beobachtet worden ist, existiert gewiss; bezüglich dessen, was nicht beobachtet worden ist, haben wir jedoch die Freiheit, Annahmen über dessen Existenz oder Nichtexistenz einzuführen.‘ Von dieser Freiheit macht sie dann denjenigen Gebrauch, der nötig ist, um Paradoxien zu vermeiden.
(Carl Friedrich von Weizsäcker)

TomS
01.08.18, 22:22
Das hatte ich so verstanden, daß gemäß VWI die vielen Welten real existieren, wie es auch Wikipedia schreibt. Falls nicht, was genau sagt die VWI hierzu?
Ich denke nicht, dass es „die“ VWI gibt; aber so wie ich maßgebliche Physiker verstanden habe, erscheint ihnen die reale Existenz tatsächlich das logisch geringste Übel zu sein.

Für mich eine der überzeugendsten Darstellungen:

Why the Many-Worlds Formulation of Quantum Mechanics Is Probably Correct (http://www.preposterousuniverse.com/blog/2014/06/30/why-the-many-worlds-formulation-of-quantum-mechanics-is-probably-correct/)

Bernhard
02.08.18, 07:39
Für mich eine der überzeugendsten Darstellungen:
Sorry, aber für mich ist das reine Ansichtssache, genauso wie der nicht nachvollziehbare Verzicht auf exakte Eigenzustände. Zwingend oder überzeugend wirkt das auf mich nicht, eher im Gegenteil. Die Idee einer globalen Wellenfunktion finde ich da schon interessanter. Allerdings glaube ich, dass man diese auch nach den herkömmlichen Gesetzen der QM interpretieren kann.

TomS
02.08.18, 10:13
Sorry, aber für mich ist das reine Ansichtssache ...
So einfach ist das nicht.

Wie ich schon mehrfach ausgeführt habe, ist der Startpunkt für eine Interpretation der Quantenmechanik natürlich subjektiv. Wenn ich jedoch diesen Startpunkt festgelegt und mein Axiomensystem definiert habe, dann sind die daraus folgenden Konsequenzen nicht mehr Ansichtssache sondern hoffentlich logische Schlussfolgerungen.

Und diesbzgl. ist Carroll's Artikel lesenswert, da er sich Mühe gibt, die intrinsische Logik der Everett-Interpretation - ergänzt um die Dekohärenz - darzustellen. Das gelingt ihm m.E. deutlich besser als Zeh.

... genauso wie der nicht nachvollziehbare Verzicht auf exakte Eigenzustände.
Warum ist das nicht nachvollziehbar?

Es gibt genau ein Postulat, nämlich den Kollaps bzw. das Projektionspostulat, aus dem überhaupt exakte Eigenzustände folgen. Wenn ich also auf den Kollaps verzichte und ausschließlich eine unitäre Zeitentwicklung betrachte, dann besteht überhaupt kein Grund, warum exakte Eigenzustände auftreten sollten; im Gegenteil, sie werden nicht auftreten.

Nehmen wir der Einfachheit halber an, die Energie eines Gesamtsystems sei erhalten und es liege diesbzgl. ein Eigenzustand vor. Nun messe ich Observablen eines Teilsystems, z.B. dessen Energie oder dessen Spin. Diese Observablen vertauschen i.A. nicht mit dem Hamiltonoperator des Gesamtsystems, und damit resultiert diesbzgl. kein Eigenzsutand. Das ist logisch nachvollziehbar und völlig unstrittig - unabhängig von jeglicher Interpretation.

Wie gesagt, erst eine spezielle Interpretation unter Verwendung des Projektionspostulates erzwingt exakte Eigenzustände.

Offensichtlich sind exakte Eigenzustände auch unnötig, denn die Dekohärenz führt mathematisch nachvollziehbar auf näherungsweise Eigenzustände, die messtechnisch nicht unterscheidbar sind und aus denen korrekte Vorhersagen abgeleitet werden können

Zwingend oder überzeugend wirkt das auf mich nicht, eher im Gegenteil.
Dann sollten wir Carroll's Darstellung evtl. nochmal diskutieren.

Die Idee einer globalen Wellenfunktion finde ich da schon interessanter. Allerdings glaube ich, dass man diese auch nach den herkömmlichen Gesetzen der QM interpretieren kann.
Natürlich kann man das auch anders interpretieren, das habe ich nie bestritten.


Mein Eindruck ist, dass du Everett ausgehend von der der Haltung "... aber das kann doch nicht sein, weil in der QM ist doch ..." kritisierst. Diese Haltung musst du aufgeben! Du musst Everett ernst nehmen, die logischen Schlussfolgerungen nachvollziehen bzw. auf Lücken überprüfen und zunächst mal für sich alleine bewerten; was Bohr., Heisenberg u.v.a.m. gesagt und interpretiert haben ist zunächst völlig egal. Anschließend kannst du beide Theorien vergleichen (*) Dabei wirst du feststellen, dass Everett falsifizierbare Aussagen macht - vergleichbar zur orthodoxen QM, und dass beide im Rahmen der erzielbaren Messgenauigkeit übereinstimmen. Zuletzt kannst du dir dann überlegen, welche eher philosophische Position du zur Anwendung bringen möchtest - das - aber erst das - ist dann Geschmacksache.

*) letztlich liegt bei Everett tatsächlich eine eigenständige Theorie vor, da sich das Axiomensystem unterscheidet.


Der wichtigste Absatz steht m.E. am Ende:

Sadly, most people who object to EQM do so for the silly reasons, not for the serious ones. But even given the real challenges of the preferred-basis issue and the probability issue, I think EQM is way ahead of any proposed alternative. It takes at face value the minimal conceptual apparatus necessary to account for the world we see, and by doing so it fits all the data we have ever collected. What more do you want from a theory than that?

Bernhard
02.08.18, 12:00
Sadly, most people who object to EQM do so for the silly reasons, not for the serious ones.
Falls Carrol motivieren will, so ist das schon ziemlich unglücklich formuliert :p .

TomS
02.08.18, 12:24
Falls Carrol motivieren will, so ist das schon ziemlich unglücklich formuliert :p .
Es ist aber die Wahrheit.

:D

Ich habe wenige physikalische Ideen gesehen, die so radikal sind wie die Everettsche QM und an der noch so viel auszusetzen wäre. Sie ist zunächst mathematisch an einigen Stellen noch nicht wasserdicht, z.B. existiert sicher kein allgemein akzeptierter Beweis für Beweis für die Ableitung der Bornschen Regel. Und sie ist bzgl. der Interpretation noch umstritten, insbs,. warum Amplituden von Komponenten als Wahrscheinlichkeiten zu interpretieren sind.

Die meisten Argumente, die ich gegen Everett lese, sind jedoch lediglich Vorurteile auf Basis einer mindestens ebenso halbgaren und in sich unschlüssigen KI.

Und Carroll hat eben genau das auf den Punkt gebracht.

Nexus
02.08.18, 14:17
Tom Schrieb: Kannn man die VWI "auf den Nenner" bringen,
dass es zu jedem System (inklusive Messapparatur) eine
Wellenfunktion gibt, die das System realistisch im Sinne des
Punktes 1 von hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Bellsc...
Lokalit%C3%A4t beschreibt?

Bell vertritt offensichtlich einen ontologischen Realismus ohne den
vernünftigerweise keine wissenschaftliche oder philosophische Untersuchung
der Natur der Dinge möglich wäre.
Während aber in der Welt der „klassischen Wirklichkeit“ ein Isomorphismus
zwischen Messerwartung und - Ergebnis besteht gibt es in der Quantenmechanik (QM)
keine vor der Messung präexistierende singuläre (reale) Messgröße, da (isolierte)
Quantengrößen (wie z. B. Spin) als eine potentiell nahezu unendliche Zahl von
Quantenbits einer Superposition vorliegen. Bei Messungen von Quantenzuständen
sind daher nur probabilistische Voraussagen („realer“ Werte) , d. h. Messwahrscheinl-
ichkeiten - P(λ) = <v|Pλ|v> - möglich.
Da aber alle unitäre Vektoren im Hilbertraum äquivalent sind, müssten auch alle
möglichen Quantenzustände bei einerMessung real werden und simultan existieren
können. (VWI).
Ob es „zu jedem System …eine Wellenfunktion gibt, die das System realistisch
beschreibt“ hängt letztlich davon ab, wie die Frage der „Wahrscheinlichkeit“ eines
Quanten Zweiges beantwortet wird.
Eine VWI müsste also einen Wahrscheinlichkeitsmaßstab über alle (dekohärenten)
Ergebnisse, die realisiert sind, zur Verfügung stellen.
Gilt z. B. beim „Abzählen“ für N Spins: Ψ: ⊗Ni=1 Ψi, wenn diese in einem identischen
Zustand präpariert sind (Ψi = c+|+>i + c_ |->i) dann werden alle Möglichkeiten (
Messergebnisse) realisiert, auch, wenn alle Spins im Zustand + gemessen werden:
Ψ: ~ | + + + … +> Ist |c+| klein, so ist dieses Ergebnis nach der Born Regel sehr
niedrig. Aber unabhängig vom Wert von c+ beinhaltet er einen der 2N möglichen
Ergebnisse. Jedes der Ergebnisse impliziert die Existenz eines Beobachter
mit jeweils eigenen Bewusstsein.
Ist N hinreichend groß und |c+| ≠ |c_|, kann gezeigt werden, [Buniy und Hsu] ,
dass die große Mehrheit der 2N realisierten Beobachter,
wenn man alle Beobachter gleich zählt, nach der Born Regel ein sehr
unwahrscheinliches Ergebnis sehen (Maeverick Welten). Das Abzählen
möglicher Ergebnisse hängt nicht von c+ bzw. c_ ab, bei Anwendung der
Born Regel hingegen hängen die Ergebnisse von |
c+ + c-| |2 ab, bei N  ∞ .
W. Zureks neuer Ansatz einer Envarinanz - determinierten Ableitung
der Born Regel scheint dieses Dilemma zwischen „abgezählten“ Everett-
Verzweigungen (Maeverick Welten) und der der Anwendung der
Born Regel zu Gunsten der Born Regel überwunden zu haben. Aber die
Diskussion des Quantendarwinismus ist noch im Gange. Daher
scheint eine eindeutige Beantwortung Deiner Frage meiner Meinung
noch nicht möglich.

Hawkwind
02.08.18, 15:19
Sorry, aber für mich ist das reine Ansichtssache, genauso wie der nicht nachvollziehbare Verzicht auf exakte Eigenzustände.

Diesen Gedanken finde ich noch naheliegend. Ein gemessener Wert hat in der Praxis ja unvermeidbar eine Fehlertoleranz, wogegen eine Eigenfunktion 100%ig einen scharfen Wert für eine Messung vorhersagt. Wenn 2 aufeinanderfolgende Messungen derselben Observablen an einem System in unerschiedlichen, aber innerhalb der Fehlertoleranz liegenden, Werten resultieren, dann ist das kein Widerspruch.
Es ist deshalb m.E. naheliegend, davon auszugehen, dass die 1. Messung eine Superposition von Eigenfunktionen um den Messwert herum - mit einer der Fehlertoleranz entsprechenden Breite - präpariert hatte, oder?

Bernhard
02.08.18, 15:57
Es ist deshalb m.E. naheliegend, davon auszugehen, dass die 1. Messung eine Superposition von Eigenfunktionen um den Messwert herum - mit einer der Fehlertoleranz entsprechenden Breite - präpariert hatte, oder?
Oftmals mag das zutreffen. Bei den atomaren Spektren sieht es eventuell schon etwas anders aus. Dort kann man auch den Wert mit sehr hoher Präzision messen, womit wir letztlich bei Vorhersagen durch die VWI wären.

Solange die VWI keine konkreten und überprüfbaren Vorhersagen macht, bleibt alles wohl eher "heiße Luft".

Timm
02.08.18, 17:23
Was meinst du mit „der Position von der üblichen KI“?

Zeilinger spricht definitiv nicht von einer Reduktion der Wellenfunktion. Dieser Begriff scheint in der KI zentral zu sein. Und wie erwähnt schon gar nicht von einem Kollaps. Aus Copenhagen interpretation (https://en.wikipedia.org/wiki/Copenhagen_interpretation)
3. During an observation, the system must interact with a laboratory device. When that device makes a measurement, the wave function of the systems is said to collapse, or irreversibly reduce to an eigenstate of the observable that is registered.[13]

Zum Artikel von Sean Caroll. Er erwähnt Kritiken. Ich sehe aber nicht, daß er auf Zeilinger's Sichtweise eingeht: Es gibt ein Teilchen in der Superposition |up> + |down> und eine Messung mit dem Resultat |up> oder |down>. Dafür liefert die WF eine Wahrscheinlichkeit von 50%, fertg. Wurde dieses eine Teilchen mit |up> gemessen, muß man nicht ein zweites mit |down> in einer anderen Welt vermuten.

TomS
02.08.18, 19:06
Es ist deshalb m.E. naheliegend, davon auszugehen, dass die 1. Messung eine Superposition von Eigenfunktionen um den Messwert herum - mit einer der Fehlertoleranz entsprechenden Breite - präpariert hatte, oder?
Eine Messung im Sinne der KI präpariert immer exakte Eigenfunktionen; das ist ein fundamentales Postulat.

TomS
02.08.18, 19:08
Solange die VWI keine konkreten und überprüfbaren Vorhersagen macht, bleibt alles wohl eher "heiße Luft".
Die Everettsche QM macht im Rahmen der erreichbaren Messgenauigkeit die selben Vorhersagen wir die orthodoxe QM.

Warum ist das nun deiner Meinung nach ein Argument gegen Everett, nicht aber gegen die orthodoxe QM?

TomS
02.08.18, 19:13
Zum Artikel von Sean Caroll. Er erwähnt Kritiken. Ich sehe aber nicht, daß er auf Zeilinger's Sichtweise eingeht: Es gibt ein Teilchen in der Superposition |up> + |down> und eine Messung mit dem Resultat |up> oder |down>. Dafür liefert die WF eine Wahrscheinlichkeit von 50%, fertg. Wurde dieses eine Teilchen mit |up> gemessen, muß man nicht ein zweites mit |down> in einer anderen Welt vermuten.
Das ist keine der Kritiken, die Carroll meint, sondern lediglich eine andere Interpretation.

Andersherum: Es gibt ein Teilchen in der Superposition |up> + |down> und eine Messung mit dem für mich sichtbaren Resultat |up>. Außerdem sagt mir die SGL, dass der andere, unsichtbarer Zweig mit |down> bestehen bleibt. Daher muss man keinen Kollaps im Zuge einer Messung vermuten, wenn man nicht mal sagen kann, was eine Messung von einer gewöhnlichen Wechselwirkung unterscheidet.

Timm
02.08.18, 22:22
Andersherum: Es gibt ein Teilchen in der Superposition |up> + |down> und eine Messung mit dem für mich sichtbaren Resultat |up>. Außerdem sagt mir die SGL, dass der andere, unsichtbarer Zweig mit |down> bestehen bleibt.
Und genau hier scheiden sich die Geister. Vielleicht sollte man mal festhalten, daß zahlreiche prominente Physiker der VWI zuneigen. Andere, wie v. Weizsäcker und offenbar auch Zeh, relativieren den weinig erträglichen Aspekt der realen Existenz dieser Welten. Vielleicht scheiden sich hier theoretische Physiker, für die die konsistente Anwendung der QT entscheidend ist, von den eher pragmatischen Experimentalphysikern.
Was ich nicht mag, ist wenn die eine oder die andere Sicht als Unsinn abgetan wird.

TheoC
02.08.18, 22:41
Tom Schrieb: Kannn man die VWI "auf den Nenner" bringen,
dass es zu jedem System (inklusive Messapparatur) eine
Wellenfunktion gibt, die das System realistisch im Sinne des
Punktes 1 von hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Bellsc...
Lokalit%C3%A4t beschreibt?


Da aber alle unitäre Vektoren im Hilbertraum äquivalent sind, müssten auch alle
möglichen Quantenzustände bei einerMessung real werden und simultan existieren können. (VWI).
....
Eine VWI müsste also einen Wahrscheinlichkeitsmaßstab über alle (dekohärenten)
Ergebnisse, die realisiert sind, zur Verfügung stellen.
Gilt z. B. beim „Abzählen“ für N Spins: Ψ: ⊗Ni=1 Ψi, wenn diese in einem identischen
Zustand präpariert sind (Ψi = c+|+>i + c_ |->i) dann werden alle Möglichkeiten (
Messergebnisse) realisiert, auch, wenn alle Spins im Zustand + gemessen werden:
Ψ: ~ | + + + … +> Ist |c+| klein, so ist dieses Ergebnis nach der Born Regel sehr
niedrig. Aber unabhängig vom Wert von c+ beinhaltet er einen der 2N möglichen
Ergebnisse. Jedes der Ergebnisse impliziert die Existenz eines Beobachter
mit jeweils eigenen Bewusstsein.
Ist N hinreichend groß und |c+| ≠ |c_|, kann gezeigt werden, [Buniy und Hsu] , dass die große Mehrheit der 2N realisierten Beobachter,
wenn man alle Beobachter gleich zählt, nach der Born Regel ein sehr
unwahrscheinliches Ergebnis sehen (Maeverick Welten).


Die Wahrscheinlichkeit in der VWI wird doch umgepolt in die Frage in welcher Welt mein „ich“, also mein mit einer konkreten Erinnerung bestimmtes Wesen, sich befindet, in der Up oder der Down Welt.

Im Einzelfall egal, aber bei einer Abfolge von 100 Entscheidungen (je 50:50) erlebe ich, mit meinem in „diesem Zweig“ befindlichen Bewusstsein doch eine „zufällige“ Reihenfolge dieser Entscheidungen.

Nach der VWI spaltet sich mein Bewusstsein in alle Möglichkeiten mit auf, als zentrales Postulat, weil ich ja ein Teil des Messapparates bin.

Aus der Sicht des Über- Ichs, also der Summe aller meiner postulierten Existenzen gibt es dann aber keine Wahrscheinlichkeit im Außen, alles was passieren kann, passiert, und ich bin in allen diesen Welten gleich enthalten.

Müsste ich (oder irgendwer anderer) dann nicht viel öfters auch völlig unwahrscheinlichste Ereignisse erleben, da diese sich ja nicht von den wahrscheinlicheren unterscheiden, wenn alle Ereignisse so und so passieren, und ich auch in allen diesen Welten vorhanden bin???


Ich bin nicht sicher ob ich meinen Gedanke richtig formulieren kann, aber es erscheint mir unlogisch, dass ich in einer Welt lebe, die sich hochgradig wahrscheinlich verhält, wenn ich sehr viel öfter in Welten existieren müsste, die sehr unwahrscheinlich sind.

Die Reduktion auf eine ausgezeichnete Welt, und das Verschwinden aller anderen, hat doch auch den philosophischen Vorteil, dass ich dann eben logischerweise in einer „wahrscheinlichen“ Welt lebe.

lg
Theo

PS: Ich hab natürlich keine Ahnung wie sich diese Welten voneinander unterscheiden, so ist der Lauf der Dinge ja in der Regel von einzelnen Quantenentscheidungen NICHT abhängig, völlig egal wie sich ein einzelnes Photon der Sonne entscheidet, wird sich das zB Wetter nicht ändern... vielleicht sind sich ja fast alle Welten der VWI so ähnlich???

Dh in der Makrowelt, der realen Physik hängt doch kaum was von einzelnen Quantenentscheidungen ab, da müssten doch die ganzen Welten so und so nahezu ununterscheidbar sein.

TomS
02.08.18, 23:09
Was ich nicht mag, ist wenn die eine oder die andere Sicht als Unsinn abgetan wird.
Ich denke, das tun wir nicht.

Was ich jedoch als Problem sehe ist, dass Everett für Dinge kritisiert wird, die er so nicht sagt, oder dass Kritik gegen Everett trivialerweise gegen die orthodoxe QM umgedreht werden kann:
- Verzicht auf die Eigenzustände? ja warum denn nicht?
- Verzicht auf den Kollaps? ja warum denn nicht, insbs. wenn die Dekohärenz ihn überflüssig macht?
- Glauben die Existenz diverser Zweige? ja warum denn nicht, insbs. wenn wir dies für mikroskopische ohnehin tun
- keine überprüfbaren Vorhersagen? doch, in etwa die selben wie die orthodoxe QM

Ich habe einige Kritikpunkte an Everett geäußert, und es gibt diverse weitere, die es sich zu diskutieren lohnt. Auf die sollten wir eingehen.

TomS
02.08.18, 23:55
Aus der Sicht des Über- Ichs, also der Summe aller meiner postulierten Existenzen gibt es dann aber keine Wahrscheinlichkeit im Außen, alles was passieren kann, passiert, und ich bin in allen diesen Welten gleich enthalten.

Müsste ich (oder irgendwer anderer) dann nicht viel öfters auch völlig unwahrscheinlichste Ereignisse erleben, da diese sich ja nicht von den wahrscheinlicheren unterscheiden, wenn alle Ereignisse so und so passieren, und ich auch in allen diesen Welten vorhanden bin???
Das ist z.B. eine wichtige Frage, und die können wir heute nicht wirklich beantworten.

Die Reduktion auf eine ausgezeichnete Welt, und das Verschwinden aller anderen, hat doch auch den philosophischen Vorteil, dass ich dann eben logischerweise in einer „wahrscheinlichen“ Welt lebe.
Zunächst mal muss die Everettsche QM die korrekten Wahrscheinlichkeiten reproduzieren, andernfalls wäre das kein philosophischer Nachteil sondern sie wäre schlicht falsch.

Tatsache ist, dass die Everettsche QM sämtliche mathematische Strukturen zur Berechnung der korrekten Wahrscheinlichkeiten liefert, jedoch kein Argument, warum wir diese so verwenden und interpretieren sollten.

Betrachten wir einen Würfel mit sechs Seiten, Augenzahlen 1 .. 6 und Augensumme 21. Die Wahrscheinlichkeit je Seite gemäß Abzählen der Seiten liefert jeweils 1/6. Kein Mensch käme auf die Idee, due Wahrscheinlichkeit entsprechend der Augenzahlen mit 1/21, 2/21, 3/21 = 1/7, ... 6/21 = 2/7 zu berechnen.

In gewisser Weise geschieht jedoch genau das in der Everettschen QM!

Nehmen wir einen Zustand

α|a> + β|b>

mit

α² + β² = 1

Triviales Abzählen liefert zwei Zustände, also die Wahrscheinlichkeiten

p(a) = p(b) = ½

Falsch! Die korrekte Wahrscheinlichkeit folgt natürlich aus

p(a) = α²
p(b) = β²

Aber warum ist das so? warum liefert der Vorfaktor eine Wahrscheinlichkeit? warum sollte er als eine solche interpretiert werden?

Wir wissen natürlich aufgrund unserer Experimente, dass dies so sein muss; wir können beweisen, dass dies ein konsistentes Wahrscheinlichkeitsmaß darstellt, und dass dies sogar eindeutig ist, d.h. das einzig zulässige, konsistente Wahrscheinlichkeitsmaß auf einem Hilbertraum (Gleason‘s Theorem).

Aber nur weil etwas ein konsistentes Wahrscheinlichkeitsmaß sein könnte, bedeutet das natürlich noch lange nicht, dass es dies in der Realität auch ist. Zurück zum Würfel: 1/21, 2/21, 3/21 ... liefert ein konsistentes Wahrscheinlichkeitsmaß, jedoch keines, das für einen Würfel realisiert wäre. Oder zu meinem Geldbeutel: die Beschriftung der Scheine liefert keine Wahrscheinlichkeit für das zufällige Herausgreifen eines Scheines.

Die Frage kann zweigeteilt werden:
Warum überhaupt Wahrscheinlichkeiten?
Wenn Wahrscheinlichkeiten, welches Wahrscheinlichkeitsmaß?

Die Antwort auf die zweite Frage ist nach Gleason eindeutig beantwortet, und sie entspricht mit

p(a) = α²
p(b) = β²

genau der bekannten Bornschen Regel.

Die Antwort auf die erste Frage ist auch nach Gleason offen bzw. zumindest sehr umstritten. Everett et al. liefern noch keine allgemein akzeptierte Erklärung (die orthodoxe QM natürlich auch nicht; sie hat lediglich ein Postulat zu bieten, jedoch keine Erklärung).

Nach Everett folgen also die korrekten Wahrscheinlichkeiten p(a), p(b) aus dem Formalismus, insbs. auf Basis der Schrödingergleichung ohne weitere, künstliche oder ad hoc Postulate. Aber dass überhaupt Wahrscheinlichkeiten folgen, ist noch offen.

Müsste ich (oder irgendwer anderer) dann nicht viel öfters auch völlig unwahrscheinlichste Ereignisse erleben, da diese sich ja nicht von den wahrscheinlicheren unterscheiden, wenn alle Ereignisse so und so passieren, und ich auch in allen diesen Welten vorhanden bin???
Nein.

Sobald wir verstanden haben, warum wir überhaupt Wahrscheinlichkeiten in den Formalismus hineininterpretieren dürfen oder müssen (?) folgen die korrekten Wahrscheinlichkeiten. Diese zweite Frage ist geklärt.

soon
03.08.18, 06:56
... Warum überhaupt Wahrscheinlichkeiten? ...

Weil wir nur schwer (oder garnicht?) von der Mensch-ist-Mittelpunkt-der-Welt-Betrachtung loskommen.

Wir behandeln tatsächlich nicht die Ereignisse, sondern die Befindlichkeit/Situation/Eigenschaft des Beobachters.

Wenn die Folge der Ereignisse eines Systems/Objekts (z.b. eines Würfelexperiments) bekannt ist, dann stellt sich die Frage nach Wahrscheinlichkeiten nicht bzw. ist für jedes Ereignis 1.

Die Länge der Folge der Ereignisse, die ein Objekt ausmachen, ist dann auch bekannt. (Du hast die Frage, ob überhaupt ein nächstes Ereignis eintritt, weggelassen)

TomS
03.08.18, 09:31
... Warum überhaupt Wahrscheinlichkeiten? ...
Weil wir nur schwer (oder garnicht?) von der Mensch-ist-Mittelpunkt-der-Welt-Betrachtung loskommen.

Wir behandeln tatsächlich nicht die Ereignisse, sondern die Befindlichkeit/Situation/Eigenschaft des Beobachters.
Das ist nicht der Punkt.

Zunächst mal sind wir uns einig, dass wir insbs. im Kontext der QM über Wahrscheinlichkeiten sprechen; das steht außer Frage.

Die orthodoxe Interpretation nimmt die Wahrscheinlichkeiten in ihre fundamentalen Postulate auf. Das solltest du im Zuge dieser Diskussion komplett vergessen.

Die Everettsche QM tut genau dies aus guten Gründen nicht! Zunächst ist dies nicht sinnvoll, denn in dem Moment, wo der Kollaps nicht gefordert wird, wird es sinnlos, dem aus dem Kollaps hervorgehenden Zielzustand eine bestimmte Wahrscheinlichkeit zuordnen zu wollen. D.h. zunächst hat die Everettsche QM keinen Platz für Wahrscheinlichkeiten auf fundamentaler Ebene. Darüberhinaus ist eine schlichte Forderung der Bornschen Regel im Kontext der Everettschen QM nicht sinnvoll, da diverse mathematischen Details der Bornschen Regel tatsächlich aus den reduzierten Axiomen eindeutig abgeleitet werden können und daher nicht postuliert werden sollten (siehe oben - Gleason's Theorem).

Daher besteht heute die Ansicht, dass es zusätzlich zu dem - im Vergleich zur orthodoxen QM reduzierten - Axiomensatz ohne Kollaps und ohne die Bornsche Regel neue, vernünftige Axiome geben muss, mittels derer die Notwendigkeit der Wahrscheinlichkeitsinterpretation im Kontext der Everettsche QM logisch begründbar wird. Allerdings besteht heute über diese neue, vernünftigen Axiome und die Ableitung der Wahrscheinlichkeitsinterpretation keine Einigkeit!

D.h. wir haben einen reduzierten, axiomatisch schlankeren Startpunkt ohne Wahrscheinlichkeiten; wir können beweisen, dass eine mögliche Wahrscheinlichkeitsinterpretation mathematisch eindeutig definiert ist. Wir haben das Ziel, auf Basis weitere Axiome zu verstehen, warum aus der Everettschen QM eine Wahrscheinlichkeitsinterpretation folgen muss; das ist wesentlich ambitionierter als in der orthodoxen QM, die hier nichts zu einem tieferen Verständnis beiträgt; aber das ist noch nicht abgeschlossen.

soon
03.08.18, 12:40
Das ist nicht der Punkt. ...
Das kann schon sein.

Anderseits kann es auch sein, dass man weiter ausholen muss.

Na ja, und genau genommen sehe ich keine wirklich konkrete Formulierung einer Problemstellung, ausser vielleicht 'Was ist eine quantenmechanische Messung?', aber diese zentrale Frage wird gar nicht diskutiert.

Bemühungen z.B. um konkretere Voraussagen zu dem nächsten Einschlag auf dem Detektorschirm brächten mehr voran, imho, als die Fragen nach dem 'tieferen Verständnis' und dem 'Warum'.

Insofern halte ich den grossen Aufwand um die Frage 'Kopenhagener Deutung oder Everettsche QM?' für nicht angemessen, - es sei denn man hat eine Leidenschaft für Philosophie.

Die Schlussfolgerung "Wenn nicht Kopenhagener Deutung dann Everettsche QM." schliesst neue Erkenntnisse aus.

TomS
03.08.18, 13:19
Na ja, und genau genommen sehe ich keine wirklich konkrete Formulierung einer Problemstellung, ausser vielleicht 'Was ist eine quantenmechanische Messung?', aber diese zentrale Frage wird gar nicht diskutiert.
Diese Frage wird im Rahmen der orthodoxen QM per Postulat ausgeblendet und ist nicht mal diskutierbar. Im Rahmen der Everettsche QM ist sie trivialerweise gelöst.

Bemühungen z.B. um konkretere Voraussagen zu dem nächsten Einschlag auf dem Detektorschirm brächten mehr voran ...
Diese Fragen sind gelöst.

... als die Fragen nach dem 'tieferen Verständnis' und dem 'Warum'.
Aber nur darum geht es, wenn man Interpretationen der QM diskutiert.

Insofern halte ich den grossen Aufwand um die Frage 'Kopenhagener Deutung oder Everettsche QM?' für nicht angemessen, - es sei denn man hat eine Leidenschaft für Philosophie.
Wenn du ein Anhänger einer pragmatischen Richtung bist, dann interessieren dich derartige Fragestellungen natürlich nicht.

Unangemessen ist dieser Aufwand eher nicht; Einstein, Bohr, Schrödinger, Heisenberg, Weizsäcker, ... Wheeler, de Witt, ... Hartle, ... Carroll, ... mach(t)en sich die Mühe, das zu verstehen.

Die Schlussfolgerung "Wenn nicht Kopenhagener Deutung dann Everettsche QM." schliesst neue Erkenntnisse aus.
Habe ich das so geschrieben? Welche neuer Erkenntnisse wären das?

Hawkwind
03.08.18, 15:15
Eine Messung im Sinne der KI präpariert immer exakte Eigenfunktionen; das ist ein fundamentales Postulat.

Nun ja, bei der KI geht es eben um "idealisierte Messungen", die es in der Praxis nicht gibt. Ich habe mal gelernt, die Angabe eines Messwertes ohne zugehörige Fehlerabschätzung ist wertlos.

TomS
03.08.18, 17:22
Nun ja, bei der KI geht es eben um "idealisierte Messungen", die es in der Praxis nicht gibt. Ich habe mal gelernt, die Angabe eines Messwertes ohne zugehörige Fehlerabschätzung ist wertlos.
Es gibt aber im Rahmen der KI keine Definition einer realen Messung - oder hast du da eine Quelle? Aber es gibt das Postulat der Reduktion (Projektion) des Zustandes auf einen der Eigenvektoren der zu messenden Observablen oder erweiterter Formalismen wie POVM. Das hat alles nichts mit dem realen Messprozess und fehlenden Fehlerabschätzungen zu tun.

https://en.wikipedia.org/wiki/Mathematical_formulation_of_quantum_mechanics#The_ problem_of_measurement

Fakt ist, dass die Messung nicht den Regeln der unitären Zeitentwicklung folgt, und dass Messungen und die dabei anzuwendenden Projektionen sozusagen künstlich eingeführte Präparationen sind.

Ausgangspunkt war die Frage nach den Eigenzuständen: ohne Projektionspostulat existiert kein Grund, warum es diese geben sollte. Und gemäß Dekohärenz und Everett sind sie nicht notwendig.

Man kann also sehr wohl auf sie verzichten.

TomS
03.08.18, 18:01
Ich weiß nicht, ob ihr vernünftige Darstellungen gelesen habt, z.B. die von Carroll (nicht Zeh, da zu unklar). Ich habe den Eindruck, dass wir hier immer nur Bruchstücke diskutieren und der Zusammenhang bzw. Überblick fehlt.

Täuscht mich dieser Eindruck?

Sollen wir die Diskussion mal auf eine vernünftige Grundlage stellen?

Damit bleiben natürlich immer noch genügend strittige Punkte - aber es wären wenigsten die wichtigen Punkte, keine Scheinprobleme.

Bernhard
03.08.18, 18:27
Sobald wir verstanden haben, warum wir überhaupt Wahrscheinlichkeiten in den Formalismus hineininterpretieren dürfen oder müssen (?) folgen die korrekten Wahrscheinlichkeiten. Diese zweite Frage ist geklärt.
Das ist eine wirklich interessante Problemstellung.

1) Man kann sich dabei zuerst überlegen, inwieweit eine globale Wellenfunktion + Hamilton-Funktion ein determiniertes System bildet. Wie die Gravitation in der Hamilton-Funktion dabei genau berücksichtigt werden soll, ist dabei auch noch nicht eindeutig geklärt und könnte deshalb für Überraschungen sorgen.

2) Überall dort, wo man gemäß Wellenfunktion + Hamilton-Funktion ein determiniertes System hat, kann man Teilsysteme betrachten. Wenn sich nun beispielsweise die globale Wellenfunktion in gewissen Raumbereichen stark ähnelt, so könnte man die Zeitentwicklung dieser Bereiche untersuchen und versuchen daraus einen Wahrscheinlichkeitsbegriff oder sogar die bornsche Wahrscheinlichkeitsinterpretation der Wellenfunktion abzuleiten.

Es stellen sich damit einige recht abstrakte und schwer zu beantwortende Fragen, die aber gerade dadurch auch sehr interessant sind.

Bernhard
03.08.18, 18:30
Sollen wir die Diskussion mal auf eine vernünftige Grundlage stellen?
Wenn Du dazu Ideen hast nur her damit. Am besten in ein neues Thema, beispielsweise im Bereich "Wissenschaftstheorie und Interpretationen der Physik".

Marco Polo
03.08.18, 21:23
Sollen wir die Diskussion mal auf eine vernünftige Grundlage stellen?
Sehr gerne. Deine lehrreichen Beiträge sind hier stets willkommen. :)

TomS
03.08.18, 21:36
Wenn Du dazu Ideen hast nur her damit. Am besten in ein neues Thema, beispielsweise im Bereich "Wissenschaftstheorie und Interpretationen der Physik".
Ich denke darüber nach.

Sehr gerne. Deine lehrreichen Beiträge sind hier stets willkommen.
Vielen Dank.

Am spannendsten wäre es, das gemeinsam zu entwickeln.

TomS
03.08.18, 21:41
Überall dort, wo man gemäß Wellenfunktion + Hamilton-Funktion ein determiniertes System hat, kann man Teilsysteme betrachten ... so könnte man die Zeitentwicklung dieser Bereiche untersuchen und versuchen daraus einen Wahrscheinlichkeitsbegriff oder sogar die bornsche Wahrscheinlichkeitsinterpretation der Wellenfunktion abzuleiten.
So in etwa geht ja Everett vor, wobei er nicht den Ortsraum sondern ausschließlich den Hilbertraum zugrunde legt.

Es stellen sich damit einige recht abstrakte und schwer zu beantwortende Fragen, die aber gerade dadurch auch sehr interessant sind.
Sie sind sicher abstrakt und sicher schwierig. Das erkennt man schon daran, dass sie seit fast 100 Jahren im Raum stehen und immer noch offen sind.

soon
04.08.18, 06:24
Zitat von soon
Bemühungen z.B. um konkretere Voraussagen zu dem nächsten Einschlag auf dem Detektorschirm brächten mehr voran ... Diese Fragen sind gelöst.
Gelöst und verneint ist lediglich die Frage, ob man durch 'welcher-Weg-Experimente' zu neuen Erkenntnissen kommen kann.

Eine ganz andere Frage ist z.B., ob man durch Analyse, Aufbereiten und Weiterrechnen von Detektordaten zu Vorhersagen über den weiteren Verlauf des Experiments kommen kann, die mehr Details bieten als ein Interferenzmuster.


Einstein, Bohr, Schrödinger, Heisenberg, Weizsäcker, ... Wheeler, de Witt, ...

Keiner dabei, vermutlich, der 100 Jahre Philosophie nicht eintauschen würde gegen ein einziges neuartiges Experiment.


Aber du hast recht, das Thema hier ist Interpretationen der QM.

TomS
04.08.18, 07:09
Eine ganz andere Frage ist z.B., ob man durch Analyse, Aufbereiten und Weiterrechnen von Detektordaten zu Vorhersagen über den weiteren Verlauf des Experiments kommen kann, die mehr Details bieten als ein Interferenzmuster.
Das ist mir zu unkonkret.

Man kann Experimente, bei denen das Teilchen oder der Zustand nicht „zerstört“ werden und die somit nachfolgende Messungen am selben System erlauben, im Rahmen der Quantenmechanik beschreiben. Dabei werden - wie üblich - alle Vorhersagen der Quantenmechanik bestätigt; das müssen nicht nur Interferenzmuster sein.

Darüberhinaus existieren keine weiteren Vorhersagen, weil kein über die Quantenmechanik hinausgehender Formalismus bekannt ist, der diese Vorhersagen liefern könnte.

Auf was genau willst du hinaus?

Bernhard
04.08.18, 08:17
Darüberhinaus existieren keine weiteren Vorhersagen, weil kein über die Quantenmechanik hinausgehender Formalismus bekannt ist, der diese Vorhersagen liefern könnte.
Denkbar sind Was-wäre-wenn-Situationen. Beim Doppelspalt könnte man bei sehr genauer Kenntnis des Versuchs eventuell angeben, wo ein zusätzlicher Detektor im linken oder rechten Weg angesprochen hätte. Das ändert aber nichts am Interferenzmuster beim ungestörten Versuch. Der Welle-Teilchen-Dualismus wird also bleiben und mit ihr große Teile der QM.

Bei der bornschen Wahrscheinlichkeitsinterpretation der Wellenfunktionen gibt es dann schon mehr Möglichkeiten für Weiterentwicklungen und Begründungen.

Ich fände es auch wünschenswert, wenn anstelle des Begriffes "Viele-Welten-Interpretation" eher "everettsche Quantenmechanik" verwendet werden würde.
"Viele-Welten-Interpretation" ist gemäß den Beiträgen in diesem Thema ein extrem missverständlicher Begriff.

soon
04.08.18, 08:20
Das ist mir zu unkonkret.

...

Auf was genau willst du hinaus?

Das wäre zu sehr offtopic. Vielleicht ein anders Mal.

Gruss

Bernhard
04.08.18, 08:22
@Tom:

im WP-Artikel Interpretationen der Quantenmechanik (https://de.wikipedia.org/wiki/Interpretationen_der_Quantenmechanik#Viele-Welten-Interpretation) findet man im Abschnitt Viele-Welten-Interpretation den folgenden Satz:
Während in der orthodoxen Interpretation die Wellenfunktion die Wahrscheinlichkeiten für das Auftreten verschiedener möglicher Messergebnisse beschreibt, von welchen dann bei Durchführung einer Messung nur eines realisiert wird, geht die Viele-Welten-Interpretation davon aus, dass alle physikalisch möglichen Ereignisse tatsächlich stattfinden.
Findet man das auch bei den Arbeiten von Everett?

Timm
04.08.18, 10:54
@Tom:

im WP-Artikel Interpretationen der Quantenmechanik (https://de.wikipedia.org/wiki/Interpretationen_der_Quantenmechanik#Viele-Welten-Interpretation) findet man im Abschnitt Viele-Welten-Interpretation den folgenden Satz:

Findet man das auch bei den Arbeiten von Everett?

Dazu schrieb Tom:
Das ist m.E. das grundlegende Missverständnis: Everett postuliert keine neue Welten, er akzeptiert lediglich das Ergebnis der Schrödingergleichung als Beschreibung der Realität. Für mikroskopische Skalen stimmen hier alle Physiker überein; für makroskopische Skalen oder “Messungen” postulieren viele einen Kollaps, führen also ad hoc ein zusätzliches Element ein, um bestimmte Konsequenz zu vermeiden. Everett akzeptiert die Konsequenzen auch bzgl. makroskopischer Systeme, vermeidet den ad hoc Kollaps und nimmt damit der Messung und dem Beobachter ihren Sonderstatus.

Zitat aus Wikipedia:

Everett formulierte relative quantenmechanische Zustände im Jahre 1957. Der US-Physiker Bryce DeWitt verbreitete diese Theorie in den 1960er und 1970er Jahren unter Viele-Welten und bezeichnete damit die unterschiedlichen Zustände des Quantensystems nach einer Messung.

Ich denke "Viele Welten" meint grundsätzlich dasselbe wie "relative quantenmechanische Zustände". Letzteres vermeidet gewisse Emotionen. Dem Physiker wird's wurscht sein.

Bernhard
04.08.18, 12:59
Ich denke "Viele Welten" meint grundsätzlich dasselbe wie "relative quantenmechanische Zustände".
Das glaube ich eher weniger und habe mir nun die zugehörige Arbeit von Everett aus dem Jahr 1957 (endlich) besorgt. Scheinbar hat sich da über die Jahrzehnte etwas entwickelt, das mit dem Original nur noch wenig zu tun hat. Diese Erkenntnis sollte in der WP viel deutlicher dargestellt werden.

TomS
04.08.18, 14:25
Ich fände es auch wünschenswert, wenn anstelle des Begriffes "Viele-Welten-Interpretation" eher "everettsche Quantenmechanik" verwendet werden würde.
"Viele-Welten-Interpretation" ist gemäß den Beiträgen in diesem Thema ein extrem missverständlicher Begriff.
Das tue ich zumeist.

Häufig spreche ich von Everett-Interpretation. Everettsche Quantenmechanik weist noch deutlicher darauf hin, dass sie - betrachtet man die Axiome - zur orthodoxen Quantenmechanik mathematisch nicht-äquivalent ist.

TomS
04.08.18, 14:30
Im WP-Artikel Interpretationen der Quantenmechanik (https://de.wikipedia.org/wiki/Interpretationen_der_Quantenmechanik#Viele-Welten-Interpretation) findet man im Abschnitt Viele-Welten-Interpretation den folgenden Satz:

Während in der orthodoxen Interpretation die Wellenfunktion die Wahrscheinlichkeiten für das Auftreten verschiedener möglicher Messergebnisse beschreibt, von welchen dann bei Durchführung einer Messung nur eines realisiert wird, geht die Viele-Welten-Interpretation davon aus, dass alle physikalisch möglichen Ereignisse tatsächlich stattfinden.

Findet man das auch bei den Arbeiten von Everett?
Ich weiß nicht, ob Everett das genau so schreibt, aber im Kern ist das natürlich genau die anschauliche Formulierung dessen, was uns sein Formalismus sagt.

TomS
04.08.18, 14:31
Das glaube ich eher weniger und habe mir nun die zugehörige Arbeit von Everett aus dem Jahr 1957 (endlich) besorgt. Scheinbar hat sich da über die Jahrzehnte etwas entwickelt, das mit dem Original nur noch wenig zu tun hat. Diese Erkenntnis sollte in der WP viel deutlicher dargestellt werden.
Everett könnte noch nicht auf die Dekohärenz zurückgreifen. Diese untermauert seine Ideen natürlich.

TomS
04.08.18, 14:40
Nochmal zu der Aussage, dass gemäß der Everettschen Quantenmechanik alle Ereignisse tatsächlich auftreten.

Zunächst möchte ich auf eine Verwandte Aussage hinweisen: Ein wesentliche Erkenntnis ist das sogenannte Maudlin-Trilemma. Maudlin zeigt, dass die folgenden drei Aussagen zusammengenommen inkonsistent sind:
1) Der Zustandsvektor beschreibt das System vollständig (insbs. keine verborgenen Variablen)
2) Der Zustandsvektor folgt immer einer linearen Zeitentwicklung (Schrödingergleichung).
3) Messungen haben immer ein definiertes Ergebnis (im Sinne einer definierten Eigenschaft bzgl. einer Observablen)

Die KI lehnt (2) ab und postuliert ad hoc einen Kollaps.

Die Everettsche Quantenmechanik hält an (1 - 2) fest und lehnt (3), d.h. das Kollapspostulat bzw. den sog. eigenvector-eigenvalue-link, ab. Damit bleibt die realistische Interpretation des nicht-kollabierten Zustandsvektors auch im Zuge einer Messung erhalten. Letztere führt aber nicht mehr zu einem einzigen, definierten Ergebnis, stattdessen sind alle quantenmechanisch zulässigen Messergebnisse in je einem eigenen Zweig, d.h. einer Komponente, des Zustandsvektors erfüllt. Diese Zweigstruktur steht im Einklang mit der Schrödingergleichung und deren unitärer Zeitentwicklung (2) des wechselwirkenden Gesamtsystems.


Betrachten wir ein Photon, das durch einen Strahlteiler läuft, und anschließend zwei Wege einschlagen kann. Der entsprechende Zustand sei

α|1,0> + β|0,1>

α² + β² = 1

Die Notation besagt, dass ein Photon im ersten |1,0> bzw. zweiten |0,1> Weg existiert.

In diese Wege bringen wir je ein Atom |a>, das durch das Photon zu |a*> angeregt wird. Bevor das Photon eines dieser Atome erreichen kann, liegt der Zustand

(α|1,0> + β|0,1>) ⊗ |a,a>

vor

Nach der Wechselwirkung - letztlich bestimmt durch die Lichtlaufzeit - liegt

α|0,0> ⊗ |a*,a> + β|0,0> ⊗ |a,a*> = |0,0> ⊗ (α|a*,a> + β|a,a*>)

vor.

Das Photon wurde absorbiert, die beiden Atome sind miteinander verschränkt.

Bisher ist das Standard-Textbuch-QM, alle stimmen darin überein, tausende von Physikern benutzen das tagtäglich ohne große Worte zu verlieren.

Nun ersetzen wir die beiden Atome |a,a> durch zwei makroskopischen Detektoren |A,A>; falls ein Detektor das Photon registriert, zeigt er dies am Display an; diesen Zustand bezeichne ich als |A*>. Außerdem beinhalte dieser Zustand noch die Verschränkung mit weiteren Freiheitsgraden im Labor sowie dem Beobachter, d.h. in |A*> beobachtet ein Beobachter anhand des Displays die Registrierung Photons.

Gemäß der Schrödingergleichung inkl. der Dekohärenz erhalten wir wieder einen Zustand

|0,0> ⊗ (α|A*,A> + β|A,A*>)


Nun folgt das große Schisma der Quantenmechanik:


Anhänger der orthodoxen Quantenmechanik postulieren - im Widerspruch zur Schrödingergleichung - die stochastische Reduktion des Zustandes auf eine der beiden klassischen Detektor-, Display- und Beobachterzustände, d.h. z.B.

|A*,A>

mit Wahrscheinlichkeit p = α².

Der erste Detektor zeigt die Registrierung der Photons an, der zweite nicht.


Anhänger der Everettschen Quantenmechanik akzeptieren die Weiterexistenz der beiden verschränkten Detektoren - in Übereinstimmung mit der Schrödingergleichung - d.h. es gilt weiterhin

|0,0> ⊗ (α|A*,A> + β|A,A*>)

wobei der Beobachter mit einer Wahrscheinlichkeit p = α² „in“ |A*,A> die Detektion am erste Detektor sieht, sowie mit der jeweils anderen Wahrscheinlichkeit p = 1 - α² „in“ |A,A*> die Detektion am zweiten Detektor.

Gewissermaßen verzweigen sich Detektoren und Beobachter. Dies ist jedoch nicht ganz zutreffend, da diese Verzweigung bereits in

(α|1,0> + β|0,1>) ⊗ |A,A>

angelegt war.

Beide Positionen sind liefern korrekte Vorhersagen bzgl. der möglichen und tatsächlichen Messergebnisse.

Die erste Position führt ein ad hoc Postulate ein - ich hoffe das ist klar geworden. Die zweite Position verzichtet auf dieses unnötige und in gewisser Weise logisch inkonsistente Postulat, akzeptiert dafür jedoch die Existenz wechselweise orthogonaler und dynamisch separierter Sektoren im Hilbertraum, den wechselweise unbeobachtbaren Zweigen.

Timm
04.08.18, 15:10
Die Everettsche Quantenmechanik hält an (1 - 2) fest und lehnt (3), d.h. das Kollapspostulat bzw. den sog. eigenvector-eigenvalue-link ab. Damit bleibt die realistische Interpretation des nicht-kollabierten Zustandsvektors auch im Zuge einer Messung erhalten. Letztere führt aber nicht mehr zu einem einzigen, definierten Ergebnis, stattdessen sind alle quantenmechanisch zulässigen Messergebnisse in je einem eigenen Zweig, d.h. einer Komponente des Zustandsvektors erfüllt. Diese Zweigstruktur steht im Einklang mit der Schrödingergleichung und deren unitärer Zeitentwicklung (2) des wechselwirkenden Gesamtsystems
Für mich klingt das ebenso gut nach VWI: Die Frage war Everett vs Viele Welten. Was - falls überhaupt etwas- macht den Unterschied?

TomS
04.08.18, 15:18
Für mich klingt das ebenso gut nach VWI: Die Frage war Everett vs Viele Welten. Was - falls überhaupt etwas- macht den Unterschied?
Zunächst ist das nur ein durch de Witt geprägter Name. Die heutige Physik greift außerdem zur Untermauerung auf die Dekohärenz zurück, die eine mathematische Ableitung der Everettschen „Zweige“ gestattet.

Timm
04.08.18, 19:34
Also kein grundsätzlicher Unterschied. Das wäre bei in beiden Fällen konsistenter Auslegung der QT auch nicht zu erwarten.

JoAx
04.08.18, 21:32
An die richtige Stelle verschoben.

Bernhard
04.08.18, 21:34
Vom ersten Überfliegen der Arbeit von 1957 habe ich den Eindruck bekommen, dass bei Everett absolut nichts von "Vielen-Welten" im Sinne einer Aufspaltung der Realität in verschiedene "Zweige" zu finden ist. Er muss lediglich und zwingenderweise verschiedene Subsysteme betrachten, weil man ausgehend von einer Realität unmöglich zu Wahrscheinlichkeiten kommen kann. Wer diese Teilsysteme als Aufspaltung deutet, hat meiner Meinung nach gar nicht verstanden, um was es in der Arbeit eigentlich geht.

Die Arbeit von 1957 skizziert eine Art Programm. Everett nennt es Meta-Theorie. Innerhalb dieses Programms Wahrscheinlichkeiten zu beschreiben ist dabei relativ ambitioniert, weil das System selbst nur sehr allgemein festgelegt ist. Trotzdem ist Everett bereits 1957 sehr weit gekommen und hat meiner Meinung nach bereits damals die grundlegende Idee der Dekohärenz zumindest vorgezeichnet.

TomS
04.08.18, 22:50
Vom ersten Überfliegen der Arbeit von 1957 habe ich den Eindruck bekommen, dass bei Everett absolut nichts von "Vielen-Welten" im Sinne einer Aufspaltung der Realität in verschiedene "Zweige" zu finden ist.
Siehe jedoch Fußnote Seite 15 in

http://jamesowenweatherall.com/SCPPRG/EverettHugh1957PhDThesis_BarrettComments.pdf

sowie Fußnote Seite 68 in

https://www-tc.pbs.org/wgbh/nova/manyworlds/pdf/dissertation.pdf

Wer diese Teilsysteme als Aufspaltung deutet, hat meiner Meinung nach gar nicht verstanden, um was es in der Arbeit eigentlich geht.
Everett schreibt „branches“ und „splitting“, jeweils in Anführungszeichen.

„Aufspaltung“ ist in der Tat irreführend; siehe

|0,0> ⊗ (α|A*,A> + β|A,A*>)

...

Gewissermaßen verzweigen sich Detektoren und Beobachter. Dies ist jedoch nicht ganz zutreffend, da diese Verzweigung bereits in

(α|1,0> + β|0,1>) ⊗ |A,A>

angelegt war.

Carroll schreibt:

The basic objection is that EQM postulates too many universes ... In EQM, that [measurements] is dealt with by saying that every measurement outcome “happens,” but each in a different “universe” or “world.” ... Why, this objection goes, would you ever think of inventing a huge — perhaps infinite! — number of different universes ... In classical mechanics, then, it’s quite a bit of work to accommodate extra universes ... That is not what happens in quantum mechanics. The capacity for describing multiple universes is automatically there. We don’t have to add anything ...

All of this exposition is building up to the following point: in order to describe a quantum state that includes two non-interacting “worlds”, we didn’t have to add anything at all to our description of the universe, unlike the classical case. All of the ingredients were already there!



Everett [hat] bereits 1957 die grundlegende Idee der Dekohärenz zumindest vorgezeichnet.
Everett analysiert die Struktur eines Quantenzustandes. Die Dynamik der Entstehung und der Eigenschaften diese Struktur verstehen wir erst durch die Dekohärenz; die kannte Everett noch nicht.

Entscheidender als die Begriffe ist die Tatsache, dass Everett vollständig auf einen Kollaps o.ä. verzichtet.

soon
06.08.18, 07:06
https://physikunterricht-online.de/jahrgang-12/das-joensson-experiment/
Jedes durchgelassene Elektron kann genau in einem Detektor nachgewiesen werden. Die Elektronen treffen nacheinander so auf die Detektoren, dass sich mit der Zeit (bei einer entsprechend großen Anzahl an Elektronen) das bekannte Interferenzmuster ergibt.Was ist korrekt, a) oder b) ?

a) die Anzahl der detektierten Elektronen plus die Anzahl der nicht-durchgelassen Elektronen ist gleich der Anzahl der abgeschossenen Elektronen.

b) die Anzahl der detektierten Elektronen plus die Anzahl der nicht-durchgelassen Elektronen ist kleiner als die Anzahl der abgeschossenen Elektronen. D.h. nacheinander durchgelassene Elektonen können sich irgendwie zu Null (kein Einschlag) aufaddieren.


Falls b) richtig ist, gibt es keine "Zweige", die nichts mehr miteinander zu tun haben.

TomS
06.08.18, 07:20
https://physikunterricht-online.de/jahrgang-12/das-joensson-experiment/
Was ist korrekt, a) oder b) ?

a) die Anzahl der detektierten Elektronen plus die Anzahl der nicht-durchgelassen Elektronen ist gleich der Anzahl der abgeschossenen Elektronen.

b) die Anzahl der detektierten Elektronen plus die Anzahl der nicht-durchgelassen Elektronen ist kleiner als die Anzahl der abgeschossenen Elektronen. D.h. nacheinander durchgelassene Elektonen können sich irgendwie zu Null (kein Einschlag) aufaddieren.


Falls b) richtig ist, gibt es keine "Zweige", die nichts mehr miteinander zu tun haben.
Zum ersten ist mir nicht klar, was du mit durchgelassenen und nicht durchgelassenen Elektonen meinst. Zum zweiten sollte dir bewusst sein, dass uns die Quantenmechanik lehrt, dass klassische Begriffe und Vorstellungen von Teilchen falsch sind bzw. zu falschen Schlüssen führen. Dann zum Begriff der “Zweige”: wie bereits oben angedeutet ist dieser Begriff problematisch; das gilt auch für “Welten”, “Aufspaltung” usw.

Letztlich ist jeder anschauliche Begriff irreführend bis falsch!

Deswegen lade ich dich ein, mein o.g. wesentlich einfacheres Beispiel zu betrachten und dabei zu versuchen, die Mathematik zu verstehen, d.h. insbs. den Ausdruck

U (α|1,0> + β|0,1>) ⊗ |A,A>) = |0,0> ⊗ (α|A*,A> + β|A,A*>)

Über diesen Ausdruck sind sich alle Physiker einig, er alleine ist präzise definiert, und aus ihm folgen korrekte Vorhersagen. Uneinigkeit herrscht alleine über seine Interpretation, insbs. die ontologische Bedeutung.

Gemäß dieses Ausdrucks folgen die „Zweige“ = Komponenten |A*,A> und |A,A*> beweisbar und unstrittig aus der unitären Zeitentwicklung U = exp[-iHt] gemäß der Schrödingergleichung. Gemäß der ebenfalls unstrittigen Dekohärenz sind diese beiden „Zweige“ „wechselweise unsichtbar“, d.h. wir sind nicht in der Lage, ein Experiment durchzuführen, das eine Interferenz zwischen beiden Zweigen herbeiführen kann. Der wesentliche Grund dafür ist die Struktur dieser Komponenten, die sich von |1,0> und |0,1>, für die Interferenz natürlich nachweisbar ist, grundlegend unterscheidet.

Die Physiker haben letztlich zwei Strategien entwickelt, um mit diesem Ausdruck umzugehen:stochastischer Kollaps zu entweder |A*,A> oder |A, A*>; oder Akzeptanz dieses Ausdrucks. Beide Strategien sind empirisch ununterscheidbar, führen jedoch zu unterschiedlichen Interpretationen.

Wenn du schreibst

Falls ... [dann] gibt es keine "Zweige" ...
dann musst du dir Rechenschaft darüber ablegen, was du mit „es gibt“ meinst. Im mathematischen Sinne „gibt“ es diese Zweige zweifelsfrei. Im physikalischen Sinne dürfen wir annehmen, dass sie real existieren, da dies erstens unmittelbar aus dem Formalismus folgt und zweitens mit unseren Beobachtungen übereinstimmt. Genauso dürfen wir den Formalismus um einen ad hoc Kollaps erweitern und die reale Existenz dieser Zweige ablehnen.

Bernhard
06.08.18, 07:55
Falls b) richtig ist, gibt es keine "Zweige", die nichts mehr miteinander zu tun haben.
So viel ich weiß ist b) richtig, allerdings frage ich mich gerade, was das der Energieerhaltungssatz dazu "sagt". Für klassische Wellen gibt es dazu die folgende Antwort: http://sciencev1.orf.at/ays/143381.html . Die entsprechende QM-Rechnung, bzw. Begründung sollte qualitativ identisch sein.

soon
06.08.18, 08:03
@ Tom: Dann streich nur den letzten Satz.

Zum ersten ist mir nicht klar, was du mit durchgelassenen und nicht durchgelassenen Elektonen meinst.

Durchgelassen Elektronen passieren den Doppelspalt, die anderen bleiben an der Blende hängen.

TomS
06.08.18, 08:08
(a) und (b) si d für mich nicht klar formuliert.

Energieerhaltung gilt zunächst sicher für den Gesamtzustand. Außerdem kann man zeigen, dass makroskopisch inkohärente Zweige jeweils für sich ebenfalls der Energieerhaltung genügen, gerade weil sie „dynamisch entkoppelt“ sind; also alles prima.

http://frankwilczek.com/2013/multiverseEnergy01.pdf

(Warum Wilczek zu allem Überfluss jetzt den Begriff „Multiversum“ ins Spiel bringen muss ist mir unklar)

TomS
06.08.18, 08:10
Durchgelassen Elektronen passieren den Doppelspalt, die anderen bleiben an der Blende hängen.
Vergiss diese absorbierten Elektronen; sie haben mit dem eigtl. Phänomen der Interferenz nichts zu tun.

Timm
06.08.18, 09:04
Letztlich ist jeder anschauliche Begriff irreführend bis falsch!


Ist das nicht ein bißchen überzogen? Schließlich werden Teilchen generiert und gemessen.

Was ist an der Behauptung falsch, daß gemäß KI jeder Punkt auf dem Schirm einem "durchgelassenen" Teilchen zuzuordnen ist?

Was ist an der Behauptung falsch, daß gemäß VWI jeweils ein Punkt auf den vielen Schirmen einem "durchgelassenen" Teilchen zuzuordnen ist?

Was ist an der Behauptung falsch, daß gemäß KI nach vielen nacheinender "durchgelassenen" Teilchen ein Interferenzmuster auf einem Schirm entsteht?

Was ist an der Behauptung falsch, daß gemäß VWI nach vielen nacheinender "durchgelassenen" Teilchen ein Interferenzmuster auf vielen Schirmen entsteht?

Lauter anschauliche Begriffe.

TomS
06.08.18, 09:13
Ist das nicht ein bißchen überzogen? Schließlich werden Teilchen generiert und gemessen.
Sie treten aber als klassische Teilchen nicht im Formalismus auf, und sie taugen nicht dazu, Interferenzen zu erklären. Für fundamentale Fragestellungen muss man nun mal den Formalismus benutzen.

Was ist an der Behauptung falsch, daß gemäß KI jeder Punkt auf dem Schirm einem "durchgelassenen" Teilchen zuzuordnen ist?
Rein phänomenologisch nichts.

Was ist an der Behauptung falsch, daß gemäß VWI viele Punkte auf den Schirmen einem "durchgelassenen" Teilchen zuzuordnen sind?
Es ist verwirrend und sicher nicht zielführend, dass man die VWI auch noch mit dem Teilchenbegriff auflädt, da man dazu den Teilchenbegriff nochmals neu überdenken müsste; er entspricht sicher nicht dem anschaulichen Teilchenbegriff.

Timm
06.08.18, 09:54
Es ist verwirrend und sicher nicht zielführend, dass man die VWI auch noch mit dem Teilchenbegriff auflädt, da man dazu den Teilchenbegriff nochmals neu überdenken müsste; er entspricht sicher nicht dem anschaulichen Teilchenbegriff.
Nimm ohne den Teilchenbegriff zu überdenken den für das Auge sichtbaren Punkt auf dem Schirm als Beweis für ein detektiertes Teilchen. Die Sichtbarkeit des Punktes beweist gemäß VWI nicht, daß das Teilchen sich nicht in einer Superposition mit dem Detektor befindet.

Stimmst Du nun zu, daß in jeder der vielen Welten jeweils ein Punkt entsteht und der Unterschied nur dessen Position auf dem Schirm betrifft?

Bernhard
06.08.18, 11:39
So viel ich weiß ist b) richtig
Quatsch mit Sauce. Es kommen am Detektor natürlich genauso viele Elektronen an, wie an der Quelle ausgesandt werden. Bei der Interferenzerscheinung geht es ja vielmehr darum, dass Häufigkeiten auftreten. An manchen Stellen treffen mehr und an anderen Stellen dafür weniger Elektronen auf. Die Wege von der Quelle zum Detektor sind bei diesem Experiment also nicht gleichberechtigt.

Bernhard
06.08.18, 11:57
Es ist verwirrend und sicher nicht zielführend, dass man die VWI auch noch mit dem Teilchenbegriff auflädt,
Es muss trotzdem erlaubt sein, und zwar in dem Sinne, dass klar wird, wie sich diese Vorstellung mit der VWI verbinden lässt. Zur Not nimmt man das als weiteren Programmpunkt auf, der aktuell halt noch nicht endgültig geklärt ist.

TomS
06.08.18, 14:15
Es muss trotzdem erlaubt sein, und zwar in dem Sinne, dass klar wird, wie sich diese Vorstellung mit der VWI verbinden lässt.

Ich habe in diesem Beitrag #92 (http://www.quanten.de/forum/showpost.php5?p=88377&postcount=92) ein Beispiel sehr ausführlich dargestellt. Es ist nicht notwendig, immer neue Beispiele zu bringen. Daher die Diskussion der Frage des Teilchens anhand #92:

Anhänger der Everettschen Quantenmechanik akzeptieren die Weiterexistenz der beiden verschränkten Detektoren - in Übereinstimmung mit der Schrödingergleichung - d.h. es gilt weiterhin

|0,0> ⊗ (α|A*,A> + β|A,A*>)

wobei der Beobachter mit einer Wahrscheinlichkeit p = α² „in“ |A*,A> die Detektion am ersten Detektor erwartet, sowie mit der jeweils anderen Wahrscheinlichkeit p = 1 - α² „in“ |A,A*> die Detektion am zweiten Detektor.

D.h. wir haben es mit einer Superposition "zweier Zweige eines aufgefächerten Beobachters" zu tun; jeweils "ein Zweig des Beobachters" hat genau eine Detektion eines "Teilchens" an "genau einem Zweig des Detektors" gesehen.

Über alle Zweige haben wir aber nicht zwei "Teilchen" sondern nur eines - wobei der Begriff "Teilchen", der eine Lokalisierung impliziert, hier offensichtlich nicht mehr sinnvoll verwendet werden kann. Ein teilchen-artiges Phänomen gilt lediglich für jeweils einen "Beobachterzweig".

Nimm ohne den Teilchenbegriff zu überdenken den für das Auge sichtbaren Punkt auf dem Schirm als Beweis für ein detektiertes Teilchen. Die Sichtbarkeit des Punktes beweist gemäß VWI nicht, daß das Teilchen sich nicht in einer Superposition mit dem Detektor befindet.
Ich bin mir nicht sicher, ob ich verstehe, was du mir da sagen möchtest.

Stimmst Du nun zu, daß in jeder der vielen Welten jeweils ein Punkt entsteht und der Unterschied nur dessen Position auf dem Schirm betrifft?
Im Falle von #92 "sieht man in jedem Zweig genau ein Photon".

Bernhard
06.08.18, 16:33
Siehe jedoch Fußnote Seite 15 in

http://jamesowenweatherall.com/SCPPRG/EverettHugh1957PhDThesis_BarrettComments.pdf

sowie Fußnote Seite 68 in

https://www-tc.pbs.org/wgbh/nova/manyworlds/pdf/dissertation.pdf

Offenbar lässt Everett die Frage nach der Deutung des Teilsystems "Quantenobjekt + Messgerät" teilweise doch einfach offen. Mir persönlich gefällt die Deutung gemäß v. Weizsäcker im Sinne von Möglichkeiten. Das erscheint mir auch im Einklang mit dem ehrenfestschen Theorem zu sein, wonach sich der Mittelwert beispielsweise eines Elektrons im Ortsraum entsprechend der klassischen Mechanik verhält.

Man kann sich nun weiter fragen, ob für ein Messgerät wie z.B. ein menschliches Auge nicht Mittelwerte maßgeblicher sind als Wellenfunktionen. Schließlich werden dort ja auch makroskopische elektromagnetische Felder verarbeitet.

TomS
06.08.18, 16:57
Offenbar lässt Everett die Frage nach der Deutung des Teilsystems "Quantenobjekt + Messgerät" teilweise doch einfach offen. Mir persönlich gefällt die Deutung gemäß v. Weizsäcker im Sinne von Möglichkeiten.
Ja, die bleibt teilweise offen.

Ich weiß nicht, ob Weizsäcker die beste Quelle ist. Zunächst mal ist es Everett, dann wohl Wallace, Saunders et al. - unter Berücksichtigung der Dekohärenz.

Das erscheint mir auch im Einklang mit dem ehrenfestschen Theorem zu sein, wonach sich der Mittelwert beispielsweise eines Elektrons im Ortsraum entsprechend der klassischen Mechanik verhält.
Dieses Theorem hilft nichts, weil es nur für mikroskopische Systeme, nicht für Vielteilchensysteme abgeleitet wurde.

Man kann sich nun weiter fragen, ob für ein Messgerät wie z.B. ein menschliches Auge nicht Mittelwerte maßgeblicher sind als Wellenfunktionen. Schließlich werden dort ja auch makroskopische elektromagnetische Felder verarbeitet.
Ich würde nicht Mittelwerte über Felder ansetzen, sondern eine Art Faltung des exakten Feldes mit einer Funktion für den Detektor.

Timm
06.08.18, 17:35
Im Falle von #92 "sieht man in jedem Zweig genau ein Photon".
Die Frage war:
Zitat von Timm
Stimmst Du nun zu, daß in jeder der vielen Welten jeweils ein Punkt entsteht und der Unterschied nur dessen Position auf dem Schirm betrifft?
Entschuldige bitte, wenn ich hier hartnäckig bin.

Ich bin nicht sicher, vermute aber, daß Deine Antwort ein "ja" zu dieser einfachen Frage bedeutet.

Wenn man die Realität der Vielen Welten ernst nimmt, sollte nach meiner Meinung die Antwort "ja" lauten. Ein bei einer Messung beobachtbares Phänomen wie der Punkt auf dem Schirm sollte dann im gesamten "Möglichkeitsraum" verwirklicht sein. Falls Du dem nicht zustimmst, würde mich Dein Einwand interessieren.

Noch etwas, das Dich bitte nicht als Kritik, sondern als Tipp zu verstehen. Es macht Sinn auf eine einfache Frage auf demselben Level zu antworten, wie das etwa im PhysicsForums so gehandhabt wird. Eine Formel hinzuschreiben, hilft dem Fragesteller eher weniger. soon's Frage war einfach und verständlich formuliert.

Timm
06.08.18, 17:45
Es kommen am Detektor natürlich genauso viele Elektronen an, wie an der Quelle ausgesandt werden.
Genauer, es kommen am Detektor diejenigen Elektronen an, die durch den DS gegangen sind, das sind weniger als ausgesandt wurden.
Nach der VWI kommt pro durchgegangenem Elektron jeweils eines in jeder der vielen Welten an.

Timm
06.08.18, 18:03
Offenbar lässt Everett die Frage nach der Deutung des Teilsystems "Quantenobjekt + Messgerät" teilweise doch einfach offen. Mir persönlich gefällt die Deutung gemäß v. Weizsäcker im Sinne von Möglichkeiten.
Ja, interessant ist hier (Wikipedia, Metaphysikeinwand) Weizsäcker's Verständnis:
Everett sei jedoch „konservativ“ bei der Gleichsetzung von Realität und Faktizität geblieben. Sein eigentlicher – philosophischer – Einwand gegen die VWI sei, dass die Existenz einer Menge von Ereignissen („Welten“) gefordert werde, die „nicht Phänomene werden können“.

Damit lag ich mit "kein grundsätzlicher Unterschied zwischen Everett und VWI" offenbar völlig verkehrt.

Der Punkt auf dem Bildschirm ist unbestreitbar ein Phänomen. Damit sollte nach Everett (wenn Weizsäcker ihn richtig interpretiert) dieser Punkt in den Vielen Welten im Gegensatz zur VWI nicht als reales Phänomen existieren.

Bernhard
06.08.18, 20:56
Damit sollte nach Everett (wenn Weizsäcker ihn richtig interpretiert) dieser Punkt in den Vielen Welten im Gegensatz zur VWI nicht als reales Phänomen existieren.
Ich denke, dass wir hier einen Punkt erreicht haben, wo man sich einfach selbst eine Meinung bilden muss ;) .

Die 57er-Arbeit wird von Everett selbst als Meta-Theorie bezeichnet, was darauf hindeutet, dass da noch nicht alles fertig ist. Man muss sehen, welche Vorteile dieser Ansatz oder die ein oder andere Sichtweise bringt.

TomS
07.08.18, 07:24
Entschuldige bitte, wenn ich hier hartnäckig bin.

Schon gut.

Die Frage war, ob in jeder der vielen Welten jeweils ein Punkt entsteht und der Unterschied nur dessen Position auf dem Schirm betrifft?

Ja.

Noch etwas, das Dich bitte nicht als Kritik, sondern als Tipp zu verstehen. Es macht Sinn auf eine einfache Frage auf demselben Level zu antworten ... Eine Formel hinzuschreiben, hilft dem Fragesteller eher weniger. soon's Frage war einfach und verständlich formuliert.
Entschuldige bitte, wenn ich hier hartnäckig bin.

Man kann versuchen, diese Fragestellungen von hinten Herz und verstehen; man beginnt sozusagen mit den vorurteilsbeladenen vielen Welten; das scheitert zumeist. Oder man versucht zu verstehen, was die Mathematik besagt, zunächst noch ohne irgendwelche Interpretation; das kann funktionieren. Um Physik zu verstehen muss man zumindest ansatzweise die Sprache der Physik verstehen.

TomS
07.08.18, 07:42
Genauer, es kommen am Detektor diejenigen Elektronen an, die durch den DS gegangen sind, das sind weniger als ausgesandt wurden.
Nach der VWI kommt pro durchgegangenem Elektron jeweils eines in jeder der vielen Welten an.
Nein, das ist völlig missverständlich - und das ist genau der Grund, warum ich diese text-zentrierte Diskussion nicht mag.

Ja, je Zweig liegt ein Detektorsignal vor.

Aber was ist „ein Elektron“ oder „ein Photon“?

Betrachte bitte mal meine Formeln zum Zwei-Wege-Experiment mit Photonen und sage mir, an welchen Stellen du was als „ein Photon“ identifizierst und wieviele Photonen wir da in Summe haben.

Everett sei jedoch „konservativ“ bei der Gleichsetzung von Realität und Faktizität geblieben. Sein eigentlicher – philosophischer – Einwand gegen die VWI sei, dass die Existenz einer Menge von Ereignissen („Welten“) gefordert werde, die „nicht Phänomene werden können“.
Damit lag ich mit "kein grundsätzlicher Unterschied zwischen Everett und VWI" offenbar völlig verkehrt.
Nein.

Zunächst mal ist die moderne Variante nur eine Weiterentwicklung von Everetts ursprünglichem Ansatz auf Basis der Dekohärenz. Insofern zählt alles, was man heute gemeinhin als „Many Worlds“ betrachtet, zu einer Klasse von Interpretationen mit gemeinsamem mathematischen Kern.

Abweichende Interpretationen sind natürlich immer möglich, und da gibt es durchaus ein breites Spektrum.

Das verhält sich nicht anders als bei „Kopenhagen“: einer Klasse von Interpretationen mit gemeinsamem mathematischen Kern.

Der Punkt auf dem Bildschirm ist unbestreitbar ein Phänomen. Damit sollte nach Everett (wenn Weizsäcker ihn richtig interpretiert) dieser Punkt in den Vielen Welten im Gegensatz zur VWI nicht als reales Phänomen existieren.
Nun, es ist die Frage, aus welcher Sicht etwas „Phänomen werden kann“. Gemäß Everett kann jedes Ereignis Phänomen werden; und Everett präsentiert eine Methode, die es erlaubt, diese Potentialität vollumfänglich zu behalten, um daraus die Faktizität zu berechnen. Man kann Everetts Formalismus auch ernst nehmen und Faktizität mit Potentialität gleichsetzen; dann gelangt man zu den „real existierenden Zweigen“.

Wenn ich Weizsäcker richtig verstehe, dann versteht er wiederum Everett falsch, indem er „Phänomen werden“ aus Sicht eines Beobachterzweiges definiert, für den natürlich nicht mehr alles „Phänomen werden kann“.

Ich denke, die Dekohärenz spielt hier eine entscheidende Rolle. Zu Zeiten Everetts war sein Formalismus eher ein Konstrukt, seine Schlussfolgerungen eine spezielle Interpretation dieses Konstruktes. Heute verstehen wir ziemlich genau, dass und wie diese Zweige gemäß Dekohärenz resultieren, warum sie dynamisch stabil sowie wechselweise unsichtbar bleiben, und demnach „wechselweise nicht Phänomen werden können“. Die Theorie sagt also sowohl diese „Verzweigung“ als auch das „Unsichtbarwerden“ präzise vorher. Dem nun abzusprechen, dass ein faktisches Phänomen vorliegt, ist ungefähr so wissenschaftlich, wie (vor hunderten von Jahren) Verdampfen mit Verschwinden gleichzusetzen.

The potential for multiple worlds is always there in the quantum state ... The formalism predicts that there are many worlds, so we choose to accept that
(Carroll)

Die Vorhersage der „vielen Welten“ ist die erste und einzige Vorhersage der Quantenmechanik, die von einigen Physikern konsequent abgelehnt wird; dabei folgt sie exakt so aus dem Formalismus wie bekannte Ergebnisse zum Doppelspalt, zur Verschränkung, zum o.g. zwei-Wege-Experiment für ein Photon usw. Diese Vorhersage abzulehnen, weil man sie nicht mag, ist unwissenschaftlich. Wissenschaftlich wäre es, wenn man an der Falsifizierbarkeit und der experimentellen Unterscheidbarkeit zwischen orthodoxer und Everettscher Quantenmechanik arbeiten würde.

Timm
07.08.18, 10:18
Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem man schon über Phänomene sprechen sollte. Genau das bewegt die Leute und auch Physiker, wie das Beispiel von Weizsäcker's zeigt.
Sie treten aber als klassische Teilchen nicht im Formalismus auf, und sie taugen nicht dazu, Interferenzen zu erklären. Für fundamentale Fragestellungen muss man nun mal den Formalismus benutzen.

Genau das ist das Problem. Wie schlägt man die Brücke vom Formalismus zum beobachtbaren Phänomen?
Ich hatte bisher die Vorstellung, daß das was wir als klassisches Phänomen wahrnehmen, wie etwa die Registrierung eines Teilchen mit einem Detektor, gemäß dem Formalismus der QM eine sich weiter verzweigende Superposition von "Teilchen" und Detektor ist, was einen quasi klassischen Eindruck erweckt. Es gibt wegen der fortdauernden Verschränkung nicht den Detektor und das Teilchen unabhängig voneinander. Auch das Herumschubsen eines Teilchens mit dem Rastertunnelmikroskop beweist nicht zwingend, daß es als klassisch zu betrachten ist.

Nun, es ist die Frage, aus welcher Sicht etwas „Phänomen werden kann“. Gemäß Everett kann jedes Ereignis Phänomen werden; und Everett präsentiert eine Methode, die es erlaubt, diese Potentialität vollumfänglich zu behalten, um daraus die Faktizität zu berechnen. Man kann Everetts Formalismus auch ernst nehmen und Faktizität mit Potentialität gleichsetzen; dann gelangt man zu den „real existierenden Zweigen“.
Gut daß Du 2 mal kann (von mir hervorgehoben) schreibst. Damit bist Du implizit bei von Weizsäcker.

Wenn ich Weizsäcker richtig verstehe, dann versteht er wiederum Everett falsch, indem er „Phänomen werden“ aus Sicht eines Beobachterzweiges definiert, für den natürlich nicht mehr alles „Phänomen werden kann“.
Ich denke, er versteht Everett richtig. Es gut um das Phänomen in allen möglichen Welten, nur das ist strittig. Und hier gilt nach Deiner Einschätzung die kann-Bestimmung.

Diese Vorhersage abzulehnen, weil man sie nicht mag, ist unwissenschaftlich.
Klar, aber in diesem Thread hat diese Haltung niemand.

Akzeptabel ist die Sicht, daß es keinen Sinn macht, sich mit Dingen zu beschäftigen, die man prinzipiell nicht wissen kann, wie die Frage, ob die Phänomene in allen Welten real sind. Oder beim Heisenberg Mikroskop die Frage nach Ort und Impuls des Teilchens.

Wissenschaftlich wäre es, wenn man an der Falsifizierbarkeit und der experimentellen Unterscheidbarkeit zwischen orthodoxer und Everettscher Quantenmechanik arbeiten würde.
Die Vielen Welten sind orthogonal zueinander. Welchen Ansatz hätte man da? Die Physik tappt nach Sabine Hossenfelder mehr oder weniger auf der Stelle. Talentierte Forscher sollten sich auf ungelöste Probleme in dieser Welt konzentrieren.

TomS
07.08.18, 12:30
Akzeptabel ist die Sicht, daß es keinen Sinn macht, sich mit Dingen zu beschäftigen, die man prinzipiell nicht wissen kann, wie die Frage, ob die Phänomene in allen Welten real sind.
Man kann sie prinzipiell wissen, lediglich praktisch nicht.

Es gibt hier außerdem einen schleichenden Übergang. Wir sind in der Lage, immer größere Quantesysteme über immer längere Zeiträume kohärent zu halten und die entsprechenden Quantenphänomene zu berechnen sowie zu beobachten. Alles was jenseits der ggw. erreichbaren Grenze für Dekohärenz liegt ist derzeit praktisch nicht zugänglich, jedoch prinzipiell.

Gemäß Everett folgen beide Regime denselben Gesetzen und es gibt keinen harten Übergang. Wir bezeichnen praktischerweise das als “Zweig” oder “Welt” was uns als solches erscheint, wohl wissend, dass dies kein hartes Kriterium ist. Genauso könnten wir fragen, wo der Übergang zwischen einer Ansammlung von H2O-Molekülen zu einem Wassertropfen liegt. Wenn wir letzteren sehen, dann wissen wir es. Und wir können auch immer kleinere Tropfen sowie immer größere Ansammlungen von H2O-Molekülen untersuchen. Nur werden wir nie ad hoc ein anderes Gesetz zur Beschreibung von Wassertropfen einführen, sondern im Gegenteil bemüht sein, die makroskopische Dynamik des Tropfens aus den mikroskopischen Gesetzen der intra- und intermolekularen Wechselwirkungen der H2O-Moleküle abzuleiten.

So man heute eine Kollaps fordern würde, kann man evtl. morgen schon ein kohärentes, interferenzfähiges System präparieren und kontrollieren.

Die Vielen Welten sind orthogonal zueinander. Welchen Ansatz hätte man da?
Genau diesen:
(1) Zunächst ein genügend großes System mit einer prinzipiell kontrollierbaren Umgebung interagieren lassen, letztere jedoch nicht beobachten und die resultierenden Dekohärenzeffekte studieren.
(2) Anschließend das selbe System mit der Umgebung interagieren lassen, diese kontrollieren und die Dekohärenz verhindern, so dass das, was bei (1) noch Gegenstand der Dekohärenz war, jetzt zugänglich für Interferenzeffekte wird.

Die Physik tappt nach Sabine Hossenfelder mehr oder weniger auf der Stelle.
Das ist ein anderes Thema, und Sabine ist nicht das Maß aller Dinge.

Talentierte Forscher sollten sich auf ungelöste Probleme in dieser Welt konzentrieren.
Das Messproblem ist ein ungelöstes Problem, im Rahmen der Quantenmechanik wohl das ungelöste Problem.

Und man arbeitet ja an diesen Themen, siehe z.B.

https://www.nobelprize.org/nobel_prizes/physics/laureates/2012/haroche-lecture.pdf

TomS
07.08.18, 12:42
[Teilchen] treten aber als klassische Teilchen nicht im Formalismus auf, und sie taugen nicht dazu, Interferenzen zu erklären. Für fundamentale Fragestellungen muss man nun mal den Formalismus benutzen.

Genau das ist das Problem. Wie schlägt man die Brücke vom Formalismus zum beobachtbaren Phänomen?
Ich hatte bisher die Vorstellung, daß das was wir als klassisches Phänomen wahrnehmen, wie etwa die Registrierung eines Teilchen mit einem Detektor, gemäß dem Formalismus der QM eine sich weiter verzweigende Superposition von "Teilchen" und Detektor ist, was einen quasi klassischen Eindruck erweckt. Es gibt wegen der fortdauernden Verschränkung nicht den Detektor und das Teilchen unabhängig voneinander.
Was sagst du nun dazu:

Genauer, es kommen am Detektor diejenigen Elektronen an, die durch den DS gegangen sind, das sind weniger als ausgesandt wurden.
Nach der VWI kommt pro durchgegangenem Elektron jeweils eines in jeder der vielen Welten an.
Nein, das ist völlig missverständlich - und das ist genau der Grund, warum ich diese text-zentrierte Diskussion nicht mag.

soon
07.08.18, 13:27
Nein, das ist völlig missverständlich - und das ist genau der Grund, warum ich diese text-zentrierte Diskussion nicht mag.
Aus dem Vorwort zu 'Feynman, Richard P. - Vom Wesen physikalischer Gesetze' :

"Er [Feynman] als Theoretiker untersagte mir bei diesen Diskussionen zu meinem größten Erstaunen die Verwendung von mathematischen Formulierungen mit der Begründung, daß die Mathematik ja dann nachgeholt werden könne, wenn die Lösungen erst einmal klar wären."



Solltest du mal lesen!

Timm
07.08.18, 17:24
Zitat von Timm
Akzeptabel ist die Sicht, daß es keinen Sinn macht, sich mit Dingen zu beschäftigen, die man prinzipiell nicht wissen kann, wie die Frage, ob die Phänomene in allen Welten real sind.
Man kann sie prinzipiell wissen, lediglich praktisch nicht.

Es gibt hier außerdem einen schleichenden Übergang. ...
Der schleichende Übergang liefert kein prinzipielles Wissen, "ob die Phänomene in allen Welten real sind." Darum ging es.

Er liefert nmM auch kein prinzipielles Wissen, ob ein Billiard Ball interferenzfähig ist, sondern ein heuristisches Argument, daß es so ist. Etwa so wie man von einer kleinen gekrümmten Fläche auf die Kugeloberfläche schließt. Eine plausible Annahme, aber kein prinzipielles Wissen. - Man kann sich streiten, was man genau unter "prinzipiellem Wissen" versteht. Wenn der Formalismus der QM als prinzipielles Wissen gilt, dann erübrigt sich die aufwändige Untersuchung des schleichenden Übergangs.

So man heute eine Kollaps fordern würde, kann man evtl. morgen schon ein kohärentes, interferenzfähiges System präparieren und kontrollieren.
Mir ist nicht klar, was Du hier sagen möchtest.


Zitat von Timm
Die Vielen Welten sind orthogonal zueinander. Welchen Ansatz hätte man da?
Genau diesen:
(1) Zunächst ein genügend großes System mit einer prinzipiell kontrollierbaren Umgebung interagieren lassen, letztere jedoch nicht beobachten und die resultierenden Dekohärenzeffekte studieren.
(2) Anschließend das selbe System mit der Umgebung interagieren lassen, diese kontrollieren und die Dekohärenz verhindern, so dass das, was bei (1) noch Gegenstand der Dekohärenz war, jetzt zugänglich für Interferenzeffekte wird.
Hier ging es um Deine Feststellung "Wissenschaftlich wäre es, wenn man an der Falsifizierbarkeit und der experimentellen Unterscheidbarkeit zwischen orthodoxer und Everettscher Quantenmechanik arbeiten würde."

Die beiden Punkte würde ich gern besser verstehen. Nehmen wir als Beispiel Zeilinger's Dekohärenz Experimente. Mit zunehmender Temperatur der C70 Fullerene nimmt die Kohärenz ab (abgestrahlte Photonen interagieren mit der Umwelt) und wird das Interferenzbild unschärfer. Das wäre wohl soweit nach meinem Verständnis (1). (2) verstehe ich nicht. Wie will man die Dekohärenz verhindern, wenn man das System mit der Umwelt interagieren läßt. Im Beispiel wird die Dekohärenz gerade dann verhindert, wenn keine Interaktion mit der Umwelt stattfindet.

Und was haben derartige Experimente in einer Welt mit Phänomenen in allen möglichen Welten zu tun und mit der "Falsifizierbarkeit und der experimentellen Unterscheidbarkeit zwischen orthodoxer und Everettscher Quantenmechanik"?

TomS
07.08.18, 19:32
Aus dem Vorwort zu 'Feynman, Richard P. - Vom Wesen physikalischer Gesetze' :

"Er [Feynman] als Theoretiker untersagte mir bei diesen Diskussionen zu meinem größten Erstaunen die Verwendung von mathematischen Formulierungen mit der Begründung, daß die Mathematik ja dann nachgeholt werden könne, wenn die Lösungen erst einmal klar wären."
Das ist Feynman. “How shall I do the calculation if I don’t know the result? - als Antwort auf meine Frage an meinen früheren Prof., wie man denn auf diesen Lösungsansatz kommen würde. Und Mozart hat seine Stücke teilweise auch erst aufgeschrieben, nachdem er sie im Kopf schon längst fertig hatte.

Wir Sterblichen müssen uns aber an die Mathematik halten, insbs. wenn wir diese Mathematik interpretieren wollen. Singen lernt man auch nur durch Singen, nicht durch das Lesen von Konzertkritiken.

TomS
07.08.18, 19:40
Der schleichende Übergang liefert kein prinzipielles Wissen ...
Das habe ich auch nicht behauptet. Ich weiß nicht mal, was prinzipielles Wissen in der Physik sein sollte. Ich habe lediglich behauptet, dass es sicher nicht prinzipiell ausgeschlossen ist, darüber praktisches Wissen zu erwerben.


So man heute eine Kollaps fordern würde, kann man evtl. morgen schon ein kohärentes, interferenzfähiges System präparieren und kontrollieren
Mir ist nicht klar, was Du hier sagen möchtest.
Zwei Dinge:

Erstens möchte ich damit sagen, dass wir immer weiter darin voranschreiten, größere Systeme über längere Zeiträume kohärent zu halten, bzw. uns zu entscheiden, ob und wie lange wir sie kohärent halten. Immer wenn wir das tun, stoßen wir in Bereiche vor, für die wir bis zu diesem Zeitpunkt einen Kollaps hätten postulieren können, weil die zeitliche Auflösung des Experimentes nicht ausreichend war, für die wir aber nun keinen Kollaps mehr postulieren dürfen. D.h. der Kollaps ist offensichtlich auf bestimmte Regime beschränkt, und diese sind nicht in Stein gemeißelt.

Nach

https://de.m.wikipedia.org/wiki/Dekoh%C3%A4renz#Typische_Dekoh%C3%A4renzzeiten

könnten Systeme im Mikrometerbereich in Reichweite sein.

Das Kollapspostulat wäre dann zukünftig dahingehend abzuwandeln, dass ein Kollaps postuliert wird, außer wenn X; X steht dabei für die Systemgröße sowie Umgebungsbedingungen. Dies zeigt, dass an der Idee des Kollapses und der künstliche Trennung zwischen Quantensytem und Messgeräte sowie deren Skalen irgendetwas faul ist.

Ich denke aber, das habe ich in den vorigen Beiträgen hinreichend diskutiert.

Zweitens möchte ich damit sagen, dass sich diese Problemstellungen und Überlegungen durchaus mit wissenschaftlichen Methoden vereinbaren lassen. Dies gilt insbs. für den Everettsche Ansatz, da er gerade nicht einen Kollaps postuliert, immer dann, wenn es opportun ist, sondern immer die selben quantenmechanischen Grundregeln zugrunde legt. Damit Everett zumindest prinzipiell falsifizierbar. Es wäre z.B. möglich, bei immer größeren Systemen, Skalen und Zeiten zu prüfen, ob weiterhin die oben verlinkten a Dekohärenzzeiten zutreffen und ob deutlich unterhalb dieser Zeiten weiterhin Kohärenz - also Interferenzfähigkeit - besteht. Wenn ja, dann ist das ein Indiz für Everett; wenn nein, dann ist das ein Indiz für den orthodoxen Kollaps und eine Widerlegung Everetts.

Klar, das funktioniert nicht mit Kanonenkugeln.



Hier ging es um Deine Feststellung "Wissenschaftlich wäre es, wenn man an der Falsifizierbarkeit und der experimentellen Unterscheidbarkeit zwischen orthodoxer und Everettscher Quantenmechanik arbeiten würde."

Die beiden Punkte würde ich gern besser verstehen. Nehmen wir als Beispiel Zeilinger's Dekohärenz Experimente. Mit zunehmender Temperatur der C70 Fullerene nimmt die Kohärenz ab (abgestrahlte Photonen interagieren mit der Umwelt) und wird das Interferenzbild unschärfer. Das wäre wohl soweit nach meinem Verständnis (1). (2) verstehe ich nicht. Wie will man die Dekohärenz verhindern, wenn man das System mit der Umwelt interagieren läßt. Im Beispiel wird die Dekohärenz gerade dann verhindert, wenn keine Interaktion mit der Umwelt stattfindet.

Und was haben derartige Experimente in einer Welt mit Phänomenen in allen möglichen Welten zu tun und mit der "Falsifizierbarkeit und der experimentellen Unterscheidbarkeit zwischen orthodoxer und Everettscher Quantenmechanik"?
Zunächst mal muss man die Dekohärenz nicht vollständig verhindern sondern gezielt untersuchen, z.B. durch unterschiedliche Grade der Abschirmung oder Kühlung.

Bzgl. der Phänomene in “allen Welten” ist das ganz einfach - und ich bitte dich dringend, dir nochmal mein Beispiel zum Zwei-Wege-Experiment mit einem Photon durchzulesen: wir führen derartige Experimente seit Jahrzehnten mit mikroskopischen Sytemen durch, d.h. wir arbeiten praktisch mit einer - bzgl. der Anzahl der Freiheitsgrade - Mini-Version dieser Welten. Und wir bestätigen damit seit Jahrzehnten Everetts Ansatz!

Im Laufe der Jahrzehnte war es uns möglich, zu immer komplexeren Systemen überzugehen und die durchgehende Existenz dieser Zweige experimentell abzusichern, denn jedes Interferenzphänomen bestätigt trivialerweise diese mathematische Zweigstruktur! Bzw. jedes Interferenzphänomen schließt einen realen Kollaps explizit aus. Wir reduzieren also schrittweise das Regime, innerhalb dessen wir einen Kollaps überhaupt im Einklang mit den beobachtbaren Phänomen postulieren können.

In meinem Beispiel habe ich den Zustand |a> eines Atoms durch den Zustand |A> eines Messgerätes ersetzt. Wir müssen streng genommen noch die Umgebung mit einbeziehen, d.h. |a, ...> mit genügender Abschirmung sowie ausreichender zeitlicher Auflösung betrachten; dann bleiben |a,a*> usw. interferenzfähig. Genauso können wir auch bei |A,...> argumentieren. Tatsächlich ist es uns heute möglich, komplexere Systeme als Atome zur Interferenz zu bringen, d.h. |a,...> steht schon heute praktisch für eine mini-Version von |A,...>. Zwischen beiden besteht kein prinzipieller Unterschied, weder mathematisch noch experimentell.

Wir verifizieren Everett also bei jeder Vergrößerung von |a> und bei jeder schwächeren Abschirmung von |...>. Und damit falsifizieren automatisch den Kollaps für all diese Anordnungen; das ist seit Jahren Fakt. Wenn unsere technischen Fähigkeiten voranschreiten, werden wir den Gültigkeitsbereich des Kollapses weiter reduzieren und die Everettsche Interpretation in immer größeren Maßstäben verifizieren. Damit ist die Everettsche Quantenmechanik prinzipiell falsifizierbar, sie ist explizit in gewissen Regimen verifiziert, während der Kollaps in genau diesen Systemen falsifiziert ist. Beide sind demnach der wissenshaftlichen Methode zugänglich, aber der Kollaps schneidet zunehmend schlechter ab :-)

Timm
08.08.18, 10:32
Ich kann leider nicht auf alles eingehen. Danke für die Mühe und auch den link. Ich werde mir das noch anschauen.

Deine folgenden Aussagen, die ich nicht wirklich plausibel finde, werde ich einigen klaren Äußerungen von Sean Carroll gegenüberstellen.

Carroll

In meinem Beispiel habe ich den Zustand |a> eines Atoms durch den Zustand |A> eines Messgerätes ersetzt. Wir müssen streng genommen noch die Umgebung mit einbeziehen, d.h. |a, ...> mit genügender Abschirmung sowie ausreichender zeitlicher Auflösung betrachten; dann bleiben |a,a*> usw. interferenzfähig. Genauso können wir auch bei |A,...> argumentieren. Tatsächlich ist es uns heute möglich, komplexere Systeme als Atome zur Interferenz zu bringen, d.h. |a,...> steht schon heute praktisch für eine mini-Version von |A,...>. Zwischen beiden besteht kein prinzipieller Unterschied, weder mathematisch noch experimentell.

Wir verifizieren Everett also bei jeder Vergrößerung von |a> und bei jeder schwächeren Abschirmung von |...>. Und damit falsifizieren automatisch den Kollaps für all diese Anordnungen; das ist seit Jahren Fakt. Wenn unsere technischen Fähigkeiten voranschreiten, werden wir den Gültigkeitsbereich des Kollapses weiter reduzieren und die Everettsche Interpretation in immer größeren Maßstäben verifizieren. Damit ist die Everettsche Quantenmechanik prinzipiell falsifizierbar, sie ist explizit in gewissen Regimen verifiziert, während der Kollaps in genau diesen Systemen falsifiziert ist. Beide sind demnach der wissenshaftlichen Methode zugänglich, aber der Kollaps schneidet zunehmend schlechter ab :-)
Carroll:
(2)But there is clearly another possibility. If the particle can be in a superposition of two states, then so can the apparatus. So nothing stops us from writing down a state of the form

(spin is up ; apparatus says “up”) + (spin is down ; apparatus says “down”).

The plus sign here is crucial. This is not a state representing one alternative or the other, as in the textbook view; it’s a superposition of both possibilities. In this kind of state, the spin of the particle is entangled with the readout of the apparatus.
Völlig klar, bei der Messung hat das Teilchen eine von 2 möglichen Eigenschaften und wegen der Aufrechterhaltung der Verschränkung beruht diese realisierte Teilcheneigenschaft nicht auf einem Kollaps der Wellenfunktion.
Nun schreibst Du für mich etwas kryptisch: "Wenn unsere technischen Fähigkeiten voranschreiten, werden wir den Gültigkeitsbereich des Kollapses weiter reduzieren und die Everettsche Interpretation in immer größeren Maßstäben verifizieren."
Klar scheine mir die Aussage: Eine Unterstützung Everett's wäre der experimentelle Nachweis, daß sich der Detektor in einer Superposition zweier Möglichkeiten gemäß Carroll's Anordung (2) befindet. Oder abgeschwächt, daß er sich überhaupt in einer Superposition befindet. Ein Nachweis der Realität der Vielen Welten wäre das aber noch immer nicht, denn wir können dort nicht nachschauen. Sicher bin ich mir allerdings nicht. Eine nachgewiesene Superposition von Detektor + Teilcheneigenschaften verbunden einem Messresultat (Carroll read out) bedeutet Messung ohne Kollaps. Und damit womöglich die Bestätigung der VWI.

TomS
08.08.18, 16:05
Deine folgenden Aussagen, die ich nicht wirklich plausibel finde, werde ich einigen klaren Äußerungen von Sean Carroll gegenüberstellen.
Zunächst mal ist meine Darstellung mathematsixch äquivalent zu Carroll's Aussage.

...bei der Messung hat das Teilchen eine von 2 möglichen Eigenschaften und wegen der Aufrechterhaltung der Verschränkung beruht diese realisierte Teilcheneigenschaft nicht auf einem Kollaps der Wellenfunktion.
... bei der Messung zeigt das Teilchen gem. Everett zweig-lokal, unter Aufrechterhaltung der Verschränkung und ohne Kollaps der Wellenfunktion eine von 2 möglichen Eigenschaften.

Nun schreibst Du für mich etwas kryptisch: "Wenn unsere technischen Fähigkeiten voranschreiten, werden wir den Gültigkeitsbereich des Kollapses weiter reduzieren und die Everettsche Interpretation in immer größeren Maßstäben verifizieren."
Der Kollaps ist offensichtlich phänomenologisch äquivalent zur Dekohärenz. Wenn du für ein bestimmtes Experiment die Wechselwirkung mit der Umgebung und somit die Dekohärenz gezielt kontrollieren kannst, dann widerspricht dies dem Kollaps. Du kannst ja schlecht einen Kollaps postulieren, der für ein Photonenbad mit Temperatur T2 gilt, jedoch nicht für ein solches mit T1 < T2. Jedes gezielte Vergrößern des Gültigkeitsbereiches der Quantenverschränkung oder der -interferenz ist ein Indiz gegen den Kollaps in diesem Gültigkeitsbereich.

Klar scheine mir die Aussage: Eine Unterstützung Everett's wäre der experimentelle Nachweis, daß sich der Detektor in einer Superposition zweier Möglichkeiten gemäß Carroll's Anordung (2) befindet.
Genau das tun wir doch mittels Detektoren, die im Grenzbereich zwischen Mikro- und Makrokosmos operieren und für die wir Intereferenzeffekte nachweisen können.

Da sind einerseits Systeme, für die Interferenzeffekte und damit die o.g. Struktur des Quantenzustandes gesichert sind, z.B. einzelne Photonen oder kohärente Zustände, auch über einige makroskopische Größenordnungen.

Dann sind da andererseits Systeme, für die Interefernzeffekte außerhalb jeglicher Reichweite sind, z.B. Billardkugeln.

Und dann haben wir Systeme, die sich irgendwo dazwischen bewegen, z.B., Atome, Moleküle, Bose-Einstein-Kondensate aus einigen 10^n Atomen, Quantenflüssigkeiten, Josephson-Elemente / SQUIDS, ...

Oder abgeschwächt, daß er sich überhaupt in einer Superposition befindet. Ein Nachweis der Realität der Vielen Welten wäre das aber noch immer nicht, denn wir können dort nicht nachschauen.
Ist das jetzt ein philosophischer oder ein physikalischer Einwand?

Philosophisch können wir nie beweisen, dass die o.g. Gleichungen irgendein System tatsächlich so beschrieben, wie es tatsächlich real existiert; wir können immer nur zeigen, dass die korrekten Phänomene resultieren. Die ontologische Interpretation von Everett ist also nie beweisbar (genausowenig wie irgendeine andere Interpretation).

Physikalisch können wir jedoch experimentell belegen, dass sich Phänomene einzelner Quantenobjekte wie Photonen durch die o.g. Gleichungen korrekt vorhersagen lassen. Genauso können wir aber heute auch zeigen, dass dies für komplexere Systeme wie die o.g. SQUIDS u.a. gilt. Damit müssen wir zunächst akzeptieren, dass SQUIDS - in einem bestimmten experimentellen Umfeld - nicht dem Kollapspostulat gehorchen, sondern der unitären Zeitentwicklung, da andernfalls bestimmte Phänomene falsch vorhergesagt würden. Wir haben den Kollaps innerhalb dieses experimentellen Umfeld explizit ausgeschlossen. Nun variieren wir das experimentelle Umfeld, indem wir z.B. einen Riesen-SQUID- bauen, oder die Temperatur erhöhen, oder was auch immer. Auf einmal ist das Verhalten in dieses neuen experimentelle Umfeldes durch den Kollaps zutreffend beschreibbar, aber natürlich auch durch die Dekohärenz und das Aufrechterhalten der Zweigstruktur gemäß Everett ohne Kollaps.

Würdest du in diesem Falle für den Kollaps optieren?

Würdest du im Falle von Billardkugel für den Kollaps optieren? Warum für Billardkugeln, jedoch nicht für SQUIDS? Oder für C70-Fullerene?

Bedenke: für jedes System, an dem du quantenmechanische Interferenz- oder Verschränkungsphänomene nachweisen kannst, darfst du den "Kollaps der Wellenfunktion" nicht anwenden, da du damit die mathematische Struktur zerstörst, aus der diese Phänomene folgen.

Damit beweisen wir nicht, die Korrektheit der ontologischen Interpretation der mathematischen Struktur gem. Everett. Aber wir widerlegen die mathematische Anwendbarkeit des Projektionspostulates nach von Neumann.

Eine nachgewiesene Superposition von Detektor + Teilcheneigenschaften verbunden mit einem Messresultat bedeutet Messung ohne Kollaps. Und damit womöglich die Bestätigung der VWI.
Genau! Das ist die Stoßrichting der Argumentatnion von Carroll, der ich mich vollumfänglich anschließe. Man kann noch Vorsicht walten alssen bzl. der "nachgewiesene Superposition"; streng genommen handelt es sich natürlich nur um den "nachgewiesenen Effekt, vorhergesagt mittels des mathematischen Apparates und insbs. der Superposition".

Erzielen wir damit so langsam Einigkeit, dass zumindest die instrumentelle, d.h. nicht-ontologische Everettsche QM im Sinne des mathematischen Formalismus anwendbar und sinnvoll ist? (für mich ist sie die einzig überzeugende Variante)

Timm
08.08.18, 17:52
Genau! Das ist die Stoßrichting der Argumentatnion von Carroll, der ich mich vollumfänglich anschließe. Man kann noch Vorsicht walten alssen bzl. der "nachgewiesene Superposition"; streng genommen handelt es sich natürlich nur um den "nachgewiesenen Effekt, vorhergesagt mittels des mathematischen Apparates und insbs. der Superposition".

Erzielen wir damit so langsam Einigkeit, dass zumindest die instrumentelle, d.h. nicht-ontologische Everettsche QM im Sinne des mathematischen Formalismus anwendbar und sinnvoll ist? (für mich ist sie die einzig überzeugende Variante)
Ich brauche erst mal eine Denkpause. Zumindest bilde ich mir ein, nun dank Deiner Hilfe ein paar Dinge besser zu verstehen.

TomS
08.08.18, 23:54
Ich brauche erst mal eine Denkpause.
war bei mir nicht anders

Zumindest bilde ich mir ein, nun dank Deiner Hilfe ein paar Dinge besser zu verstehen.
das würde mich freuen