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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Quantenchaos


Simon_St
03.11.18, 16:23
Hallo,
habe mal gelesen, dass es in der QM gar kein Chaos gibt. Wenn man Chaos so definiert, dass kleine Änderungen an den Anfangsbedingungen zu großen Veränderung im Laufe der Zeit führen. Stimmt das?

Habe auch gelesen, dass sich bei großer Teilchenzahl die QM nicht mehr bemerkbar macht, da alle "Quantenereignisse" sich rausmitteln?

Was ist bei "Schrödingerskatze"? Da hat doch ein Quantenereignis makroskopische Auswirkungen?

Hawkwind
08.11.18, 10:27
Hallo,
habe mal gelesen, dass es in der QM gar kein Chaos gibt. Wenn man Chaos so definiert, dass kleine Änderungen an den Anfangsbedingungen zu großen Veränderung im Laufe der Zeit führen. Stimmt das?

Habe auch gelesen, dass sich bei großer Teilchenzahl die QM nicht mehr bemerkbar macht, da alle "Quantenereignisse" sich rausmitteln?


Das ist Unfug: die Bose-Einstein-Statistik identischer Teilchen hat immensen Einfluss im Makroskopischen. Einige Beispiele findet man z.B. hier:
https://de.wikipedia.org/wiki/Quantenstatistik

TomS
10.11.18, 11:12
Wenn man Chaos so definiert, dass kleine Änderungen an den Anfangsbedingungen zu großen Veränderung im Laufe der Zeit führen. Stimmt das?
Im wesentlichen ja.

Ein charakteristisches Merkmal von klassischem, deterministischem Chaos ist, dass sich benachbarte Trajektorien im Phasenraum über einen gewissen Zeitraum exponentiell voneinander entfernen - während bei nicht-chaotischen Systemen ein lineares Verhalten vorliegt.

https://en.m.wikipedia.org/wiki/Phase_space
https://en.m.wikipedia.org/wiki/Lyapunov_time
https://en.m.wikipedia.org/wiki/Lyapunov_exponent


habe mal gelesen, dass es in der QM [im eigtl. Sinne] gar kein Chaos gibt.
Stimmt - mit dem Zusatz [...].

Ursache ist, dass man in der QM keine Trajektorien betrachten kann, sondern ausschließlich Quantenzustände. Deren Zeitentwicklung ist jedoch gemäß der Schrödingergleichung immer unitär und linear, d.h. exponentielles Verhalten ist im Rahmen der QM prinzipiell ausgeschlossen.

Daher müssen quantenmechanische Systeme, deren klassisches Analoga Chaos aufweisen, anders charakterisiert werden, um Eigenschaften des sogenannten Quantenchaos zu verstehen.

https://en.m.wikipedia.org/wiki/Quantum_chaos

Habe auch gelesen, dass sich bei großer Teilchenzahl die QM nicht mehr bemerkbar macht, da alle "Quantenereignisse" sich rausmitteln?
s.o. das Beispiel des Bose-Einstein-Kondensats.

Ein weiteres Beispiel ist das Verhalten von Fermionen mit dem resultierenden Atombau bzw. dem Periodensystem sowie den Eigenschaften der uns bekannten Materialien - Stabilität, Farbe, Leitfähigkeit, Wärmekapazät, Phasenübergänge, ...

Was ist bei "Schrödinger Katze"? Da hat doch ein Quantenereignis makroskopische Auswirkungen?
Das sollten wir separat diskutieren.

Hawkwind
11.11.18, 13:46
Ursache ist, dass man in der QM keine Trajektorien betrachten kann, sondern ausschließlich Quantenzustände. Deren Zeitentwicklung ist jedoch gemäß der Schrödingergleichung immer unitär und linear, d.h. exponentielles Verhalten ist im Rahmen der QM prinzipiell ausgeschlossen.


Allerdings kann man auch argumentieren, dass die klassische Mechanik nichts anderes als ein Spezialfall der Quantenmechanik ist - nämlich der für hinreichend große Objekte o.ä.. Es lässt sich ja beweisen, dass die Erwartungswerte der QM für hinreichend große System den Bewegungsgleichungen der klassischen Mechanik folgen (Ehrenfest-Theorem). Insofern ist das chaotische Verhalten klassischer Systeme auch in der QM bereits enthalten, wenn auch weit weniger offensichtlich.

Timm
11.11.18, 14:01
Allerdings kann man auch argumentieren, dass die klassische Mechanik nichts anderes als ein Spezialfall der Quantenmechanik ist - nämlich der für hinreichend große Objekte o.ä.. Es lässt sich ja beweisen, dass die Erwartungswerte der QM für hinreichend große System den Bewegungsgleichungen der klassischen Mechanik folgen (Ehrenfest-Theorem).
Aber das ist nicht so zu verstehen, daß die Klassische aus der Quantenmechanik emergiert? So wie thermodynamische Größen aus der Kinetik mikroskopischer Teilchen emergieren.

Hawkwind
11.11.18, 19:06
Aber das ist nicht so zu verstehen, daß die Klassische aus der Quantenmechanik emergiert? So wie thermodynamische Größen aus der Kinetik mikroskopischer Teilchen emergieren.

Nach meinem Verständnis sollte die klassische Mechanik in der QM als Grenzfall enthalten sein - gerade so wie im Prinzip die Spezielle Relativität die nichtrelativistische Mechanik enthält.

In der "Praxis" ist das sicher nicht so leicht zu zeigen. Es müsste so sein, dass die Bewegung des Schwerpunktes eines makroskopischen Objektes in der QM durch ein hinreichend scharfes Wellenpaket beschrieben werden kann. Dekohärenz sorgt ja dafür, dass Superpositionen für makroskopische Objekte schnell zu scharfen Paketen dekohärieren, und die Erwartunsgwerte diese genügen laut Ehrenfest-Theorem den Bewegungsgleichungen der klassischen Mechanik. Das in aller Allgemeinheit zu zeigen ist sicher eine Herausforderung.

Bestimmt kann man das aber auch kontrovers diskutieren, denn Messproblem und Deutungen der QM spielen hinein.

TomS
11.11.18, 20:30
Nach meinem Verständnis sollte die klassische Mechanik in der QM als Grenzfall enthalten sein - gerade so wie im Prinzip die Spezielle Relativität die nichtrelativistische Mechanik enthält.

In der "Praxis" ist das sicher nicht so leicht zu zeigen. Es müsste so sein, dass die Bewegung des Schwerpunktes eines makroskopischen Objektes in der QM durch ein hinreichend scharfes Wellenpaket beschrieben werden kann. Dekohärenz sorgt ja dafür, dass Superpositionen für makroskopische Objekte schnell zu scharfen Paketen dekohärieren, und die Erwartunsgwerte diese genügen laut Ehrenfest-Theorem den Bewegungsgleichungen der klassischen Mechanik. Das in aller Allgemeinheit zu zeigen ist sicher eine Herausforderung.

Bestimmt kann man das aber auch kontrovers diskutieren, denn Messproblem und Deutungen der QM spielen hinein.
Das Ehrenfest-Theorem ist i.A. natürlich nicht ausreichend, man benötigt die Dekohärenz. Das älteste Paper dazu stammt wohl von Mott:

http://rspa.royalsocietypublishing.org/content/126/800/79