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physicus
17.11.18, 12:23
Hallo zusammen,

ein weiteres Thema, das mich beschäftigt, ist die Massenzunahme bei relativistischen Geschwindigkeiten.

Ich denke nicht, dass man dieses Phänomen an sich anzweifeln sollte, die Tatsache an sich dürfte bewiesen sein (Kaufmann-Bucherer-Neumann-Experimente etc.).

Nur, wie entsteht das? Woher "weiss" Materie: hoppla, jetzt nähere ich mich langsam der (noch dazu 'konstanten') Lichtgeschwindigkeit, es wird jetzt langsam Zeit, meine Masse zu erhöhen (nebenbei übrigens, wie stellt sie das dann an?)

Die "Äthermodelle" sind ja überholt... trotzdem, was sagt der Materie, dass sie (relativistische) Geschwindigkeit draufhat? Woher bekommt sie diese - hoppla - Information?

Bekommt sie die von der Raumzeit, die sie dabei durchquert?

Von der "Raumzeit" habe ich persönlich (noch) keine anschauliche Vorstellung. Die bekannten Trichter- oder Netzmodelle mit den Dellen drin helfen mir da im tieferen Verständnis nicht wirklich weiter.

Sie taugen m.E. nur als Modell, das beschreibt, was passiert, aber nicht, wieso, warum, und aufgrund welcher Mechanismen.

Überhaupt, scheinen mir noch so einige Fragen in der Physik bis heute offen zu sein. Die Forschung scheint sich um diese nicht zu kümmern... oder einfach keine Ideen dazu zu haben... man schiesst lieber Teilchen in großen Beschleunigern um die Wette, anstatt sich um Grundsätzliches zu kümmern (?)

Viele Grüße
Chris

Bernhard
17.11.18, 14:14
ein weiteres Thema, das mich beschäftigt, ist die Massenzunahme bei relativistischen Geschwindigkeiten.
Es handelt sich dabei, wie gesagt, eigentlich um eine Energiezunahme. Die Masse eines Elementarteilchens ist in allen Systemen gleich, d.h. eine Invariante, zumindest laut üblicher Lehrmeinung, was bitte nicht so verstanden werden soll, dass diese fehlerhaft oder zweifelhaft wäre ;) .

physicus
17.11.18, 15:01
Moin,
Es handelt sich dabei, wie gesagt, eigentlich um eine Energiezunahme. Die Masse eines Elementarteilchens ist in allen Systemen gleich, d.h. eine Invariante, zumindest laut üblicher Lehrmeinung, was bitte nicht so verstanden werden soll, dass diese fehlerhaft oder zweifelhaft wäre ;) .
Es gibt aber doch den z.B. hier (https://www.studimup-physik.de/themen/relativit%C3%A4tstheorie/relativistische-massenzunahme/) beschriebenen Effekt, ich zitiere:
Bewegt sich ein Körper immer schneller, dann nimmt dieser für den äußeren Betrachter an Masse zu. Dieses Phänomen lässt sich beispielsweise beobachten, wenn Elektronen in elektrischen Feldern auf sehr hohe Geschwindigkeiten gebracht werden. Die relativistische Massenzunahme ist auch der Grund, weshalb nichts schneller als die Lichtgeschwindigkeit sein kann, da die Masse, wenn sie immer näher der Lichtgeschwindigkeit kommt, immer und immer größer wird. Also bräuchte man auch immer mehr Energie, um die Masse weiter zu beschleunigen. Sobald theoretisch Lichtgeschwindigkeit erreicht wird, würde die Masse unendlich groß werden und man bräuchte also auch unendlich viel Energie, um sie weiter zu beschleunigen. Daher kann man nichts so schnell werden lassen
Ich denke, dieser Effekt ist experimentell gesichert.

Du hast wohl insofern Recht, als dass jede Masse-Messung an Bord einer relativistisch schnell fliegenden Rakete für ein Objekt in dieser Rakete keine Veränderung von dessen Masse ergeben würde - aber v.a. deshalb, weil jede denkbare Messapparatur von dieser Massezunahme (und auch der entsprechenden Zeitdilatation) in gleicher Weise betroffen wäre.

Jedoch nimmt die ermittelte Masse für einen externen Beobachter zu, siehe die beschriebenen Experimente.

In diesem Fall ist die von einem externen Beobachter ermittelte Masse ausschlaggebend... u.a. dafür, dass ein (materiebehaftetes) Objekt nicht auf Lichtgeschwindigkeit, oder darüber hinaus, beschleunigt werden kann.

Das bedeutet übrigens im Umkehrschluss, dass es durchaus "bevorzugte" Inertialsysteme gibt. Nämlich solche, die so wenig von relativistischen Effekten beeinflusst sind, dass sie noch einigermassen zuverlässige Aussagen über andere Objekte und Inertialsysteme treffen können.

Unsere Erde wäre z.B. ein solches...

Viele Grüße
Chris

Bernhard
17.11.18, 15:01
Nur, wie entsteht das? Woher "weiss" Materie: hoppla, jetzt nähere ich mich langsam der (noch dazu 'konstanten') Lichtgeschwindigkeit, es wird jetzt langsam Zeit, meine Masse zu erhöhen (nebenbei übrigens, wie stellt sie das dann an?)
Das entsteht nur durch einen Beobachter, der in der Relativitätstheorie immer vorausgesetzt oder definiert wird. Der macht die Messungen und vergleicht das mit der Theorie.

physicus
17.11.18, 15:06
Das entsteht nur durch einen Beobachter, der in der Relativitätstheorie immer vorausgesetzt oder definiert wird. Der macht die Messungen und vergleicht das mit der Theorie.
Yepp... aber je nachdem, wo der Beobachter sitzt, kommt er zu unterschiedlichen Ergebnissen... bzw., kann zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, s.o.

Viele Grüße
Chris

Bernhard
17.11.18, 15:12
Jedoch nimmt die ermittelte Masse für einen externen Beobachter zu, siehe die beschriebenen Experimente.
Es handelt sich da eher um den Sprachgebrauch. In der Teilchenphysik meint man mit Masse immer die Ruhemasse. Ferner gibt es wegen E = mc² auch einen recht direkten Zusammenhang zwischen Masse und kinetischer Energie. Man muss sich nur entscheiden, wie man eine Messung beschreibt und da ist der Begriff Energie manchmal zweckmäßiger.

In den relativistischen Formeln steht für m grundsätzlich die "Ruhemasse". Das, was Du meinst wird dort als Energie bezeichnet, kann aber natürlich nachträglich über E = mc² auch in eine Masse umgerechnet werden.

Bernhard
17.11.18, 15:14
Yepp... aber je nachdem, wo der Beobachter sitzt, kommt er zu unterschiedlichen Ergebnissen... bzw., kann zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, s.o.
Genau. Das ist eine ganz simple, aber wesentliche Erkenntnis bei dieser Thematik :) .

physicus
17.11.18, 15:19
Es handelt sich da eher um den Sprachgebrauch. In der Teilchenphysik meint man mit Masse immer die Ruhemasse. Ferner gibt es wegen E = mc² auch einen recht direkten Zusammenhang zwischen Masse und kinetischer Energie. Man muss sich nur entscheiden, wie man eine Messung beschreibt und da ist der Begriff Energie manchmal zweckmäßiger.

In den relativistischen Formeln steht für m grundsätzlich die "Ruhemasse". Das, was Du meinst wird dort als Energie bezeichnet, kann aber natürlich nachträglich über E = mc² auch in eine Masse umgerechnet werden.
Ja gut, aber hier im Faden ging es mir ja eindeutig um den Begriff "Masse", und nicht um "Energie". Und diese Masse nimmt ja unzweifelhaft zu...

Warum und wieso, und aufgrund welcher Mechanismen, darauf bleibt die Physik ja bisher die Antwort schuldig.

Viele Grüße
Chris

physicus
17.11.18, 15:33
Genau. Das ist eine ganz simple, aber wesentliche Erkenntnis bei dieser Thematik :) .
ja ;-)

Witzig finde ich übrigens das folgende:
(...) Das bedeutet übrigens im Umkehrschluss, dass es durchaus "bevorzugte" Inertialsysteme gibt. Nämlich solche, die so wenig von relativistischen Effekten beeinflusst sind, dass sie noch einigermassen zuverlässige Aussagen über andere Objekte und Inertialsysteme treffen können.

Unsere Erde wäre z.B. ein solches...
das wirft nämlich ein grundlegendes Dogma ein wenig über den Haufen, das jedem als erstes beigebracht wird, der in die spezielle R. einsteigt: dass nämlich alle Inertialsysteme völlig gleichwertig wären.

Ist nicht ganz korrekt ;-)

Es gibt bessere, objektivere, Inertialsysteme, als andere...

Obwohl wohlgemerkt alle physikalischen Vorgänge in jedem Inertialsystem für sich betrachtet immer gleich ablaufen.

Viele Grüße
Chris

TomS
17.11.18, 17:54
Bereits Einstein hat den Begriff der relativistischen Massenzunahme als irreführend und unnötig abgelehnt.

Es gibt genau zwei relevante Konzepte: Die invariante oder Ruhemasse, und die Gesamtenergie. Alles weitere ist nicht falsch, jedoch überflüssig. Sinnvolle Darstellungen verzichten darauf.

physicus
18.11.18, 11:38
Bereits Einstein hat den Begriff der relativistischen Massenzunahme als irreführend und unnötig abgelehnt.

Es gibt genau zwei relevante Konzepte: Die invariante oder Ruhemasse, und die Gesamtenergie. Alles weitere ist nicht falsch, jedoch überflüssig. Sinnvolle Darstellungen verzichten darauf.
Ich finde das in Sachen Vorstellung und Anschauung sehr hilfreich: dass ein sich relativistisch bewegender Körper eine größere Masse bekommt.

Kann man sicher auch anders sehen.

Viele Grüße
Chris

TomS
18.11.18, 15:47
Ich finde das in Sachen Vorstellung und Anschauung sehr hilfreich: dass ein sich relativistisch bewegender Körper eine größere Masse bekommt.
Im Gegenteil, es ist rein anschaulich eher verwirrend.

Masse ist rein begrifflich etwas, das mit dem Körper verbunden ist, eine dem Körper intintrinsische Eigenschaft. Relativistische Massenzunahme würde dann bedeuten, dass sich durch eine andere Geschwindigkeit an dem Körper etwas ändert, und das ist sicher falsch. Massenzunahme z.B. durch Erwärmung bedeutet dagegen tatsächlich, dass sich an dem Körper etwas ändert - das muss man ganz klar trennen.

Und am einfachsten trennt man das, indem man auf das Konzept der relativistischen Masse völlig verzichtet.

Die meisten Verständnisprobleme, die ich zu diesem Thema erlebe, resultieren aus der irreführenden Verwendung dieses an sich überflüssigen Begriffs.

physicus
18.11.18, 17:45
Masse ist rein begrifflich etwas, das mit dem Körper verbunden ist, eine dem Körper intintrinsische Eigenschaft.
Kein Widerspruch.
Relativistische Massenzunahme würde dann bedeuten, dass sich durch eine andere Geschwindigkeit an dem Körper etwas ändert, und das ist sicher falsch
Das ist sicher nicht falsch... es ändert sich mit Sicherheit etwas. Und dieses Etwas, das sich ändert, wirkt sich exakt so aus wie eine Erhöhung der Masse dieses Körpers. Natürlich "vermehren" sich deswegen nicht dessen Atome auf wundersame Weise ;):D

Sondern was auch immer da passiert, das passiert "unterhalb" der Ebene der Elementarteilchen. Beweis: stecke eine handvoll Elektronen in einen Teilchenbeschleuniger, und bringe sie auf 0,9 c.

Dann beobachtest du alle nur denkbaren Effekte einer (wie auch immer) eröhten Masse dieser Teilchen.

Massenzunahme z.B. durch Erwärmung bedeutet dagegen tatsächlich, dass sich an dem Körper etwas ändert - das muss man ganz klar trennen.
Auch hier wieder meine Frage: wieso soll sich die Masse von Materie signifikant verändern, wenn man sie ein wenig erwärmt? Es geht hier hauptsächlich um thermische Energie. Und die Gechwindigkeit von sich (moderat) erwärmenden Atomen bleibt, wenn mich meine Kenntnisse in Thermodynamik nicht völlig im Stich lassen, weit unterhalb relativistischer Geschwindigkeiten. Einstein darf also (auch hier) in der Schublade bleiben.

Viele Grüße
Chris

TomS
18.11.18, 17:50
Sondern was auch immer da passiert, das passiert "unterhalb" der Ebene der Elementarteilchen.
Das ist doch haltlose Spekulation.

Außerdem ist es ausreichend, dies in einem Thread zu diskutieren. Ich habe eine konkrete Antwort in einem anderen Thread gegeben, deswegen sollte die Moderation diesen hier schließen.

physicus
18.11.18, 19:37
Das ist doch haltlose Spekulation.
Wieso und weshalb...?

Da sich Elementarteilchen nicht wie die Lemminge vermehren, wenn man sie beschleunigt (zumindest ist mir dahingehend nichts bekannt), muss und kann man den beobachteten Massezuwachs irgendwie anders erklären. Und damit muss das, was hier passiert, wohl irgendwie "unterhalb" der Ebene der Elementarteilchen passieren.

Aber wie auch immer... ist nicht wirklich wichtig...

TomS
19.11.18, 05:33
Typo korrigiert

Bernhard
19.11.18, 08:09
Und damit muss das, was hier passiert, wohl irgendwie "unterhalb" der Ebene der Elementarteilchen passieren.
Da wir hier über Prozesse aus der Elementarteilchenphysik reden, ist es nicht verwunderlich, dass wir mit der Sprache aus dem Alltag hier nicht weiterkommen. Elementarteilchen werden bekanntlich auch nicht mit einer Küchenwaage abgemessen und für den Verkauf dann verpackt. Auch die Daten der Detektoren werden innerhalb eines physikalischen Grundverständnisses bewertet und meiner Meinung nach (ich arbeite ja nicht am Cern) macht es da teilweise vielmehr Sinn über die Energie eines Teilchens zu sprechen. So ist auch gängige Praxis in der Elementarteilchenphysik mit eV, keV usw. zu arbeiten.

Ein Elektron "wiegt" in Ruhe z.B. ca. 511 keV.

Timm
19.11.18, 09:27
Bernhard, er versteht die Hinweise zur Invarianz der Masse nicht und versteift sich deshalb auf die Elementarteilchen ... .

physicus
19.11.18, 09:40
Nein, also was Bernhard hier gesagt hat, das leuchtet mir ein, und ist auch nicht allzu schwer zu verstehen, würde ich sagen.

Bernhard
19.11.18, 09:51
Nein, also was Bernhard hier gesagt hat, das leuchtet mir ein, und ist auch nicht allzu schwer zu verstehen, würde ich sagen.
Ja, ich denke auch, dass sich die Diskussion lohnt.

Eine geeignete Beschreibung für Phänomene, die mit dem gewöhnlichen Alltag nicht mehr viel gemein haben, ist auch nicht trivial und so mancher Blogger kennt da auch schon den einen oder anderen mißglückten und/oder nervenaufreibenden Versuch.

TomS
19.11.18, 18:33
Da wir hier über Prozesse aus der Elementarteilchenphysik reden, ...
Leute, jetzt mal halblang, es ist doch alles viel einfacher!

Newton
E(v) = ½ mv²
p(v) = mv

Einstein
E(v) = γmc²
p(v) = γmv

m = const.
M(v) = γm

Lassen wir die letzte Definition für M(v) weg, so bleibt alles zuvor gesagte gültig. E(v) und p(v) sind bezugsystemabhängige Größen, mehr nicht. Die Einführung von M(v) ist unnötig und irreführend, aber nicht falsch. Und unterhalb der Ebene der Elementarteilchen passiert da gar nix, man benötigt ein bisschen Geometrie und gut is'.

Timm
19.11.18, 19:40
Und unterhalb der Ebene der Elementarteilchen passiert da gar nix,
Es passiert auf keiner Ebene etwas, schließlich ist die Masse invariant. Das ist nach meinem Eindruck das trotz mehrfachem Hinweis noch nicht ausgeräumte Mißverständnis von physicus.

physicus
20.11.18, 08:31
Die Einführung von M(v) ist unnötig und irreführend, aber nicht falsch
Dem schliesse ich mich ausdrücklich an
Und unterhalb der Ebene der Elementarteilchen passiert da gar nix, man benötigt ein bisschen Geometrie und gut is'.
Dieser Aussage allerdings nicht... die Zunahme der relativistischen Masse ist ja schliesslich kein Hirngespinst, sondern physikalische Realität. Es passiert also "irgendwas". Was das ist, wissen wir nicht, wir sehen und beschreiben "nur" dessen Auswirkungen.

Und die physikalische Realität selbst und ihre Phänomene sind das eine. Diese durch Mathematik beschreibbar und berechenbar zu machen, ist das andere.

Allerdings muss ich sagen, es geht jetzt fast nur noch um sprachliche, teils sogar philosophische, Aspekte, die wohl zu keiner tieferen Erkenntnis oder Revolution hier mehr führen werden. Von demher...

TomS
20.11.18, 09:11
Dem schliesse ich mich ausdrücklich an
Wenn du dich der ersten Aussage anschließt, dann ist

... die Zunahme der relativistischen Masse ist ja schliesslich kein Hirngespinst, sondern physikalische Realität.
sicher falsch.

Was das ist, wissen wir nicht, wir sehen und beschreiben "nur" dessen Auswirkungen.
Ja, und das können und sollten wir tun, ohne die relativistische Masse zu benutzen.

Hast du das hier

Newton
E(v) = ½ mv²
p(v) = mv

Einstein
E(v) = γmc²
p(v) = γmv

m = const.
M(v) = γm

Lassen wir die letzte Definition für M(v) weg, so bleibt alles zuvor gesagte gültig. E(v) und p(v) sind bezugsystemabhängige Größen, mehr nicht.
gelesen und verstanden?

soon
20.11.18, 09:14
Und am einfachsten trennt man das, indem man auf das Konzept der relativistischen Masse völlig verzichtet.

Die meisten Verständnisprobleme, die ich zu diesem Thema erlebe, resultieren aus der irreführenden Verwendung dieses an sich überflüssigen Begriffs.

Den Begriff 'relativistische Masse' kann man erst dann abschaffen, wenn man Trägheit und gravitative Wirkung eines Objekts konsequent seiner Energie zuschreibt und nicht seiner Masse. Auch im Sprachgebrauch, "Energieanziehung" habe ich noch nicht gelesen.

TomS
20.11.18, 09:28
Den Begriff 'relativistische Masse' kann man erst dann abschaffen, wenn man Trägheit und gravitative Wirkung eines Objekts konsequent seiner Energie zuschreibt und nicht seiner Masse. Auch im Sprachgebrauch, "Energieanziehung" habe ich noch nicht gelesen.
Leider falsch!

Im Rahmen der SRT kann man selbstverständlich auf die relativistische Masse verzichten, weil man da überhaupt keine Gravitation beschreiben kann. Und in der ART muss man zur Beschreibung der Gravitation auf die relativistische Masse verzichten, weil letztere höchsten ein Konzept für Punkt- bzw. Testteilchen ist und damit keine Quelle der Gravitation beschreibt; diese folgt aus den Feldgleichungen. Und eine „schwere Masse“, die irgendetwas mit der relativistischen Masse zu tun hätte existiert in diesem Sinne in der ART nicht, weil alle Objekte egal welcher Masse dem selben gravitativen Einfluss in einem Gravitatinsfeld unterliegen; d.h. insbs. dass die Bahnen von Testteilchen völlig unabhängig von der Masse sind.

Im Gegenteil, der Schritt von der SRT zur ART fällt einfacher aus, wenn man nicht zuerst sinnlos neue Konzepte einführt, nur um sie dann wieder abzuschaffen.

physicus
20.11.18, 09:43
Leider falsch! (...)
Es geht aber doch hier nicht um Mathematik, sondern um Sprachgebrauch. Die simple physikalische Tatsache, dass ein relativistisch schneller Körper scheinbar an Masse zugenommen hat, nennt man dann halt "relativistische Masse(-nzunahme)".

Wie sonst sollen sich Physiker über Aspekte der RT vernünftig unterhalten können, wenn man dafür keine geeigneten Worte zur Verfügung hat? ;):)

soon
20.11.18, 10:16
Im Rahmen der SRT kann man selbstverständlich auf die relativistische Masse verzichten, weil man da überhaupt keine Gravitation beschreiben kann.

Im Rahmen der SRT kann man, so gesehen, auch auf die gravitative Wirkung der Ruhemasse verzichten.



Und in der ART muss man zur Beschreibung der Gravitation auf die relativistische Masse verzichten, weil letztere höchsten ein Konzept für Punkt- bzw. Testteilchen ist und damit keine Quelle der Gravitation beschreibt.

In der ART muss man zur Beschreibung der Gravitation auch auf die Ruhemasse verzichten.



Der Begriff 'relativistische Masse' taucht doch nur dann auf, wenn klassisch über Trägheit und Gravitation gesprochen wird und dabei Masse mit Ruhemasse gleichgesetzt wird, was zu unzureichenden Beschreibungen führt.


Insofern halte ich es für sinnvoll, in diesen Zusammenhängen gleich über Energie zu reden statt über Masse.

Ich
20.11.18, 10:45
Es geht aber doch hier nicht um Mathematik, sondern um Sprachgebrauch. Die simple physikalische Tatsache, dass ein relativistisch schneller Körper scheinbar an Masse zugenommen hat, nennt man dann halt "relativistische Masse(-nzunahme)".Es geht um die physikalische Theorie, und deren Sprache ist nun mal die Mathematik. Deine "simple physikalische Tatsache" sieht in echt so aus wie hier (https://en.wikipedia.org/wiki/Acceleration_(special_relativity)#Acceleration_and _force) beschrieben. Daran ist nichts simpel. Und der ganze Mumpitz kommt daher, dass die vom Körper erfahrene Beschleunigung ins beobachtende Bezungssystem transformiert werden muss, wo sie wegen Zeitdilatation und Längenkontraktion anders aussieht, und das auch noch richtungsabhängig. Siehe "relativistische Geschwindigkeitsaddition". Hat Null mit irgendwelchen Änderungen am Körper zu tun.

Im vernünftigen SR-Formalismus gilt F=ma. Man verwendet dafür Vierervektoren (https://en.wikipedia.org/wiki/Four-force), dann funktioniert das alles, und es gibt keine "scheinbare Massenzunahme".
Wie sonst sollen sich Physiker über Aspekte der RT vernünftig unterhalten können, wenn man dafür keine geeigneten Worte zur Verfügung hat? ;):)Man hat Worte. Die "relativistische Masse" heißt Energie. Und wenn man sich vernünftig über Relativität unterhalten will, dann macht man in den dafür geeigneten Begriffen, und das sind diese vierdimensionalen geometrischen Objekte wie Vektoren.

physicus
20.11.18, 11:42
Man hat Worte. Die "relativistische Masse" heißt Energie. Und wenn man sich vernünftig über Relativität unterhalten will, dann macht man in den dafür geeigneten Begriffen, und das sind diese vierdimensionalen geometrischen Objekte wie Vektoren.
Es gibt zwei Möglichkeiten, Sachverhalte zu beschreiben: qualitativ und quantitativ. Quantitativ = in erster Linie Mathematik. Qualitativ = geeignete Prosa-Sätze.

Beispiel einer qualitativen Beschreibung aus dem Umfeld der RT:

Eine Vorhersage der Speziellen Relativitätstheorie ist, dass es umso schwieriger ist, den Bewegungszustand eines Körpers zu ändern, je schneller sich der Körper bereits bewegt. Daraus ergibt sich beispielsweise, dass es unmöglich ist, einen Körper auf Lichtgeschwindigkeit zu beschleunigen: Je schneller der Körper bereits ist, umso mehr Kraft muss aufgewendet werden, um seine Geschwindigkeit noch weiter zu steigern, und nahe der Lichtgeschwindigkeit wird dieser Effekt so stark, dass eine unendlich hohe Kraft vonnöten wäre, um dem Körper das entscheidende letzte bisschen Extra-Geschwindigkeit zu verpassen.

Mit dem Widerstand gegenüber Änderungen des Bewegungszustands als einer Definition der Masse heißt dieses Phänomen auch relativistische Massenzunahme.
(Quelle (http://www.einstein-online.info/lexikon/massenzunahme-relativistische.html))

Wie man sieht, ist in diesem Fall kein einziges mathematisches Formelzeichen vonnöten. Auf abstrakte und die menschliche Vorstellung sprengende Objekte wird hier ebenfalls verzichtet.

Das hat - zumindest manchmal - auch seine Vorteile.

physicus
20.11.18, 11:43
Hast du das hier Newton
E(v) = ½ mv²
p(v) = mv

Einstein
E(v) = γmc²
p(v) = γmv

m = const.
M(v) = γm

Lassen wir die letzte Definition für M(v) weg, so bleibt alles zuvor gesagte gültig. E(v) und p(v) sind bezugsystemabhängige Größen, mehr nicht. gelesen und verstanden?
Habe ich (sowohl gelesen als auch verstanden). Fand ich jetzt auch auch nicht besonders schwer.

Ich
20.11.18, 12:58
Na gut, ich bin auch raus.

TomS
20.11.18, 16:09
Insofern halte ich es für sinnvoll, in diesen Zusammenhängen gleich über Energie zu reden statt über Masse.
Ich würde immer - und im Rahmen der SRT ohne Gravitation - über invariante bzw. Ruhemasse sprechen, und über Energie.

TomS
20.11.18, 16:17
Es gibt zwei Möglichkeiten, Sachverhalte zu beschreiben: qualitativ und quantitativ. Quantitativ = in erster Linie Mathematik. Qualitativ = geeignete Prosa-Sätze.

...

Wie man sieht, ist in diesem Fall kein einziges mathematisches Formelzeichen vonnöten. Auf abstrakte und die menschliche Vorstellung sprengende Objekte wird hier ebenfalls verzichtet.

Das hat - zumindest manchmal - auch seine Vorteile.
Stell' dir vor du, bist krank und bekommst ein spezielles Medikament. Würde es dir gefallen, wenn der Arzt für den Apotheker aufschreibt, dass er von dem grünen Pulver oben rechts im dritten Regal in der großen Glasflasche einen kleinen Spatel nehmen soll? eine Prise mehr als beim letzten Mal?

M.a.W.: willst du Physik verstehen? dann musst du die Mathematik verstehen!

Hawkwind
20.11.18, 16:18
...
Im Gegenteil, der Schritt von der SRT zur ART fällt einfacher aus, wenn man nicht zuerst sinnlos neue Konzepte einführt, nur um sie dann wieder abzuschaffen.

Die sog. relativistische Masse hätte eh auch einige "Überraschungen" bereit: in Bewegungsrichtung ist die Trägheit höher als in einer Richtung senkrecht dazu ("longitudinale" und "transversale" Masse).
Die relativistische Masse wäre also völlig ungewohnt kein Skalar mehr sondern richtungsabhängig, hätte tensorielle Eigenschaften.
Das zeigt doch, dass das recht weit ab von dem ist, was man intuitiv unter "Masse" versteht.
https://de.wikibooks.org/wiki/Ruhemasse_und_relativistische_Masse_eines_Körpers

Auch aus diesem Grund wird die Einführung der relativistischen Masse heutzutage eher als didaktischer Fehlgriff angesehen.

physicus
20.11.18, 17:10
M.a.W.: willst du Physik verstehen? dann musst du die Mathematik verstehen!
Nicht nur das... man muss auch die physikalischen Theorien an sich wirklich verstanden haben, wenn man über sie reden will... diesbezüglich muss ich mich jetzt selbst mal an die Nase fassen, denn je mehr ich in letzter Zeit lese, und mich damit befasse, desto klarer wird mir, dass ich alles noch gar nicht vollständig begriffen habe...
Die sog. relativistische Masse hätte eh auch einige "Überraschungen" bereit: in Bewegungsrichtung ist die Trägheit höher als in einer Richtung senkrecht dazu ("longitudinale" und "transversale" Masse).
Die relativistische Masse wäre also völlig ungewohnt kein Skalar mehr sondern richtungsabhängig, hätte tensorielle Eigenschaften.
Das zeigt doch, dass das recht weit ab von dem ist, was man intuitiv unter "Masse" versteht.
https://de.wikibooks.org/wiki/Ruhemasse_und_relativistische_Masse_eines_Körpers

Auch aus diesem Grund wird die Einführung der relativistischen Masse heutzutage eher als didaktischer Fehlgriff angesehen.
Aus einem anderen Wikibook dort habe ich, passend zum Fadenthema, auch eine interessante Formulierung gefunden:
Die Trägheit der Energie ist auch die Ursache dafür, dass die Masse eines Körpers mit der Geschwindigkeit (relativ zu einem Beobachter) zuzunehmen scheint. Der tatsächliche Grund für die Zunahme der Trägheit mit der Geschwindigkeit ist jedoch die Trägheit der kinetischen Energie, die der Körper besitzt. Die Vorstellung der »relativistischen Massenzunahme« oder »Relativität der Masse« wird unter Physikern mehr und mehr aufgegeben zugunsten der (beweisbaren) Annahme, dass die Masse eine immanente, vom Bezugssystem unabhängige Größe ist, genau wie die elektrische Ladung.
(Quelle (https://de.wikibooks.org/wiki/Einsteins_Welt#Energie_ist_tr%C3%A4ge,_und_Masse_i st_%E2%80%9Eeingefrorene%E2%80%9C_Energie))