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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Inkompetenz


Lorenzy
06.02.08, 23:18
Ein kleiner Auszug aus meinem Arbeitsalltag.

Wie ihr vielleicht wisst (oder auch nicht), arbeite ich in einem analytischen Kontrolllabor. Manchmal erstaunt es mich doch immer wieder, welch seltsame Arbeitseinstellungen gewissen Leute, die ebenfalls im wissenschaftlich/technischen Sektor arbeiten, an den Tag gelegen.

Vor ein paar Monaten bekamen wir ein neues Spektrophotometer der Firma Shimadzu und ich den Auftrag, GMP-konforme Methoden für diverse Substanzen darauf zu programmieren. Als ich heute endlich mal wieder Zeit dazu fand, bemerkte ich, dass die Software (ebenfalls von Shimadzu) bei der dritten Stelle nach dem Komma nicht korrekt rundet. Ist die dritte Stelle eine 5 rundet das Programm ab (korrekt müsste es ab und mit der Zahl 5 aufrunden). Die Anzahl an Stellen kann ebenfalls programmiert werden. Ich hab dann alles bis auf 6 Stellen nach dem Komma auf diesen Fehler überprüft, und überall wird korrekt bei und mit der Zahl 5 aufgerundet, nur eben bei der dritten Stelle gibt es diesen Rundungsfehler.

Ich rief also einen IT-Techniker bei Shimadzu an und erklärte ihm diese Umgereimtheit. Seine fragwürdigen Antworten waren: "Tja öhm... vielleicht wird in Japan anders gerundet". Weiter bekam ich dann noch zu hören, dass es ja nicht so schlimm wäre, da es sich ja nur um die dritte Stelle nach dem Komma handelt. Der entstehende Analysenfehler wäre also nicht so schlimm. Toll! Danke für diese Erklärung, dachte ich. Auf mein weiteres Drängen hin, hat er dann noch gesagt, dass er das Problem weiterleiten werde.:rolleyes:

Bei solchen Aussagen kann ich mir nur noch an den Kopf fassen! Er hat natürlich schon recht, dass dieser Fehler für unsere Zwecke vernachlässigbar klein ist. Aber es geht mir ums Prinzip. Ich meine, diese Software wurde nicht speziell für unser Labor modifiziert, sondern ist eine normale Basisversion und wird in diversen Labors auf der ganzen Welt benutzt. Und ich glaube nicht, dass nur unsere Version diesen Fehler hat.
Vielleicht hat er die Bemerkung über Japan auch nur zynisch gemeint (die japanischen Softwareangebote für Laborgeräte, sind als etwas eigen bekannt). Aber wer schon mal was von GMP gehört hat, dem würden sich bei solchen Programmierfehlern die Haare sträuben.

Wie auch immer. Bei solchen Aussagen wundert mich gar nichts mehr, wenn mal wieder ne Raumsonde auf einen Planeten crasht, weil solche Leute mal schnell die Einheiten Fuss und Meter verwechseln. Dann heisst's auch wieder "Tja...öhm..."

Wie heisst es doch so schön: Irren ist menschlich. Aber dann sollte man doch wenigsten Irrtümer kompetent behandeln.

Marco Polo
07.02.08, 00:11
Hi Lorenzy,

nur so aus Neugier. Arbeitest du in der Pharma-Branche? Ist das so eine Art Labor, wo Wirkstoffe und Arzneimittel untersucht werden?

Was macht denn ein Spektrophotometer genau, äh ungenau?

Grüssle,

Marco Polo

Lorenzy
07.02.08, 01:42
Hi Lorenzy,

nur so aus Neugier. Arbeitest du in der Pharma-Branche? Ist das so eine Art Labor, wo Wirkstoffe und Arzneimittel untersucht werden?

Hallo Marco Polo,

Genau. Wir untersuchen Kosmetika und Medikamente auf ihre Qualität und Reinheit.

Was macht denn ein Spektrophotometer genau, äh ungenau?

Beim besagten Gerät handelt es sich um ein UV/VIS-Spektrometer
http://de.wikipedia.org/wiki/UV/VIS-Spektroskopie

Am Gerät selbst hab ich nichts auszusetzen. Das ist Hi-Tech vom Feinsten. Doch das Gerät ist immer nur so gut, wie die Software die dir die Resultate zeigt.

Wir benutzen es hauptsächlich um die Konzentration einer Substanz zu bestimmen. Das funktioniert eigentlich ganz simpel nach dem Lambert-Beerschem Gesetz. http://de.wikipedia.org/wiki/Lambert-Beersches_Gesetz

Manchmal verwenden wir es auch, um bestimmte Moleküle zu identifzieren. Die Valenzelektronen (äusserste Schale) fangen dann bei bestimmten Wellenlängen an zu "tanzen" und absorbieren fröhlich Energie aus dem Lichtstrahl. Da sich diese Moleküle meist in einem Lösungsmittel befinden, muss man noch einen Referenzstrahl (sog. Blindwert) durch das verwendete Lösungsmittel schicken. Somit hat man schlussendlich ein Absorptionsspektrum der untersuchten Moleküle, aus welchem man schliessen kann, bei welchen Wellenlängen ihnen einen abgeht und somit Rückschlüsse auf die Bindungsverhältnisse im Molekül ziehen kann. Das Lambert-Beersche Gesetz ist eigentlich ne Verallgemeinerung davon. So ne Art Bestimmung der Anzahl an Besuchern dieser molekularen Love-Parade.;)

Viele Stoffe zeigen im UV und im Visuellen Bereich (200-800nm), ganz charakteristische Absorptionskurven. Dies reicht für eine eindeutige Identifikation meist aber nicht aus, weshalb wir dann noch weitere Analysenmethoden einsetzen. Angefangen mit der Organoleptik (Aussehen, Konsistenz, Geruch), über Schmelzpunkt, Tropfpunkt, Farb-und Fällungsreaktionen, Brechungsindex, Titration, bis zu Emissionsdetektoren, IR-Spektroskopie oder Massenspektrometer mittels Gas oder Flüssigkeitschromatographen (man kann den Kreis der infragekommenden Substanzen somit immer enger schnallen).

Gruss
Lorenzy

pauli
07.02.08, 06:07
Hi Lorenzy,

seid ihr so eine Art TÜV, an dem die Produzenten nicht vorbeikommen oder werdet ihr bei Bedarf von ihnen beauftragt?

Ich bin seit über 20 Jahren in der IT als Entwickler beschäftigt (eher kaufmännisch orientiert), und ich muss sagen, im Laufe der Zeit entwickelt man einen gewissen Ausredeinstinkt :rolleyes:

orca
07.02.08, 16:34
Also ich habe von einem Physiklehrer gehört, der hat so ein schlechtes Examen hingelegt, daß er nicht mal eine Stelle als Lehrer gefunden hat und in der Registratur eines Patentamtes jahrelang Akten ablegten durfte.

Diese Pfeife kannte nicht mal den Unterschied zwischen Relativ- und Absolutbewegung.

Der glaubte, daß die Lichtgeschwindigkeit nicht nur in Inertialsystemen konstant ist, sondern überall.

Der glaubte wirklich, daß Vektoren nicht vektoriell addiert werden.

Da fragt man sich doch, ob der nicht besser Pferdehändler, Teppichhändler oder Rabbiner geworden wäre.

rafiti
07.02.08, 17:09
Also ich habe von einem Physiklehrer gehört, der hat so ein schlechtes Examen hingelegt, daß er nicht mal eine Stelle als Lehrer gefunden hat und in der Registratur eines Patentamtes jahrelang Akten ablegten durfte.

Diese Pfeife kannte nicht mal den Unterschied zwischen Relativ- und Absolutbewegung.

Der glaubte, daß die Lichtgeschwindigkeit nicht nur in Inertialsystemen konstant ist, sondern überall.

Der glaubte wirklich, daß Vektoren nicht vektoriell addiert werden.

Da fragt man sich doch, ob der nicht besser Pferdehändler, Teppichhändler oder Rabbiner geworden wäre.

Ihm fehlte eben diese 3. Führungsebene auf der die Wodkas ruhen. Bist du sicher, dass es von dem Wodka kommt, vielleicht ist 1500 jahre alte gepresste Dämonenkacke beigemischt.
Im übrigen du kannst absolativen Vektoren auch dividieren.

gruss
rafiti

pauli
07.02.08, 18:19
Also ich habe von einem Physiklehrer gehört, der hat so ein schlechtes Examen hingelegt, daß er nicht mal eine Stelle als Lehrer gefunden hat und in der Registratur eines Patentamtes jahrelang Akten ablegten durfte.

Vermutlich war er da produktiver als du es je als Ingenieur warst

Da fragt man sich doch, ob der nicht besser Pferdehändler, Teppichhändler oder Rabbiner geworden wäre.
oder Forumskasper, wie einige seiner großen Widersacher

pauli
07.02.08, 19:23
Ach du Sch.eisse, noch so ein Ingenieur (http://universum-jaguste.piranho.de/), das ist ja die reinste Epidemie :eek:

Lorenzy
07.02.08, 19:55
Hi Lorenzy,

seid ihr so eine Art TÜV, an dem die Produzenten nicht vorbeikommen oder werdet ihr bei Bedarf von ihnen beauftragt?

Hi pauli,

Ach Iwo. Ich arbeite in einem normalen Kontrolllabor, das es in jeder Firma hat, die Medis herstellen. Grossfirmen wie Novartis oder Roche haben sogar tausende von solchen Labors.
Wir können auch nicht alles analysieren, was die SuisseMedic (schweizerische Prüfkomission für Heilmittel) verlangt. Etwa 10% aller Analysen werden von uns an externe Labors verschickt. Z.B. werden Mikrobiologische Analysen, Spurenanalytik, Pestizidanalytik, etc. extern geprüft.
Aber du hast schon recht. Wir sind das letzte Hindernis, bevor die Medikamente auf den Markt kommen. Die Swissmedic wäre jedenfalls ganz und gar nicht darüber erfreut, wenn sie vom besagten Programmierfehler erfahren würde. Die sind bei solchen Sachen ziemlich pingelig.
Heute hat mich übrigens der IT-Techniker angerufen. Er hat mir gesagt, dass dieser Rundungsfehler auch bei seiner Version vorkommt. Es sei wohl bei allen Versionen so. Er habe sich gestern noch mit Brüssel in Verbindung gesetzt (dort ist anscheinend der Hauptsitz für solche Probleme) und die werden das Problem dann mit den Japsen diskutieren. Immerhin rollt der Stein jetzt.

Ich bin seit über 20 Jahren in der IT als Entwickler beschäftigt (eher kaufmännisch orientiert), und ich muss sagen, im Laufe der Zeit entwickelt man einen gewissen Ausredeinstinkt :rolleyes:

Kann ich mir gut vorstellen.;) Wir schlagen uns monatlich mit irgendwelchen techn. Problemen herum. Den grössten Ärger verursachen Analysengeräte die nach dem Baukastenprinzip aufgebaut sind. Der Controller des Diodenarraydetektors spricht eine Sprache, der Autosampler eine andere, das Integrationsprogramm eine andere, die Datensicherung wieder eine andere, und zu guter Letzt kommt Windows daher und teilt dir freundlich aber bestimmt mit: "Ich nix verstehen":rolleyes:.
Dann holt man einen IT-Techniker der sich gut mit der einen Sprache auskennt, aber vom Aufbau des Geräts keinen blassen Schimmer hat, er setzt sich mit anderen Technikern in Verbindung, diskutiert, schliesst Fehlerquellen aus, rüttelt an Kabeln rum, diskutiert wieder mit anderen Technikern, rauft sich die Haare, tauscht Komponenten aus und irgendwann funktioniert dann plötzlich alles wieder. Ich komme zurück, frage woran's denn gelegen hat, worauf ich ein Achselzucken als Antwort bekomme. Arbeitsalltag eben (naja, ich übertreibe jetzt ein wenig. Ganz so schlimm ist es zum Glück nicht).

Aber ich kann dir sagen. Ich bewundere solche Organisationen wie das CERN. Gegen die Datenmengen die dort zukünftig entstehen, koordiniert und ausgewertet werden, sind unsere Datenmengen ein Klaks auf ner Windschutzscheibe. Jedenfalls wäre IT-Techniker kein Job für mich. Ich hab nicht die Nerven zu sowas. Ich wäre wohl nach einer Woche arbeitslos und in Millionenhöhe verschuldet, weil ich in meiner Wut alles kurz und klein geschlagen hätte. :D
Da bleib ich doch lieber bei Physik und Chemie. Die Natur hat wenigstens keine Programmierfehler.

rafiti
07.02.08, 20:57
Ach du Sch.eisse, noch so ein Ingenieur (http://universum-jaguste.piranho.de/), das ist ja die reinste Epidemie :eek:

Mal von der entgegenentsetzten Drehrichtung des Mondes zu der Erde abgesehen... ich habe mich einmal gefragt, wenn Bananen auf der Erde wachsen, warum sollen sie nicht auch auf dem Jupiter oder auf Sirius wachsen und brauchen Bananen wirklich den Urknall zum Wachsen? :)


gruss
rafiti

pauli
07.02.08, 22:10
@Lorenzy
Dann holt man einen IT-Techniker der sich gut mit der einen Sprache auskennt, aber vom Aufbau des Geräts keinen blassen Schimmer hat, er setzt sich mit anderen Technikern in Verbindung, diskutiert, schliesst Fehlerquellen aus, rüttelt an Kabeln rum, diskutiert wieder mit anderen Technikern, rauft sich die Haare, tauscht Komponenten aus und irgendwann funktioniert dann plötzlich alles wieder. Ich komme zurück, frage woran's denn gelegen hat, worauf ich ein Achselzucken als Antwort bekomme. Arbeitsalltag eben
Das coole ist, das geschieht täglich weltweit hunderttausendfach, dafür gehen Milliarden flöten - aber ich finde es witzig, sorgt für Abwechslung, und das Geld wechselt auch von einer Tasche in die andere, so wie es sich gehört :rolleyes:

Hardware wäre auch nichts für mich, dazu programmiere ich einfach zu gerne.


@rafiti
Ob sie den Urknall brauchen weiß ich nicht, jedenfalls wachsen auf Sternen Kirschen und auf Gasriesen Bananen, nur so ist die Entstehung von Ki-Ba vor 7,8 mrd Jahren zu erklären :cool: