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Knut Hacker 16.09.11 16:37

AW: Quantenlogik
 
Zu der hier aufgeworfenen Frage, was Materie in der Naturwissenschaft sei und ob sie dort alles sei., möchte ich gerne noch einiges anmerken, obwohl es eigentlich nicht zum Thema gehört:

Der Begriff der Materie rührt noch aus der platonisch-cartesianischen Unterscheidung zwischen Materie und Geist her. Abgesehen davon, dass bis heute noch niemand diese Begriffe klar zu definieren vermochte, gibt es sie heute nur noch in der Philosophie. In den Naturwissenschaften ist diese Unterscheidung obsolet. Die Naturwissenschaften beschäftigen sich nach ihrem Selbstverständnis mit messbaren Erscheinungen. Aussagen über nicht Messbares überlässt sie der Philosophie und Theologie.
Bereits in der klassischen Newton´schen Physik ließ die Einführung der physikalischen Begriffe von Energie, Kraftfeldern usw. den Begriff der Materie als fragwürdig erscheinen, noch mehr die Umwandelbarkeit von Energie in Materie und umgekehrt nach der Relativitätstheorie,erst recht in der Quantenphysik die paradoxen Erscheinungen der Superposition und der Verschränkung sowie das Missproblem.

Aber man braucht gar nicht so tief in die Physik einzusteigen, um die Frage der Unterscheidung von Materie und Nicht-Materie („Geist“) und die Frage, ob „alles“ Materie oder Geist sei, als Scheinprobleme beurteilen zu können, welche sich lediglich aufgrund der philosophisch- theologischen Vorbelastung dieser unscharfen Begriffe ergeben:
Wer in der Naturwissenschaft am umfassenden Begriff der Materie festhalten will, muss sich insbesondere folgende Fragen gefallen lassen:

Sind auch Eigenschaften der Materie Materie ?
Ist die Raumzeit Materie?
Ist Bewegung Materie?
Sind die Naturgesetze und der Zufall Materie?
Sind Strukturen und Beziehungen Materie?
Ist Komplexität Materie (Bekanntlich wird Leben und Bewusstsein als Eigenschaft komplex-dynamischer Strukturen der Materie zu erklären versucht nach dem Grundsatz, dass jedes Ganze nicht lediglich die Summe seiner Teile ist, sondern qualitativ etwas Selbstständiges.)?
Sind physikalische Felder Materie, die imaginäre Einheit i, Pi, die Naturkonstanten?

Die heutigen Quantenphysiker wie Zeilinger und Dürr weigern sich, den Begriff „Elementarteilchen“ zu gebrauchen, sie sprechen stattdessen von Potentialitäten/Information.

Harti 16.09.11 18:50

AW: Quantenlogik
 
Zitat:

Zitat von Knut Hacker (Beitrag 63125)
Das begriffliche Denken, insbesondere das Denken in Gegensätzen ist nicht geeignet, die Natur in ihrer Elementarität zu erfassen.

Hallo Knut Hacker,
dies gilt möglicherweise nicht nur für die "Natur in ihrer Elemetarität".
Der Gegensatz Ruhe/Bewegung wird in der SRT durch das Relativitätsprinzip aufgehoben, indem das Postulat formuliert wird, dass eine Unterscheidung zwischen Ruhe und geradlinig gleichförmiger Bewegung tatsächlich nicht möglich ist; mit anderen Worten: Es gibt keinen Unterschied, er wird im Alltagsleben aus Zweckmäßigkeitsgründen nur vorgestellt.

Ich habe allerdings Zweifel, ob wir eine andere Möglichkeit haben, die Natur anders als dadurch, dass wir Dinge vergleichen (zueinander in Beziehung setzen), zu erfassen. Auch eine mathematische Funktion ist z.B. nichts anderes als eine Regel für eine Beziehung zwischen zwei Dingen, die wir begrifflich vorab unterscheiden müssen.
Beispiel: Strecke (Raum) und Zeit. Beides wird im konkreten Fall mit Hilfe einer Funktion zueinander in Beziehung gesetzt und Geschwindigkeit (oder im kartesischen Koordinatensystem Steigung) genannt.

MfG
Harti

Knut Hacker 16.09.11 19:34

AW: Quantenlogik
 
Zitat:

Zitat von Harti (Beitrag 63152)

Ich habe allerdings Zweifel, ob wir eine andere Möglichkeit haben, die Natur anders als dadurch, dass wir Dinge vergleichen (zueinander in Beziehung setzen), zu erfassen. Auch eine mathematische Funktion ist z.B. nichts anderes als eine Regel für eine Beziehung zwischen zwei Dingen, die wir begrifflich vorab unterscheiden müssen.

Da gebe ich dir grundsätzlich recht. Einstein und die alten Quantenphysiker haben ja immer auf das Problem hingewiesen, dass die Erkenntnisse der Relativitätstheorien und der Quantenphysik, obwohl sie unseren angeborenen und tradierten Vorstellungen widersprechen, mit diesen beschrieben werden müssen und sei es in der Sprache der Mathematik, die ja auch – wie die Naturgesetze – nicht der Natur eingeschrieben ist, sondern Produkt unseres ordnenden und abstrahierenden Denkens ist. Die Mathematik hat allerdings den Vorteil, dass sie auch Paradoxien zu beschreiben weiß, ohne dass dadurch – wie bei der vokalen Sprache – der Aussagegehalt verloren geht., da sie keine Semantik kennt.

amc 16.09.11 22:52

AW: Quantenlogik
 
Zitat:

Zitat von Harti (Beitrag 63152)
Der Gegensatz Ruhe/Bewegung wird in der SRT durch das Relativitätsprinzip aufgehoben...

Hallo Harti,
der Gegensatz Ruhe/Bewegung ist nicht aufgehoben. So würde ich es nicht formulieren. Nur eine absolute Unterscheidung ist nicht möglich. Es kommt daruf an in welchem Bezugsystem sich ein Beobachter befindet. Ich denke aber es ist klar was du meinst.

Ein Relativitätsprinzip galt übrigens schon bei Newton:
Relativitätsprinzip - Klassische Mechanik

Bauhof 17.09.11 09:59

AW: Quantenlogik
 
Zitat:

Zitat von amc (Beitrag 63162)
Hallo Harti, der Gegensatz Ruhe/Bewegung ist nicht aufgehoben. So würde ich es nicht formulieren. Nur eine absolute Unterscheidung ist nicht möglich. Es kommt daruf an in welchem Bezugsystem sich ein Beobachter befindet. Ich denke aber es ist klar was du meinst.

Hallo amc,

volle Zustimmung, dass eine absolute Unterscheidung zwischen Ruhe und Bewegung nicht möglich ist. Aber was Harti damit meint, versuche ich schon seit mehreren Jahren zu ergründen, leider bis jetzt erfolglos.

M.f.G. Eugen Bauhof

Knut Hacker 17.09.11 13:06

AW: Quantenlogik
 
Ich habe Harti bei wohlwollender Auslegung so verstanden, dass er ausdrücken wollte, dass es nach der Relativitätstheorie kein absolutes Bezugssystem mehr für Ruhe und Bewegung gebe.

Schon Newton, der von einem absoluten Raum und einer absoluten Zeit ausging, in Bezug auf die Bewegung von der Ruhelage zu unterscheiden sei, hatte ein für ihn unlösbares Problem damit. In seinen „Prinzipia“ bekennt er:
„Körper, welche in einem gegebenen Raum eingeschlossen sind, haben dieselbe Bewegung unter sich; dieser Raum mag ruhen oder sich gleichförmig geradlinig, nicht aber im Kreise fortbewegen.“

Albert Einstein schreibt in seinem zusammen mit Leopold Infeld herausgegebenem Buch „Die Evolution der Physik“:
„1)Im leeren Raum ist die Lichtgeschwindigkeit stets konstant. Sie hängt weder von der Bewegung der Lichtquelle noch von der des Beobachters ab
2).In zwei gleichförmig gegeneinander bewegten Systemen herrschen genau dieselben Naturgesetze. Es gibt keine Möglichkeit, eine absolute gleichförmige Bewegung zu konstatieren.“

Das Dilemma der klassischen Physik zeigt er wie folgt auf:

„In der klassischen Physik gibt es keine absolute gleichförmige Bewegung. Wenn zwei Systeme sich gleichförmig gegeneinander bewegen, dann hat es keinen Sinn zu sagen: „Dieses System ruht, und jenes bewegt sich“. Wenn jedoch zwei Systeme ungleichförmig gegeneinander bewegt werden, dann kann man sehr wohl sagen: „Dieser Körper bewegt sich, und jener ruht (beziehungsweise bewegt sich gleichförmig)“. Der Begriff „absolute Bewegung“ bedeutet dann nämlich etwas ganz Bestimmtes. Hier tut sich zwischen dem vom gesunden Menschenverstand geleiteten Empfinden und der klassischen Physik eine tiefe Kluft auf. Die erwähnten Schwierigkeiten, die des Inertialsystems und die der absoluten Bewegung, sind auf das engste miteinander verknüpft; denn eine absolute Bewegung kann es nur geben, wenn ein Inertialsystem existiert, für das die Naturgesetze gelten“.

Die Voraussetzung für Bewegung, die Raumzeit, wurde bereits durch die Relativitätstheorien infrage gestellt. So sind Photonen wie Elektronen punktförmig also unendlich klein, sie besitzen keine Ruhemasse und bewegen sich stets mit Lichtgeschwindigkeit, haben also keine Eigenzeit.
Einstein prägte daher dem Satz:
„Leute wie wir, die an die Physik glauben, wissen, dass die Unterscheidung zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft nur eine hartnäckige, beharrliche Illusion ist.“

In der Quantenphysik lassen sich die Superposition und die Verschränkung als Raum-und Zeitlosigkeit interpretieren. In der Wheeler-De-Witt -Gleichung kommt überhaupt keine Zeitvariable vor! Sie wird ins Feld geführt gegen die Theorie einer Quantelung der Raumzeit.

fossilium 17.09.11 16:44

AW: Quantenlogik
 
Hallo Knut,

[QUOTE=Knut Hacker;63125]
Dies ist evolutionsbiologisch gut zu erklären: Dieses in der durch den Paradigmenwechsel in den Naturwissenschaften überholte Denken hat sich als Überlebensvorteil zur Orientierung und Behauptung im Alltag entwickelt, für Bereiche außerhalb der unmittelbaren Sinneserfahrung fehlte für eine Weiterentwicklung die Möglichkeit der Adaption und Selektion[.QUOTE]

Das Argument, wir kämen evolutionsbiologisch nicht über gewisse Grenzen hinaus, wird oft angeführt, dabei ist es auch ein evolutionsbiologisches Resultat, dass wir diese Grenzen erkennen, und süchtig danach sind, diese zu überwinden, womit sich die Evolution selbst ein Bein gestellt hat.

[QUOTE=Knut Hacker;63125]
Das begriffliche Denken, insbesondere das Denken in Gegensätzen ist nicht geeignet, die Natur in ihrer Elementarität zu erfassen.[.QUOTE]

Na, na. Ich denke: ohne Gegensätze nichts Verbindendes. Erst muss man die Unterschiede erkennen, dann kann man die Beziehungen erkennen, und dann daraus das Ganze. Eine andere Reihenfolge ist nicht möglich. Kann sein, dass es asiatische Tradition ist, erst das Ganze zu sehen, aber daraus ist in den vergangenen Jahrtausenden keine Blüte der Wissenschaft so wie im Westen hervorgegangen. Ausserdem würde sich ohne Gegensätze auch pysikalisch gar nichts entfalten. Immerhin sind alle elementaren Prozesse im Universum
aus Symmetiebrüchen hervorgegangen, und nicht aus der (fernöstlichen)universellen Harmonie.

Grüsse Fossilium

fossilium 17.09.11 16:49

AW: Quantenlogik
 
Hi Knut,
nochmal kurz zu diesem:

Zitat:

Zitat von Knut Hacker (Beitrag 63145)
Der Begriff der Materie rührt noch aus der platonisch-cartesianischen Unterscheidung zwischen Materie und Geist her. Abgesehen davon, dass bis heute noch niemand diese Begriffe klar zu definieren vermochte, gibt es sie heute nur noch in der Philosophie.

In den Naturwissenschaften ist diese Unterscheidung obsolet.

Worin sieht Du den Unterschied zwischen der Wirklichkeit der Gedanken (Vorstellung) und der Wirklichkeit der uns umgebenden Natur ?

Grüsse Fossilum

Knut Hacker 17.09.11 20:11

AW: Quantenlogik
 
Zitat:

Zitat von fossilium (Beitrag 63191)
Worin sieht Du den Unterschied zwischen der Wirklichkeit der Gedanken (Vorstellung) und der Wirklichkeit der uns umgebenden Natur ?

Die Frage, ob alles durch Denken, Fühlen und Werten Wahrgenommene lediglich Konstrukt unseres Bewusstseins ist (und sogar auch die Prämisse eines vorhandenen Bewusstseins), oder ob das Bewusstsein eine Außenwelt widerspiegelt, wenn auch lediglich selektiv, abstrakt und adaptiv, ist müßig, da wir unser Bewusstsein nicht verlassen können und daher nur das als Realität wahrnehmen können, was uns unser Bewusstsein als solche ausgibt.

Knut Hacker 17.09.11 20:18

AW: Quantenlogik
 
Zitat:

Zitat von fossilium (Beitrag 63190)
Na, na. Ich denke: ohne Gegensätze nichts Verbindendes. Erst muss man die Unterschiede erkennen, dann kann man die Beziehungen erkennen, und dann daraus das Ganze. Eine andere Reihenfolge ist nicht möglich. Kann sein, dass es asiatische Tradition ist, erst das Ganze zu sehen, aber daraus ist in den vergangenen Jahrtausenden keine Blüte der Wissenschaft so wie im Westen hervorgegangen. Ausserdem würde sich ohne Gegensätze auch pysikalisch gar nichts entfalten. Immerhin sind alle elementaren Prozesse im Universum
aus Symmetiebrüchen hervorgegangen, und nicht aus der (fernöstlichen)universellen Harmonie.

Die Verdienste der westlichen reduktionistischen Denkweise - manifestiert in der heutigen Technik - sind unbestritten. Aber wir sind eben durch die Quantentheorie an die Grenzen dieses Erkenntnisweges geraten. Superposition und Verschränkung lassen sich nicht reduktionistisch erfassen.
Auch in der Chaosforschung hat man ja die Grunderkenntnis gewonnen, dass alles mit allem zusammenhängt. Die Logiker haben schon seit jeher argumentiert, dass das Ganze nicht lediglich aus der Summe seiner Teile bestehe.


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