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-   -   Axiome der Quantenmechanik - orthodoxe Interpretation (http://www.quanten.de/forum/showthread.php5?t=4257)

TomS 24.11.22 11:19

Axiome der Quantenmechanik - orthodoxe Interpretation
 
Ich möchte im Folgenden kurz die üblicherweise verwendeten Regeln zur Quantenmechanik zusammenfassen und bzgl. der 'orthodoxen' bzw. sogenannten 'Kopenhagerer' Interpretation nach Bohr et al. kommentieren.

Kursiv gesetzter Text bezieht sich auf reale Systeme und deren Dynamik, Präparation und Messung, sowie tatsächlich messbare Größen d.h. Observablen sowie deren Messwerte.

Normal gesetzter Text bezieht sich auf rein mathematische Objekte, die die genannten physikalischen Systeme etc. in gewissem Sinne repräsentieren.


Konsens

1. Die Beschreibung eines Quantensystems erfolgt im Rahmen eines separablen Hilbertraumes

2. Der Zustand eines einzelnen isolierten Quantensystems wird durch einen normierten Vektor |q> als Element dieses Hilbertraumes beschrieben. In vielen praktischen Fällen entspricht dies einer Wellenfunktion q(x).

3. Die Zeitentwicklung eines einzelnen isolierten Quantensystems wird durch einen unitären Zeitentwicklungsoperator U(t) beschrieben; diese Regel ist vollständig äquivalent zur Schrödingergleichung

Speziell orthodoxe und verwandte Interpretationen - nicht allgemein akzeptiert

4. Eine beobachtbare Größe, d.h. eine sogenannte Observable eines Quantensystems wird durch einen selbstadjungierten Operator A repräsentiert, der auf die Zustandsvektoren wirkt.

5. Die möglichen Messwerte einer Observablen entsprechen dem Spektrum d.h. den verallgemeinerten Eigenwerten a des korrespondierenden selbstadjungierten Operators A, d.h.

(A - a) |a> = 0

6. Sei das Quantensystem in einem Zustand präpariert, der mittels eines Zustandsvektors |q> repräsentiert wird. Wird eine Messung einer Observablen, repräsentiert durch den Operator A, durchgeführt, so ist die Wahrscheinlichkeit p(a), den Messwert a zu erhalten, gegeben durch

p(a) = | <a|q> |²

Dies ist die sogenannte Bornsche Regel.

Verwandt damit ist die Regel, dass der Erwartungswert für die Observable A über viele Messungen an identisch präparierten Systemen gegeben ist durch

<A> = <q| A |q>

7. Nach einer Messung und insbs. im Falle aufeinanderfolgender Messungen am selben Quantensystemen kann eine Messung mit Messwert a aufgefasst werden als Präparation des Systems in einen neuen initialen Zustand, repräsentiert durch den Zustandsvektor |a>, der in der Folge für die weitere Zeitentwicklung verwendet wird.

Dies ist das sogenannte von-Neumannsche Projektionspostulat.


Zu Bedeutung und Varianten der Regeln.

(2) - dass ein einzelnes Quantensystem immer vollständig durch einen Zustandsvektor beschrieben wird, führt zusammen mit (3) und (7) zu Inkonsistenzen - siehe unten. Daher existieren Varianten dieser Interpretation, denen zufolge
2.a der Zustandsvektor nicht direkt ein einzelnes System repräsentiert, sondern lediglich unser Wissen über dieses System - oder
2.b der Zustandsvektor nicht ein einzelnes System sondern lediglich ein (reales oder gedachtes) Ensemble identisch präparierter Systeme repräsentiert (Ensemble-Interpretation).

Das von Neumannsche Projektionspostulat (7) kann in gewisser Weise motiviert werden durch die Betrachtung eines makroskopischen Messgerätes, dessen Zeiger durch Zustandsvektoren |Za> entsprechend der Messwerte a repräsentiert wird. Da die Mathematik der Quantenmechanik sogenannte Superpositionszustände zulässt, und diese sogar essentiell zur Beschreibung experimentell gesicherter Resultate sind, würde dies aufgrund von (3) zu Superpositionen makroskopischer Zeiger wie "zeigt nach ober und zeigt gleichzeitig nach unten" führen. Da dies experimentell offensichtlich ausgeschlossen ist, führte von Neumann das Projektionspostulat (7) ein - oft bezeichnet als "Kollaps der Wellenfunktion". In der o.g. Formulierung ist dieses Postulat streng genommen zu eng gefasst, wie Beispiele zur Ortsmessung zeigern:
i) Tröpfchen in einer Nebelkammer oder schwarze Flecken auf einer Photoplatte stellen keine exakt scharfe Messung mit einem exakten Eigenwert dar, sondern unscharfe Messungen.
ii) Speziell nach der Absorption eines Photons liegt im Zustand nach der Messung überhaupt kein Photon mehr vor, d.h. es ist sinnlos, einen wie auch immer gearteten Eigenzustand des Photons zu postulieren.
Das Projektionspostulat kann jedoch mittels geeigneter mathematischer Methoden modifiziert werden, so dass diesen Messungen Rechnung getragen wird. Das weiter unten zu diskutierende fundamentale Problem wird dadurch jedoch nicht gelöst.

Die Interpretationen gemäß 'Kopenhagen' haben je Physiker einen jeweils etwas eigenen Flair, z.B. hinsichtlich der dessen, was der Zustand exakt bedeutet - Repräsentant der Realität, Repräsentant unsere Wissens über die Realität, Repräsentant eines Ensembles. Insgs. stimmen jedoch alle darin überein, dass:
- die o.g. Regeln im wesentlichen d.h. bis auf Varianten und Interpretationen die gültigen Regeln darstellen
- die Quantenmechanik den Messprozess nicht vollumfänglich beschrieben kann; es existiert immer ein Rückgriff auf eine klassische Beschreibung des Messgerätes und der Messwerte
- die Quantenmechanik einen objektiv stochastischen Element enthält, d.h. dass die o.g. Wahrscheinlichkeiten nicht Ausdruck unserer Unkenntnis sondern ein Element der Natur selbst sind
- dieses Regelwerk der Quantenmechanik im Wesentlichen geschlossen, d.h. nicht verbesserbar ist
- die Quantenmechanik dahingehend vollständig ist, dass sie es erlaubt, für praktisch alle Phänomene detaillierte und zutreffende Berechnungsmethoden und Vorhersagen zur Verfügung zu stellen
- es nicht Aufgabe der Quantenmechanik sei, mehr als das zu leisten, d.h. insbs. nicht die Frage zu beantworten, wie sich ein System ohne Beobachtung bzw. Messung tatsächlich verhält

Insofern sind viele Anhänger dieser 'orthodoxen Lesart' auch heute noch mit diesem Regelwerk zufrieden, da es in der Praxis bisher immer funktioniert hat. Einwände von Schrödinger, Einstein u.a., die Quantenmechanik müsse z.B. eine vernünftige Aussage treffen, in welchem Zustand sich die arme Katze in der Kiste vor der Öffnung derselben denn wirklich befinde, lehnen sie als letztlich unwissenschaftlich ab, da sich Wissenschaft nur an objektiv überprüfbaren Fakten zu orientieren habe - und das ist bei einer geschlossenen Kiste eben nicht der Fall.

Hawkwind 24.11.22 13:03

AW: Axiome der Quantenmechanik - orthodoxe Interpretation
 
Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 101638)
Einwände von Schrödinger, Einstein u.a., die Quantenmechanik müsse z.B. eine vernünftige Aussage treffen, in welchem Zustand sich die arme Katze in der Kiste vor der Öffnung derselben denn wirklich befinde, lehnen sie als letztlich unwissenschaftlich ab, da sich Wissenschaft nur an objektiv überprüfbaren Fakten zu orientieren habe - und das ist bei einer geschlossenen Kiste eben nicht der Fall.

Naja, das Paradoxon über Schrödingers Katze ist doch nur noch von historischem Interesse. Spätestens seit den Forschungen zur Dekohärenz wissen wir, dass makroskopische Systeme (wie Katzen z.B.) sich in keinem superponierten Zustand befinden, sondern aufgrund von Wechselwirkungen mit der Umgebung sehr rasch dekohärieren: die Dekohärenz-Zeit eines Systems ist dabei umso kürzer, je größer die Masse des Systems ist.

Aber das nur am Rande - danke für den m.E. gelungenen Überblick über Postulate und Regeln der QM.

TomS 24.11.22 15:34

AW: Axiome der Quantenmechanik - orthodoxe Interpretation
 
Zitat:

Zitat von Hawkwind (Beitrag 101641)
Naja, das Paradoxon über Schrödingers Katze ist doch nur noch von historischem Interesse. Spätestens seit den Forschungen zur Dekohärenz wissen wir, dass makroskopische Systeme (wie Katzen z.B.) sich in keinem superponierten Zustand befinden, sondern aufgrund von Wechselwirkungen mit der Umgebung sehr rasch dekohärieren: die Dekohärenz-Zeit eines Systems ist dabei umso kürzer, je größer die Masse des Systems ist.

Aus der Dekohärenz resultiert jedoch kein eindeutiger Zustand; sie löst einen wichtigen Teilaspekt des Messproblems (den ich noch gar nicht angesprochen habe) nicht jedoch den der Superposition.

Um im o.g. Formalismus zu bleiben:

Ausgehend von einem Superpositionszustand |q>

|q> = |spin up> + |spin down>

eines Quantensystems vor der Messung folgt nach von Neumann (Regel 3) der Superpositionszustand des Gesamtsystems

|q'> = |spin up, Zeiger zeigt up> + |spin down, Zeiger zeigt down>

was ihn letztlich zu seinem Projektionspostulat (7) zwingt.

Zeh et al. zeigen im Rahmen der Dekohärenz lediglich, dass die reduzierte Dichtematrix des Gesamtsystems nach der Messung keine Interferenzterme mehr enthält; allerdings lautet diese reduzierte Dichtematrix immer noch

Q' = Q'(Zeiger zeigt up) + Q'(Zeiger zeigt down)

was wir so nie beobachten.

Übersetzt auf Katzen hieße dies, dass die tote und die lebende Katze im Formalismus beide vorhanden und stabil sind. Keine zerfällt, keine verschwindet.

Es gibt zwei naheliegende Schlussfolgerungen:
a) man benötigt weiterhin eine Art Projektionspostulat
b) man akzeptiert, das die beiden Katzen weiterhin real existieren, entsprechend auch beide Beobachter, und jeder nur 'seine' Katze sieht
Dieses Problem - und darauf weist Zeh mehrfach explizit hin - löst die Dekohärenz nicht.

Hawkwind 24.11.22 16:29

AW: Axiome der Quantenmechanik - orthodoxe Interpretation
 
Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 101645)

Zeh et al. zeigen im Rahmen der Dekohärenz lediglich, dass die reduzierte Dichtematrix des Gesamtsystems nach der Messung keine Interferenzterme mehr enthält; allerdings lautet diese reduzierte Dichtematrix immer noch

Q' = Q'(Zeiger zeigt up) + Q'(Zeiger zeigt down)

was wir so nie beobachten.

Übersetzt auf Katzen hieße dies, dass die tote und die lebende Katze im Formalismus beide vorhanden und stabil sind. Keine zerfällt, keine verschwindet.

Es gibt zwei naheliegende Schlussfolgerungen:
a) man benötigt weiterhin eine Art Projektionspostulat
b) man akzeptiert, das die beiden Katzen weiterhin real existieren, entsprechend auch beide Beobachter, und jeder nur 'seine' Katze sieht
Dieses Problem - und darauf weist Zeh mehrfach explizit hin - löst die Dekohärenz nicht.

Danke, du hast recht. Die Dekohärenz sorgt lediglich dafür, dass die uninterpretierbaren, nichtdiagonalen Mischterme verschwinden. Es gibt sozusagen keine Interferenzen zwischen toter und lebender Katze, aber die Terme auf der Diagonalen |lebend><lebend| und |tot><tot| gibt es trotz Dekohärenz. Insofern ist das Messproblem nicht gelöst und in der KD der Kollaps weiterhin gefragt.

Ich habe mich da wohl schon vor längerer Zeit durch einen Artikel auf der Homepage unseres Forums in die Irre leiten lassen, der eine Ablösung des Kollaps durch die Dekohärenz suggeriert und offensichtlich ungenau ist:
Schrödingers Katze kann aufatmen

TomS 24.11.22 16:48

AW: Axiome der Quantenmechanik - orthodoxe Interpretation
 
Zitat:

Zitat von Hawkwind (Beitrag 101648)
Danke, du hast recht. Die Dekohärenz sorgt lediglich dafür, dass die uninterpretierbaren, nichtdiagonalen Mischterme verschwinden. Es gibt sozusagen keine Interferenzen zwischen toter und lebender Katze, aber die Terme auf der Diagonalen |lebend><lebend| und |tot><tot| gibt es trotz Dekohärenz. Insofern ist das Messproblem nicht gelöst und in der KD der Kollaps weiterhin gefragt.

Ich habe mich da wohl schon vor längerer Zeit durch einen Artikel auf der Homepage unseres Forums in die Irre leiten lassen, der eine Ablösung des Kollaps durch die Dekohärenz suggeriert und offensichtlich ungenau ist:
Schrödingers Katze kann aufatmen

Ok, den Artikel kannte ich nicht.

Ist bestimmt nicht schlecht, aber einige falsche Aussagen fallen beim Querlesen auf.

Zitat:

Demnach kollabiert die Wellenfunktion nicht erst durch einen Beobachter, sondern durch Wechselwirkungen des Systems mit der Umgebung. Der Mechanismus der Dekohärenz kann quantenmechanisch beschrieben werden. Die Dekohärenz-Zeit, also die Zeit, die das System zum Kollabieren benötigt, ist umso kürzer, je größer die Masse des Systems ist. Für Schrödingers Katze schafft das Klarheit: Sie muss nur noch unmerklich kurz in einem Überlagerungszustand aus lebendig und tot verharren. Je wohlgenährter sie ist, desto schneller fällt die Entscheidung. Sie braucht keinen Beobachter mehr, der sich ihrer erbarmt und nach ihr sieht.

Nach dieser Theorie kollabieren quantenmechanische Überlagerungszustände nicht plötzlich durch eine Beobachtung (Messung), sondern kontinuierlich durch Wechselwirkungen mit der Umwelt.

Zwar können wir immer noch nicht sagen, in welchem der beiden Zustände sich das System befindet, aber diesmal liegt das tatsächlich an unserer Unkenntnis - wir haben ein klassisches statistisches Problem vorliegen.

[Hier muss man erklären, warum das Quatsch ist: die mathematische Methode suggeriert, es läge ein klassisches statistisches Ensemble vor; es ist jedoch nur eine mathematische Näherung, die zufällig auf die selbe Form führt; wenn ich von einem System ausgehe und eine Näherung durchführe, dann erhalte ich eine Näherung für ein System, nicht plötzlich eine solche für ein Ensemble; das Missverständnis ist aber sehr weit verbreitet].

Des Rätsels Lösung liefert uns die Dekohärenz auch nicht, denn der Übergang zum einzelnen Messwert kann sie auch nicht erklären. Aber wir sind einen Schritt weiter, denn wir müssen die Wellenfunktion nicht mehr künstlich kollabieren lassen.

Deshalb kollabiert die Superposition aus lebender und toter Katze blitzschnell, und die Katze ist entweder tot oder lebendig.

TomS 24.11.22 16:49

AW: Axiome der Quantenmechanik - orthodoxe Interpretation
 
Jetzt sind wir aber deutlich vom Thema abgekommen.

Eyk van Bommel 24.11.22 17:36

AW: Axiome der Quantenmechanik - orthodoxe Interpretation
 
Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 101650)
Jetzt sind wir aber deutlich vom Thema abgekommen.

Lass dich nicht aufhalten...Das Problem der Dekohärenz-Idee wird sich dabei vielleicht ergeben/darstellen/klarstellen...

EDIT:Aber ein bisschen Senf dazu von mir – in der Hoffnung, dass ich deine Kritik (TomS) darin wiedergebe.
Zitat:

Grob vereinfacht besagt das Konzept der Dekohärenz: Nur Quantenobjekte, die perfekt von ihrer Umgebung isoliert sind, können tatsächlich in einer Superposition von Zuständen verharren. Größere Körper können diese Superposition aber nicht aufrechterhalten
Das ist das Problem „Grob vereinfacht“ – Es beginnt immer mit einer Superposition auch hier. Nur weil man so erklären möchte, warum es keine „makroskopischen Objekte“ in Superposition gibt, erklärt es das Messproblem doch nicht? Nur weil man sagt, die Superposition verharrt nur kurz, bleibt das "Problem" daran (wenn auch kurz) doch bestehen? Kurz: Es spielt keine Rolle wie kurz.
Es ist keine Lösung für die Superposition und damit - ja o.k. eine Lösung für die Katz ;)

Eyk van Bommel 24.11.22 19:25

AW: Axiome der Quantenmechanik - orthodoxe Interpretation
 
Möchte den Thread von TomS nicht kaputt machen. Daher meine letzte Antwort.
Du hast geschrieben, dass es den Kollaps nicht löst.
Es geht aber (denke ich) um den Kollaps...und bringst dann ein Beispiel, dass den Kollaps nicht löst?

TomS 24.11.22 22:36

AW: Axiome der Quantenmechanik - orthodoxe Interpretation
 
Zitat:

Zitat von antaris (Beitrag 101660)
Es geht darum, dass eben nicht nur eine Messung einen Kollaps verursacht, sondern schon die Umgebung als Apperat anzusehen ist, denn das Messinstrument gehört zur Umgebung.

Auch die die Umgebung verursacht keinen Kollaps. Diese Idee ist einfach falsch.

Mal ganz einfach. Wenn wir die Kiste öffnen, finden wir z.B. eine tote Katze. Daher gehen wir davon aus, dass sie schon etwas länger tot ist. Der Zustand war also die Katze ist tot. Die Quantenmechanik nach orthodoxer Interpretation liefert das Ergebnis die Katze ist zugleich lebendig und tot. Die Dekohärenz übersetzt man gerne mit die Katze ist lebendig oder tot. Auch letzteres ist aber nicht der Zustand der Katze. Der Zustand ist die Katze ist tot.

Anderes Beispiel: wenn der Geschichtslehrer fragt, ob Theoderich König der Ost- oder Westgoten war, dann gibt es auf die Antwort “Theoderich war König der Ost- oder der Westgoten” Null Punkte.

Geku 25.11.22 09:55

AW: Axiome der Quantenmechanik - orthodoxe Interpretation
 
Ein Teilchen verhält sich solange als Welle, bis es eine Wirkung zeigt. Typisches Beispiel ist die Spur eines Gammaquants in der Nebelkammer. Solange das Quant keine Wechselwirkung ausübt, solange verhält es sich als Welle. Triff das Gammaquant auf Atome und ionisiert diese, nimmt es einen Teilchencharakter an, der den Ort in Form einer Nebelspur offenbart.

TomS 25.11.22 10:01

AW: Axiome der Quantenmechanik - orthodoxe Interpretation
 
Zitat:

Zitat von Geku (Beitrag 101669)
Ein Teilchen verhält sich solange als Welle, bis es eine Wirkung zeigt. Typisches Beispiel ist die Spur eines Gammaquants in der Nebelkammer. Solange das Quant keine Wechsekwirkung ausübt, solange verhält es sich als Welle. Triff das Gammaquant auf Atome und ionisiert diese, nimmt es einen Teilchencharakter an, der den Ort in Form einer Nebelspur offenbart.

Das ist nur eine Geschichte, die man erzählt, weil man keine Erklärung - und damit meine ich einen konsistenten mathematischen Formalismus hat.

Keine Kritik an dir, man findet die Geschichten ja allenthalben.

Geku 25.11.22 10:31

AW: Axiome der Quantenmechanik - orthodoxe Interpretation
 
Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 101670)
Das ist nur eine Geschichte, die man erzählt, weil man keine Erklärung - und damit meine ich einen konsistenten mathematischen Formalismus hat

Und wie sieht die Erklärung aus? Ist die mathematische Beschreibung eine Erklärung?

Zitat:

Zitat von*antaris*

Es geht darum, dass eben nicht nur eine Messung einen Kollaps verursacht, sondern schon die Umgebung als Apperat anzusehen ist, denn das Messinstrument gehört zur Umgebung.

Auch die die Umgebung verursacht keinen Kollaps. Diese Idee ist einfach falsch.
Ist nicht wesentlich, dass die Wechselwirkung mit der Umgebung, die Welle zum Teilchen werden läßt. Die Aussagen, dass der Geist des Experimentaror bzw. seine Beobachtung für den Kollaps verantwortlich ist, halte ich für esoterisch angehaucht.

Schrödingers Katzes Schicksal steht schon vor dem Öffen der Kiste fest. Die Katze ist ein makroskopisches Objekt. Jeder Forensiker kann den Toteszeitpunkt im nachhinein feststellen. Mikroskopische Ojekte mögen sich anders, nach den Gesetzen der QM, verhalten.

Hawkwind 25.11.22 10:42

AW: Axiome der Quantenmechanik - orthodoxe Interpretation
 
Zitat:

Zitat von Geku (Beitrag 101669)
Ein Teilchen verhält sich solange als Welle, bis es eine Wirkung zeigt. Typisches Beispiel ist die Spur eines Gammaquants in der Nebelkammer. Solange das Quant keine Wechselwirkung ausübt, solange verhält es sich als Welle. Triff das Gammaquant auf Atome und ionisiert diese, nimmt es einen Teilchencharakter an, der den Ort in Form einer Nebelspur offenbart.

Streng genommen, ist es eigentlich weg, sobald es wechselwirkt.
Seine einzige Wechselwirkung ist laut Quantenelektrodynamik der fundamentale Vertex

https://i.stack.imgur.com/IPKwS.png

Wie man sieht, endet die Schlangenlinie (das Photon): seine einzige Wechselwirkung besteht darin, absorbiert (oder erzeugt) zu werden.
Was da die Spur erzeugt, das ist nicht ein einzelnes Photon sondern eher so etwas wie ein Quasiteilchen.

TomS 25.11.22 11:21

AW: Axiome der Quantenmechanik - orthodoxe Interpretation
 
Zitat:

Zitat von Geku (Beitrag 101671)
Und wie sieht die Erklärung aus?

Wir haben noch keine.

Das Projektionspostulat ist keine Erklärung, es eliminiert lediglich einen offensichtlichen Defekt der damaligen Berechnungsmethoden mittels eines Eingriffs, durch den die Theorie entweder notorisch nicht-real oder logisch inkonsistent wird (immerhin hat man die Wahl ;-)

Die Dekohärenz erklärt, wie klassische Zustände aussehen, aber sie liefert für anstelle des "Katze ist gleichzeitig lebendig und tot" lediglich "Katze ist lebendig oder tot"; die Beobachtung liefert aber in jedem Einzelfall immer nur eines davon, also z.B. "Katze ist tot".

Zitat:

Zitat von Geku (Beitrag 101671)
Ist die mathematische Beschreibung eine Erklärung?

Was sonst??

Wenn ich ein vollständiges und in sich konsistentes System an Axiomen, Postulaten oder was auch immer habe, kann ich daraus experimentell überprüfbare Vorhersagen ableiten. Die Theorie soll bitteschön das liefern, was ich beobachte, nicht etwas, was ich nicht beobachte, oder eine Alternative "es könnte dies oder auch das sein, das musst du anhand der Messung entscheiden".

Stell dir vor, eine Theorie führt auf eine Gleichung z³ + az² + bz + c = 0 mit komplexe Zahlen z sowie einer reellen und zwei komplexen Lösungen. Anhand der experimentellen Befunde weiß ich, dass letzteres ausgeschlossen ist. Nun konfrontiere ich den Theoretiker mit dieser Beobachtung, und er "verbessert" seine Theorie, indem er ein Postulat hinzufügt: "zulässig sind ausschließlich reelle Lösungen". Erklärt das etwas? Nein. Und eine Geschichte, dass der Detektor die reelle Lösung selektiert, ohne eine Berechnung, wie und warum? Erklärt die was? Nein.


Schau dir die Dirac-Gleichung an. Sie liefert doppelt so viele Lösungen wir erwartet. Akzeptiert man diese Lösungen und interpretiert sie geeignet, erhält man nach Entdeckung der neu gefunden Lösungen den Nobelpreis (na ja, ganz so war es nicht)

https://en.wikipedia.org/wiki/Positron#History


Oder die elektroschwache Wechselwirkung. Sie liefert so etwas wie ein "schweres Photon". Dito - akzeptiert man die neue Vorhersage, dass die in sich sowie mit bisherigen Experimenten verträgliche Theorie - neben vielen anderen - diese neue Vorhersage macht, so erhält man den Nobelpreis.

https://en.wikipedia.org/wiki/W_and_Z_bosons

Zitat:

Zitat von Geku (Beitrag 101671)
Ist nicht wesentlich, dass die Wechselwirkung mit der Umgebung, die Welle zum Teilchen werden läßt.

Ich weiß, was du meinst, aber auch das ist erst mal nur eine Geschichte. Wie gesagt, eine echte Erklärung haben wir nicht.

Zitat:

Zitat von Geku (Beitrag 101671)
Schrödingers Katzes Schicksal steht schon vor dem Öffnen der Kiste fest. Die Katze ist ein makroskopisches Objekt.

Klingt vernünftig, du bist dir da mit Schrödinger einig.

Aber dennoch, eine Erklärung haben wir nicht.

(Wenn man auf die Mathematik zur Dekohärenz vertraut, ist die Viele-Welten-Theorie tatsächlich die beste. Sie postuliert nämlich nicht die Existenz verschiedener Zweige, sie akzeptiert lediglich alle mathematischen Vorhersagen = alle Lösungen der Gleichung, und sie erklärt mathematisch, warum wir nur eine Lösung beobachten)

TomS 25.11.22 11:29

AW: Axiome der Quantenmechanik - orthodoxe Interpretation
 
Zitat:

Zitat von Hawkwind (Beitrag 101672)
Streng genommen, ist es eigentlich weg, sobald es wechselwirkt. Was da die Spur erzeugt, das ist nicht ein einzelnes Photon sondern eher so etwas wie ein Quasiteilchen.

Das Beispiel von Photonen zeigt auch sehr schön, wie viele Geschichten wir noch erzählen und wie wenig wir tatsächlich verstehen.

Ob wir genau eine Katze in genau einem definierten Zustand beobachten, oder ob wir in einem Beschleunigerexperiment ein Photon genau hier detektieren und nicht dort, ist beides gleichermaßen unverstanden.

Man kann das offen aussprechen, oder sich hinter Metaphysik und Dogmatik verstecken, dass die Quantenmechanik eben nur stochastische Aussagen macht und man bitte nicht weiter nachfragen soll. Mit der Einstellung kommt man natürlich ganz pragmatisch durch's Physikerleben.

Geku 25.11.22 13:28

AW: Axiome der Quantenmechanik - orthodoxe Interpretation
 
Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 101673)
Wenn man auf die Mathematik zur Dekohärenz vertraut, ist die Viele-Welten-Theorie tatsächlich die beste. Sie postuliert nämlich nicht die Existenz verschiedener Zweige, sie akzeptiert lediglich alle mathematischen Vorhersagen = alle Lösungen der Gleichung, und sie erklärt mathematisch, warum wir nur eine Lösung beobachten

Wie ist die Viele-Welten-Theorie mit der Erhaltung von Energie und Materie vereinbar. Wird aus einer Katze zwei Katzen, eine lebende und eine tote Katze? Jede in ihrer neuen Welt;)

Geku 25.11.22 14:03

AW: Axiome der Quantenmechanik - orthodoxe Interpretation
 
Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 101674)
Man kann das offen aussprechen, oder sich hinter Metaphysik und Dogmatik verstecken, dass die Quantenmechanik eben nur stochastische Aussagen macht und man bitte nicht weiter nachfragen soll. Mit der Einstellung kommt man natürlich ganz pragmatisch durch's Physikerleben.

Vielleicht wird man Grundbegriffe definieren müssen, die selbst nicht weiter zerlegt werden können und sich jeder weiteren Erklärung entziehen. Z.B. die Farbe ROT, man kann diese einem bestimmten Wellenlängenbereich zuordnen, das wars aber schon. Ein Hinterfragen muss immer erlaubt sein.

TomS 25.11.22 14:20

AW: Axiome der Quantenmechanik - orthodoxe Interpretation
 
Zitat:

Zitat von Geku (Beitrag 101678)
Wie ist die Viele-Welten-Theorie mit der Erhaltung von Energie und Materie vereinbar. Wird aus einer Katze zwei Katzen, eine lebende und eine tote Katze? Jede in ihrer neuen Welt;)

Die Energieerhaltung ist trivial.

Es geht um eine Art Superpositionszustand. Wenn du einen solchen zwischen "Kern nicht zerfallen" und "Kern zerfallen" hast, denkst du auch nicht plötzlich an zwei Kerne.

Warum soll das bei Katzen anders sein?

Geku 25.11.22 14:36

AW: Axiome der Quantenmechanik - orthodoxe Interpretation
 
Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 101682)
Die Energieerhaltung ist trivial.

Es geht um eine Art Superpositionszustand. Wenn du einen solchen zwischen "Kern nicht zerfallen" und "Kern zerfallen" hast, denkst du auch nicht plötzlich an zwei Kerne.

Warum soll das bei Katzen anders sein?

Wie ist dann der Satz

Zitat:

Die VWI enthält keinen*Kollaps der Wellenfunktion und erklärt dessen subjektives Erscheinen mit dem Mechanismus der Quanten-Dekohärenz, was die physikalischen Paradoxa der Quantentheorie, wie das EPR-Paradoxon und das Schrödingers-Katze-Paradoxon, auflöst, da jedes mögliche Ergebnis jedes Ereignisses in seiner eigenen Welt realisiert ist.
in https://de.m.wikipedia.org/wiki/Viel...Interpretation zu verstehen?

"Eigene Welt" bedeutet für mich, dass es keine Wechselwirkungen zwischen diesen gibt.

Geku 25.11.22 14:59

AW: Axiome der Quantenmechanik - orthodoxe Interpretation
 
Zitat:

Zitat von Hawkwind (Beitrag 101672)
Streng genommen, ist es eigentlich weg, sobald es wechselwirkt

Ein gutes Beispiel ist für mich die Paarbildung: https://de.m.wikipedia.org/wiki/Paar...0Materie%20dar.

Ein Gammaquant wandelt sich nach einer Wechselwirkung in ein Elektron und in ein Positron um, welche in der Nebelkammer eine charakteristische Spur ziehen.

Auch das Positron zieht, wenn auch spiegelbildliche, Spur in der Nebelkammer. Die Spur einsteht duch kondensierende Wasserdampfmoleküle, denen Elektronen durch den Stoß des Positrons entrissen wurden.

Warum findet keine Annihilation zwischen Positron und diesen Elekron des gestoßenen Atoms statt?

Eyk van Bommel 25.11.22 15:49

AW: Axiome der Quantenmechanik - orthodoxe Interpretation
 
Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 101662)
Auch die die Umgebung verursacht keinen Kollaps. Diese Idee ist einfach falsch.
Anderes Beispiel: wenn der Geschichtslehrer fragt, ob Theoderich König der Ost- oder Westgoten war, dann gibt es auf die Antwort “Theoderich war König der Ost- oder der Westgoten” Null Punkte.

Ich hatte in Erinnerung, dass du auch vergleichbares zu meiner Antwort 10 gebracht hast. Darf ich davon ausgehen, dass das ein Versehen war*?
Zitat:

Die Dekohärenz übersetzt man gerne mit
die Katze ist lebendig oder tot.
Theoderich war König der Ost- oder der Westgoten”
Woher nimmst du die Sicherheit?
Wenn ich einen Würfel nehme und sage, der Würfel zeigt "gerade" oder "ungerade", wenn ich die Box öffne, dann ist das keine unaufgelöste Superposition mehr?

Was ich meine: Führt die Dekohärenz im Fall „TOT/UNTOT“ zur Verletzung der Bell’schen Ungleichung? Ich vermute nein?

*Kannst du meiner Argumentation - meinem Problem mit der Dekohärenz - etwas abgewinnen? ("Antwort 10")

TomS 25.11.22 17:11

AW: Axiome der Quantenmechanik - orthodoxe Interpretation
 
Zitat:

Zitat von Geku (Beitrag 101683)
"Eigene Welt" bedeutet für mich, dass es keine Wechselwirkungen zwischen diesen gibt.

Es handelt sich um eine dynamische Entkopplung, d.h. wechselweisen Interferenzverlust und dadurch Unsichtbarkeit der durch die Dekohärenz entstehenden Zweige.

Rein mathematisch findet aber keine “Vervielfachung von Welten” sondern eher ein “Verzweigen und Ausdünnen” statt.

Hawkwind 25.11.22 17:17

AW: Axiome der Quantenmechanik - orthodoxe Interpretation
 
Zitat:

Zitat von Geku (Beitrag 101684)
Ein gutes Beispiel ist für mich die Paarbildung: https://de.m.wikipedia.org/wiki/Paar...0Materie%20dar.

Ein Gammaquant wandelt sich nach einer Wechselwirkung in ein Elektron und in ein Positron um, welche in der Nebelkammer eine charakteristische Spur ziehen.

Auch das Positron zieht, wenn auch spiegelbildliche, Spur in der Nebelkammer. Die Spur einsteht duch kondensierende Wasserdampfmoleküle, denen Elektronen durch den Stoß des Positrons entrissen wurden.

Warum findet keine Annihilation zwischen Positron und diesen Elekron des gestoßenen Atoms statt?

Das ist wiederum eine Frage von Wahrscheinlichkeiten; bedenke, ein Atom ist i.w. leer. Aber es kommt natürlich auch vor, dass ein Positron ein Elektron des Atoms genau genug trifft, um kurzzeitig Positronium zu bilden und anschließend zu annihilieren. Entsprechende Wahrscheinlichkeiten (Streuquerschnitte) werden in der Literatur gemessen bzw. berechnet.

TomS 25.11.22 17:30

AW: Axiome der Quantenmechanik - orthodoxe Interpretation
 
@ Eyk van Bommel - ich verstehe nicht, was du meinst.

Eyk van Bommel 25.11.22 22:28

AW: Axiome der Quantenmechanik - orthodoxe Interpretation
 
Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 101691)
@ Eyk van Bommel - ich verstehe nicht, was du meinst.

1.) Es geht um:
Zitat:

Zitat aus der Antwort 9.
Größere Körper können diese Superposition aber nicht aufrechterhalten
Daraus schließe ich, auch das Konzept der Dekohärenz beginnt mit einer Schrödingergleichung und lässt wie viele andere Konzepte sowas wie einen langsamen Übergang zu. Bisschen Wechselwirkung hier – bisschen dort – bisschen Kollaps halt. Viele kleine geben auch ein ganzes. Vielleicht auch gleich einen richtigen / vollständigen, aber eben auf „kurzer Strecke“.

Als würde ein verschränktes Teilchenpaar schon auf halber Strecke seinen Zustand festlegen, weil es nicht vollständig isoliert werden kann.

Aber das ist alles nicht so wichtig für mich.

Es beginnt auch beim Konzept der Dekohärenz mit einer Superposition und der Schrödingergleichung – oder nicht? Es ist zumindest kurz vorhanden. Aber das Messproblem hat doch nichts mit der Dauer des Aufrechterhaltens zu tun oder müssen verschränkte Teilchen einen Mindestabstand zurücklegen, damit das Messproblem "mathematisch" auftaucht?

2.) Zur Frage mit der Katze, verstehe ich den Einwand mit dem „oder“ nicht.

Das „oder“ hier sagt nun mal aus, dass der Zustand fixiert/determiniert ist. Ich muss nicht nachsehen, welchen Zustand die Katze eingenommen hat. Das machen nur die, die glauben dazu benötigt man ein Bewusstsein.

So wie wir beim Mäxle-Spiel den Becher heben müssen, um die Augen zu zählen. Die Würfel sind zunächst in „Superposition“ (also mal angenommen), dann kommt die Dekohärenz und sorgt für die Determinierung der Augenzahl… Ich muss, um meine Punkte zu zählen, trotzdem den Becher heben – und das Ergebnis wird zufällig sein.

Aber wird das Ergebnis nun die Bell’sche Ungleichung verletzen? Die Würfel in Superposition würden es ja wohl? EDIT: Es ist klar, dass es sprachlich unsauber ist, aber ich denke man erkennt so besser was ich meine. Die Ergebnisse einer Messung eines Zustand "Superposition" und "klassisch" ist je so bestimmbar.

Jakito 25.11.22 22:41

AW: Axiome der Quantenmechanik - orthodoxe Interpretation
 
Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 101638)
(2) - dass ein einzelnes Quantensystem immer vollständig durch einen Zustandsvektor beschrieben wird, führt zusammen mit (3) und (7) zu Inkonsistenzen - siehe unten. Daher existieren Varianten dieser Interpretation, denen zufolge
2.a der Zustandsvektor nicht direkt ein einzelnes System repräsentiert, sondern lediglich unser Wissen über dieses System - oder
2.b der Zustandsvektor nicht ein einzelnes System sondern lediglich ein (reales oder gedachtes) Ensemble identisch präparierter Systeme repräsentiert (Ensemble-Interpretation).

Selbst wenn (3) und (7) nicht zu Inkonsistenzen führen, werden die Varianten 2.a und 2.b doch bereits dadurch erzwungen, das die Wahrscheinlichkeiten des "objektiv stochastischen Elementes" halt interpretiert werden müssen. Die zwei heute dominanten Interpretationen der Wahrscheinlichkeit sind halt die subjektivistische Bayessche Interpretation (=2.a) und die sehr restriktive frequentistische Interpretation (=2.b).

In allen Szenarien, wo die frequentistische Interpretation anwendbar ist, ist die subjektivistische ebenfalls anwendbar, und führt zu den gleichen Wahrscheinlichkeiten. Deshalb rutscht man schnell in die subjektivistische Interpretation, wenn man nicht aufpasst. Diese Interpretation verwischt leider den Unterschied zwischen richtig und falsch. Und zwar eigentlich auch schon bevor sie auf Situationen angewendet wird, wo es gar keine richtigen Wahrscheinlichkeiten mehr gibt (bzw. geben kann). Ob man dies dann Inkonsistenzen nennen will, ist Geschmacksache.

TomS 26.11.22 16:38

AW: Axiome der Quantenmechanik - orthodoxe Interpretation
 
Zitat:

Zitat von Jakito (Beitrag 101708)
Selbst wenn (3) und (7) nicht zu Inkonsistenzen führen, werden die Varianten 2.a und 2.b doch bereits dadurch erzwungen, das die Wahrscheinlichkeiten des "objektiv stochastischen Elementes" halt interpretiert werden müssen … Ob man dies dann Inkonsistenzen nennen will, ist Geschmacksache.

(3) und (7) sind miteinander unverträglich; das ist zunächst mal keine Geschmacksache.

Wenn man (7) im Kontext bedingter Wahrscheinlichkeiten interpretiert - oder wenn man es weglässt - vermeidet man diese Inkonsistenz.

Und wenn man auf die Regeln zur Einführung des "objektiv stochastischen Elementes" verzichtet, dann werden 2.a und 2.b nicht erzwungen, es gibt dann weitere Alternativen, insbs. realistische, nicht-stochastische Interpretationen.

TomS 27.11.22 09:58

AW: Axiome der Quantenmechanik - orthodoxe Interpretation
 
Im Folgenden einige Kritikpunkte eher aus der Innenansicht, d.h. zunächst ausgehend von (1) bis (7).

Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 101638)
Ich möchte im Folgenden kurz die üblicherweise verwendeten Regeln zur Quantenmechanik zusammenfassen und bzgl. der 'orthodoxen' bzw. sogenannten 'Kopenhagerer' Interpretation nach Bohr et al. kommentieren.

Kursiv gesetzter Text bezieht sich auf reale Systeme und deren Dynamik, Präparation und Messung, sowie tatsächlich messbare Größen d.h. Observablen sowie deren Messwerte.

Normal gesetzter Text bezieht sich auf rein mathematische Objekte, die die genannten physikalischen Systeme etc. in gewissem Sinne repräsentieren.


Konsens

1. Die Beschreibung eines Quantensystems erfolgt im Rahmen eines separablen Hilbertraumes

2. Der Zustand eines einzelnen isolierten Quantensystems wird durch einen normierten Vektor |q> als Element dieses Hilbertraumes beschrieben. In vielen praktischen Fällen entspricht dies einer Wellenfunktion q(x).

3. Die Zeitentwicklung eines einzelnen isolierten Quantensystems wird durch einen unitären Zeitentwicklungsoperator U(t) beschrieben; diese Regel ist vollständig äquivalent zur Schrödingergleichung

Speziell orthodoxe und verwandte Interpretationen - nicht allgemein akzeptiert

4. Eine beobachtbare Größe, d.h. eine sogenannte Observable eines Quantensystems wird durch einen selbstadjungierten Operator A repräsentiert, der auf die Zustandsvektoren wirkt.

5. Die möglichen Messwerte einer Observablen entsprechen dem Spektrum d.h. den verallgemeinerten Eigenwerten a des korrespondierenden selbstadjungierten Operators A, d.h.

(A - a) |a> = 0

6. Sei das Quantensystem in einem Zustand präpariert, der mittels eines Zustandsvektors |q> repräsentiert wird. Wird eine Messung einer Observablen, repräsentiert durch den Operator A, durchgeführt, so ist die Wahrscheinlichkeit p(a), den Messwert a zu erhalten, gegeben durch

p(a) = | <a|q> |²

Dies ist die sogenannte Bornsche Regel.

Verwandt damit ist die Regel, dass der Erwartungswert für die Observable A über viele Messungen an identisch präparierten Systemen gegeben ist durch

<A> = <q| A |q>

7. Nach einer Messung und insbs. im Falle aufeinanderfolgender Messungen am selben Quantensystemen kann eine Messung mit Messwert a aufgefasst werden als Präparation des Systems in einen neuen initialen Zustand, repräsentiert durch den Zustandsvektor |a>, der in der Folge für die weitere Zeitentwicklung verwendet wird.

Dies ist das sogenannte von-Neumannsche Projektionspostulat.

Zu (7)

In dieser Formulierung ist (7) zu eng gefasst, wie Beispiele zur Ortsmessung zeigern:
i) Tröpfchen in einer Nebelkammer oder schwarze Flecken auf einer Photoplatte stellen keine exakt scharfe Messung mit einem exakten Eigenwert dar, sondern unscharfe Messungen.
ii) Speziell nach der Absorption eines Photons liegt im Zustand nach der Messung überhaupt kein Photon mehr vor, d.h. es ist sinnlos, einen wie auch immer gearteten Eigenzustand des Photons zu postulieren.
Das Projektionspostulat kann jedoch mittels geeigneter mathematischer Methoden modifiziert werden, so dass diesen Messungen Rechnung getragen wird.

Der von Neumannsche Messprozess wird als Wechselwirkung des zu messenden Systems mit einem Messgerät dargestellt. Dabei wird für das Messgerät ein Zustand |Za> eingeführt, d.h. Messgerät und gemessenes System befinden sich zuletzt im Zustand Zustand |a, Za> bzw. zunächst in einem entsprechenden Superpositionszustand, der wiederum das Postulat (7) erfordert, da keine Superposition eines Zeigers zu verschiedenen Messwerten beobachtet wird. Dabei wird jedoch ignoriert, dass das Messgerät ein komplexes Vielteilchensystem ist, für das die o.g. Formulierung nicht als Axiom eingeführt werden kann; vielmehr müsste der “effektive Zustand” |Za> aus dem Zustand des Vielteilchensystems abgeleitet werden.

Dies leistet die Dekohärenz. Sie ersetzt jedoch nicht (7), da die Superpositionen letztlich nicht verschwinden. Das Ergebnis der Dekohärenz ist jedoch ein Zustand, der eine Regel wie (7) als fundamentales Axiom fragwürdig erscheinen lässt.

In anderen Fällen verbietet es sich, gewisse Beobachtungen als Messung mit (7) aufzufassen, da die Anwendungen von (7) zu falschen Vorhersagen führt. Betrachtet man jedes Tröpfchen einer Spur in der Nebelkammer als (unscharfe) Ortsmessung, so würde die Projektion auf einen Zustand führen, der näherungsweise isotrop ist und daher die offensichtlich vorhandene Richtung der Spur (entspr. des Impulses) verliert. Die gerichteten Spuren folgen dagegen direkt aus einer einfachen quantenmechanischen Berechnung ohne (7).

Insgs. läuft dies daraus hinaus, dass Beobachtungen existieren, die im o.g. Sinne nicht als Messung interpretiert werden können. Fasst man ein einzelnes Tröpfchen als Ortsmessung auf, folgt das gerade diskutierte Problem. Fasst man die gesamte Spur als Messergebnis auf, existiert kein entsprechender Operator A, da die Spur sicher nicht instantan entsteht, (7) jedoch ausschließlich für instantane Messungen formuliert ist.

Nicht zuletzt widersprechen sich (3) und (7), da (3) eine unitäre, lineare und invertierbare Vorschrift auf dem Hilbertraum darstellt, (7) jedoch eine nicht-unitäre, nicht-lineare und und nicht-invertierbare Vorschrift. (3) ist deterministisch, (7) zusammen mit (6) dagegen explizit stochastisch. Als Konsequenz muss letztlich entschieden werden, wann (3) und wann (7) anzuwenden ist. Dazu existiert keine Regel - und es kann auch keine existieren, da ja der Messprozess als quantenmechanische Wechselwirkung des zu messenden Systems mit dem Messgerät gemäß (3) zu beschreiben ist, was jedoch im Widerspruch zu (7) steht.

Es läuft darauf hinaus (7) anzuwenden, wenn eine Messung erfolgt, wobei es keine fundamentale Regel gibt, die erklärt, was eine Messung ist und wann diese stattfindet; dies bleibt je Einzelfall dem Physiker überlassen (interessanterweise war es jedoch bisher immer möglich, dies konsistent festzulegen). Die Quantenmechanik verwendet in dieser Formulierung also den undefinierten und undefinierbaren Begriff der Messung.

Zu (6)

Einige der zuvor genannten Kritikpunkte treffen auch auf (6) zu. Darüberhinaus existieren weitere. (6) erscheint oft nicht als fundamentale Regel sondern als Konsequenz anderer mathematischer Modelle, die ohne (6) und (7) formuliert werden können.

Es ist möglich, (6) aus dem Begriff des sogenannten Finkelstein-Hartle Frequency Operators zumindest zu motivieren. Gleason’s theorem besagt, dass wenn ein Wahrscheinlichkeitsmaß auf einem Hilbertraum eingeführt werden soll, (6) die einzig mögliche Form darstellt. Als Konsequenz sollte (6) keine fundamentale sondern eine abgeleitete Regel darstellen. Darüberhinaus erscheint es wünschenswert, zu erklären, warum überhaupt Wahrscheinlichkeit eingeführt werden sollen.

Zu (5)

Betrachtet man die Konstruktion eines klassischen Messgerätes z.B. zur elektrodynamischen Vorgängen, so ist letztlich der Weg von den mathematischen Größen wie Ladungen, Strömen und Feldern hin zu Anzeigen durchgehend erklär- bzw. berechenbar. In der Quantenmechanik ist dies für einen Operator A und das zugehörige Messgerät völlig unklar. Weder kann für ein gegebenes Messgerät der Operator A konstruiert werden, noch folgt aus einem Operator A die Konstruktion des Messgerätes. Letztlich hängt auch dies am undefinierten Begriff der Messung.

Jakito 27.11.22 14:19

AW: Axiome der Quantenmechanik - orthodoxe Interpretation
 
Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 101724)
(3) und (7) sind miteinander unverträglich; das ist zunächst mal keine Geschmacksache.

Wenn selbst absolute Wahrheit nur noch eine persönliche Bewertung ist, dann wird er halt zur Geschmacksache:
Zitat:

Zitat von N. David Mermin
That probability-1 assignments are personal judgments, like any other probability assignments, is essential to the coherence of QBism.

In gewisser Hinsicht ist es sogar gar nicht so dumm. Insbesondere wenn man individuellen nicht wiederholbaren Ereignissen Wahrscheinlichkeiten zuordnen will, bzw. solche Zuordnungen irgendwie bewerten will. Verwendet man z.B. die Brier Score für eine solche Bewertung, um die "Performance" verschiedener Vorhersagemodelle auf einem konkreten Datensatz zu vergleichen, dann haben die Wahrscheinlichkeiten 1 und 0 tatsächlich keinen besonderen Status. Nun ist die Brier Score nur eine von vielen möglichen Bewertungen, trotzdem ist es vielleicht vor allem halt ehrlich.

Weniger ehrlich ist es aus meiner Sicht, wenn versucht wird zu verschleiern, dass ein Bayes'scher Prior falsch sein kann, obwohl er doch nur subjektiv ist (https://math.ucr.edu/home/baez/bayes.html):
Zitat:

Now there's a whole sub-thread stemming from this plaint by Daryl McCullough:

I don't want to be told how my probabilistic guesstimates are supposed to change with time.

This has already been answered well:- it's the natural probabilistic way they ought to change, if you have any probability models at all. But I can see how you might still feel grumpy about this. Why shouldn't you go back and change your prior if it looks like the subsequent data a making it look *really* stupid!

This is tough to answer. For one thing, if your prior was so silly as to have zero probabilities in it, (or zero-density intervals, in the continuous case), then you may *have* to. F'rinstance, if you declared that there was *zero* prior chance of a six turning up on a dice - but then a six *did* turn up; well, you're completely stuffed! You just have to go back and start again without the silly zeros. And it'd be much the same if you had the prior not quite zero but about 10^(-35). It'd still take billions of sixes turning up before you'd posteriorly admit there was a reasonable chance of getting some sixes. Clearly that was a silly prior. (Not *wrong*, note, just silly; even by your own standards.)
Hier wird versucht, das Problem aus der Welt zu schaffen, indem das Wort "falsch" durch das Wort "silly" ("töricht") ersetzt wird. Dadurch wird die subjektivistische Bayes'sche Interpretation "nicht nur nicht richtig, sondern nicht einmal falsch", ohne dafür im Gegenzug irgendwas zu gewinnen.


Allerdings hatte ich mich einfach schlicht eines Urteils enthalten wollen, wie wahr die Aussage "(3) und (7) sind miteinander unverträglich" aus meiner Sicht ist. Ich könnte versuchen die Aussagen (3) und (7) auch aus Sicht der Ensembleinterpretation (im Kontext der "consistent histories" Interpretation) zu vergleichen, um zu verdeutlichen, wie unklar es ist, ob sie wirklich unverträglich sind. Vielleicht später, jetzt habe ich schon genug geschrieben.

Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 101724)
Und wenn man auf die Regeln zur Einführung des "objektiv stochastischen Elementes" verzichtet, dann werden 2.a und 2.b nicht erzwungen, es gibt dann weitere Alternativen, insbs. realistische, nicht-stochastische Interpretationen.

Aber würden wir ohne das "objektiv stochastische Element" nicht den Rahmen der orthodoxen Interpretation verlassen?

TomS 27.11.22 15:02

AW: Axiome der Quantenmechanik - orthodoxe Interpretation
 
Zitat:

Zitat von Jakito (Beitrag 101752)
Wenn selbst absolute Wahrheit nur noch eine persönliche Bewertung ist, dann wird er halt zur Geschmacksache.

Ich versuch‘s nochmal.

(3) postuliert eine unitäre Zeitentwicklung, (7) einen nicht-unitären Kollaps. Wendet man beides auf den selben Prozess an, ist das offensichtlich inkonsistent.

Der Ausweg besteht scheinbar darin, (7) ausschließlich auf eine Messung anzuwenden, (3) auf alle anderen Fälle. Da eine Messung jedoch sicher irgendwie einer Wechselwirkung mit dem Messgerät entspricht - auch wenn wir nicht wissen wie - führt dies wiederum zu einer Inkonsistenz. Dieser Defekt, dass eine Wechselwirkung zu einer Messung führt, wobei die Regeln für die Messung denjenigen für die Wechselwirkung widersprechen, ist in der orthodoxen Interpretation nicht lösbar.

Nun müsste einerseits festgelegt werden, was eine Messung ist und wofür (7) gilt, und was keine ist d.h. wofür (3) gilt. Fragt man nach der Definition einer Messung, so liefert (1 - 7) keine Antwort. Dass ein System von Regeln oder Axiomen an einer zentralen Stelle einen undefinierten und offenbar undefinierbaren Begriff verwendet, würde ich tatsächlich nicht mehr als inkonsistent sondern als logisch völlig abwegig bezeichnen.

Fun fact: die so zusammengebastelte Interpretation funktioniert FAPP, so dass sie sich tatsächlich in der Praxis durchsetzen konnte und wohl auch heute noch die am häufigsten dargestellte Interpretation der Quantenmechanik ist.

Jede Lösung des Problems muss in irgendeiner Form Inkonsistenzen vermeiden, d.h. Regeln aus (1 - 7) abschwächen, modifizieren oder ganz fallen lassen. Dazu gibt es diverse Ansätze, keinen davon würde ich noch als „die orthodoxe Quantenmechanik“ bezeichnen.

Jakito 27.11.22 15:56

AW: Axiome der Quantenmechanik - orthodoxe Interpretation
 
Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 101753)
Ich versuch‘s nochmal.

(3) postuliert eine unitäre Zeitentwicklung, (7) einen nicht-unitären Kollaps. Wendet man beides auf den selben Prozess an, ist das offensichtlich inkonsistent.

Ich sagte doch bereits:
Zitat:

Allerdings hatte ich mich einfach schlicht eines Urteils enthalten wollen, wie wahr die Aussage "(3) und (7) sind miteinander unverträglich" aus meiner Sicht ist.
Der Versuch mich hier überzeugen zu wollen, klar Stellung zu beziehen, ist doch zum Scheitern verurteilt. Wenn ich meine (jüngeren) Arbeitskollegen überzeugen will, keine (sehr konkreten) blöden Fehler bei der Anwendung der QM zu machen, kann ich ja kaum meine Autorität untergraben, indem ich die orthodoxe Quantenmechanik als inkonsistent ablehne. Auch könnte ich mir dann meine (online) Diskussionen mit Leuten wie vanhees71 schenken.

Umgekehrt ist mir aber auch klar, dass ich hier mit einem Befürworter der Viele-Welten-Interpretation diskutiere. Also kann ich genauso wenig behaupten, die orthodoxe Quantenmechanik würde alle Probleme lösen.


Nun reicht für die Anwendungen der QM, die in meiner Arbeit auftreten, die Ensemble-Interpretation voll aus. In gewisser Hinsicht ist sie in diesem Kontext sogar schlicht und einfach die angemessene Interpretation, und zwar auch gerade in der Weise, wie klassische Physik und Quanten-Physik dabei vermischt werden. Ich bin mir aber durchaus auch bewusst, dass es (ganz konkrete, bereits durchgeführte) Experimente gibt, für welche die Ensemble-Interpretation eben nicht ausreicht.


Und aus meiner Sicht entstehen die Probleme bei diesen konkreten Experimenten eben tatsächlich aus der Interpretation der Wahrscheinlichkeit. Aber hier ist man immer noch im "Laborkontext". Wenn es jetzt darum geht, die Quantenmechanik auf das ganze Universum anzuwenden, dann kann selbst eine "verbesserte" Interpretation der Wahrscheinlichkeiten die Probleme nicht lösen. Und in diesem Kontext ist ja auch die Viele-Welten-Interpretation entstanden, und heutige Befürworter wie Sean Carroll kommen ja auch aus dieser Ecke.

sirius 27.11.22 17:01

AW: Axiome der Quantenmechanik - orthodoxe Interpretation
 
Sean Carroll

https://de.wikipedia.org/wiki/Sean_M._Carroll deutsch

https://en.wikipedia.org/wiki/Sean_M._Carroll englisch

Eyk van Bommel 27.11.22 17:06

AW: Axiome der Quantenmechanik - orthodoxe Interpretation
 
Und wer noch mehr dazu hören möchte
Hossenfelderhttp://backreaction.blogspot.com/202...ics-5.html?m=1
Zum Messproblem

TomS 27.11.22 19:31

AW: Axiome der Quantenmechanik - orthodoxe Interpretation
 
Zitat:

Zitat von Jakito (Beitrag 101754)
Wenn ich meine (jüngeren) Arbeitskollegen überzeugen will, keine (sehr konkreten) blöden Fehler bei der Anwendung der QM zu machen, kann ich ja kaum meine Autorität untergraben, indem ich die orthodoxe Quantenmechanik als inkonsistent ablehne.

Wo genau wäre das Problem?

Zitat:

Zitat von Jakito (Beitrag 101754)
Auch könnte ich mir dann meine (online) Diskussionen mit Leuten wie vanhees71 schenken.

Ein sicher hervorragender Physiker - außer wenn‘s um die Grundlagen der QM geht ;-(

Zitat:

Zitat von Jakito (Beitrag 101754)
Umgekehrt ist mir aber auch klar, dass ich hier mit einem Befürworter der Viele-Welten-Interpretation diskutiere. Also kann ich genauso wenig behaupten, die orthodoxe Quantenmechanik würde alle Probleme lösen.

Erstens ändert sich das gerade, und zweitens hat das einen recht speziellen Grund: ich schätze die MWI keineswegs wegen ihrer Konsequenzen sondern insbs. wegen ihrer nüchternen Herangehensweise: Folgerungen aus einem klaren Formalismus ableiten und verstehen.

Zitat:

Zitat von Jakito (Beitrag 101754)
Wenn es jetzt darum geht, die Quantenmechanik auf das ganze Universum anzuwenden, dann kann selbst eine "verbesserte" Interpretation der Wahrscheinlichkeiten die Probleme nicht lösen. Und in diesem Kontext ist ja auch die Viele-Welten-Interpretation entstanden …

Ich denke, Everett war eher ein nüchterner Denker, den das große Kuddelmuddel in der und um die orthodoxe Interpretation gestört hat. Von einer Anwendung auf das gesamte Universum war damals m.W.n. nicht die Rede, und der Name „Many-Worlds“ stammt auch nicht von ihm.

Jakito 28.11.22 00:34

AW: Axiome der Quantenmechanik - orthodoxe Interpretation
 
Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 101759)
Wo genau wäre das Problem?

Das Problem ist, dass ich oft mit meiner Überzeugungsarbeit nicht erfolgreich bin. Dies kann im Einzelfall viele verschiedene Gründe haben, und ich bin nicht so naiv zu glauben, der "andere" wäre zu dumm, oder meine Erklärungen wären zu schlecht. Oft ist es eben gerade ein Fall von "Der Versuch ... überzeugen zu wollen ... ist doch zum Scheitern verurteilt." Hier ein öffentlich sichtbares Beispiel. Um sowas zu vermeiden, versuche ich im Vorfeld erst gar nicht den Eindruck entstehen zu lassen, eine "nicht-Standard" Meinung zu vertreten.

Zitat:

Ein sicher hervorragender Physiker - außer wenn‘s um die Grundlagen der QM geht ;-(
Teilweise betrachtet er die Grundlagen wohl aus der Perspektive, wie man die QM Studenten in den Anfangssemestern erklären sollte. Ich kann da zwar nicht mitreden, aber vermutlich wären die von ihm empfohlenen Bücher für mich als Student zu dick, und seine Erklärungen zu fortgeschritten gewesen.

Zitat:

Ich denke, Everett war eher ein nüchterner Denker, den das große Kuddelmuddel in der und um die orthodoxe Interpretation gestört hat. Von einer Anwendung auf das gesamte Universum war damals m.W.n. nicht die Rede, und der Name „Many-Worlds“ stammt auch nicht von ihm.
Everett hat die Arbeiten von Schrödinger und Bohm, sowie die Kritik derselben (u.a. von Heisenberg) gründlich studiert. In diesem Sinne war seine Arbeit eine inkrementelle Modifikation existierender Ansätze, wie so viele andere wissenschaftliche Arbeiten auch. Wenn ich mich recht erinnere, erwähnt Everett aber sehr wohl das Problem, QM auf das gesammte Universum anzuwenden.

TomS 28.11.22 05:38

AW: Axiome der Quantenmechanik - orthodoxe Interpretation
 
Zitat:

Zitat von Jakito (Beitrag 101763)

Ich denke, dass Peter recht hat, aber das ist hier ja nicht der Punkt.

Zitat:

Zitat von Jakito (Beitrag 101763)
Um sowas zu vermeiden, versuche ich im Vorfeld erst gar nicht den Eindruck entstehen zu lassen, eine "nicht-Standard" Meinung zu vertreten.

Im Falle der Mathematik der Verschränkung kann es - ausgehend von identischen Diskussionen - keine unterschiedlichen mathematischen Ergebnisse geben.

Im Falle der Interpretationen zur Quantenmechanik sind dagegen unterschiedliche Meinungen möglich. Das ist keine Konsequenz irgendwelcher Rechnungen sondern der simplen Tatsache, dass sie existieren und funktionieren.

Zitat:

Zitat von Jakito (Beitrag 101763)
Teilweise betrachtet er die Grundlagen wohl aus der Perspektive, wie man die QM Studenten in den Anfangssemestern erklären sollte.

Nein, so sollte man Grundlagen gerade nicht an Anfänger vermitteln.

In der Jugendorganisation der SPD wird man ein anderes und insbs. breiteres Politikverständnis vermitteln als im Studium der Politikwissenschaften.

Zitat:

Zitat von Jakito (Beitrag 101763)
Everett hat die Arbeiten von Schrödinger und Bohm, sowie die Kritik derselben (u.a. von Heisenberg) gründlich studiert. In diesem Sinne war seine Arbeit eine inkrementelle Modifikation existierender Ansätze, wie so viele andere wissenschaftliche Arbeiten auch. Wenn ich mich recht erinnere, erwähnt Everett aber sehr wohl das Problem, QM auf das gesammte Universum anzuwenden.

Zustimmung.

Ja, letzteres wohl im Sinne der prinzipiellen Möglichkeit.

EDIT: gerade nachgelesen, Wheeler hat bereits in den 50er an der Geometrodynamik gearbeitet, d.h. das war schon Thema in Princeton

Bernhard 28.11.22 06:53

AW: Axiome der Quantenmechanik - orthodoxe Interpretation
 
Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 101764)
In der Jugendorganisation der SPD wird man ein anderes und insbs. breiteres Politikverständnis vermitteln als im Studium der Politikwissenschaften.

Off topic: Mir ist klar, was damit im Zusammenhang gemeint ist. Den Satz für sich finde ich allerdings problematisch. Aktuell würde ich bundesweit eher das Gegenteil erwarten. Ich persönlich habe ja aufgrund der letzten zwanzig Jahre eher den Glauben an die SPD, als an die Universitäten verloren.

@Jakito: Mir hat man im Studium halb scherzhaft den Satz: "Lieber veröffentlichen, als verheimlichen" mit auf den Weg gegeben. Wissenslücken darzustellen ist in diesem Sinne sicher kein Zeichen von Schwäche oder gar Dummheit.

Siehe auch: J. Hance, S. Hossenfelder, What does it take to solve the measurement problem? Dort wird ebenfalls recht offen angesprochen, dass an der Quantenmechanik noch gearbeitet werden muss.

TomS 28.11.22 08:32

AW: Axiome der Quantenmechanik - orthodoxe Interpretation
 
Zitat:

Zitat von Bernhard (Beitrag 101765)
Off topic: Mir ist klar, was damit im Zusammenhang gemeint ist. Den Satz für sich finde ich allerdings problematisch. Aktuell würde ich bundesweit eher das Gegenteil erwarten. Ich persönlich habe ja aufgrund der letzten zwanzig Jahre eher den Glauben an die SPD, als an die Universitäten verloren.

Politik im Forum ist schwierig. Also blödes Beispiel meinerseits.

Zitat:

Zitat von Bernhard (Beitrag 101765)
@Jakito: Mir hat man im Studium halb scherzhaft den Satz: "Lieber veröffentlichen, als verheimlichen" mit auf den Weg gegeben. Wissenslücken darzustellen ist in diesem Sinne sicher kein Zeichen von Schwäche oder gar Dummheit.

Tatsache ist aber auch, dass kaum Ansätze veröffentlicht werden, die nicht funktionieren. Du musst schon extrem gut vernetzt sein um nicht in die Sackgassen zu laufen, die andere vor dir schon erforscht und wieder verlassen haben.

Im vorliegenden Fall geht es mir ja gar nicht darum, irgendeine exotische Interpretation in den Mittelpunkt einer Einführungsvorlesung zu stellen, lediglich darum, nicht den Eindruck zu erwecken … siehe meine Signatur.

Bernhard 28.11.22 10:12

AW: Axiome der Quantenmechanik - orthodoxe Interpretation
 
Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 101767)
Im vorliegenden Fall geht es mir ja gar nicht darum, irgendeine exotische Interpretation in den Mittelpunkt einer Einführungsvorlesung zu stellen, lediglich darum, nicht den Eindruck zu erwecken … siehe meine Signatur.

Meiner Meinung nach ein unterstützenswertes Anliegen :) .

Bernhard 28.11.22 11:58

AW: Axiome der Quantenmechanik - orthodoxe Interpretation
 
Was wird wohl früher geklärt. Das Messproblem oder das Collatz-Problem https://de.wikipedia.org/wiki/Collatz-Problem :D ?

TomS 28.11.22 14:09

AW: Axiome der Quantenmechanik - orthodoxe Interpretation
 
Zitat:

Zitat von Bernhard (Beitrag 101772)
Was wird wohl früher geklärt. Das Messproblem oder das Collatz-Problem https://de.wikipedia.org/wiki/Collatz-Problem :D ?

Mit hoher Wahrscheinlichkeit das Collatz-Problem.

Der Grund ist einfach: Wenn das Collatz-Problem gelöst ist, bedeutet dies, dass entweder ein Beweis oder eine Widerlegung dafür existiert, dass die Vorschrift immer im Zyklus 4, 2, 1, 4, 2, 1 ... endet (oder dass die Unbeweisbarkeit bewiesen wird; ich bezweifle, dass sogar letzteres unmöglich ist). Egal welcher Beweis, dieser erfordert immer endlich viele Schritte, kann also in endlicher Zeit erbracht und geprüft werden. Anschließend - d.h. nach endlicher Zeit - sind sich die Mathematiker demnach über die Lösung einig.

Im Gegensatz dazu werden sich die Physiker nie über die Lösung des Messproblems einig sein, selbst wenn eine solche vorliegen würde.

-- Ende der Ironie --

Bernhard 28.11.22 15:06

AW: Axiome der Quantenmechanik - orthodoxe Interpretation
 
Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 101775)
Mit hoher Wahrscheinlichkeit das Collatz-Problem....

Beim Collatz-Problem geht es sicher um unendlich viele Zahlen die prinzipiell untersucht werden müssen. Beim Messproblem gibt es vermutlich unendlich viele Möglichkeiten eine Messung zu definieren. Beide Unendlichkeiten machen die Situation aufwändig.

BTW: In den letzten Jahren gab es scheinbar einige interessante und heiß diskutierte Messungen zum Thema Wigners Freund.

Jakito 29.11.22 11:39

AW: Axiome der Quantenmechanik - orthodoxe Interpretation
 
Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 101775)
Mit hoher Wahrscheinlichkeit das Collatz-Problem.

...

Im Gegensatz dazu werden sich die Physiker nie über die Lösung des Messproblems einig sein, selbst wenn eine solche vorliegen würde.

-- Ende der Ironie --

Weil aktuell recht viel öffentliches Geld in Quanten-Technologien fliesst, glaube ich, dass sich sowohl die Öffentlichkeit eine Klärung der offenen Kontroversen wünscht (auch um das Problem des Missbrauchs der Quanten-Unklarheiten durch Esoteriker und Scharlatane wieder besser in den Griff zu bekommen), als auch das dies als Begleiteffekt durchaus passieren könnte. Konkret glaube ich, dass "junge Forscher" wie Craig Gidney oder Itai Bar-Natan bei ihrer Beschäftigung mit dem Thema aus neuen Blickwinkeln konkrete Einsichten und generelle Betrachtungsweisen entwickeln, die zu echten inkrementellen Fortschritten führen werden, wenn ... (solche "jungen Forscher" sich irgendwann sicher genug fühlen, nachdem sie ihren "Wert" durch traditionellere Leistungen unter Beweis gestellt haben, um sich eben auch um eine angemessene Weitervermittlung ihrer Einsichten kümmern zu können ...)

Die unlösbaren Probleme der Mathematik hingegen liegen ein wenig tiefer. Die Riemann-Vermutung ist hier das Paradebeispiel. Es geht darum, dass die Primzahlen zufällig verteilt sind, bzw. genau solche Eigenschaften haben, als wären sie zufällig verteilt. Aber die Mathematik hat keine zuverlässigen Schlussweisen, um Zufall beweisen zu können, oder gar mit Zufall-basierten Argumenten sauber schliessen zu können. Solche typischen "letztes Wort" Argumente wie bei Cantor-artigen Diagonalisierungen sind im Kontext von Wahrscheinlichkeiten schlicht "ein Fehler". Diese Art "Fehler" hat viele Namen, nenne es Overfitting, p-Hacking, oder ... Und normale menschliche Intuition ist einfach unvorstellbar schlecht in Bezug auf subtile Effekte, die bei "leicht falsch" verwendeten Wahrscheinlichkeiten auftreten "können".

Jakito 29.11.22 13:12

AW: Axiome der Quantenmechanik - orthodoxe Interpretation
 
Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 101764)
Ich denke, dass Peter recht hat, aber das ist hier ja nicht der Punkt.

Peter hat recht, aber auf einer anderen Ebene, als es oberflächlich den Anschein hat. Auf mathematischer Ebene hat er nicht recht.

Peter hat recht, weil
  1. Der Grund "unangemessen" war, wieso ich die Frage gestellt hatte: "And because of Nullstein. There are good reasons why he received a 2021 award."
  2. Ich halt doch durch meine Art für das entstandene Chaos verantwortlich war.
  3. Ich hatte die korrekte Passage von Dieter Zeh nicht gefunden, und erst sehr spät, tief verbuddelt im Thread, sie dann doch noch gefunden und zitiert:
Zitat:

Zitat von gentzen
I now searched the book again, for words like "little", "minor", "small", "weak", "klein", or "schwach". Nothing. Then I searched his webpage, and found the following in the short article There are no Quantum Jumps, nor are there Particles!

Zitat:

(3) In contrast to an assertion by Everett, the law of quantum probabilities cannot be derived without further (though weak) assumptions about the selection of ‘our’ world component.^18 (4) The most important underivable assumption in a kinematically nonlocal (i.e., nonseparable) quantum world seems to be the locality of the ultimate (subjective) observer in spacetime (required in some vague but essential form). Quantum decoherence is meaningful (or ‘relevant’) only with respect to local parts of the nonlocal quantum world.
This fits better, because it contains the word "weak" and explicitly emphasizes "locality", and it is plausible that I read it too while reading the book, because of its catchy title and its short length.

Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 101764)
Im Falle der Mathematik der Verschränkung kann es - ausgehend von identischen Diskussionen - keine unterschiedlichen mathematischen Ergebnisse geben.

Nur muss man halt mathematische Ergebnisse immer noch interpretieren. Und wenn bereits die ursprünglichen Ziele total verschieden sind, dann kann man meist bei der Interpretation auch keine Einigkeit erzielen.

Zitat:

Zustimmung.

Ja, letzteres wohl im Sinne der prinzipiellen Möglichkeit.

EDIT: gerade nachgelesen, Wheeler hat bereits in den 50er an der Geometrodynamik gearbeitet, d.h. das war schon Thema in Princeton
Interessant.

TomS 29.11.22 14:33

AW: Axiome der Quantenmechanik - orthodoxe Interpretation
 
Eigentlich war meine Aussage eher spaßig zu verstehen;-)

Zitat:

Zitat von Jakito (Beitrag 101790)
… glaube ich, dass "junge Forscher" wie Craig Gidney oder Itai Bar-Natan bei ihrer Beschäftigung mit dem Thema aus neuen Blickwinkeln konkrete Einsichten und generelle Betrachtungsweisen entwickeln …

Ich habe jedoch keine Veröffentlichung der beiden gesehen, die sich mit dem Messproblem befasst.

Zitat:

Zitat von Jakito (Beitrag 101790)
Die unlösbaren Probleme der Mathematik hingegen liegen ein wenig tiefer …

… können jedoch präzise formuliert werden - so wie ein Beweis.

Das Messproblem ist eventuell auf ein rein mathematisches Problem zurückzuführen. Schlimmstenfalls bleibt es in Teilen metaphysisches Problem.

photino 29.11.22 19:45

AW: Axiome der Quantenmechanik - orthodoxe Interpretation
 
Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 101775)
Mit hoher Wahrscheinlichkeit das Collatz-Problem.

[...]

Im Gegensatz dazu werden sich die Physiker nie über die Lösung des Messproblems einig sein, selbst wenn eine solche vorliegen würde.

-- Ende der Ironie --

Das Messproblem würde ich eher mit der Quadratur des Kreises vergleichen: als vergebliche Liebesmüh, letztlich sinnlos. Oder, um bei der Physik zu bleiben, mit der Suche nach mechanischen Äthermodellen Ende des 19. Jahrhunderts. Maxwells Elektrodynamik war experimentell zwar glänzend bestätigt, aber Jahrzehnte lang nicht wirklich verstanden, weil man den Konflikt mit der Newtonschen Mechanik nicht klar erkannt hatte. Ähnlich sollte die Quantenmechanik die klassische Mechanik als Grenzfall enthalten, aber wie genau klassische und Quantenphysik ineinander greifen ist bis heute nicht verstanden. Bohr beharrte darauf, dass die Quantentheorie mit den Begriffen der klassischen Physik formuliert werden muss. Für ihn war der menschliche Verstand an die klassischen Begriffe gefesselt, und geeignetere Begriffe zur Beschreibung der Prozesse im Mikrokosmos uns gar nicht zugänglich. Seitdem umgibt die Quantentheorie so etwas wie Transzendenz.

Das Hauptproblem, aus meiner Sicht, ist wohl der weit verbreitete Glaube an die Wellenfunktion (und die zeitabhängige Schrödinger-Gleichung) als dem Dreh- und Angelpunkt der Quantentheorie. Die Schrödiger-Gleichung gaukelt eine kontinuierliche und deterministische Entwicklung vor, wo doch das Sprunghafte und Zufällige zum Markenkern der Quantenphysik gehören. Im Heisenberg-Bild spielt die Wellenfunktiongar keine Rolle, und es bringt den statistischen Charakter der Theorie besser zum Ausdruck.

TomS 29.11.22 22:01

AW: Axiome der Quantenmechanik - orthodoxe Interpretation
 
Zitat:

Zitat von photino (Beitrag 101802)
Die Schrödiger-Gleichung gaukelt eine kontinuierliche und deterministische Entwicklung vor

Sie gaukelt nichts vor, die ist linear, kontinuierlich und deterministisch.

Zitat:

Zitat von photino (Beitrag 101802)
… wo doch das Sprunghafte und Zufällige zum Markenkern der Quantenphysik gehören.

Das ist das, was man überall hören oder lesen kann - außer in den Seminaren der theoretischen Physiker. Das Sprunghafte und Zufällige kommt in den normalen Anwendungen der Quantenmechanik ungefähr so oft vor wie der Schiedsrichterball beim Fußball. Keine Rede von Markenkern.

Zitat:

Zitat von photino (Beitrag 101802)
Im Heisenberg-Bild spielt die Wellenfunktiongar keine Rolle …

Das Heisenbergbild ist aber zum Schrödingerbild unitär vollständig äquivalent.

Zitat:

Zitat von photino (Beitrag 101802)
… und es bringt den statistischen Charakter der Theorie besser zum Ausdruck.

Wenn das so wäre, dann kannst du ja die Gleichung im Heisenbergbild benennen, aus der das klar wird.

photino 30.11.22 10:19

AW: Axiome der Quantenmechanik - orthodoxe Interpretation
 
Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 101807)
Sie gaukelt nichts vor, die ist linear, kontinuierlich und deterministisch.

Sie gaukelt jenen etwas vor, die die Wellenfunktion für eine wahrheitsgetreue Beschreibung eines einzelnen Quantensystems halten.

Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 101807)
Das ist das, was man überall hören oder lesen kann - außer in den Seminaren der theoretischen Physiker. Das Sprunghafte und Zufällige kommt in den normalen Anwendungen der Quantenmechanik ungefähr so oft vor wie der Schiedsrichterball beim Fußball. Keine Rede von Markenkern.

Bei einem Atomkern mit einer Halbwertszeit von einer Stunde kann sich nur ein Theoretiker den Zustand nach einer Stunde als kohärente Überlagerung von "zerfallen" und "unzerfallen" vorstellen. Der Experimentalphysiker weiss, dass der Zerfall entweder stattgefunden hat oder nicht, weil der auf einer ganz anderen Zeitskala abläuft, und das entstandene Neutrino das Labor nach spätestens einer Mikrosekunde verlassen hat.

Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 101807)
Das Heisenbergbild ist aber zum Schrödingerbild unitär vollständig äquivalent.

Aber der Blickwinkel ist ein anderer. Die Zustände sind zeitunabhängig, und es wird eine Spur über die Matrizen gebildet. Man kommt gar nicht auf die Idee, dass eine Matrix die Beschreibung eines einzelnen Quantensystems sein könnte.

TomS 30.11.22 10:44

AW: Axiome der Quantenmechanik - orthodoxe Interpretation
 
Zitat:

Zitat von photino (Beitrag 101812)
Sie gaukelt jenen etwas vor, die die Wellenfunktion für eine wahrheitsgetreue Beschreibung eines einzelnen Quantensystems halten.

Na ja, beide haben ihre Gründe.

Aber jeder muss damit leben, dass die Schrödingergleichung eine kontinuierliche und deterministische Entwicklung ist. Daran kommt niemand vorbei.

Zitat:

Zitat von photino (Beitrag 101812)
Bei einem Atomkern mit einer Halbwertszeit von einer Stunde kann sich nur ein Theoretiker den Zustand nach einer Stunde als kohärente Überlagerung von "zerfallen" und "unzerfallen" vorstellen. Der Experimentalphysiker weiss, dass der Zerfall entweder stattgefunden hat oder nicht, weil der auf einer ganz anderen Zeitskala abläuft, und das entstandene Neutrino das Labor nach spätestens einer Mikrosekunde verlassen hat.

Richtig.

Es ging mir aber um deine Aussage der Sprunghaftigkeit. Wenn du nämlich genauer nachdenkst, dann stellst du fest, dass der Experimentalphysiker nie diesen Sprung real beobachtet, und dass 99% der Theoretiker diesen Sprung ebenfalls nie betrachten (sie betrachten Wahrscheinlichkeiten).

Darüberhinaus wissen wir, dass es sehr einfache Beispiele gibt, die ohne Sprung (Kollaps) deutlich einfacher zu modellieren sind als mit (weil die Idee des trivialen Kollapses nicht nur ein rein intellektuelles Problem darstellt sondern praktisch zu falschen Vorhersagen führt). Erkläre doch spaßeshalber mal die Spuren in der Nebelkammer unter Nutzung des Kollapses.

Zitat:

Zitat von photino (Beitrag 101812)
Aber der Blickwinkel ist ein anderer. Die Zustände sind zeitunabhängig, und es wird eine Spur über die Matrizen gebildet. Man kommt gar nicht auf die Idee, dass eine Matrix die Beschreibung eines einzelnen Quantensystems sein könnte.

Was darauf rausläuft, dass die Wahrscheinlichkeiten und Messwerte berechnest. Ist ja ok, solange du nicht die Frage stellst, was das alles bedeutet. Wer sich nicht für die Bedeutung interessiert und wem die offenen Fragen der Grundlagen der Quantenmechanik egal sind, der kann dies alles in jedem beliebigen Bild ignorieren. Viele Physiker denken so und brauchen dafür überhaupt keine Begründung; es ist ihnen schlicht egal ;-)

photino 30.11.22 14:27

AW: Axiome der Quantenmechanik - orthodoxe Interpretation
 
Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 101813)
Aber jeder muss damit leben, dass die Schrödingergleichung eine kontinuierliche und deterministische Entwicklung ist. Daran kommt niemand vorbei.

Klar. Aber die Schrödinger-Gleichung ist offensichtlich nicht die ganze Wahrheit.

Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 101813)
Es ging mir aber um deine Aussage der Sprunghaftigkeit. Wenn du nämlich genauer nachdenkst, dann stellst du fest, dass der Experimentalphysiker nie diesen Sprung real beobachtet, und dass 99% der Theoretiker diesen Sprung ebenfalls nie betrachten (sie betrachten Wahrscheinlichkeiten).

Verstehe ich nicht. Für mich ist ein Sprung etwas ganz Reales, etwa das Klicken eines Geiger-Zählers. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein freies Neutron "ganz allmählich", kontinuierlich in ein Proton übergeht. Oder der Zerfall durch einen Messakt (den Geiger-Zähler) ausgelöst wird. Dagegen ist der "Kollaps der Wellenfunktion" für mich etwas fiktives, was nur eingeführt wird, um im Formalismus Anschluss an die Wirklichkeit zu finden.

Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 101813)
Was darauf rausläuft, dass die Wahrscheinlichkeiten und Messwerte berechnest. Ist ja ok, solange du nicht die Frage stellst, was das alles bedeutet. Wer sich nicht für die Bedeutung interessiert und wem die offenen Fragen der Grundlagen der Quantenmechanik egal sind, der kann dies alles in jedem beliebigen Bild ignorieren. Viele Physiker denken so und brauchen dafür überhaupt keine Begründung; es ist ihnen schlicht egal ;-)

Die Grundlagen der Quantenmechanik sind mir keineswegs egal, im Gegenteil. Mich stört die mysteriöse Bedeutung des Messprozesses. Dass das Wort "Messung" überhaupt in den Axiomen auftaucht. Eine so fundamentale und erfolgreiche Theorie sollte sich doch weniger anthropozentrisch ("state preparation" und "measurement") formulieren lassen. Die Kernreaktionen in den Sternen laufen doch auch ohne Beobachter ab.


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