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-   -   Zur Längenkontraktion (Lorentzkontraktion) (http://www.quanten.de/forum/showthread.php5?t=3450)

physicus 19.11.18 16:42

AW: Zur Längenkontraktion (Lorentzkontraktion)
 
Zitat:

Zitat von Ich (Beitrag 89169)
Man misst die verkürzte Länge

Was das in meinem Gedankenexperiment bedeuten würde, weißt Du (?): dass ein physikalisch in der Länge "gestauchter" Zug am Bahnsteig vorbeirauscht. Höhe und Breite bleiben, da nicht in Bewegungsrichtung orientiert, nach dieser Theorie dann ja gleich.
Zitat:

Und über Vorhersage bzw. überprüfte Messung musst du dir keine Gedanken machen. Wenn die SRT falsch ist, ist die gesamte Physik falsch
Also ich denke, ein paar Teilbereiche der Physik würden auch ohne SRT überleben ...

Vorhersagen von Theorien irgendwann auch experimentell bestätigen zu können bzw. zu wollen, zählt ja eigentlich zum kleinen Einmaleins der Physik, und ist sehr sinnvoll und vernünftig. Aber darum geht es ja letztlich nicht.

Übrigens, ich möchte mich auch keineswegs als ein Kritiker der Relativitätstheorie verstanden wissen. Ganz im Gegenteil: ich bin von vielen der Folgerungen dieser atemberaubenden Theorie einfach nur begeistert.

Im Moment fürchte ich, stecke ich an dieser Stelle hier ein bisschen fest. Diagramme zeichnen, hilft mir bzgl. der Anschauung der ganzen Sache nicht wirklich weiter.

Mal sehen, kommt Zeit, kommt Rat.

Viele Grüße
Chris

Bernhard 19.11.18 18:05

Zitat:

Zitat von physicus (Beitrag 89172)
Im Moment fürchte ich, stecke ich an dieser Stelle hier ein bisschen fest. Diagramme zeichnen, hilft mir bzgl. der Anschauung der ganzen Sache nicht wirklich weiter.

Ich beschreibe es mal ohne Diagramm.

Im Bahnsteigsystem BS hast Du zwei Ereignisse.

Der vordere Zugteil unterbricht die Lichtschranke. Ich nenne das P1.
Ohne Beschränkung der Allgemeinheit gebe ich diesem Punkt die Werte t = 0 und x = 0.
Nach einer gewissen Zeit t_m passiert der hintere Zugteil die Lichtschranke am gleichen Ort, d.h. ebenfalls bei x=0. Dieses zweite Ereignis nenne ich P2.

Der Beobachter im ungestrichenen System BS errechnet die Länge s des Zuges gemäß s = v * t_m.

Was beobachtet nun der Schaffner im Zugsystem ZS mit den gestrichenen Koordinaten x' und t'?
Er sieht eine Lichtschranke auf sich zukommen. Diese wird beim Kontakt mit dem vorderen Zugteil geöffnet (P1') und beim Kontakt mit dem hinteren Zugteil geschlossen (P2').

Auch er berechnet die Länge des Zuges gemäß s' = v * t_m'.

Wie die Koordinaten zusammenhängen entnimmt man der Lorentztransformation.

Bei P1 gilt:
x = 0
t = 0.

Also folgt für P1':
x'=0
t'=0.

Bei P2 gilt:
x = 0
t = t_m.

Also folgt für P2':
x' = -gamma * v * t_m
t' = gamma * t_m.

Es gilt damit:
s' = -x' = v * t' = v * gamma * t_m = gamma * v * t_m = gamma * s

oder:
s' = gamma * s

oder
s = s' * sqrt(1-beta²)

s' ist die im Zugsystem gemessene Länge und s ist die im Bahnsteigsystem gemessene Länge.
q.e.d.

physicus 20.11.18 02:53

AW: Zur Längenkontraktion (Lorentzkontraktion)
 
Hallo Bernhard,

danke.

Das bedeutet also, der Beobachter im ruhenden System (Bahnsteig) misst eben keinen "gestauchten" vorbeifahrenden Zug, sondern den Zug in seiner realen physikalischen (Ruhe-)Länge.

Und der Beobachter im bewegten System (Zug) misst, wenn er von seinem Standpunkt aus den Bahnsteig misst, eine verkürzte Länge.

Damit sind wir hundertprozentig auf einer Linie, und der Knoten im Hirn wäre aufgelöst *freu*

Und wir haben hier völlige Einigung erzielt :)

Offiziell bezeichnet man das veränderte Messergebnis, das im bewegten System entsteht, wenn man gewisse Aussagen über Strecken in der unbewegten "Aussenwelt" treffen will, dann als Lorentzkontraktion.

----

Ich selbst erkläre mir das ganze immer gerne mit der Zeitdliation, die ein Beobachter in einem bewegten System erfährt. Die Zeit vergeht für den Schaffner langsamer. Selbst merken oder feststellen kann er dies jedoch nicht; für ihn scheint alles im Zug völlig "normal" zu sein.

Trotzdem misst er für den Bahnsteig aus diesem Grund eben nicht seine Ruhelänge, sondern eine verkürzte Länge.

Und noch ein weiteres:

Prozesse in der unbewegten "Aussenwelt" werden für den Schaffner aus dem gleichen Grund (Zeitdilatation) scheinbar schneller ablaufen. Pulsare etwa würden "schneller" feuern; unabhängig davon, ob sie in Bewegungsrichtung oder seitlich zum Zug liegen, denn die Zeitdilatation ist ja ungerichtet.

Viele Grüße
Chris

Bernhard 20.11.18 04:59

AW: Zur Längenkontraktion (Lorentzkontraktion)
 
Zitat:

Zitat von physicus (Beitrag 89180)
Das bedeutet also, der Beobachter im ruhenden System (Bahnsteig) misst eben keinen "gestauchten" vorbeifahrenden Zug, sondern den Zug in seiner realen physikalischen (Ruhe-)Länge.

EDIT: Offenbar hast Du den Inhalt des Beitrages #22 noch nicht ganz verstanden. Bei meiner Rechnung ist s' die Ruhelänge im Zugsystem. Der Zug befindet sich für den mitfahrenden Schaffner in Ruhe. Im ungestrichenen Bahnsteigsystem ist der Zug allerdings und ganz offensichtlich bewegt und aus der LT ergibt sich dann eben:
Zitat:

Zitat von Bernhard (Beitrag 89174)
s = s' * sqrt(1-beta²)

mit beta = v²/c². Am Bahnsteig wird also eine kürzere Länge gemessen als im Zugsystem.

physicus 20.11.18 08:05

AW: Zur Längenkontraktion (Lorentzkontraktion)
 
Zitat:

Zitat von Bernhard (Beitrag 89181)
EDIT: Offenbar hast Du den Inhalt des Beitrages #22 noch nicht ganz verstanden

insbesondere die letzten beiden Zeilen habe ich dann wohl falsch interpretiert. Also immer noch "gestauchte" Züge am Bahnhof. ;)

Ok.

Viele Grüße
Chris

Bernhard 20.11.18 13:54

AW: Zur Längenkontraktion (Lorentzkontraktion)
 
Zitat:

Zitat von physicus (Beitrag 89183)
Also immer noch "gestauchte" Züge am Bahnhof.

So ist es.

Du kannst bei Lust und Laune dann ja noch das Minkowski-Diagramm zu diesen zwei Messungen zeichnen. Es sind ja nur zwei Ereignisse, wobei P1 trivialerweise den Ursprung des Diagramms darstellt ;) .

Timm 20.11.18 14:03

AW: Zur Längenkontraktion (Lorentzkontraktion)
 
Letzter Versuch von meiner Seite.

physikus, du hast ein grundlegendes Mißverständnis, dem mit Rechnen offensichtlichlich nicht beizukommen ist.

Du hältst "Stauchen" und "Zunahme der Masse" eines relativ zu dir bewegten Körpers noch immer für physikalische Effekte, also für etwas was mit diesem Körper tatsächlich passiert. Das falsch. Beides sind scheinbare auch genannt koordinatenabhängige Effekte. Weshalb sollte denn ein Stab, an dem du gerade vorbei fliegst, physikalisch gestaucht sein und dann, wenn du umkehrst und neben ihm ohne Relativgeschwindigkeit bist, wieder seine normale nicht gestauchte Länge haben? Den Stab kümmert es nicht, ob oder ob nicht irgendjemand vorbei fliegt.

physicus 20.11.18 15:08

AW: Zur Längenkontraktion (Lorentzkontraktion)
 
Hallo Timm,

ich fürchte, wenn ich darauf eingehe, haben wir die nächsten drei Seiten sich-im-Kreis drehende Diskussion ohne Mehrwert...

Nein, natürlich glaube ich nicht, dass der Stab oder ein Zug in der gleichen Weise "mechanisch gestaucht" wird inklusive aller Effekte der klassischen Mechnik, wie als ob ich ihn in einen Schraubstock eingespannt hätte.

Und natürlich glaube ich nicht, dass sich die relativistische Masse erhöht, indem ein Gremlin oder Klabautermann daherkommt und zusätzliche physikalische Masse einfach draufpackt, oder ähnliches.

Letzteres ist nur ein Effekt, der beobachtet wird (und sich ähnlich, aber nicht völlig gleich so auswirkt, als ob der Körper eine höhere physikalische Masse bekommen hätte).

Ersteres ist - ja, keine Ahnung, auf jeden Fall äußerst kurios, für meine persönliche und private physikalische Vorstellungswelt, dass ein Zug in diesem Fall längenverkürzt am Bahnhof vorbeirauscht.

Mit anderen Effekten der RT habe ich nicht solche Probleme (Beeinflussung von Licht durch Gravitation, Zustände am Ereignishorizont eines schwarzen Lochs, Zeitdilatation, Energie-Masse-Äquivalent, Gravitationswellen, usw.)

Ich werde mir die Lorentztransformation einmal durchrechnen, inklusive Diagramme. Das habe ich sowieso damals schon mal, in der Schulzeit...

Übrigens habe ich eine kleine eigene Theorie hier am Schreitisch liegen, die ohne Längenverkürzung auskommt, und auch das Raketenparadoxon wunderbar erklären kann (Stichwort: Lampe an einer Raketenspitze, relativistische Geschwindigkeitsaddation, ...)

Nur dummerweise ist die Nichtexistenz eines "ätherhaften" Gebildes inzwischen schon dermassen stark experimentell erhärtet, dass ich diese Theorie gleichmal fallen lassen kann, ich zitiere WP:

Zitat:

Das heißt, das von Michelson gemessene Ergebnis entsprach ca. 5–8 km/s, was angesichts der erwarteten Geschwindigkeit von 30 km/s nicht als Ätherwind interpretiert werden konnte. Darüber hinaus legen diverse kosmische Geschwindigkeiten (Drehung der Milchstraße, Relativbewegung zum Ruhesystem der kosmischen Mikrowellenstrahlung) eine Geschwindigkeit von ca. 368 km/s nahe, was die Geringfügigkeit des Ergebnisses noch klarer aufzeigt. Weitere, bis heute durchgeführte Wiederholungen mit Laser und Maser haben tatsächlich vollständige Nullresultate gebracht.
Ich würde sagen, damit ist das Thema "Äther" erstmal vom Tisch.

Ich rechne/zeichne wie gesagt noch ein bisschen, lese noch weiter, denke noch weiter nach etc etc.

Viele Grüße
Chris

Marco Polo 20.11.18 18:24

AW: Zur Längenkontraktion (Lorentzkontraktion)
 
Zitat:

Zitat von physicus (Beitrag 89103)
Von Bahnsteig aus messen wir die Länge des Zuges, und vom Zug aus die Länge des Bahnsteigs.

Was messen wir jeweils?

Sowohl der Beobachter auf dem Bahnsteig, als auch der Schaffner im Zug messen für das jeweils andere Bezugssystem eine verkürzte Länge gemäß:


l=sqrt(1-(v/c)²)l' = sqrt(1-ß²)l' = l'/gamma


Das kann man auch ganz einfach herleiten und ist mMn absolut logisch und nachvollziehbar.

physicus 21.11.18 13:02

AW: Zur Längenkontraktion (Lorentzkontraktion)
 
Zitat:

Zitat von Marco Polo (Beitrag 89205)
Sowohl der Beobachter auf dem Bahnsteig, als auch der Schaffner im Zug messen für das jeweils andere Bezugssystem eine verkürzte Länge (...)

Abschliessend auch hier, zur Lorentzkontraktion:

Dies ist eine Vorhersage der SRT, die bisher nur durch Experimente zweiter Ordnung (und das heisst im Klartext: rechnerisch!) bestätigt werden konnte.

Ein Experiment erster Ordnung, das tatsächlich die Längenverzerrung eines mit relativistischer Geschwindigkeit vorbeifliegenden Körpers misst, wurde bisher noch nicht durchgeführt.

(und natürlich sind Experimente zweiter Ordnung weit weniger beweiskräftig als solche erster Ordnung, da sie nur die Widerspruchsfreiheit innerhalb der Theorie selbst untersuchen, aber keinen Rückschluss auf tatsächliche physikalische Gegebenheiten erlauben)


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