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-   -   Wie heiß kann ein Weißer Zwerg in seinem Zentrum sein? (http://www.quanten.de/forum/showthread.php5?t=3994)

Hawkwind 19.09.21 17:49

Zitat:

Zitat von Bernhard (Beitrag 96415)
Im WP-Artikel findet man mehr:

Es wird am Anfang des Artikels auch eher von entarteter Materie und weniger von einem entarteten Elektronengas berichtet.

Aber wir sind doch beim Weißen Zwerg. Und dort wird der gravitative Kollaps durch die Entartung der Elektronen gestoppt. Das war ja Teil der Theorie des WZ, für die Chandresekhar den Nobelpreis erhalten hatte.

"Weiße Zwerge werden mit Hilfe des Konzepts eines idealen entarteten Elektronengases beschrieben. Die Herleitung der Chandrasekhar-Grenze beruht daher auf der statistischen Quantenmechanik, genauer auf der Fermi-Dirac-Statistik, weil es sich bei Elektronen um Fermionen handelt."
https://de.wikipedia.org/wiki/Chandrasekhar-Grenze

Worin widersprichst du mir eigentlich genau?

TomS 19.09.21 18:15

AW: Wie heiß kann ein Weißer Zwerg in seinem Zentrum sein?
 
Mir stellt sich folgende Frage:

Wenn Elektronen und Kerne exakt entkoppeln, dann können langfristig unterschiedliche Temperaturen vorliegen (Elektronen mit T = 0, Kerne jedoch "heiß".

Wenn Elektronen und Kerne nicht exakt entkoppeln, dann sollte sich über lange Zeiträume ein thermisches Gleichgewicht einstellen, d.h. Elektronen werden heiß, Kerne kühlen sich ab.

Nun können auch bei T > 0 die meisten Elektronen in einem entarteten Zustand vorliegen, während der Rest angeregt ist und zur Temperatur beiträgt; dazu wäre eine Zustandsgleichung, Zustandssumme o.ä. zu berechnen.

Die Frage wäre dann, ob einer vergleichsweise hohen Elektronentemperatur dennoch ein großer Anteil der Elektronen entartet sein könnte.

Bernhard 19.09.21 20:03

AW: Wie heiß kann ein Weißer Zwerg in seinem Zentrum sein?
 
Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 96417)
Die Frage wäre dann, ob einer vergleichsweise hohen Elektronentemperatur dennoch ein großer Anteil der Elektronen entartet sein könnte.

Laut WP spricht man von einem entarteten Fermi-Gas, falls T << T_F.

Die Fermi-Temperatur liegt, abgeleitet von dem anderen WP-Artikel (Weißer Zwerg), für einen typischen Weißen-Zwerg bei seiner Entstehung bei ca. 9,3e8 K, die Kerntemperatur dagegen bei ca. 1e8. Wenn der Weiße Zwerg dann weiter auskühlt sogar nur noch bei 1e7.

So gesehen kann man mMn bei den genannten Kerntemperaturen, das Elektronengas gerade noch als entartet bezeichnen, trotz der hohen Temperatur.

Hawkwind 20.09.21 09:24

Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 96417)
Mir stellt sich folgende Frage:

Wenn Elektronen und Kerne exakt entkoppeln, dann können langfristig unterschiedliche Temperaturen vorliegen (Elektronen mit T = 0, Kerne jedoch "heiß".

Komplette Entartung des Elektronengases liegt sicher nicht vor. Die von Bernhard bereits erwähnte Wärmeleitfähigkeit des Gases stünde m.E. im Widerspruch zu kompletter Entartung (d.h. kompletter Entkopplung von der Kernmaterie).
Diese Wärmeleitung von Innen nach Außen ist ja für die Abstrahlung des WZ, d.h. für seine weiße Farbe, verantwortlich.

Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 96417)
Wenn Elektronen und Kerne nicht exakt entkoppeln, dann sollte sich über lange Zeiträume ein thermisches Gleichgewicht einstellen, d.h. Elektronen werden heiß, Kerne kühlen sich ab.

Ich denke, die Gravitation zwingt die Elektronen immer wieder in niedrigste Zustände und hält die (nahezu vollständige) Entartung (und damit die niedrige Temperatur des Elektronengases) aufrecht: die Abkühlung erfolgt über Transport der Wärme in die Schale und dortige Abstrahlung.

Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 96417)
Nun können auch bei T > 0 die meisten Elektronen in einem entarteten Zustand vorliegen, während der Rest angeregt ist und zur Temperatur beiträgt; dazu wäre eine Zustandsgleichung, Zustandssumme o.ä. zu berechnen.

Die Frage wäre dann, ob einer vergleichsweise hohen Elektronentemperatur dennoch ein großer Anteil der Elektronen entartet sein könnte.

Wie gesagt, die Elektronentemperatur wird nahe Null angenommen. Diese "nullte" Näherung findet man immer wieder bei Herleitung der Zustandsgleichung, z.B.

Zitat:

The most significant simplification results from the assumption of complete degeneracy (T -> 0), the realm of ‘zero-temperature stars’.
Physics of white dwarf stars
Seite 846

Mirko Buschhorn 02.10.21 09:04

AW: Wie heiß kann ein Weißer Zwerg in seinem Zentrum sein?
 
Zitat:

Zitat von Hawkwind (Beitrag 96377)
Das Pauli-Prinzip gilt pro Teilchensorte separat (falls diese Fermionen sind). Elektronen und Neutronen können also völlig unabhängig voneinander Zustände besetzen.
Die Fermi-Dirac-Statistik gilt für voneinander ununterscheidbare (identische) Teilchen mit Spin 1/2; natürlich können wir ein Neutron von einem Elektron unterscheiden (wenn auch beide Spin 1/2 haben).

Das hieße also, dass sich ein Proton und ein Elektron mit gleichem Spin in einem Weißen Zwerg am selben Ort aufhalten dürfen. Würde dadurch nicht ein Neutron entstehen (Elektroneneinfang wie bei einem Neutronstern)?

Mirko Buschhorn 02.10.21 09:10

AW: Wie heiß kann ein Weißer Zwerg in seinem Zentrum sein?
 
Zitat:

Zitat von Bernhard (Beitrag 96399)
Es gibt doch diese anschauliche Beschreibung, dass in normalen Atomen so viel Platz zwischen dem Kern und den Elektronen ist. Das könnte bei Weißen Zwergen auch noch gelten. Das könnte man eventuell als weitere Erklärung dafür verwenden, dass die Kerne im Elektronensee des Weißen Zwergs doch noch ziemlich viele thermische Zustände besetzen können? Kerne haben zusätzlich auch "innere" Vibrationszustände, die auch Energie aufnehmen können.

Ja, diese anschauliche Beschreibung mit der Erbse in der Mitte des Spielfelds eines Fußballstadions kenne ich natürlich. Ich bin aber davon ausgegangen, dass bei einem Weißen Zwerg die Zuschauer den Platz stürmen und sich direkt um die Erbse versammeln. Aber offensichtlich ist es eher der Mittelkreis, sodass Zuschauer und Erbse genug Platz haben, um einen äußerst heißen Tanz zu vollführen.

Mirko Buschhorn 02.10.21 09:16

AW: Wie heiß kann ein Weißer Zwerg in seinem Zentrum sein?
 
Zitat:

Zitat von Hawkwind (Beitrag 96408)
Ja, so verstehe ich das: aufgrund der kompletten Entartung des fermionischen Elektronengases im Inneren kann keine kinetische Energie mit der Kernmaterie ausgetauscht werden.

Vielleicht liegt an der Chandrasekhar-Grenze die vollständige Entartung des Elektronengases vor. Die schwersten Weißen Zwerge sind ja die kleinsten. Nimmt deren Masse weiter zu, setzt die Kernfusion explosiv ein.


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