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-   -   Zitterbewegung im Experiment gesehen (http://www.quanten.de/forum/showthread.php5?t=1387)

Uli 08.01.10 14:35

Zitterbewegung im Experiment gesehen
 
Ein Effekt, der von Schrödinger bei der Analyse von Diracs Gleichung vorhergesagt wurde, ist die "Zitterbewegung": die kräftefreie, rasend schnell oszillierende Bewegung (mit Vakuumlichtgeschwindigkeit) eines massiven Spin 1/2 - Teilchen. Ein Effekt, der im krassen Widerspruch zur Newtonschen Physik steht.

Nun ist es Innsbrucker Physikern gelungen, diesen Effekt experimentell zu verifizieren bzw. zu simulieren.

Das Original-Preprint auf Englisch:
http://arxiv.org/abs/0909.0674

Ein populärer Artikel auf deutsch:
http://www.pro-physik.de/Phy/leadArticle.do?laid=12543

Es heisst, Dirac selbst habe diese Konsequenz seiner Gleichung auch schon erkannt, aber zu wenig Mut gehabt, ihn zu publizieren.

Timm 09.01.10 15:43

AW: Zitterbewegung im Experiment gesehen
 
Zitat:

Zitat von Uli (Beitrag 47569)
Ein Effekt, der von Schrödinger bei der Analyse von Diracs Gleichung vorhergesagt wurde, ist die "Zitterbewegung": die kräftefreie, rasend schnell oszillierende Bewegung (mit Vakuumlichtgeschwindigkeit) eines massiven Spin 1/2 - Teilchen. Ein Effekt, der im krassen Widerspruch zur Newtonschen Physik steht.

Nun ist es Innsbrucker Physikern gelungen, diesen Effekt experimentell zu verifizieren bzw. zu simulieren.

Das Original-Preprint auf Englisch:
http://arxiv.org/abs/0909.0674

Ein populärer Artikel auf deutsch:
http://www.pro-physik.de/Phy/leadArticle.do?laid=12543

Es heisst, Dirac selbst habe diese Konsequenz seiner Gleichung auch schon erkannt, aber zu wenig Mut gehabt, ihn zu publizieren.

Ein erstaulicher Effekt, Uli,

ich hatte "Zittereffekt" mit dem Namen "Unruh" verbunden.

Woher nimmt das zitternde Ion eigentlich die dazu benötigte Energie und müßte es nicht EM-Wellen dieser Frequenz abstrahlen? Vielleicht kommmt die Dämpfung ja daher.

Gruß, Timm

P.S.
Sitze hier äußerst ungemütlich und laut im Internet-Caffe. Fand mich heute morgen off-line vor.

JoAx 09.01.10 16:19

AW: Zitterbewegung im Experiment gesehen
 
Hallo zusammen,

Zitat:

Zitat von Timm (Beitrag 47578)
Ein erstaulicher Effekt, Uli,

das habe ich auch so empfunden.

Zitat:

Zitat von Timm (Beitrag 47578)
Woher nimmt das zitternde Ion eigentlich die dazu benötigte Energie und müßte es nicht EM-Wellen dieser Frequenz abstrahlen?

Wenn ich's richtig verstanden habe, dann ist die Zitterbewegung so etwas wie die Interferenz beim Doppelspalt. Nur liegt das Bild entlang der Zeit. (?) In so fern braucht es gar keine Energie, um zu "zittern". (?) Die Dämpfung entspricht dann dem Entfernen von der Doppelspaltachse. (?)


Gruss, Johann

Uli 09.01.10 17:48

AW: Zitterbewegung im Experiment gesehen
 
Zitat:

Zitat von JoAx (Beitrag 47581)
Hallo zusammen,



das habe ich auch so empfunden.



Wenn ich's richtig verstanden habe, dann ist die Zitterbewegung so etwas wie die Interferenz beim Doppelspalt. Nur liegt das Bild entlang der Zeit. (?) In so fern braucht es gar keine Energie, um zu "zittern". (?) Die Dämpfung entspricht dann dem Entfernen von der Doppelspaltachse. (?)


Gruss, Johann

Energie wird in der Tat nicht benötigt für diese Art von Bewegung, denn sie ist ja kräftefrei - eine Lösung der Dirac-Gleichung für freie Teilchen.

So etwas schafft die Schrödingergleichung nicht; es ist ein Effekt, der aus der Kombination von Quantentheorie und Spezieller Relativität hervorgeht.

In der Tat spielen Interferenzen eine Rolle, nämlich Interferenzen zwischen Wellen zu positiver und negativer Energie. Die Schrödinger-Gleichung dagegen kennt keine freien Lösungen zu negativer Energie; dieser Unterschied hat damit zu tun, dass die Dirac-Gleichung zugleich auch Antiteilchen beschreibt.

Eine andere Eigentümlichkeit: hier haben wir massive Teilchen, die sich mit Lichtgeschwindigkeit bewegen - die Quantentheorie macht's möglich.

Gruß,
Uli

Marco Polo 09.01.10 21:16

AW: Zitterbewegung im Experiment gesehen
 
Hallo Uli,

Zitat:

Zitat von Uli (Beitrag 47586)
Die Schrödinger-Gleichung dagegen kennt keine freien Lösungen zu negativer Energie

die SRT übrigens auch nicht.

Zitat:

Eine andere Eigentümlichkeit: hier haben wir massive Teilchen, die sich mit Lichtgeschwindigkeit bewegen - die Quantentheorie macht's möglich.
Kein Wunder, dass Dirac sich nicht getraut hatte, etwas derart bizarres zu veröffentlichen. Aber massive Teilchen, die sich mit LG bewegen? Steht das nicht im Widerspruch zur RT?

Gruss, Marco Polo

zeitgenosse 10.01.10 09:21

AW: Zitterbewegung im Experiment gesehen
 
Zitat:

Zitat von Marco Polo (Beitrag 47588)
Aber massive Teilchen, die sich mit LG bewegen? Steht das nicht im Widerspruch zur RT?

Die "Zitterbewegung des Dirac-Elektrons" (Schrödinger, 1930) ist eine Folge der Interaktion des Elektrons mit dem oszillierenden Vakuumfeld. Sie findet im "Schatten der Unschärferelation" statt, so dass kurzzeitige Verletzungen des Energiesatzes erlaubt sind. Schliesslich wird dabei im zeitlichen Mittel keine zusätzliche Energie gewonnen.

Solches deshalb, weil auf Skalen < Ћ/mc der Teilchenbegriff seine bisherige Bedeutung verliert und schnelle Teilchenbewegungen in 3 Dimensionen (= Zitterbewegung) mit v = c resultieren. Makroskopisch dagegen bewegt sich das relativistische Elektron stets mit v < c, was durch die in Teilchenbeschleunigern erfolgenden Prozesse hinreichend dokumentiert ist.

Die aus der QED bekannte Lamb-Verschiebung ist eine Folge obiger Vakuumfeldoszillationen, die gelegentlich auch als Nullpunktsoszillationen bezeichnet werden. Der Darwin-Term kann ebensfalls aus der Zitterbewegung des Elektrons verstanden werden.

p.s.
Anscheinend soll inzwischen durch Wunderlich et al. die Zitterbewegung an Kalziumionen nachgewiesen worden sein.

Gr. zg

Uli 10.01.10 09:55

AW: Zitterbewegung im Experiment gesehen
 
Zitat:

Zitat von Marco Polo (Beitrag 47588)
Hallo Uli,



die SRT übrigens auch nicht.

Die Dirac-Gleichung als quantenmechanische Wellengleichung aber schon.
Es hat damit zu tun, dass diese Gleichung Vierer-Spinoren beschreibt, also Spin 1/2 - Teilchen und deren Antiteilchen gleich gemeinsam. Um die Lösungen negativer Energie zu umgehen, hatte Dirac ja ursprünglich mit dem Dirac-See argumentiert, in dem alle Zustände negativer Energie besetzt sind.
Eine Vorstellung, die mittlerweile längst überholt und durch die feldtheoretische Stückelberg-Feynman-Interpretation ersetzt ist, aber damals immerhin Dirac zur Vorhersage von Positronen geleitet hatte.


Zitat:

Zitat von Marco Polo (Beitrag 47588)
Kein Wunder, dass Dirac sich nicht getraut hatte, etwas derart bizarres zu veröffentlichen. Aber massive Teilchen, die sich mit LG bewegen? Steht das nicht im Widerspruch zur RT?

Gruss, Marco Polo

Nicht wirklich. Die Vorhersage der Zitterbewegung erstreckt siich auf eine Region, für die die "klassische SRT" einfach nicht mehr zuständig ist. Nicht umsonst ist der experimentelle Nachweis dieses Quanteneffekts so herausfordernd. Siehe auch Zeitgenosses Beitrag.

Gruß,
Uli

EMI 10.01.10 12:51

AW: Zitterbewegung im Experiment gesehen
 
In der Newtonchen Mechanik sind die Energie E und der Impuls p wie folgt verknüpft:
E = p²/2m
Nach EINSTEIN ist das gänzlich anders:
E² = m²c²c² + p²c²
Bei p=0 (Teilchen in Ruhe) folgt:
E = mc²
Diese Beziehung zwischen Energie und Masse gibt es bei Newton nicht.
mc² ist die Ruheenergie eines Teilchens.
Bei Teilchen die sich viel langsamer als c bewegen besteht die Gesamtenergie E aus der Ruheenergie Eo und der kinetischen Energie Ek:
E = Eo+Ek = mc²+Ek, quadriert:
E² = m²c²c² + 2mc²Ek + Ek²
Bei Geschwindigkeiten viel kleiner wie c ist Ek² vernachlässigbar.
Es bleibt:
E² = m²c²c² + 2mc²Ek
Dies entspricht E² = m²c²c²+p²c²
m²c²c² + 2mc²Ek = m²c²c²+p²c²
Es folgt:
Ek = p²/2m , die newtonche Gleichung für langsam bewegte Teilchen.
Bei immer größerer Geschwindigkeit, immer größer werdenden Impuls ergibt das Quatrat der Ruheenergie m²c²c² einen immer kleiner werdenden Beitrag zur Gesamtenergie in Vergleich zu p²c².
Im Grenzfall v gegen c bleibt nur:
E = pc
Die Ruhemasse des Teilchens(ultrarelativistisch) hört auf, dessen Energie zu beeinflussen.
Die nichtrelativistische Schrödingergleichung ist auf der Beziehung E=p²/2m aufgebaut und ist bei weitem nicht ausreichend.
Die relativistische Wellengleichung Diracs baut daher auf der Beziehung E² = m²c²c² + p²c² auf.
Diese Beziehung berücksichtigt aber noch nicht den Spin eines Teilchens.
Dirac gelang es ein quantenmechanisches Analogen zu E² = m²c²c² + p²c², die Dirac-Wellengleichung, in der der Spin organisch mit der Bahnbewegung des Elektrons verknüpft ist, abzuleiten.
Dirac sagte damit nicht nur das Positron vorher sondern er führte auch einen vollkommen neuen Begriff in die Physik ein, den des Antiteilchens.
Dabei ist es vollkommen gleichgültig welches man als Teilchen und welches als Antiteilchen bezeichnet. Die Theorie ist in diesem Sinne vollkommen symmetrisch.
Wenn sich Teilchen und Antiteilchen vernichten verschwindet auch ihre Masse vollkommen. Die Gesamtenergie der Teilchen geht in die Energie des el.mag. Feldes über.
Damit zwischen zwei Teilchen eine WW stattfinden kann muss eins ein Quant aussenden und das andere dieses absorbieren.
Die emittierte Energie geht in die Energie des el. mag. Feld über und von diesem in das absorbierenten Teilchens, dass heist es findet eine WW zwischen Teilchen und dem el.mag. Feld statt. In diesem Sinne kann ein Teilchen (mit sich selbst), Teilchen -> el.mag. Feld -> Teilchen, wechselwirken.
Das el.mag. Feld kann man sich als eine Gesamtheit einzelner, durch nichts miteinander verbundener Schwingungen vorstellen.
Die möglichen Energiewerte dieser Schwingungen sind = hf(n+1/2), mit Frequenz f und n Anzahl der Quanten.
Was aber enspricht 1/2?
Es ist die Nullenergie des Zustandes in dem es keine Quanten gibt. Das heist, dass auch bei der niedrigsten Energie im Grundzustand die Schwingung nicht aufhört, dass keine Ruhe eintritt.
Das ist eine direkte Folge des Unbestimmtheitsprinzips. Das el.mag. Feld ist auch beim Fehlen von Quanten nicht Null.
Es führt seine Nullschwingungen aus und beeinflußt die Teilchen.
Diesen Einfluß(Zitterbewegung) haben die Innsbrucker Physiker nun wohl auch experimentell nachgewiesen.

Gruß EMI

Marco Polo 10.01.10 13:02

AW: Zitterbewegung im Experiment gesehen
 
Zitat:

Zitat von EMI (Beitrag 47603)
Im Grenzfall v gegen c bleibt nur:
E = pc

So ist es, EMI. Genauer gesagt natürlich E = Betrag von pc. Es wären sonst negative Energien möglich.

Gruss, Marco Polo

Uli 10.01.10 13:44

AW: Zitterbewegung im Experiment gesehen
 
Zitat:

Zitat von EMI (Beitrag 47603)
Es ist die Nullenergie des Zustandes in dem es keine Quanten gibt. Das heist, dass auch bei der niedrigsten Energie im Grundzustand die Schwingung nicht aufhört, dass keine Ruhe eintritt.
Das ist eine direkte Folge des Unbestimmtheitsprinzips. Das el.mag. Feld ist auch beim Fehlen von Quanten nicht Null.
Es führt seine Nullschwingungen aus und beeinflußt die Teilchen.
Diesen Einfluß(Zitterbewegung) haben die Innsbrucker Physiker nun wohl auch experimentell nachgewiesen.

Gruß EMI

EMI, ich denke Zitterbewegung und Nullpunktsenergie eines Feldes (harmonischen Oszillators) sollte man auseinanderhalten. Ersteres ist ein relativistischer Quanteneffekt für Spin 1/2 -Teilchen; letzteres ein nichtrelativistischer Quanteneffekt, der v.a. Bosonen betrifft.

Gruß,
Uli

Nachtrag: ein weiterer gewichtiger Unterschied: Zitterbewegung ist ein Effekt, der kräftefreie Spin 1/2 Teilchen betrifft (Dirac-Gleichung ohne Potential). Nullpunktsschwingungen dagegen gibt es bei gebundenen Zuständen (harmonischer Oszillator). Für letztere kann man sicher mit Unschärfeprinzip argumentieren; bei der Zitterbewegung sehe ich das nicht.

noch'n Nachtrag: es gibt übrigens Spekulationen, dass die Zitterbewegung Ursache des Elektronen-Spins sein könnte:
http://arxiv.org/abs/quant-ph/9803037

... eine Vermutung, die ursprünglich von Schrödinger selbst kam.


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