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TomS 30.01.19 07:31

AW: Informationserhaltung beim Wellenkollaps
 
Zitat:

Zitat von Philipp Wehrli (Beitrag 90317)
TomS meint dabei die 'Information' aus Sicht des äusseren Beobachters. Für den äusseren Beobachter geht natürlich keine Information verloren und es entsteht auch keine.

Aus Sicht des inneren Beobachters entsteht aber tatsächlich Information. Etwas sehr Ähnliches passiert beim Unruh-Effekt oder bei der Hawking-Strahlung. Dabei meint die 'Information' die von Neumann Entropie, die das Äquivalent zur Shannon Entropie ist, nämlich in der Quantentheorie.

Ich bin da skeptisch.

Man findet oft die Analogie zwischen der von-Neumann- und der Shannon-Entropie. Dabei bleibt jedoch unklar, wie die Information konkret kodiert sein soll.

Lassen wir in der Quantenmechanik mal die - spannende - Frage weg, wie die in einen Quantenzustand enthaltene Information wieder extrahiert werden kann.

Betrachten wir dann QBits in einem reinen Produktzustand, also

|ψ> = |ψ₁> ⊗ |ψ₂> ⊗ ...

|ψ₁> = a|0> + b|1>

Damit trägt jedes QBit die Information, die in (a,b) modulo globale Phase kodiert ist. Natürlich kann man auch verschränkte Zustände zulassen. Diese Information kann man durch Quantenlogik weiterverarbeiten oder durch Messung = Projektion als klassische Information extrahieren.

Dieser reine Zustand wird beschrieben durch den Dichteoperator

ρ = |ψ><ψ|

Betrachten wir nun stattdessen einen thermischen Zustand. Dieser wird beschrieben durch einen Dichteoperator für β = 1/kT

ρ(β) = exp[-βH] / Z(β)
Z(β) = tr exp[-βH]

mit der Spur

tr exp[-βH] = ∑ <N|exp[-βH]|N>

|N> läuft über die Zustände

|0...0>, |10...0>, |010...0>, ... |110...0>, |101...0>, ... |111...1>

nun ist offenbar

S(β) = - tr(ρ ln ρ) > 0

Aber - welche Information ist denn nun in diesem Zustand tatsächlich kodiert und kann ausgelesen werden?! Man stellt doch offfenbar fest, dass außer der Temperatur T alle thermischen Zustände keine weitere verwertbare Information tragen. Anders gesagt: welche Information ist in einer Folge von QBits gespeichert, über die man nichts weiß, außer dass sie thermisch sind?

Philipp Wehrli 30.01.19 11:20

AW: Informationserhaltung beim Wellenkollaps
 
Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 90324)
Aber - welche Information ist denn nun in diesem Zustand tatsächlich kodiert und kann ausgelesen werden?! Man stellt doch offfenbar fest, dass außer der Temperatur T alle thermischen Zustände keine weitere verwertbare Information tragen. Anders gesagt: welche Information ist in einer Folge von QBits gespeichert, über die man nichts weiß, außer dass sie thermisch sind?

Danke für die schönen und kompetenten Ausführungen! - Leider bedeutet 'Information' auch unter Wissenschaftlern völlig unterschiedliche Sachen. Du verstehst Information, in der obigen Beschreibung zumindest, als vom Menschen verwertbare Information. Für einen Informationstheoretiker, der Nachrichten übermitteln will, hast du vollkommen recht.

Ich denke aber, hier müssen wir eine ganz andere Art von Information betrachten. Wenn du zwei gleichartige und gleich grosse Kasten mit einem gleichartigen und gleich heissen Gas darin hast, sind diese Kasten aus Sicht des Informationstheoretikers gleich. Mit so einem Kasten kannst du keine Information übermitteln, die über die Kastengrösse, Druck, Temperatur und Art des Gases hinausgeht. Aber aus Sicht der Natur sind die Kasten überhaupt nicht gleich. Das erkennst du, wenn du in beide Kasten einen Sensor stellst, der die Zeit bis zum ersten Stoss eines Gasteilchens messen soll. Diese Wartezeit kann sehr unterschiedlich sein. Die Information, die im Kasten enthalten ist, muss auch reichen, um diese Wartezeit zu berechnen.

Diese Art von Information entsteht an Horizonten. Man könnte natürlich sagen, die thermischen Teilchen seien in einer Superposition aller Zustände und es ist in der Natur noch gar nicht festgelegt, wann der erste Sensor anspricht. Dann aber entsteht die Information spätestens beim Stoss durch das Teilchen, also bei der Beobachtung. So wie Simon_St. dies etwa erwartet.

TomS 30.01.19 11:49

AW: Informationserhaltung beim Wellenkollaps
 
Zitat:

Zitat von Philipp Wehrli (Beitrag 90334)
Danke für die schönen und kompetenten Ausführungen! - Leider bedeutet 'Information' auch unter Wissenschaftlern völlig unterschiedliche Sachen.

Möglicherweise.

Zitat:

Zitat von Philipp Wehrli (Beitrag 90334)
Ich denke aber, hier müssen wir eine ganz andere Art von Information betrachten. Wenn du zwei gleichartige und gleich grosse Kasten mit einem gleichartigen und gleich heissen Gas darin hast, sind diese Kasten aus Sicht des Informationstheoretikers gleich. Mit so einem Kasten kannst du keine Information übermitteln, die über die Kastengrösse, Druck, Temperatur und Art des Gases hinausgeht.

Ja.

Zitat:

Zitat von Philipp Wehrli (Beitrag 90334)
Aber aus Sicht der Natur sind die Kasten überhaupt nicht gleich. Das erkennst du, wenn du in beide Kasten einen Sensor stellst, der die Zeit bis zum ersten Stoss eines Gasteilchens messen soll. Diese Wartezeit kann sehr unterschiedlich sein. Die Information, die im Kasten enthalten ist, muss auch reichen, um diese Wartezeit zu berechnen.

Wenn du diese Information kodieren möchtest, dann darfst du den Kasten nicht als statisches Gemisch betrachten, sondern als quantenmechanisch reinen Zustand; dann hat er keine Temperatur, dafür jedoch einen definierten Mikrozustand, aus dem dies alles folgt.

Zitat:

Zitat von Philipp Wehrli (Beitrag 90334)
Diese Art von Information entsteht an Horizonten.

Nein, an Horizonten entstehen - wenn Hawking et al. Recht haben - thermische Zustände, die diese Information nicht tragen. Wenn du annimmst, dass Hawking’s Berechnungen durch eine exakte Berechnung ersetzt werden müssen - wovon heute die meisten ausgehen - dann wäre diese Information kodiert, aber dann läge eben kein thermischer Zustand vor.

Zitat:

Zitat von Philipp Wehrli (Beitrag 90334)
Man könnte natürlich sagen, die thermischen Teilchen seien in einer Superposition aller Zustände ...

Ein statistisches Gemisch mit Entropie größer Null ist kein Superpositionszustand.

Zitat:

Zitat von Philipp Wehrli (Beitrag 90334)
... und es ist in der Natur noch gar nicht festgelegt, wann der erste Sensor anspricht.

Gemäß unserer Beschreibung ist es das nicht.

Zitat:

Zitat von Philipp Wehrli (Beitrag 90334)
Dann aber entsteht die Information spätestens beim Stoss durch das Teilchen, also bei der Beobachtung.

Das ist wieder etwas anderes: im Zuge einer Messung erhalte ich - nach der orthodoxen Interpretation - einen reinen Zustand als Eigenzustand der Messgröße. Ja, dadurch entsteht in gewisser Weise Information. Das hat nun aber erstens nichts mit Horizonten und Thermodynamik zu tun, sondern mit dem Projektionspostulat. Fakt ist aber, dass die vor der Messung vorhandene und im Zustand kodierte Information zum Teil zerstört wird.

Einfaches Beispiel: du wirfst eine Zeitung weg, sie wird recycelt wodurch der Text zerstört wird, am nächsten Tag erhältst du eine neue Zeitung mit neuem Text; offenbar ist die alte Information verloren gegangen.


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