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-   -   Noch eine Crank-Frage zur Bewegung von Elektronen (http://www.quanten.de/forum/showthread.php5?t=3647)

Josef 13.06.19 23:34

Noch eine Crank-Frage zur Bewegung von Elektronen
 
So weit glaube ich es in meinem Halbwissen verstanden zu haben:
Bei einem Elektron, das an einen Atomkern gebunden ist, ist dessen Bewegung ja eingeschränkt durch die Orbitale. D.h. mit hoher Wahrscheinlichkeit kann ein Elektron nur auftreten in bestimmten Bereichen in der Umgebung des Atomkerns. Dies wird bedingt durch die Wellenfunktion des Elektrons, die Orbitale entsprechen Vielfachen der Wellenlänge oder so ähnlich.

Nun meine Frage:
Gilt dies auch für freie Elektronen, die sich in der Nähe eines Atomkerns bewegen?
Wenn z.B, aus einem Teilchenbeschleuniger sehr schnelle freie Elektronen in Materie reingeschossen werden, dann können diese Elektronen im Vorbeiflug einem Atomkern sehr nahe kommen, ohne an diesen gebunden zu werden, sondern sie können dann weiterfliegen. Dabei entseht sicherlich in eine elektromagnetische Wechselwirkung zwischen dem Atomkern und dem vorbeifliegenden Elektron. Diese Wechselwirkung ist ebenfalls in Wellenform und quantisiert.
Folgt daraus, daß für das vorbeifliegende Elektron ebenfalls Einschränkungen der Bewegung und des Aufenthaltsortes in Bezug auf den Atomkern entshehen? Daß auch ein vorbeifliegendes Elektron irgendeine Art Orbital-Bahn in der Nähe des Atomkerns befolgen muß, auch wenn es nicht an dieses Atom gebunden ist?

Wenn das schon falsch ist, dann hat sich die nächste Frage bereits erledigt. Deshalb erstmal nur so viel.

Bernhard 14.06.19 00:22

AW: Noch eine Crank-Frage zur Bewegung von Elektronen
 
Zitat:

Zitat von Josef (Beitrag 91597)
Folgt daraus, daß für das vorbeifliegende Elektron ebenfalls Einschränkungen der Bewegung und des Aufenthaltsortes in Bezug auf den Atomkern entshehen?

Mehr dazu hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Rutherford-Streuung .

Hawkwind 14.06.19 15:41

AW: Noch eine Crank-Frage zur Bewegung von Elektronen
 
Zitat:

Zitat von Josef (Beitrag 91597)
So weit glaube ich es in meinem Halbwissen verstanden zu haben:
Bei einem Elektron, das an einen Atomkern gebunden ist, ist dessen Bewegung ja eingeschränkt durch die Orbitale. D.h. mit hoher Wahrscheinlichkeit kann ein Elektron nur auftreten in bestimmten Bereichen in der Umgebung des Atomkerns. Dies wird bedingt durch die Wellenfunktion des Elektrons, die Orbitale entsprechen Vielfachen der Wellenlänge oder so ähnlich.

Genau.

Zitat:

Zitat von Josef (Beitrag 91597)
Nun meine Frage:
Gilt dies auch für freie Elektronen, die sich in der Nähe eines Atomkerns bewegen?
Wenn z.B, aus einem Teilchenbeschleuniger sehr schnelle freie Elektronen in Materie reingeschossen werden, dann können diese Elektronen im Vorbeiflug einem Atomkern sehr nahe kommen, ohne an diesen gebunden zu werden, sondern sie können dann weiterfliegen. Dabei entseht sicherlich in eine elektromagnetische Wechselwirkung zwischen dem Atomkern und dem vorbeifliegenden Elektron. Diese Wechselwirkung ist ebenfalls in Wellenform und quantisiert.
Folgt daraus, daß für das vorbeifliegende Elektron ebenfalls Einschränkungen der Bewegung und des Aufenthaltsortes in Bezug auf den Atomkern entshehen? Daß auch ein vorbeifliegendes Elektron irgendeine Art Orbital-Bahn in der Nähe des Atomkerns befolgen muß, auch wenn es nicht an dieses Atom gebunden ist?

Wenn das schon falsch ist, dann hat sich die nächste Frage bereits erledigt. Deshalb erstmal nur so viel.

Neben der exakten Antwort im Link von Bernhard mal ein Versuch, das anschaulich darzustellen. :)
Auch "vorbeifliegende Elektronen" unterliegen der Schrödingergleichung. Jedoch sind ihre Zustände keine "Orbitale" ("Orbital" hat ja mit "Orbit" zu tun; das sind i.W. geschlossene Flächen höchster Wahrscheinlichkeit um den Kern herum).

Die Zustände vorbeifliegender Elektronen sind Streuzustände (also ungebunden, siehe Link von Bernhard); die Orte höchster Wahrscheinlichkeit sind dabei entlang ihrer klassischen Bahnen (Hyperbeln). Weit entfernt vom Kern ("freie Elektronen") sind ihre Zustände ebene Wellen.

Josef 16.06.19 21:18

AW: Noch eine Crank-Frage zur Bewegung von Elektronen
 
Vielen Dank für die Antworten, wieder etwas gelernt!

Ich schließe hieraus:

Also die Bahn des Elektrons ist zwar keine klassische Bahn eines klassischen Teilchens, sondern eine fortschreitende Welle, aber diese nähert sich der Form einer klassischen Bewegung auf einer Hyperbel immer mehr an, je weiter das Elektron vom Atomkern entfernt ist.

Das bedeutet wiederum, daß für ein Elektron in größeren Abstand vom Atomkern die Bahn der klassisschen Bewegung so weit ähnelt, daß eine quantenmechanische Betrachtung hier verzichtbar ist, weil klassische Mechanik zu fast denselben Ergebnissen kommt.

Richtig?

Hawkwind 16.06.19 22:39

AW: Noch eine Crank-Frage zur Bewegung von Elektronen
 
Zitat:

Zitat von Josef (Beitrag 91607)
...
Das bedeutet wiederum, daß für ein Elektron in größeren Abstand vom Atomkern die Bahn der klassisschen Bewegung so weit ähnelt, daß eine quantenmechanische Betrachtung hier verzichtbar ist, weil klassische Mechanik zu fast denselben Ergebnissen kommt.

Richtig?

Ich denke, das kann man so sagen. Im Prinzip ist ja die klassische Mechanik ein Spezialfall der Quantenmechanik (siehe Korrespondenzprinzip). Im besonderen besagt das Ehrenfest-Theorem, dass in diesem Spezialfall die quantenmechanischen Erwartungswerte den Bewegungsgleichungen der klassischen Mechanik genügen.
Die Wellenfunktion eines Elektrons ist dann so etwas wie ein Wellenpaket. Je schärfer das Paket an einem Ort gepeakt ist, desto besser ist das Elektron lokalisiert, d.h. desto klassischer verhält es sich.

Josef 17.06.19 22:54

AW: Noch eine Crank-Frage zur Bewegung von Elektronen
 
Vielen Dank für die lehrreichen Antworten!

Eine Frage noch:
Laut Wikipedia ist ein Orbital so definiert, daß das gebundene Elektron mit 90% Wahrscheinlichkeit innerhalb dessen auftaucht. Es kann aber auch, im unwahrscheinlichen Falle, ganz woanders auftauchen.

Bedeutet dies etwa:
Ein Elektron aus meinen Körper kann im sehr unwahrscheinlichen Falle auch etwa auf dem Jupiter auftauchen, und kehrt dann wieder in meinen Körper zurück?
Und dieser kurze und weite Sprung hat tatsächlich Folgen, wenn mein Elektron mal kurz mit einem Jupiter-Atom wechselwirkt? Und diese Folgen sind real und meßbar, lediglich kommen sie so selten vor, daß sie praktisch kaum eine Rolle spielen?
Ist das so richtig?

Hawkwind 18.06.19 00:24

AW: Noch eine Crank-Frage zur Bewegung von Elektronen
 
Zitat:

Zitat von Josef (Beitrag 91613)
Vielen Dank für die lehrreichen Antworten!

Eine Frage noch:
Laut Wikipedia ist ein Orbital so definiert, daß das gebundene Elektron mit 90% Wahrscheinlichkeit innerhalb dessen auftaucht. Es kann aber auch, im unwahrscheinlichen Falle, ganz woanders auftauchen.

Bedeutet dies etwa:
Ein Elektron aus meinen Körper kann im sehr unwahrscheinlichen Falle auch etwa auf dem Jupiter auftauchen, und kehrt dann wieder in meinen Körper zurück?

Nun ja, es gibt tatsächlich so eine verschwindend geringe Wahrscheinlichkeit.
Aber mit dem Rest deines Satzes bist du zu sehr in der klassischen Physik. Elektronen haben keine Identität; es sind ununterscheidbare Teilchen. Bei einem Mehr-Elektronen-Problem wie diesem (Körper, Jupiter etc.) kannst du nie sagen, dass genau dieses Elektron, dass du vor 10 Sek irgendwo auf dem Jupiter nachgewiesen hast, mit genau irgendeinem aus einem Atom deines Körpers übereinstimmt. :)

Josef 20.06.19 11:40

AW: Noch eine Crank-Frage zur Bewegung von Elektronen
 
Noch eine allerletzte Frage im Anschluß an die vorige.

Ein Gedankenexperiment:

Ein Atom wird in einem großen Volumen Vakuum isoliert fixiert, so daß es in diesem Vakuum-Volumen gefangen ist, und garantiert ist, daß kein anderes Atom sich in der Nähe befindet. Der Aufenthaltsort der Elektronen dieses Atoms wird regelmäßig gemessen.

Nun ereignet sich der unwahrscheinliche Fall, daß ein Elektron des Atoms an einen Ort weit außerhalb des Atoms springt, und kurz danach wieder zurück in das Atom. Dies wird gemessen, und da sich kein anderes Atom in der Nähe befindet, ist erwiesen, daß das gesprungene Elektron zu diesem einen Atom gehört.

Wenn dies passieren kann, dann habe ich ein paar Vermutungen dazu, und würde gerne wissen, ob die richtig sind:
* Der Sprung ist real, der Aufenthalt des Elektrons im Abstand zum Atom hat kausale Folgen und ist messbar.
* Dieser Sprung des Elektrons ist KEINE Bewegung, sondern eine quantenmechanische Orts-Unbestimmteit. Das Elektron ändert seinen Ort nicht, sondern es war niemals richtig klar,an welchem ort es sich eigentlich befindet. Deshalb hat der Sprung auch keine der typischen Eigenschaften von Bewegungen.
* Insbesondere wird bei diesem Sprung keine Trägheit der Masse überwunden, obwohl das Elektron als massives Teil eine Trägheit hat. Und es wird keine Energie aufgewandt für diesen Sprung.
* Es wird auch keine Energie aufgewandt, um das Elektron kurzfristig aus dem Atom herauszubewegen. Denn die Wellenfunktion des Elektrons verbleibt im Orbital des Atoms wie bisher. Vom Standpunkt der Wellenfunktion her hat sich nicht geändert,weil die Wellenfunktion des Elektrons so einen Sprung erlaubt. Der Zustand des Atoms bleibt dabei also unverändert, es nimmt weder Energie auf, noch gibt es welche ab.
* Das Atom und sein Elektron ändern ihre Energie nicht durch den Sprung. Wohl aber durch die Messung. Dies ist eine kausale Folge des Sprunges und seiner Messung, nicht aber des Sprunges alleine.
* Es wird keine elektromagnetische Wechselwirkung induziert, wie es der Fall wäre, wenn das Elektron bewegt worden wäre.
* Der Sprung erfolgt mit Sofortwirkung von einem Ort zum anderen, und ist nicht auf die Lichtgeschwindigkeit beschränkt.
* Die Messung des Elektrons am entfernten Ort überträgt Energie auf das Elektron,und da dieses an das Atom gebunden ist, auch auf das ganze Atom. Da der Sprung überlichtschnell stattfindet,erfolgt hier eine Energieübertragung, die mit einem überlichtschnellen Ereignis einhergeht. Also eine überlichtschnelle Energieübertragung.
* Obwohl hier die Lichtgeschwindigkeit überschritten wird, und messbare kausale Folgen am anderen Ort eintreten, kann dieses Phänomen nicht genutzt werden, um Informationen überlichtschnell zu übertragen, aus irgendeinem physikalischen Prinzip heraus,das ich nicht kenne. (Beweis: Wenn es anders wäre,dann hätten klügere Leute als ich das schon entdeckt.)

Ist das richtig?

Hawkwind 23.06.19 15:13

AW: Noch eine Crank-Frage zur Bewegung von Elektronen
 
Zitat:

Zitat von Josef (Beitrag 91619)
Noch eine allerletzte Frage im Anschluß an die vorige.

Ein Gedankenexperiment:

Ein Atom wird in einem großen Volumen Vakuum isoliert fixiert, so daß es in diesem Vakuum-Volumen gefangen ist, und garantiert ist, daß kein anderes Atom sich in der Nähe befindet. Der Aufenthaltsort der Elektronen dieses Atoms wird regelmäßig gemessen.

Das Beispiel ist zu konstruiert. Wenn wir ein Wasserstoffatom im Grundzustand vorliegen haben, dann können wir unmöglich wissen, an welchem Ort das Elektron zu jeder Zeit ist. Wir wissen nicht einmal, ob es wirklich im Grundzustand ist. Erst wenn nach einiger Zeit ein Photon abgestrahlt wird, dann wissen wir, dass es in einem angeregten Zustand war.

Eine Ortsmessung des Elektrons würde die Wellenfunktion des Elektrons drastisch ändern: aus dem Orbitalzustand würde ein Peak am gemessenen Ort werden.

Dass ein Elektron einen gebundenen Zustand verlässt und fernab jenseits einer Potenzialbarriere auftaucht, die es aufgrund seiner Energiebilanz klassisch nicht überwinden könnte, das ist übrigens "Alltag". Dieses Phänomen nennt sich Tunneleffekt und beispielsweise der radioaktive Alpha-Zerfall beruht darauf.
http://www.quantenwelt.de/kernphysik...strahlung.html
https://www.chemie.de/lexikon/Tunneleffekt.html


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