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Timm 24.09.17 17:17

Eigenzeit, Weltline, Schwarzschild Raumzeit
 
Betrachten wir die Eigenzeit für r=2M bis r=0.

Wenn wir uns zunächst auf Geodäten beschränken, liegt das Maximum der Eigenzeit nach MTW beim radialen Einfall. D.h. die radiale Eigenzeit pi*GM/c³ nimmt ab, unabhängig davon in welche Richtung die Geodäte von der Achse des Lichtkegels abweicht.

Wie verändert sich die Eigenzeit im Falle der Beschleunigung nach unten bzw. nach oben relativ zur radialen Eigenzeit beim freien Fall?

TomS 24.09.17 19:40

AW: Eigenzeit, Weltline, Schwarzschild Raumzeit
 
Siehe hier:

https://arxiv.org/abs/0705.1029v1
No Way Back: Maximizing survival time below the Schwarzschild event horizon
Authors: Geraint F. Lewis, Juliana Kwan
Abstract: It has long been known that once you cross the event horizon of a black hole, your destiny lies at the central singularity, irrespective of what you do. Furthermore, your demise will occur in a finite amount of proper time. In this paper, the use of rockets in extending the amount of time before the collision with the central singularity is examined. In general, the use of such rockets can increase your remaining time, but only up to a maximum value; this is at odds with the ''more you struggle, the less time you have'' statement that is sometimes discussed in relation to black holes. The derived equations are simple to solve numerically and the framework can be employed as a teaching tool for general relativity.

Timm 24.09.17 21:31

AW: Eigenzeit, Weltline, Schwarzschild Raumzeit
 
Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 85356)
Siehe hier:

https://arxiv.org/abs/0705.1029v1
No Way Back: Maximizing survival time below the Schwarzschild event horizon

Vielen Dank für den link. Ich komme ggfs. darauf zurück.

TomS 25.09.17 09:09

AW: Eigenzeit, Weltline, Schwarzschild Raumzeit
 
Anbei eine kurze Zusammenfassung:

Die häufig zu lesende Aussage, dass die Eigenzeit entlang einer Geodäten maximiert wird, gilt nur für Kurven mit festgehaltenem Start- und Endpunkt. D.h. das Argument ist nicht anwendbar, wenn man Kurven mit festgehaltenem Start- jedoch variablem Endpunkt vergleichen möchte (die Kurven innerhalb des Ereignishorizontes erreichen natürlich alle die Singularität bei identischer Raum- jedoch unterschiedlicher Zeitkoordinate). Daraus folgt, dass die Aussage, man solle innerhalb des Schwarzen Lochs nicht beschleunigen sondern frei fallen um die Eigenzeit bis zu Erreichen der Singularität zu maximieren i.A. falsch ist.

Nun ist die Geodäte mit maximaler Eigenzeit zwischen Ereignishorizont und Singularität gerade diejenige, bei der man ausgehend vom Ruhezustand am Ereignishorizont frei fällt. Andere Geodäten, bei denen man ausgehend vom Ruhezustand an Punkten weiter außerhalb frei fällt, liefern zwischen Ereignishorizont und Singularität eine kleinere Eigenzeit.

Die Strategie ist nun, dass wenn letztgenannte Situation vorliegt, man innerhalb des Ereignishorizontes dergestalt beschleunigen sollte, dass man sich einer „besseren“ Geodäte annähert und dann entlang dieser frei fällt. D.h. man wechselt sozusagen in Richtung hin zur optimalen Geodäten.

Das Paper zeigt dies exemplarisch mittels konkreter numerischer Berechnungen. Die o.g. Strategie wird dadurch bestätigt. Die Analyse ist auf radiale Kurven beschränkt und nicht allgemeingültig.

Timm 25.09.17 18:31

AW: Eigenzeit, Weltline, Schwarzschild Raumzeit
 
Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 85362)

Nun ist die Geodäte mit maximaler Eigenzeit zwischen Ereignishorizont und Singularität gerade diejenige, bei der man ausgehend vom Ruhezustand am Ereignishorizont frei fällt. Andere Geodäten, bei denen man ausgehend vom Ruhezustand an Punkten weiter außerhalb frei fällt, liefern zwischen Ereignishorizont und Singularität eine kleinere Eigenzeit.

Ja, Fig.1. zeigt das.

Für mich überraschend, Fig.2., ist, daß mit zunehmender Beschleunigung innerhalb des Ereignishorizonts nach außen, die Eigenzeit bis zur Singularität verglichen mit der Freifallers zunächst größer, dann gleich und schließlich kleiner ist.
Gibt es dazu einen intuitiven Zugang?

Fig.5. zeigt, daß die Eigenzeit des Freifallers unterschritten wird, wenn wenn man nach außen und dann nach innen so beschleunigt, daß dieser bei r=0 "eingeholt" wird. Das macht Sinn, s. "Zwillingsparadoxon".

Zur Eigenzeit nicht-radialer zeitartiger Geodäten habe ich außer dem etwas vagen Hinweis im MTW nichts gefunden, denke aber es macht Sinn, daß sie mit zunehmender Annäherung an die Null Geodäten abnimmt.

Bernhard 25.09.17 22:26

AW: Eigenzeit, Weltline, Schwarzschild Raumzeit
 
Zitat:

Zitat von Timm (Beitrag 85363)
Gibt es dazu einen intuitiven Zugang?

Die Bilder zeigen mMn, dass das Verhalten des Raumfahrers kurz nach r=2m relativ großen Einfluss auf die Eigenzeit des gesamten Falls im SL hat. Dort ist zugleich das Verhältnis von künstlicher zu gravitativer Beschleunigung am größten.

Zitat:

denke aber es macht Sinn, daß sie mit zunehmender Annäherung an die Null Geodäten abnimmt.
Das PDF zeigt für mich eher, dass die Eigenzeit mal größer und mal kleiner sein kann, je nach Vorgeschichte des freien Falls und dem Verhalten des Raumfahrers.

BTW: Null Geodäten beschreiben die Bahnen von Lichtstrahlen. Für massive Probekörper sind es einfach zeitartige Geodäten.

Timm 26.09.17 09:30

AW: Eigenzeit, Weltline, Schwarzschild Raumzeit
 
Zitat:

Zitat von Bernhard (Beitrag 85364)
Die Bilder zeigen mMn, dass das Verhalten des Raumfahrers kurz nach r=2m relativ großen Einfluss auf die Eigenzeit des gesamten Falls im SL hat.

Die Bilder zeigen, daß die Eigenzeit von r=2M bis zur Singularität mit geringer Beschleunigung größer und mit großer Beschleunigung (jeweils nach außen) kleiner als im freien Fall ist.
Die Frage war, ob es dazu einen intuitiven Zugang gibt.

Zitat:

Zitat von Bernhard (Beitrag 85364)
Dort ist zugleich das Verhältnis von künstlicher zu gravitativer Beschleunigung am größten.

Es geht hier um Beschleunigung vs. freier Fall. Erstere ist variabel.

Zitat:

Zitat von Bernhard (Beitrag 85364)
Das PDF zeigt für mich eher, ...

Wir dürften uns einig sein, was das PDF zeigt. Es geht um die Deutung.

Zitat:

Zitat von Bernhard (Beitrag 85364)
Null Geodäten beschreiben die Bahnen von Lichtstrahlen. Für massive Probekörper sind es einfach zeitartige Geodäten.

Gemeint war hier der (im Artikel nicht eingezeichnete) Lichtkegel, der im Eddington-Finkelstein Diagramm am Ereignishorizont mit diesem einen Winkel von 45° einschließt. Die Geodäte des radialen Freifallers verläuft auf der Achse des Lichtkegels. Nicht-radiale Geodäten weichen davon ab, nähern sich demnach also den Null-Geodäten.

Timm 26.09.17 10:55

AW: Eigenzeit, Weltline, Schwarzschild Raumzeit
 
MTW weisen in Exercise 31.4 darauf hin, daß die radiale Geodäte maximale Eigenzeit hat. Und ferner auf den mathematischen Hintergrund hierzu im Chapter 25. Es muß sich ja wohl um eine Winkelabhängigkeit der Eigenzeit handeln. Ich bin allerdings nicht fündig geworden; falls jemand dazu etwas sagen kann, wäre das super.

Timm 07.12.17 19:00

AW: Eigenzeit, Weltline, Schwarzschild Raumzeit
 
Nochmal zu der Frage, welche Weltlinie innerhalb des Ereignishorizonts das Überleben maximiert.
Zitat:

Zitat von Timm (Beitrag 85363)

Für mich überraschend, Fig.2., ist, daß mit zunehmender Beschleunigung innerhalb des Ereignishorizonts nach außen, die Eigenzeit bis zur Singularität verglichen mit der Freifallers zunächst größer, dann gleich und schließlich kleiner ist.
Gibt es dazu einen intuitiven Zugang?

Bei einer Diskussion im PhysicsForums stellte sich heraus, daß diese Weltlinie mit einer axialen Linie im Kruskal-Szekeres Diagramm zusammen fällt. D.h. die hier in dem Finkelstein Diagramm in Fig. 2 gezeigte durchgezogene rote Kurve fällt im K-S Diagramm mit derjenigen axialen Linie (alle derartigen Linien bezeichnen t=const.) zusammen, die durch einen Punkt unmittelbar unterhalb des EH geht. Von diesem Punkt an hat die gedachte Rakete eine konstante Beschleunigung, die maximaler Eigenzeit bis zur Singularität entspricht. Jedes Abweichen von der axialen t=const. Linie, größere oder kleinere Beschleunigung, würde die Eigenzeit verringern. Es ist klar, daß diese Linien keine Geodäten sind aber zumindest mir nicht, daß sie konstanter Beschleunigung entsprechen.

Nebenbei, außerhalb des EH sind die Linien t=const raumartig und innerhalb zeitartig, wovon man sich anhand der Lichtkegel überzeugen kann. Darin scheint sich das Vertauschen der Koordinaten bei r<2m auszudrücken.

Hier noch Kruskal-Szekeres Diagramme.

Bernhard 17.12.17 15:20

AW: Eigenzeit, Weltline, Schwarzschild Raumzeit
 
Zitat:

Zitat von Timm (Beitrag 86174)
Nebenbei, außerhalb des EH sind die Linien t=const raumartig und innerhalb zeitartig, wovon man sich anhand der Lichtkegel überzeugen kann. Darin scheint sich das Vertauschen der Koordinaten bei r<2m auszudrücken.

Die Begriffe raumartig, lichtartig und zeitartig gibt es zuerst einmal nur für Vektoren. Man kann aber nachsehen, welche Eigenschaft diesbezüglich derjenige tangentiale Vierervektor hat, der sich aus der Ableitung der Koordinaten-Darstellung der Geodäte nach dem darstellenden Parameter ergibt. Ist der tangentiale Vierervektor beispielsweise überall raumartig, kann man natürlich von einer raumartigen Geodäte sprechen.


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