Quanten.de Diskussionsforum

Quanten.de Diskussionsforum (http://www.quanten.de/forum/index.php5)
-   Wissenschaftstheorie und Interpretationen der Physik (http://www.quanten.de/forum/forumdisplay.php5?f=15)
-   -   Neuroquantology (http://www.quanten.de/forum/showthread.php5?t=1518)

future06 06.04.10 09:42

Neuroquantology
 
Hab das gestern zufällig entdeckt:
http://www.neuroquantology.com/journ...x.php/nq/index

Ist das einigermaßen seriös und wissenschaftlich?

Speziell das hier finde ich vom Titel ganz interessant:
A Preliminary Experimental Verification
On the Possibility of Bell Inequality Violation
in Mental States


Was haltet Ihr davon?

Uli 06.04.10 11:29

AW: Neuroquantology
 
Zitat:

Zitat von future06 (Beitrag 50823)
Hab das gestern zufällig entdeckt:
http://www.neuroquantology.com/journ...x.php/nq/index

Ist das einigermaßen seriös und wissenschaftlich?

Speziell das hier finde ich vom Titel ganz interessant:
A Preliminary Experimental Verification
On the Possibility of Bell Inequality Violation
in Mental States


Was haltet Ihr davon?

Schwierig zu sagen: auf den 1. Blick macht das Papier formal einen professionellen Eindruck. Wenn ich recht verstehe, geht es um die Relevanz der Quantenmechanik für die Prozesse im Hirn, die für das Bewusstsein verantwortlich sind. Man könnte ja so argumentieren, wenn man eine Verletzung der Bellschen Ungleichungen beobachten würde. Diese beobachten sie zwar nicht, hätten sie aber gerne (ist mein Eindruck).
Zitat:

...although we have not yet been able to violate
Bell’s inequality in the present performed experiment, there are strong
theoretical arguments supporting our expectation to violate it by a simple
articulation of the same experiment....
Habe mal ge-googelt: es gibt jede Menge Arbeiten zu diesem Themenkomplex: es ist nicht leicht, die Spreu vom Weizen zu trennen. Seriöses vermischt sich teils mit Metaphysik.
http://qpsychics.com/blog/

Ein Papier von dieser Seite, das mir sehr seriös erscheint, ist:
Is Quantum Mechanics Needed to Explain Consciousness?

Eine sehr "abenteuerliche Geschichte" dagegen ist der Upload und Speicherung des menschlichen Bewusstseins, um es nach einer Hirnverletzung ggf. restaurieren zu können. :)
Mind Uploading and Resurrection of Human Consciousness. Place for Science?



Gruß,
Uli

future06 06.04.10 20:56

AW: Neuroquantology
 
Zitat:

Zitat von Uli (Beitrag 50826)
Ein Papier von dieser Seite, das mir sehr seriös erscheint, ist:
Is Quantum Mechanics Needed to Explain Consciousness?

Damit ist klar, wie du darüber denkst! :)

Ich denke, die Fragestellung ist falsch formuliert, da ja nur ein bestimmtes Phänomen (die "binokulare Rivalität") betrachtet und beurteilt wird.
Vielleicht sollte man auch generell umgekehrt fragen, nämlich ob die klassische Physik ausreicht um Bewußtsein zu erklären. Zumindest unter der Prämisse, dass Bewußtsein durch Evolution entstanden sein muss, kann man es klar verneinen. Weil es dazu notwendig sein muss, dass Bewußtseinszustände auf die materiellen/physikalischen Zustände rückwirken, also darauf Einfluss nehmen. Klassische Systeme sind ja vollständig deterministisch, somit würde sich ein System mit Bewußtsein nicht von einem ohne Bewußtsein unterscheiden. Bewußtsein kann also klassisch betrachtet nur ein Nebeneffekt der physikalischen Gehirntätigkeit sein. Die QM hingegen ließe zumindest prinzipiell die Möglichkeit offen, dass mentale Zustände auf das physikalische/materielle System rückwirken.
Man könnte natürlich alternativ auch die Prämisse "Evolution" fallen lassen. Das wäre aber sicherlich ein zu großes Opfer um die Möglichkeit einer klassischen Erklärung von Bewußtseinszuständen aufrecht halten zu können.

Timm 07.04.10 17:35

AW: Neuroquantology
 
Zitat:

Zitat von future06 (Beitrag 50837)
Vielleicht sollte man auch generell umgekehrt fragen, nämlich ob die klassische Physik ausreicht um Bewußtsein zu erklären. Zumindest unter der Prämisse, dass Bewußtsein durch Evolution entstanden sein muss, kann man es klar verneinen. Weil es dazu notwendig sein muss, dass Bewußtseinszustände auf die materiellen/physikalischen Zustände rückwirken, also darauf Einfluss nehmen. Klassische Systeme sind ja vollständig deterministisch, somit würde sich ein System mit Bewußtsein nicht von einem ohne Bewußtsein unterscheiden. Bewußtsein kann also klassisch betrachtet nur ein Nebeneffekt der physikalischen Gehirntätigkeit sein. Die QM hingegen ließe zumindest prinzipiell die Möglichkeit offen, dass mentale Zustände auf das physikalische/materielle System rückwirken.
Man könnte natürlich alternativ auch die Prämisse "Evolution" fallen lassen. Das wäre aber sicherlich ein zu großes Opfer um die Möglichkeit einer klassischen Erklärung von Bewußtseinszuständen aufrecht halten zu können.

Ist diese Sichtweise nicht doch zu einfach? Der bekannte Hirnforscher Wolf Singer hat festgestellt, daß Entscheidungen bereits gefallen waren, bevor sie bewußt wurden. Was den Streit um den "freien Willen" erneut entfacht hat. Natürlich handelte es sich dabei um sehr einfache Entscheidungen und nicht um eine Abwägen komplexer Situationen.
Bewußsein könnte klassisch betrachtet auch die oberste Hierarchie Ebene der Gehirntätigkeit sein. Mit der Möglichkeit ausgestattet auf niedrigere Ebenen einzuwirken. Es gibt hierzu Überlegungen in Zusammenhang mit dem synchronen Feuern größerer Neuronen Verbände. Die Quelle dazu habe ich nicht parat.

Es gab und gibt immer wieder auch die Diskussion über den part der QM.

Wie hier zum Thema Hameroff/Penrose:

http://www.psychophysik.com/html/re-...wusstsein.html

Gruß, Timm

future06 08.04.10 10:36

AW: Neuroquantology
 
Zitat:

Zitat von Timm (Beitrag 50846)
Ist diese Sichtweise nicht doch zu einfach? Der bekannte Hirnforscher Wolf Singer hat festgestellt, daß Entscheidungen bereits gefallen waren, bevor sie bewußt wurden. Was den Streit um den "freien Willen" erneut entfacht hat. Natürlich handelte es sich dabei um sehr einfache Entscheidungen und nicht um eine Abwägen komplexer Situationen.
Bewußsein könnte klassisch betrachtet auch die oberste Hierarchie Ebene der Gehirntätigkeit sein.

Ich kenne - zumindest in groben Zügen - die Argumente von Penrose und auch Eccles zur Notwendigkeit von Quantenprozessen zur Erklärung des Bewußtseins.
Diese Argumente sind im Grunde logisch/philosophischer Natur und haben somit natürlich keine sichere wissenschaftliche Beweiskraft. Dazu wären Experimente notwendig.

Die konventionelle wissenschaftliche Position, wie sie z.B. von Singer vertreten wird, führt aber zum Widerspruch, weil sie zum einem auf der klassischen Physik basiert, zum anderen die Evolution als Erklärungsmodell der Entstehung von Bewußtseinszuständen heranzieht.
Singer z.B. hier: http://www.sueddeutsche.de/wissen/668/317542/text/:

"Und unsere Gehirne funktionieren nach deterministischen Naturgesetzen.

Aber auch deterministische Systeme sind offen und kreativ, können Neues in die Welt bringen. Das kann Materie. Man muss der Materie ein bisschen mehr zutrauen."


und etwas später:

"Singer: Überhaupt nicht. Das Bewusstsein ist eine emergente Eigenschaft von Hirnprozessen und keine Nebenerscheinung, sondern etwas ganz Wesentliches.

Es hat sich im Laufe der Evolution herausgebildet und im Dialog der Gehirne beim Menschen eine ganz hohe Wertigkeit erlangt. Es hat eine zentrale Funktion."


Warum Widerspruch? Weil ein neuronales Netz nach klassischer Physik deterministisch ist (1). Somit dasselbe Verhalten zeigen muss, ob Bewußtseinszustände vorhanden sind oder nicht. Weil die mentalen Zustände ("Qualia-Erlebnisse") nicht auf die Materie zurückwirken können.
Auf der anderen Seite haben wir jedoch eine perfekte Feinabstimmung zwischen physikalischen und mentalen Zuständen. Wir nehmen z.B. nur die fürs Überleben wichtigen Dinge bewußt wahr. Die Systemzustände des physikalischen Gehirns stimmen exakt mit den mentalen Zuständen überein (Empfindung von Schmerz oder Lust, Hunger, Befriedigung, Körperzustände usw.) Wegen (1) sind aber mentale Zustände völlig unerheblich für das Überleben (und für Handlungen jeglicher Art) des Organismus. Deswegen kann die Evolution diese Feinabstimmung prinzipiell nicht erklären.

Eigentlich müsste dieser Widerspruch auch Singer und seinen Kollegen klar sein. Es sind m.E. wohl ideologische oder opportunistische Gründe, warum weiterhin - zumindest in der Öffentlichkeit - an den Standardposition festgehalten wird.

Uli 08.04.10 10:51

AW: Neuroquantology
 
Zitat:

Zitat von future06 (Beitrag 50857)
Weil ein neuronales Netz nach klassischer Physik deterministisch ist (1).

Ich verstehe leider nichts von neuronalen Netzen; der Determinismus der klasssichen Physik hat jedoch auch seine Grenzen.

Determiniert sind die Lösungen der Bewegungsgleichungen der klassischen Physik immer dann, wenn die Anfangs- bzw. Randbedingungen - z.B. x(0) und v(0) genau bekannt sind.
Diese können aber immer nur im Rahmen einer Messgenauigkeit bekannt sein. Hat man nun z.B. Viel-Teilchen-Systeme wie im wahren Leben, d.h. Systeme einer großen Anzahl gekoppelter Differentialgleichungen, dann werden diese Unsicherheiten der Anfangs- und Randbedingungen schnell jede Determinierheit unterminieren. Erst recht bei chaotischen Systemen.


Gruß,
Uli

future06 08.04.10 12:46

AW: Neuroquantology
 
Zitat:

Zitat von Uli (Beitrag 50858)
Determiniert sind die Lösungen der Bewegungsgleichungen der klassischen Physik immer dann, wenn die Anfangs- bzw. Randbedingungen - z.B. x(0) und v(0) genau bekannt sind.
Diese können aber immer nur im Rahmen einer Messgenauigkeit bekannt sein. Hat man nun z.B. Viel-Teilchen-Systeme wie im wahren Leben, d.h. Systeme einer großen Anzahl gekoppelter Differentialgleichungen, dann werden diese Unsicherheiten der Anfangs- und Randbedingungen schnell jede Determinierheit unterminieren. Erst recht bei chaotischen Systemen.

Sei mir nicht böse, aber ich muss da widersprechen...:)

Determinismus bedeutet nicht die praktische Berechenbarkeit des Systemverhaltens sondern die prinzipielle. Der Determinismus der klassischen Physik ist durch die Gleichungen gegeben, dabei ist es unerheblich, ob Anfangsbedingungen außerhalb des Systems bestimmt werden können oder nicht. Das System selbst "kennt" natürlich seine Anfangsbedingungen und verhält sich nach den Gesetzen, die durch Gleichungen beschrieben werden. Somit ist das System selbst vorherbestimmt, auch wenn das Verhalten von außen nicht bestimmbar ist. Siehe dazu auch: http://de.wikipedia.org/wiki/Deterministisches_Chaos.

Aus diesem Grund ist die QM auf der Ebene der Schrödingergleichung ebenfalls vollständig deterministisch. Erst beim Übergang zur klassischen Welt (Reduktion des Zustandsvektors bzw. Kollaps der Wellenfunktion, d.h. wenn eine Messung durchgeführt wird) kommt die nicht-deterministische Komponente "Zufall" ins Spiel.
Erst dadurch ergibt sich eine zumindest prinzipielle Möglichkeit, wie mentale Zustände auf physikalische Systeme Einfluss nehmen könnten. Und das ist genau die Voraussetzung dafür, dass mentale Zustände durch Evolution entstehen können.

EMI 08.04.10 13:06

AW: Neuroquantology
 
Zitat:

Zitat von future06 (Beitrag 50860)
...d.h. wenn eine Messung durchgeführt wird kommt die nicht-deterministische Komponente "Zufall" ins Spiel.

Die Komponente "Zufall" kommt durch die Heisenbergsche Unschärfe ins Spiel und nicht durch eine Messung!

Timm 08.04.10 14:38

AW: Neuroquantology
 
Zitat:

Zitat von future06 (Beitrag 50857)
Warum Widerspruch? Weil ein neuronales Netz nach klassischer Physik deterministisch ist (1). Somit dasselbe Verhalten zeigen muss, ob Bewußtseinszustände vorhanden sind oder nicht. Weil die mentalen Zustände ("Qualia-Erlebnisse") nicht auf die Materie zurückwirken können.
Auf der anderen Seite haben wir jedoch eine perfekte Feinabstimmung zwischen physikalischen und mentalen Zuständen. Wir nehmen z.B. nur die fürs Überleben wichtigen Dinge bewußt wahr. Die Systemzustände des physikalischen Gehirns stimmen exakt mit den mentalen Zuständen überein (Empfindung von Schmerz oder Lust, Hunger, Befriedigung, Körperzustände usw.) Wegen (1) sind aber mentale Zustände völlig unerheblich für das Überleben (und für Handlungen jeglicher Art) des Organismus. Deswegen kann die Evolution diese Feinabstimmung prinzipiell nicht erklären.

Es geht hier wohl doch mehr um eine Meinung, als um einen zwingenden Denkansatz.
Weshalb sollte das, was man einen mentalen Zustand nennt, nicht ein hochorganisierter physikalischer Zustand sein?
Beruht die Fluchtreaktion eines Frosches auf Furcht? Sprechen wir beim Lauern einer Katze schon von einem mentalen Zustand? Die Komplexität macht's. Ich kann mich hier nur höchst laienhaft äußern. Als solcher sehe ich diesen Widerspruch nicht.

Zitat:

Eigentlich müsste dieser Widerspruch auch Singer und seinen Kollegen klar sein. Es sind m.E. wohl ideologische oder opportunistische Gründe, warum weiterhin - zumindest in der Öffentlichkeit - an den Standardposition festgehalten wird.
Eine nicht völlig auszuschließende Variante ist, daß ein solcher Widerspruch aus der Sicht von Singer nicht existiert, weil er gute Gründe hat, diese "emergente Eigenschaft von Hirnprozessen" eben rein physikalisch zu sehen,

Gruß, Timm

EMI 08.04.10 15:16

AW: Neuroquantology
 
Jeder Mensch hat mehrere Direktoren im Kopf.
Ein Direktor für's Große/Wesentliche (Frieden, UNO-Mitgliedschaft, globale Erwärmung usw.), der Hauptdirektor bei Männern.
Ein Direktor für's Kleine/Alltägliche (Das Auto kaufen wir!, neue Möbel müssen jetzt sein!, so legen wir unser Geld an! usw.), der Hauptdirektor bei Frauen.
Dann noch das übrige Direktorium:
Einer für Gefahr
Einer der Erfahrung hat und sich selten durchsetzen kann
Einer für die Liebe
Einer für's mathematisch-physikalische
Einer für's künstliche
usw., usw...

Ein Haufen Direktoren, die Alle was zu sagen und zu entscheiden haben.
Das Ergebnis deren mehrheitlichen Entscheidung nennt man dann bewusste Handlung/Bewusstsein.

Gruß EMI

PS: Ein Mörder dürfte gar nicht hinter Gitter, sondern dessen "Direktor" der sich da letztendlich durchgesetzt hatte.:D


Alle Zeitangaben in WEZ +1. Es ist jetzt 13:05 Uhr.

Powered by vBulletin® Version 3.8.8 (Deutsch)
Copyright ©2000 - 2024, vBulletin Solutions, Inc.
ScienceUp - Dr. Günter Sturm