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-   -   Quantenverschränkung ... Verständnisproblem (http://www.quanten.de/forum/showthread.php5?t=4316)

HaPe 22.03.23 20:59

Quantenverschränkung ... Verständnisproblem
 
Hallo,

ich bin neu in der Quantenwelt und habe ein echtes Verständnisproblem.

Bei typischen Tischaufbauten zur Quantenverschränkungen (wie z. B. diesem hier: https://www.youtube.com/watch?v=eWiBDpgfeIc) haben wir meist einen Experimente der folgenden Art:

1) Eine Lichtquelle (z. B. ein Laser) sendet ein Photon ...
2) auf einen Quarz, der daraus zwei verschränkte Photonen mit je halber Energie zaubert.
3) Beide Photonen wandern nun über getrennte Wege ...
4) zu irgend eine "Entscheidungs-Baugruppe" (Polfilter, Spiegel) an denen eine spezifische, aber statistische Eigenschaft des Photons abgefragt wird und gelangt dann schließlich
5) zu einer Messeinrichtung, in der das Photon registriert wird oder eben nicht.

Und nun wird bei verschränkten Photonen-Paaren beobachtet, dass sich beide Photonen (je nach Konstellation) immer exakt gleich oder exakt unterschiedlich verhalten, während das bei unverschränkten Paaren nicht so ist. Bei unverschränkten Paaren wird keine Korrelation erkannt.

Als Grund für diese Beobachtung wird in der Regel angegeben, dass erst während des Messvorgangs - siehe Punkt 4 - die Wellenfunktion kollabiert, die Superposition verlassen wird und hier erst entschieden werden kann, wie sich die beiden Photonen verhalten und diese müssten sich im Falle der Verschränkung an dieser Stelle (durch die Einsteinsche ´spukhafte Fernwirkung´) mit Überlichtgeschwindigkeit "verabreden", wie sie sich verhalten sollen.

Mir kommt diese Erklärung völlig absurd vor. Die beiden Photonen haben doch viel früher - siehe Punkt 2 - alle nur erdenklichen Möglichkeiten, bei ihrer Erzeugung Eigenschaften (Spin, Polarisation, was auch immer) abzustimmen, die dann später - siehe Punkt 4 - genutzt werden können, ohne sie erneut festzulegen. Und da sind sie räumlich noch nicht getrennt und es bräuchte keine Überlichtgeschwindigkeit.

Wie kommt man also darauf, dass nur beim Kollaps der Wellenfunktion Informationen mit dem verschränkten Partnerquant ausgetauscht werden müssen? Wie kommt man darauf, dass das Quant, das seine Superposition aufgegeben hat dies dem anderen Quant mitteilen muss? Wenn die abgefragte Eigenschaften wirklich statistisch sind und wenn wir erst beim Kollaps die Eigenschaft des ersten Quants detektieren können (und die des zweiten Quants festgelegt ist), dann kann die Festlegung der Zustände doch genau so gut bereits bei der Erzeugungen des verschränkten Paares passiert sein.

Wo liegt mein Denkfehler?

Danke
HaPe

Bernhard 22.03.23 21:10

AW: Quantenverschränkung ... Verständnisproblem
 
Zitat:

Zitat von HaPe (Beitrag 102745)
Mir kommt diese Erklärung völlig absurd vor.

Hallo HaPe,

die Korrelation der Messergebnisse kommt nicht von der Einzelmessung, sondern von der speziellen Art des verschränkten Zustands.

Ob "oben-unten" oder "oben-oben" ist dabei erstmal unerheblich. Ich habe zB mal einen Übersichtsartikel von A. Zeilinger gelesen, wo er beide Möglichkeiten einfach synonym verwendet, also keinen Unterschied macht.

Soweit klar?

Geku 22.03.23 22:18

AW: Quantenverschränkung ... Verständnisproblem
 
Zitat:

Zitat von HaPe (Beitrag 102745)
Wie kommt man also darauf, dass nur beim Kollaps der Wellenfunktion Informationen mit dem verschränkten Partnerquant ausgetauscht werden müssen?

In der Quantenmechanik beschreibt die Wellenfunktion den Zustand eines Systems und enthält alle Informationen über dieses System. Wenn zwei Teilchen verschränkt sind, bedeutet das, dass ihre Wellenfunktionen miteinander verknüpft sind. Das heißt, wenn eine Messung an einem Teilchen durchgeführt wird, beeinflusst dies sofort (instantan) die Wellenfunktion des anderen Teilchens, selbst wenn sich die beiden Teilchen am anderen Ende des Universums befinden.

Solang die Quantenobjekte als Welle vorliegen, befinden sich alle möglichen Zustände in einer Überlagerung. Erst durch Wechselwirkung (z.B Messung) mit der Umwelt bricht die Wellenfunktion der verschränkten Quantenobjekte zusammen, in dem ein bestimmter Zustand (z.B. Ausrichtung des Spins) realisiert wird. Diese Realisierung schließt den verschränkten Partner des Quantenobjekts mit ein.

Hawkwind 23.03.23 07:50

AW: Quantenverschränkung ... Verständnisproblem
 
Zitat:

Zitat von Geku (Beitrag 102747)
In der Quantenmechanik beschreibt die Wellenfunktion den Zustand eines Systems und enthält alle Informationen über dieses System. Wenn zwei Teilchen verschränkt sind, bedeutet das, dass ihre Wellenfunktionen miteinander verknüpft sind. Das heißt, wenn eine Messung an einem Teilchen durchgeführt wird, beeinflusst dies sofort (instantan) die Wellenfunktion des anderen Teilchens, selbst wenn sich die beiden Teilchen am anderen Ende des Universums befinden.

Solang die Quantenobjekte als Welle vorliegen, befinden sich alle möglichen Zustände in einer Überlagerung. Erst durch Wechselwirkung (z.B Messung) mit der Umwelt bricht die Wellenfunktion der verschränkten Quantenobjekte zusammen, in dem ein bestimmter Zustand (z.B. Ausrichtung des Spins) realisiert wird. Diese Realisierung schließt den verschränkten Partner des Quantenobjekts mit ein.

Das ist wie bei Bertlmanns Socken. Dieser Physiker hat jeden Tage eine rote und eine grüne Socke an. Wenn du an dem einen Fuß die grüne siehst, dann weißt du also instantan, dass er am anderen Fuß eine rote an hat. Damit der andere Fuß das auch weiß, bedarf es eines überlichtschnellen Signals von dem einen Fuß an den anderen. Das ist der berüchtigte instantane, globale Kollaps der Wellenfunktion.
Mal im Ernst: dieser Kollaps existiert nur in unseren beschränkten Hirnen, die unzureichende Interpretationen der Quantentheorie brauchen, um klar zu kommen: genauer gesagt in der Kopenhagener Deutung.

Bernhard 23.03.23 08:31

AW: Quantenverschränkung ... Verständnisproblem
 
Zitat:

Zitat von Hawkwind (Beitrag 102748)
Das ist wie bei Bertlmanns Socken. Dieser Physiker hat jeden Tage eine rote und eine grüne Socke an. Wenn du an dem einen Fuß die grüne siehst, dann weißt du also instantan, dass er am anderen Fuß eine rote an hat.

Physikalisch betrachtet ist die Verschränkung von Photonenzuständen eine Gesamtdrehimpulserhaltung. Wenn der Gesamtspin beider Photonen gleich Null ist, passen eben nur down-up und up-down zusammen. Welches Paar vorlag, zeigt die Messung.

Zitat:

Damit der andere Fuß das auch weiß, bedarf es eines überlichtschnellen Signals von dem einen Fuß an den anderen. Das ist der berüchtigte instantane, globale Kollaps der Wellenfunktion.
Mal im Ernst: dieser Kollaps existiert nur in unseren beschränkten Hirnen, die unzureichende Interpretationen der Quantentheorie brauchen, um klar zu kommen: genauer gesagt in der Kopenhagener Deutung.
"Kollaps" ist die vage Zusammenfassung etlicher nur teilweise verstandener physikalischer Phänomene.

Timm 23.03.23 09:11

AW: Quantenverschränkung ... Verständnisproblem
 
Zitat:

Zitat von HaPe (Beitrag 102745)
Mir kommt diese Erklärung völlig absurd vor. Die beiden Photonen haben doch viel früher - siehe Punkt 2 - alle nur erdenklichen Möglichkeiten, bei ihrer Erzeugung Eigenschaften (Spin, Polarisation, was auch immer) abzustimmen, die dann später - siehe Punkt 4 - genutzt werden können, ohne sie erneut festzulegen. Und da sind sie räumlich noch nicht getrennt und es bräuchte keine Überlichtgeschwindigkeit.

Wie kommt man also darauf, dass nur beim Kollaps der Wellenfunktion Informationen mit dem verschränkten Partnerquant ausgetauscht werden müssen? Wie kommt man darauf, dass das Quant, das seine Superposition aufgegeben hat dies dem anderen Quant mitteilen muss? Wenn die abgefragte Eigenschaften wirklich statistisch sind und wenn wir erst beim Kollaps die Eigenschaft des ersten Quants detektieren können (und die des zweiten Quants festgelegt ist), dann kann die Festlegung der Zustände doch genau so gut bereits bei der Erzeugungen des verschränkten Paares passiert sein.

Bei der Erzeugung des verschränkten Paares sind keine Teilchenzustände festgelegt. Sie sind als Möglichkeiten eines Messergebnisses z.B. Spin up + Spin down in einer Superposition vorhanden. Konkret, erst bei der Messung manifestiert sich Spin up oder Spin down.

Bei der Messung findet zwischen den Teilchen kein Informationsaustausch statt. Es werden die durch die Superposition vorgegebenen Möglichkeiten realisiert. Das schließt aus, dass 2 mal Spin up oder 2 mal Spin down gemessen wird.

Timm 23.03.23 09:24

AW: Quantenverschränkung ... Verständnisproblem
 
Zitat:

Zitat von Bernhard (Beitrag 102749)
"Kollaps" ist die vage Zusammenfassung etlicher nur teilweise verstandener physikalischer Phänomene.

Welcher Kollaps?

Nach Zeilinger kollabiert eine Rechenfunktion nicht. Sie liefert Wahrscheinlichkeiten für Messergebnisse. Die findet man bestätigt und somit die Vorhersagen der Rechenfunktion. Das war's dann auch schon. :)

Die Schrödinger Gleichung ontisch zu betrachten ist eine Möglichkeit, die von manchen favorisiert wird. Aber aus dem Formalismus der QM folgt das nicht.

HaPe 23.03.23 10:15

AW: Quantenverschränkung ... Verständnisproblem
 
Hallo,

vielen Dank an Euch ... einerseits für die vielen nützlichen Antworten, andererseits aber auch, dass Ihr meine (zweifellos dilettantische) Frage ernst nehmt.

Ich picke mir mal heraus, was IMO am besten zu meiner Frage passt.

@Geku: Das mit der Wellenfunktion und dem Kollaps habe ich verstanden und auch, dass das bestehende Modell sagt, dass erst mit dem Kollaps ein bestimmter Zustand eingenommen wird. Unklar ist mir aber, woher wir wissen, das dies der Zeitpunkt ist, an dem dies passiert. Weil ...

@Hawkwind: ... analog zu dem Sockenbeispiel: Ja, ich weiß instantan (mit Überlichtgeschwindigkeit :) ), welche Farbe die andere (unsichtbare) Socke hat, aber festgelegt (... kollabiert ist die Wellenfunktion) doch bereits als Herr Bertelmann die Socken am Morgen angezogen hat ... nicht erst als ich eine davon gesehen habe.

Wir wissen mit Sicherheit nur, dass die Wellenfunktion spätestens (!) bei der Beobachtung vollständig kollabiert. Wir haben aber keine Chance heraus zu bekommen, ob dies nicht (ggf. auch nur in Teilen) bereits früher geschehen ist, weil jede solche Erfahrung ihrerseits wieder eine Beobachtung ist und wir uns im Kreis drehen.

@Bernhard: Genau wie Du sagst: Wenn die beiden im Kristall erzeugten Quantenobjekte nur unterschiedlichen Spin haben können (!), warum soll sich dieser dann erst mit der Messung entscheiden können, welcher das ist? Die Entscheidung dass der Spin unterschiedlich sein muss, wurde ja auch schon vorher (durch die Natur der Dinge) getroffen. Wir sehen diese Entscheidung nicht, weil wir die nur eine Superposition beobachten können (z. B. Interferenzmuster), aber was gibt uns die Sicherheit, dass die Entscheidung nicht dennoch bereits getroffen ist und uns nur einfach nicht zugänglich ist?

@Timm: Du sagst, dass bei der Erzeugung der Teilchen noch keine Entscheidung getroffen ist, dass aber auch beim Kollaps keine Information ausgetauscht wird (was den Herrn Einstein freuen dürfte), wann genau fällt dann aber die Entscheidung, wenn nicht am Anfang und auch nicht am Ende?

Ich verstehe schon, dass die Theorie das genau so voraus sagt. Ich verstehe aber nicht, warum (!) sie das tut. Was macht uns so sicher, dass es sich genau so verhält? Ich meine ... die Fallhöhe ist wirklich groß. Wir akzeptieren eine "spukhafte Fernwirkung". Warum ist unser Modell so gebaut, das diese notwendig ist?

Bernhard 23.03.23 10:39

AW: Quantenverschränkung ... Verständnisproblem
 
Zitat:

Zitat von HaPe (Beitrag 102752)
Ich verstehe schon, dass die Theorie das genau so voraus sagt. Ich verstehe aber nicht, warum (!) sie das tut.

Diese Frage ist schon lange bekannt und geht gut als Zusammenfassung vieler Diskussionen und Vorträge rund um die Interpretationen der Quantenmechanik (QM) durch. Es gibt dazu auch einen interessanten YouTube-Clip, wo sich auch R.P. Feynman recht ungeschönt so äußert. Wir wissen also, dass der Formalismus der QM sehr sehr gut die Experimente beschreibt, verstehen aber nur sehr sehr schlecht, warum das so ist.

Siehe auch: https://de.wikipedia.org/wiki/Interp...uantenmechanik

Zitat:

Was macht uns so sicher, dass es sich genau so verhält?
Die Praxis einer sehr großen Menge an Experimentatoren.

Bernhard 23.03.23 11:59

AW: Quantenverschränkung ... Verständnisproblem
 
Zitat:

Zitat von Timm (Beitrag 102751)
Die Schrödinger Gleichung ontisch zu betrachten ist eine Möglichkeit, die von manchen favorisiert wird. Aber aus dem Formalismus der QM folgt das nicht.

Die zitierte Sichtweise hängt mit einer möglichst anschaulichen Deutung des Doppelspaltexperimentes zusammen.

Man kann auch postulieren, dass nur eine wellenartige Ausbreitung von Quantenfeldern mit einer endlichen Lichtgeschwindigkeit verträglich ist.


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