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-   -   Ist die Dehnung des Raums Physik? (http://www.quanten.de/forum/showthread.php5?t=2544)

Timm 15.02.14 16:59

Ist die Dehnung des Raums Physik?
 
Wenn Andreas Müller hier schreibt

Zitat:

Was dehnt sich?

Das, was expandiert ist der Raum selbst, und - achja, Einstein lehrte das - eigentlich die Raumzeit. ...
könnte man ja nach einem Gedankenexperiment Ausschau halten, das zeigt, daß tatsächlich der Raum selbst sich ausdehnt.
Es gibt Testpartikel, Uhren, Maßstäbe, Lichtpulse ... .
Aber wie könnte so ein Experiment aussehen?
Man hat irgendwo ein Stück Raum, keine störenden Massen in der Nähe und Zeit genug.

Ich 15.02.14 20:24

AW: Ist die Dehnung des Raums Physik?
 
Hallo Timm,

meine Antwort kennst du. Aber ich würde mich auch über Rückmeldung von den anderen freuen, wie sie das so sehen.
Kann man Raumexpansion im Prinzip detektieren?
Wenn ja, wie?

JoAx 16.02.14 01:33

AW: Ist die Dehnung des Raums Physik?
 
Meine Einstellung ist, dass "Raum" ein Denkkonzept ist. "Man kann in den Raum keine Nägel einschlagen."

Das hier:

Zitat:

Zitat von Andreas Müller
Dunkle Energie verhält sich vollkommen anders als normale Materie und sorgt für die Expansion des Universums.

ist schlicht und ergreifend falsch. Das Modell vom expandierenden Universum gab es laaaange vor dem 30/70 ΛCDM-Modell. Die DE sorgt für die Beschleunigung der Expansion.

Ansonsten ist der Artikel halt populärwissenschaftlich, und etwas älter. Das 30/70 ΛCDM "lebt" auch nach dem Plank. :)

Marco Polo 16.02.14 04:04

AW: Ist die Dehnung des Raums Physik?
 
Zitat:

Zitat von Ich (Beitrag 74680)
Kann man Raumexpansion im Prinzip detektieren?
Wenn ja, wie?

Mit einer kettenartigen Messung von Zweiweg-Lichtlaufzeiten (Radar-Distance)?

Bauhof 16.02.14 11:18

AW: Ist die Dehnung des Raums Physik?
 
Zitat:

Zitat von Timm (Beitrag 74679)
...könnte man ja nach einem Gedankenexperiment Ausschau halten, das zeigt, daß tatsächlich der Raum selbst sich ausdehnt.
Es gibt Testpartikel, Uhren, Maßstäbe, Lichtpulse ... .
Aber wie könnte so ein Experiment aussehen?
Man hat irgendwo ein Stück Raum, keine störenden Massen in der Nähe und Zeit genug.

Hallo Timm,

darüber habe ich bereits im Jahre 1996 nachgedacht. Hier das Gedankenexperiment:

In einem Gebiet im Universum, der im Umkreis von mehreren Millionen von Lichtjahren materiefrei ist, werden zwei Sonden A und B im Abstand von einem Lichtjahr platziert.

Jede Sonde ist wie folgt bestückt:
(1) Antennen zur Messung der kosmischen Hintergrundstrahlung.
(2) Synchronisierte Atomuhren, die Zeittelegramme erzeugen können.
(3) Sendeanlagen, um Zeittelegramme senden und empfangen zu können.
(4) Echtzeit-Rechner, die sich laufend gegenseitig überwachen.
(5) Steuerdüsen, die in alle Himmelsrichtungen feuern können, um die möglichen Pekulariarbewegungen der Sonden auszugleichen.

Wenn die Sonden platziert sind, wird in den beiden Sonden laufend nach allen Seiten die Rotverschiebung der kosmischen Hintergrundstrahlung gemessen. Diese Messwerte steuern die Steuerdüsen, um die Pekulariarbewegungen der Sonden relativ zur kosmischen Hintergrundstrahlung auf den Wert Null zu bringen.

Wenn beide Sonden relativ zur kosmischen Hintergrundstrahlung ruhen, sendet A nach B ein Zeittelegramm.

Der Echtzeit-Rechner von B vergleicht das Zeittelegramm von A mit dem Zeigerstand seiner eigenen Atomuhr, [1] merkt sich die Differenz und sendet sofort sein eigenes Zeittelegramm nach A.

Sonde A empfängt das Zeittelegramm von B und sendet sofort sein eigenes Zeittelegramm nach B.

Der Echtzeit-Rechner von B vergleicht das Zeittelegramm von A mit dem Zeigerstand seiner eigenen Atomuhr, merkt sich die Differenz und vergleicht die Differenz mit der Differenz, die er sich vor einem Jahr gemerkt hat.

Wenn beide Differenzen gleich groß sind, dann hat sich der Abstand der beiden Sonden nicht vergrößert.

Wenn beide Differenzen nicht gleich groß sind, dann hat sich der Abstand der beiden Sonden vergrößert. Und zwar allein durch die Dehnung des Raumes, denn eine Abstandsvergrößerung durch mögliche Pekulariarbewegungen wurde durch die Messungen der kosmischen Hintergrundstrahlung ausgeschlossen.

M.f.G. Eugen Bauhof

[1] die mit der Atomuhr von A synchron läuft.

Jogi 16.02.14 12:14

AW: Ist die Dehnung des Raums Physik?
 
Schönes Experiment.:)

Was würde es am Ergebnis der Zeittelegramvergleiche ändern, wenn nicht der Raum, sondern die Zeit (global) eine Änderung erfahren hätte?

Ich schreibe absichtlich nicht Dehnung, weil ich das Gegenteil erwarte, wenn die beiden Sonden tatsächlich ihren raumartigen Abstand voneinander genau einhalten.

Ein expandierendes Universum "steigt" in meiner Vorstellung aus, bzw. in einem skalaren Grav.-Potential (das sich durch die Expansion "verdünnt") auf, die Zeitdilatation sollte also abnehmen.
Das Problem hierbei ist die fehlende Referenzuhr, die es nicht geben kann, denn sie müßte sich der Expansion entziehen können.

Bauhof 16.02.14 12:47

AW: Ist die Dehnung des Raums Physik?
 
Zitat:

Zitat von Jogi (Beitrag 74685)
Ein expandierendes Universum "steigt" in meiner Vorstellung aus, bzw. in einem skalaren Grav.-Potential (das sich durch die Expansion "verdünnt") auf, die Zeitdilatation sollte also abnehmen.

Hallo Jogi,

1. welches Grav.-Potential?
Es ist doch weit und breit keine gravitierende Massenansammlung vorhanden.

2. Wohin soll ein expandierendes Universum "aus"- oder "aufsteigen"?

M.f.G. Eugen Bauhof

Jogi 16.02.14 16:00

AW: Ist die Dehnung des Raums Physik?
 
Hallo Eugen.

Zitat:

Zitat von Bauhof (Beitrag 74686)
1. welches Grav.-Potential?
Es ist doch weit und breit keine gravitierende Massenansammlung vorhanden.

Deshalb "skalares" Potential.

Auch wenn keine baryonische Materie vorhanden ist, so ist das Vakuum doch nicht eine absolute Leere.
Und das, was in diesem Vakuum unsichtbar existent ist, hat, wenn man es nicht direkt selbst als Energie bezeichnen mag, doch ein Energiepotential und damit ein Massenäquivalent.
Eine homogene und isotrope Verteilung dieses Potentials angenommen, kommt man eben zu einem skalaren Potential, das sich durch reale Expansion "verdünnt".


Zitat:

2. Wohin soll ein expandierendes Universum "aus"- oder "aufsteigen"?
Das entspricht der Frage, wohin sich ein Universum denn ausdehnen soll.

Ich weiß es auch nicht, aber wir beobachten global eine Expansion der sichtbaren Materieverteilung im Universum.
So steigen z. B. bei zwei voneinander weg strebenden Galaxien beide jeweils für sich aus dem Potential der anderen auf, und das gilt ja prinzipiell für alles im Universum.

Timm 16.02.14 16:41

AW: Ist die Dehnung des Raums Physik?
 
Hallo Eugen,

Zitat:

Zitat von Bauhof (Beitrag 74684)
Wenn beide Differenzen nicht gleich groß sind, dann hat sich der Abstand der beiden Sonden vergrößert. Und zwar allein durch die Dehnung des Raumes, denn eine Abstandsvergrößerung durch mögliche Pekulariarbewegungen wurde durch die Messungen der kosmischen Hintergrundstrahlung ausgeschlossen.

Wenn ich Deine Anordnung richtig verstehe, bedeutet sie, daß sich mitbewegte (-> jeweils in Ruhe zu ihrem CMB) Beobachter gegenseitig rotverschoben sehen und sich das mitteilen. Du hast also quasi die kosmologische Rotverschiebung, bei der Pekuliargeschwindigkeiten kaum noch eine Rolle spielen, experimentell mit großer Genauigkeit nachgestellt.

Ich glaube, es ist naheliegend zu sagen, wenn die Abstände zunehmen (hast Du ja gemessen), muß sich der Raum zwischen den Objekten gedehnt haben (oder zusätzlicher Raum hinzugekommen sein). Aber es tauchen Fragen auf, wie etwa:

Wenn die Dehnung von Raum ein physikalischer Prozess ist, wie soll man sich den vorstellen? Kann man Nichts dehnen?

Sollte ein solcher physikalischer Prozess unabhängig von den verwendeten Koordinaten sein? Mitbewegte Koordinaten bieten sich zwar an, es gibt aber auch andere.

Das Photon wird im lokalen IS bei A emittiert und kommt nachdem der Skalenfaktor zugenommen hat in einem davon verschiedenen lokalen IS bei B rotverschoben an. Wie interpretiert man das?

Gruß, Timm

Bauhof 16.02.14 17:48

AW: Ist die Dehnung des Raums Physik?
 
Zitat:

Zitat von Timm (Beitrag 74688)
Wenn ich Deine Anordnung richtig verstehe, bedeutet sie, daß sich mitbewegte (-> jeweils in Ruhe zu ihrem CMB) Beobachter gegenseitig rotverschoben sehen und sich das mitteilen. Du hast also quasi die kosmologische Rotverschiebung, bei der Pekuliargeschwindigkeiten kaum noch eine Rolle spielen, experimentell mit großer Genauigkeit nachgestellt.

Ich glaube, es ist naheliegend zu sagen, wenn die Abstände zunehmen (hast Du ja gemessen), muß sich der Raum zwischen den Objekten gedehnt haben (oder zusätzlicher Raum hinzugekommen sein).

Hallo Timm,

um Missverständnisse zu vermeiden, schildere ich das Gedankenexperiment nochmals mit anderen Worten:

Jede der beiden Sonden bringt sich relativ zur Hintergrundstrahlung in Ruhe. Wenn das so ist, dann befinden sich beide Sonden auch relativ zueinander in Ruhe, weil jede Sonde sich relativ zur Hintergrundstrahlung in Ruhe befindet.

Wenn nun die Sonden sich mehrmals die Uhrzeit gegenseitig zusenden und die Radiosignallaufzeit ist immer gleich, dann hat sich der Abstand zwischen den Sonden nicht verändert. Eine Veränderung der Radiosignallaufzeit würde eine Veränderung des Abstandes bedeuten, ganz gleich, wie groß der Abstand tatsächlich ist.

M.f.G. Eugen Bauhof

P.S.
Das das eine riesige Herausforderung an die Messtechnik bedeuten würde, ist wohl klar.


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