Zeitpfeil und Zeitumkehrinvarianz
Es wird oft gesagt, dass die klassische Mechanik (und andere grundlegende Theorien) zeitumkehrinvariant wäre.
So bleiben bei der Transformation t -> -t die grundlegenden Gleichungen invariant. Grössen in erster Ordnung in der Zeit, wie zB. die Geschwindigkeit, würden sich dann zwar auch umkehren, aber die Naturabläufe wären damit kompatibel. Dass Zeit ihre "Richtung" beibehalte, kann insbesondere in der klassischen Mechanik nicht erklärt werden. Eine Möglichkeit wäre die Thermodynamik mit dem Entropiekonzept zu bemühen, um einen "Zeitpfeil" zu definieren. So weit, so gut, allerdings Frage ich mich da, wie das mit der Impulserhaltung ausschaut. Ist es nicht so, dass jede Zeitumkehr auch resultierende Impulse eines abgeschlossenen Systems umkehren, so dass zB. auch der resultieende Impuls der Schwerpunksbewegung sich umkehren würde. Das widerspräche aber doch wohl der Impulserhaltung, resp. würde dann eine Kraft "aus dem Nichts" wirken müssen, um eine solche Impulsänderung zu bewirken. Die Frage ist also, sorgt nicht schon die Impulserhaltung der klassischen Mechanik für diesen "Zeitpfeil"? |
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Die Antwort der klassischen Mechanik ist "nein". In Systemen mit sehr vielen Teilchen (Thermodynamik) wird das dann weniger klar. Und im Mikroskopischen (Teilchenphysik) ist die Zeitumkehr nicht exakt gültig. Zum Status der diskreten Symmetrien: https://www.sciencedirect.com/scienc...70269315000465 |
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Aber für mich bedeutet "Zeitpfeil", dass eben die "Richtung" der Zeit für alle Vorgänge festgelegt ist. Und das ist sie offenbar auch schon mit dem Impulserhaltungssatz, oder nicht? Ob wir in unserer Welt da t oder -t betrachten, ist ja erstmal Konvention. Aber dass die Richtung dann festliegt, ist doch dann schon mit klassischer Mechanik festgelegt. Oder anders formuliert, Vergangenheit und Zukunft sind so zeitlich festgelegt. |
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Betrachten wir den zeitumgekehrten Prozess, dann umkreist der Planet die Sonne im entgegengesetzten Uhrzeigersinn. Auch in diesem System ist die Summe der Impulse Null im Schwerpunktsystem. Auch hier ist der Gesamtimpuls eine Erhaltungsgröße. Beide Bewegungen sind erlaubt und perfekte Lösungen des Kepler-Problems. |
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Bzw. letztlich muss das Universum als Ganzes dann als abgeschlossenes System gelten. Denke, dass ist aber keine Frage, die man im Zusammenhang der klassischen Mechanik beantworten kann. Insofern lässt die klassische Mechanik auch keine Umkehr des "Zeitpfeils" zu. |
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Man könnte natürlich auch hinterfragen, ob die Impulserhaltung nicht nur (nach Noether) von kontinuierlichen Symmetrien der Homogenität des Raums abhängt, sondern auch von der Zeitrichtung.
Dann wäre Impulserhaltung relativ zur Zeitrichtung bestimmt und kein davon unabhängiger Erhaltungssatz?! |
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Wenn die Impulserhaltung so aber richtig ist, dann muss man die Zeitumkehr ausschliessen. Vergangenheit und Zukunft dieser Systeme ist festgelegt. Damit ist defacto auch der "Zeitpfeil" festgelegt. |
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Ein Zeitpfeil bedeutet ja für Zustände Z, dass Z(t1)->Z(t2), also Kausalität für t2>t1. M.E. ist das ja schon mit dem Impulserhaltungssatz der klassischen Mechanik gegeben. Dass die Erde ihre Bewegungsrichtungsrichtung nicht umkehrt hängt ja am Zeitpfeil. Und eine Erklärung dafür ist, dass Impulserhaltung gilt, das ist meine Aussage. |
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https://de.wikipedia.org/wiki/Schwerpunktsystem Dass wir die Zeit nicht real umkehren, da sind wir uns eh einig; es geht "nur" darum, die Symmetrien der Naturgesetze zu untersuchen. |
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Dass sich so ein System "finden" lässt, darum geht es doch gar nicht. In der klassischen Mechanik betrachten wir manigfach System, deren Schwerpunkt einen endlichen Impuls zum Beobachter hat und der erhalten bleibt. Dies ist begründet mit der Impulserhaltung der klassischen Mechanik. Insofern darf man daraus schliessen, dass sich dieser Impuls nicht umkehrt, dies also an der Impulserhaltung liegt. Ich sehe an diesem Argument nicht weniger als dem Entropieargument der Thermodynamik, das auch der Erfahrung entspringt. |
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Ja, ich habe das zeitige Ende der Diskussion leider verpasst. Zeitumkehr als physikalischer Prozess aus dem heiteren Himmel gibt es nicht. So weit waren wir ja schon gewesen.
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Um das zu testen brachte ich mal die Abstrahlung von Gravitationswellen ins Spiel. Die Reaktion eines theoretischen Physikers der Uni HD war (zu meiner Überraschung) sinngemäß, kein Problem, man strahlt Gravitationswellen ins System und die beiden kompakten Objekte spiralen auseinander. Der Knackpunkt betrifft irreversible Prozesse. Hier wird argumentiert, dass die Wahrscheinlichkeit für den zeitumgekehrten Vorgang beliebig klein aber nicht Null ist. |
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Zum ersten Absatz: genau! Zeitumkehrinvarianz bedeutet nicht, dass zeitgespiegelte Prozesse tatsächlich stattfinden oder nicht stattfinden, oder gar dass sich plötzlich Bewegungsrichtungen umkehren. Zeitumkehrinvarianz bedeutet lediglich, dass zu einem beliebigen möglichen Prozess auch der zeitlich rückwärts ablaufende Prozess möglich ist.
Zeitumkehrinvarianz gilt für sämtliche deterministische klassische Theorien sowie für quantenmechanische Theorien mit Ausnahme der schwachen Wechselwirkung. D.h. Zeitumkehrinvarianz gilt nicht für die (klassische oder quantenmechanische) statistische Mechanik. Ob zeitgespiegelte Prozesse tatsächlich stattfinden oder nicht, liegt zumeist an den Anfangsbedingungen. Während die dynamischen Bewegungsgleichungen (bis auf die o.g. Ausnahme der schwachen Wechselwirkung) die Zeitumkehrinvarianz respektieren, gilt dies oft nicht für die Anfangsbedingungen. Wenn dies soweit klar ist, kann man die interessanten Fälle betrachten: die schwachen Wechselwirkung sowie die statistische Mechanik. |
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@ Quantor... Es war ja auch Meinung gefragt. Ich meine, um die Zeit absolut umzukehren, muss sie erstmal anhalten. Ein Impuls müsste pausieren und wäre kein kontinuierlicher Partner im System einer Erhaltung.
Wohingegen gleichartige aber verschiedene Prozesse reversibel ununterscheidbar sind, also Kreisläufe, ist das entropische Argument, der Austausch mit der Umwelt entscheidend. |
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BTW, wieso eigentlich "D.h." oben in deinem Text? Zitat:
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Wie sieht's mit dem Fall ins SL aus? Die Zeitumkehr wäre ein weißes Loch, also konsistent mit der ART. Einer jener "Experten" im PF hat mal gesagt, hier befände sich die ART im Widerspruch zur Thermodynamik (Entropie). Ist das weiße Loch eine Art unphysikalisches Artefakt der ART?
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Man kann - bis auf geometrische Details - den Urknall als weißes Loch betrachten.
@Hawkwind: Natürlich sind Reibungskräfte nicht zeitumkehrinvariant; dies liiert aber natürlich daran, dass hier über Freiheitsgrade gemittelt und deswegen ein implizit statistischer Aspekt eingeführt wird. Die Thermodynamik habe ich bewusst nicht betrachtet, da sie einen anderen Charakter hat. Hier wird ein System beliebig vieler Teilchen mit bekannten Wechselwirkungen durch einen Punkt auf einer N-dim. Mannigfaltigkeit repräsentiert. Die Gültigkeit dieses Darstellung ist m.Wn. nicht einmal für die Gleichgewichtsthermodynamik universell beweisbar. Den Messprozess habe ich zunächst ausgeklammert, da er bis heute unverstanden ist. Im Zuge der Viele-Welten-Interpretation - in der die Natur des Messprozesses im Prinzip bekannt ist - wird mittels coarse-graining versucht, die Zeitasymmetrie zu erklären. Ja, die statistische Mechanik erklärt die Irreversibilität dadurch, dass dessen Umkehrung im Prinzip zwar noch möglich, aber so extrem unwahrscheinlich ist, dass er ausgeschlossen werden kann. Und das läuft letztlich wieder auf die Anfangsbedingungen (und die statistische Interpretation der Entropie) hinaus. |
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Der Urknall benennt nach heutiger Auffassung die den Zerfall des Inflaton Feldes. |
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Wo siehst du hier die Übereinstimmung mit einem weißen Loch? Die Inflation ist der Beobachtung nicht zugänglich, wird aber durch zahlreiche Indizien bestätigt, insbesondere durch das Leistungsspektrum des CMB. |
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Ja, denke ich auch.
Auch die Verschmelzung zweier Schwarzer Löcher/Neutronensterne sehe problematisch. Solange das entstandene SL noch deformiert ist (und damit noch ein Massenquadrupolmoment hat), könnte das Argument der Einstrahlung von Gravitationswellen noch greifen. Das würde die Entstehung zweier Objekte aus einem deformierten SL plausibel machen. Bei der Frage, ob es diejenigen sind, aus welchen das SL entstanden ist, wird's spitzfindig. Wahrscheinlich muß man großzügig sein. Man nehme ein deformiertes Schwarzes Loch und strahle Gravitationswellen der passenden Frequenz ein, fertig. Beim vollständig abgelaufenen Prozess (das entstandene SL ist kugelsymmetrisch) kann es nicht funktionieren. |
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Bei zwei Körper kein Problem, aber bei mehr Körper lassen sich die Bewegungen und Orte nicht mehr exakt beschreiben. Wenn man die Zeit umkehrt laufen Bewegungen exakt den gleichen Weg zurück? |
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Die Frage nach dem Zeitpfeil ging auch etwas weiter als die Antworten zur Zeitumkehrinvarianz suggerieren.
Es geht darum, dass grundlegende Gleichungen zeitumkehrinvariant sind, aber sich dann die Frage stellt: warum läuft dann die Zeit in jedem Moment in einer Richtung, zumindestens makroskopisch? Was veranlasst die Zeit von der "Vergangenheit" in die "Zukunft" zu laufen? Klassisch scheint mir das schon durch den Impulserhaltungssatz gegeben. In der Quantenmechanik könnte man da den Messprozess anführen, thermodynamisch kommt dann die Entropie ins Spiel. |
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Andere postulieren ein ewig bestehendes Universum (oder Multiversum?), in dem der Urknall eine Art Phasenübergang war, und nichts einmaliges ist. In anderen Universen könnte dann die Zeitrichtung thermodynamisch entgegengesetzt definiert sein. Wir stellen fest, dass in unserem Universum die Zeit "vorwärts läuft" und die Entropie niedrig ist und zunimmt, weil wir, wenn das nicht so wäre, nicht existieren könnten ("anthropisches Prinzip" mal wieder). Vielleicht wird die Zeit auch eines Tages enden, oder ist die Zeit in sich geschlossen gekrümmt? Eine populärwissenschaftliche Diskussion gibt es z.B. hier: Entropie - Die mysteriöse Richtung der Zeit |
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Kann es sein, dass der Zeitpfeil auftritt wenn Bewegungsgleichungen nicht mehr lösbar sind.
Fürs Zweikörperproblem sind die Bewegungsgleichung lösbar, mit dem Vorzeichenwechsel der Zeit wechselt auch die Bewegungsrichtung. Gleich gilt für Sonderfälle des Dreikörperproblems z.B. für Körper in einem gleichseitigen Dreieck. |
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In gewisser Weise prägt schon der Trägheitssatz klassisch eine Zeitpfeilrichtung. Im einfachsten Fall sind für Zeitpunkte t2>t1 auch die Abstände d2(t2)>d1(t1) zu einem Beobachter. Man kann umgekehrt argumentieren, dass hier der Trägheitssatz klassisch eine Zeit-Richtung prägt. Und der Trägheitssatz lässt sich als (kräftefreien) Spezialfall des Impulserhaltungssatzes verstehen. Auch für (klassische) elektromagnetische Phänomene gilt das. Dass sich also Uhren nur in einer Richtung drehen, könnte man so schon klassisch begründen. Das sind letztlich aber Eigenschaften der Raumzeit. Interessanter wird es, wenn man es dann elementarer quantenmechanisch betrachtet. In gewisser Weise muss so im Übergang von quantenmechanischen Systemen zu klassischen auch der Zeitpfeil geliefert werden. Quantenmechanische Systeme an sich haben keinen Grund, die Zeitsymmetrie zu brechen (mal abgesehen von Phänomenen der schwachen Wechselwirkung, die aber ja nicht allgeimein gelten). |
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Gibt es irgendwo ( ausserhalb Einsteins Welt) eine Liste von Definitionen für den Begriff ZEIT? Der Wort Zeit wird für x-beliebige Situationen benutzt.
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