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-   -   Zeitpfeil und Zeitumkehrinvarianz (http://www.quanten.de/forum/showthread.php5?t=3940)

Quantor 01.06.21 10:28

Zeitpfeil und Zeitumkehrinvarianz
 
Es wird oft gesagt, dass die klassische Mechanik (und andere grundlegende Theorien) zeitumkehrinvariant wäre.
So bleiben bei der Transformation t -> -t die grundlegenden Gleichungen invariant.
Grössen in erster Ordnung in der Zeit, wie zB. die Geschwindigkeit, würden sich dann zwar auch umkehren, aber die Naturabläufe wären damit kompatibel.
Dass Zeit ihre "Richtung" beibehalte, kann insbesondere in der klassischen Mechanik nicht erklärt werden. Eine Möglichkeit wäre die Thermodynamik mit dem Entropiekonzept zu bemühen, um einen "Zeitpfeil" zu definieren.

So weit, so gut, allerdings Frage ich mich da, wie das mit der Impulserhaltung ausschaut. Ist es nicht so, dass jede Zeitumkehr auch resultierende Impulse eines abgeschlossenen Systems umkehren, so dass zB. auch der resultieende Impuls der Schwerpunksbewegung sich umkehren würde. Das widerspräche aber doch wohl der Impulserhaltung, resp. würde dann eine Kraft "aus dem Nichts" wirken müssen, um eine solche Impulsänderung zu bewirken.

Die Frage ist also, sorgt nicht schon die Impulserhaltung der klassischen Mechanik für diesen "Zeitpfeil"?

Hawkwind 01.06.21 10:50

AW: Zeitpfeil und Zeitumkehrinvarianz
 
Zitat:

Zitat von Quantor (Beitrag 95226)
...
So weit, so gut, allerdings Frage ich mich da, wie das mit der Impulserhaltung ausschaut. Ist es nicht so, dass jede Zeitumkehr auch resultierende Impulse eines abgeschlossenen Systems umkehren, so dass zB. auch der resultieende Impuls der Schwerpunksbewegung sich umkehren würde. Das widerspräche aber doch wohl der Impulserhaltung, resp. würde dann eine Kraft "aus dem Nichts" wirken müssen, um eine solche Impulsänderung zu bewirken.

Die Frage ist also, sorgt nicht schon die Impulserhaltung der klassischen Mechanik für diesen "Zeitpfeil"?

Die "Zeitumkehr" ist ja kein physikalischer Prozess, sondern eine gedachte Transformation: was wäre in einer Welt, in der die Zeit rückwärts liefe? Könnte man durch Beobachtung von Prozessen feststellen, dass die Zeit "falsch herum" läuft?
Die Antwort der klassischen Mechanik ist "nein".
In Systemen mit sehr vielen Teilchen (Thermodynamik) wird das dann weniger klar. Und im Mikroskopischen (Teilchenphysik) ist die Zeitumkehr nicht exakt gültig.
Zum Status der diskreten Symmetrien:
https://www.sciencedirect.com/scienc...70269315000465

Quantor 01.06.21 10:58

AW: Zeitpfeil und Zeitumkehrinvarianz
 
Zitat:

Zitat von Hawkwind (Beitrag 95227)
Die "Zeitumkehr" ist ja kein physikalischer Prozess, sondern eine gedachte Transformation: was wäre in einer Welt, in der die Zeit rückwärts liefe? Könnte man durch Beobachtung von Prozessen feststellen, dass die Zeit "falsch herum" läuft?
Die Antwort der klassischen Mechanik ist "nein".

Das sehe ich schon ein.
Aber für mich bedeutet "Zeitpfeil", dass eben die "Richtung" der Zeit für alle Vorgänge festgelegt ist. Und das ist sie offenbar auch schon mit dem Impulserhaltungssatz, oder nicht?
Ob wir in unserer Welt da t oder -t betrachten, ist ja erstmal Konvention. Aber dass die Richtung dann festliegt, ist doch dann schon mit klassischer Mechanik festgelegt. Oder anders formuliert, Vergangenheit und Zukunft sind so zeitlich festgelegt.

Hawkwind 01.06.21 11:11

AW: Zeitpfeil und Zeitumkehrinvarianz
 
Zitat:

Zitat von Quantor (Beitrag 95229)
Das sehe ich schon ein.
Aber für mich bedeutet "Zeitpfeil", dass eben die "Richtung" der Zeit für alle Vorgänge festgelegt ist. Und das ist sie offenbar auch schon mit dem Impulserhaltungssatz, oder nicht?

Nein, nehmen wir mal ein Beispiel: ein Planet umkreist die Sonne im Uhrzeigersinn. Im Schwerpunktsystem Sonne + Planet ist die Summer der Impulse Null und diese bleibt auch erhalten.
Betrachten wir den zeitumgekehrten Prozess, dann umkreist der Planet die Sonne im entgegengesetzten Uhrzeigersinn. Auch in diesem System ist die Summe der Impulse Null im Schwerpunktsystem. Auch hier ist der Gesamtimpuls eine Erhaltungsgröße.
Beide Bewegungen sind erlaubt und perfekte Lösungen des Kepler-Problems.

Quantor 01.06.21 11:13

AW: Zeitpfeil und Zeitumkehrinvarianz
 
Zitat:

Zitat von Hawkwind (Beitrag 95230)
Nein, nehmen wir mal ein Beispiel: ein Planet umkreist die Sonne im Uhrzeigersinn. Im Schwerpunktsystem Sonne + Planet ist die Summer der Impulse Null und diese bleibt auch erhalten.
Betrachten wir den zeitumgekehrten Prozess, dann umkreist der Planet die Sonne im entgegengesetzten Uhrzeigersinn. Auch in diesem System ist die Summe der Impulse Null im Schwerpunktsystem. Auch hier ist der Gesamtimpuls eine Erhaltungsgröße.
Beide Bewegungen sind erlaubt und perfekte Lösungen des Kepler-Problems.

Okay, aber i.a. ist die Summe der Impulse nicht Null. Betrachte die Bewegung des Schwerpunkts Sonne-Planet ums galaktische Zentrum. Du betrachtest hier einen Spezialfall.
Bzw. letztlich muss das Universum als Ganzes dann als abgeschlossenes System gelten. Denke, dass ist aber keine Frage, die man im Zusammenhang der klassischen Mechanik beantworten kann.
Insofern lässt die klassische Mechanik auch keine Umkehr des "Zeitpfeils" zu.

Quantor 01.06.21 11:45

AW: Zeitpfeil und Zeitumkehrinvarianz
 
Man könnte natürlich auch hinterfragen, ob die Impulserhaltung nicht nur (nach Noether) von kontinuierlichen Symmetrien der Homogenität des Raums abhängt, sondern auch von der Zeitrichtung.
Dann wäre Impulserhaltung relativ zur Zeitrichtung bestimmt und kein davon unabhängiger Erhaltungssatz?!

Quantor 01.06.21 13:36

AW: Zeitpfeil und Zeitumkehrinvarianz
 
Zitat:

Zitat von Quantor (Beitrag 95231)
Okay, aber i.a. ist die Summe der Impulse nicht Null. Betrachte die Bewegung des Schwerpunkts Sonne-Planet ums galaktische Zentrum. Du betrachtest hier einen Spezialfall.
Bzw. letztlich muss das Universum als Ganzes dann als abgeschlossenes System gelten. Denke, dass ist aber keine Frage, die man im Zusammenhang der klassischen Mechanik beantworten kann.
Insofern lässt die klassische Mechanik auch keine Umkehr des "Zeitpfeils" zu.

Defacto ist es ja auch so, dass in Millionen von Fällen die Impulserhaltung der Schwerpunktsbewegung klassischer Systeme empirisch richtig ist, dass also von der Richtigkeit der Impulserhaltung hier ausgegangen werden kann.
Wenn die Impulserhaltung so aber richtig ist, dann muss man die Zeitumkehr ausschliessen. Vergangenheit und Zukunft dieser Systeme ist festgelegt.
Damit ist defacto auch der "Zeitpfeil" festgelegt.

Hawkwind 01.06.21 14:27

AW: Zeitpfeil und Zeitumkehrinvarianz
 
Zitat:

Zitat von Quantor (Beitrag 95236)
Defacto ist es ja auch so, dass in Millionen von Fällen die Impulserhaltung der Schwerpunktsbewegung klassischer Systeme empirisch richtig ist, dass also von der Richtigkeit der Impulserhaltung hier ausgegangen werden kann.
Wenn die Impulserhaltung so aber richtig ist, dann muss man die Zeitumkehr ausschliessen. Vergangenheit und Zukunft dieser Systeme ist festgelegt.
Damit ist defacto auch der "Zeitpfeil" festgelegt.

Ja genau - die Erde wird nicht einfach ihre Bewegungsrichtung ändern: Umkehr der Zeitrichtung wird man in der Praxis eher selten beobachten. :)

Quantor 01.06.21 15:13

AW: Zeitpfeil und Zeitumkehrinvarianz
 
Zitat:

Zitat von Hawkwind (Beitrag 95239)
Ja genau - die Erde wird nicht einfach ihre Bewegungsrichtung ändern: Umkehr der Zeitrichtung wird man in der Praxis eher selten beobachten. :)

Ja, aber weiss nicht genau, was du damit aussagen willst.

Ein Zeitpfeil bedeutet ja für Zustände Z, dass Z(t1)->Z(t2), also Kausalität für t2>t1.

M.E. ist das ja schon mit dem Impulserhaltungssatz der klassischen Mechanik gegeben. Dass die Erde ihre Bewegungsrichtungsrichtung nicht umkehrt hängt ja am Zeitpfeil. Und eine Erklärung dafür ist, dass Impulserhaltung gilt, das ist meine Aussage.

Hawkwind 01.06.21 15:16

AW: Zeitpfeil und Zeitumkehrinvarianz
 
Zitat:

Zitat von Quantor (Beitrag 95231)
Okay, aber i.a. ist die Summe der Impulse nicht Null. Betrachte die Bewegung des Schwerpunkts Sonne-Planet ums galaktische Zentrum. Du betrachtest hier einen Spezialfall.

Unsinn: so ein System lässt sich immer finden. Das Schwerpunktsystem ist ja gerade so definiert, dass in diesem die Summe der Impuls gleich Null ist.

https://de.wikipedia.org/wiki/Schwerpunktsystem

Dass wir die Zeit nicht real umkehren, da sind wir uns eh einig; es geht "nur" darum, die Symmetrien der Naturgesetze zu untersuchen.

Quantor 01.06.21 15:30

AW: Zeitpfeil und Zeitumkehrinvarianz
 
Zitat:

Zitat von Hawkwind (Beitrag 95242)
Unsinn: so ein System lässt sich immer finden. Das Schwerpunktsystem ist ja gerade so definiert, dass in diesem die Summe der Impuls gleich Null ist.

https://de.wikipedia.org/wiki/Schwerpunktsystem

Dass wir die Zeit nicht real umkehren, da sind wir uns eh einig; es geht "nur" darum, die Symmetrien der Naturgesetze zu untersuchen.

Es geht um den "Zeitpfeil", dass also t2>t1>0 oder t2<t1<0.
Dass sich so ein System "finden" lässt, darum geht es doch gar nicht.
In der klassischen Mechanik betrachten wir manigfach System, deren Schwerpunkt einen endlichen Impuls zum Beobachter hat und der erhalten bleibt.
Dies ist begründet mit der Impulserhaltung der klassischen Mechanik.
Insofern darf man daraus schliessen, dass sich dieser Impuls nicht umkehrt, dies also an der Impulserhaltung liegt.
Ich sehe an diesem Argument nicht weniger als dem Entropieargument der Thermodynamik, das auch der Erfahrung entspringt.

Hawkwind 01.06.21 18:00

AW: Zeitpfeil und Zeitumkehrinvarianz
 
Ja, ich habe das zeitige Ende der Diskussion leider verpasst. Zeitumkehr als physikalischer Prozess aus dem heiteren Himmel gibt es nicht. So weit waren wir ja schon gewesen.

Timm 02.06.21 15:45

AW: Zeitpfeil und Zeitumkehrinvarianz
 
Zitat:

Zitat von Quantor (Beitrag 95226)
Es wird oft gesagt, dass die klassische Mechanik (und andere grundlegende Theorien) zeitumkehrinvariant wäre.

Was nach meiner Kenntnis bedeutet, dass der in in der Zeit zurücklaufende Vorgang ebenfalls physikalisch sinnvoll ist, nicht etwa der Vorgang der Zeitumkehr selbst (ein Planet ändert seinen Drehsinn nicht).

Um das zu testen brachte ich mal die Abstrahlung von Gravitationswellen ins Spiel. Die Reaktion eines theoretischen Physikers der Uni HD war (zu meiner Überraschung) sinngemäß, kein Problem, man strahlt Gravitationswellen ins System und die beiden kompakten Objekte spiralen auseinander.

Der Knackpunkt betrifft irreversible Prozesse. Hier wird argumentiert, dass die Wahrscheinlichkeit für den zeitumgekehrten Vorgang beliebig klein aber nicht Null ist.

TomS 02.06.21 17:21

AW: Zeitpfeil und Zeitumkehrinvarianz
 
Zum ersten Absatz: genau! Zeitumkehrinvarianz bedeutet nicht, dass zeitgespiegelte Prozesse tatsächlich stattfinden oder nicht stattfinden, oder gar dass sich plötzlich Bewegungsrichtungen umkehren. Zeitumkehrinvarianz bedeutet lediglich, dass zu einem beliebigen möglichen Prozess auch der zeitlich rückwärts ablaufende Prozess möglich ist.

Zeitumkehrinvarianz gilt für sämtliche deterministische klassische Theorien sowie für quantenmechanische Theorien mit Ausnahme der schwachen Wechselwirkung. D.h. Zeitumkehrinvarianz gilt nicht für die (klassische oder quantenmechanische) statistische Mechanik.

Ob zeitgespiegelte Prozesse tatsächlich stattfinden oder nicht, liegt zumeist an den Anfangsbedingungen. Während die dynamischen Bewegungsgleichungen (bis auf die o.g. Ausnahme der schwachen Wechselwirkung) die Zeitumkehrinvarianz respektieren, gilt dies oft nicht für die Anfangsbedingungen.

Wenn dies soweit klar ist, kann man die interessanten Fälle betrachten: die schwachen Wechselwirkung sowie die statistische Mechanik.

sanftwasser 03.06.21 01:20

AW: Zeitpfeil und Zeitumkehrinvarianz
 
@ Quantor... Es war ja auch Meinung gefragt. Ich meine, um die Zeit absolut umzukehren, muss sie erstmal anhalten. Ein Impuls müsste pausieren und wäre kein kontinuierlicher Partner im System einer Erhaltung.
Wohingegen gleichartige aber verschiedene Prozesse reversibel ununterscheidbar sind, also Kreisläufe, ist das entropische Argument, der Austausch mit der Umwelt entscheidend.

Hawkwind 03.06.21 08:35

AW: Zeitpfeil und Zeitumkehrinvarianz
 
Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 95255)
Zeitumkehrinvarianz gilt für sämtliche deterministische klassische Theorien

Die Ausnahmen sind Fälle, in denen explizit Reibungskräfte in die Bewegungsgleichungen eingeführt wurden: gedämpfte Schwingungen z.B. genügen der Zeitumkehr-Invarianz sicher nicht. Das ist aber dann auch keine rein klassische Mechanik mehr, da eigentlich die Thermodynamik tangiert wird (Umwandlung von Bewegungsenergie in Wärme).

Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 95255)
sowie für quantenmechanische Theorien

Für den Theorie-Rumpf (Wellengleichungen etc) gilt das sicherlich. Sobald man den Messvorgang hinzuzieht, wird es m.E. etwas undurchsichtiger. Dieser scheint irreversibel (Kopenhagen-Kollaps etc).

Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 95255)
mit Ausnahme der schwachen Wechselwirkung. D.h. Zeitumkehrinvarianz gilt nicht für die (klassische oder quantenmechanische) statistische Mechanik.

Wo zur Beschreibung von Viel-Teilchen-Systemen Konzepte wie Wärme, Temperatur und Entropie eingeführt werden, haben wir eine Asymmetrie im Zeitverhalten, obwohl auch im Prinzip natürlich immer noch die t-invarianten, grundlegenderen Theorien gelten. Die statistische Mechanik erklärt die Irreversibilität eines Prozesse in der Thermodynamik damit, dass dessen Umkehrung im Prinzip zwar noch möglich, aber so extrem unwahrscheinlich ist, dass er ausgeschlossen werden kann.
BTW, wieso eigentlich "D.h." oben in deinem Text?

Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 95255)
Ob zeitgespiegelte Prozesse tatsächlich stattfinden oder nicht, liegt zumeist an den Anfangsbedingungen. Während die dynamischen Bewegungsgleichungen (bis auf die o.g. Ausnahme der schwachen Wechselwirkung) die Zeitumkehrinvarianz respektieren, gilt dies oft nicht für die Anfangsbedingungen.

Wenn dies soweit klar ist, kann man die interessanten Fälle betrachten: die schwachen Wechselwirkung sowie die statistische Mechanik.


Timm 03.06.21 09:32

AW: Zeitpfeil und Zeitumkehrinvarianz
 
Wie sieht's mit dem Fall ins SL aus? Die Zeitumkehr wäre ein weißes Loch, also konsistent mit der ART. Einer jener "Experten" im PF hat mal gesagt, hier befände sich die ART im Widerspruch zur Thermodynamik (Entropie). Ist das weiße Loch eine Art unphysikalisches Artefakt der ART?

TomS 03.06.21 10:43

AW: Zeitpfeil und Zeitumkehrinvarianz
 
Man kann - bis auf geometrische Details - den Urknall als weißes Loch betrachten.

@Hawkwind:

Natürlich sind Reibungskräfte nicht zeitumkehrinvariant; dies liiert aber natürlich daran, dass hier über Freiheitsgrade gemittelt und deswegen ein implizit statistischer Aspekt eingeführt wird.

Die Thermodynamik habe ich bewusst nicht betrachtet, da sie einen anderen Charakter hat. Hier wird ein System beliebig vieler Teilchen mit bekannten Wechselwirkungen durch einen Punkt auf einer N-dim. Mannigfaltigkeit repräsentiert. Die Gültigkeit dieses Darstellung ist m.Wn. nicht einmal für die Gleichgewichtsthermodynamik universell beweisbar.

Den Messprozess habe ich zunächst ausgeklammert, da er bis heute unverstanden ist. Im Zuge der Viele-Welten-Interpretation - in der die Natur des Messprozesses im Prinzip bekannt ist - wird mittels coarse-graining versucht, die Zeitasymmetrie zu erklären.

Ja, die statistische Mechanik erklärt die Irreversibilität dadurch, dass dessen Umkehrung im Prinzip zwar noch möglich, aber so extrem unwahrscheinlich ist, dass er ausgeschlossen werden kann. Und das läuft letztlich wieder auf die Anfangsbedingungen (und die statistische Interpretation der Entropie) hinaus.

Timm 03.06.21 13:22

AW: Zeitpfeil und Zeitumkehrinvarianz
 
Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 95267)
Man kann - bis auf geometrische Details - den Urknall als weißes Loch betrachten.

Der Vergleich scheint mir überstrapaziert. Statische Raumzeit vs. isotrope und dynamische Raumzeit ohne Ereignishorizont.

Der Urknall benennt nach heutiger Auffassung die den Zerfall des Inflaton Feldes.

TomS 03.06.21 13:45

AW: Zeitpfeil und Zeitumkehrinvarianz
 
Zitat:

Zitat von Timm (Beitrag 95270)
Der Vergleich scheint mir überstrapaziert. Statische Raumzeit vs. isotrope und dynamische Raumzeit ohne Ereignishorizont.

Man sollte SLs nicht als statistische RZ betrachten, das ist ein theoretischer Grenzfall.

Zitat:

Zitat von Timm (Beitrag 95270)
Der Urknall benennt nach heutiger Auffassung die den Zerfall des Inflaton Feldes.

Ich verstehe nicht, was du damit meinst. Außerdem gibt es weder einen Beleg für das Inflatonfeld, noch würde dessen Dynamik die Zeitumkehrinvarianz brechen; es wäre diesbzgl. ein ganz normales Feld.

Timm 03.06.21 15:22

AW: Zeitpfeil und Zeitumkehrinvarianz
 
Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 95271)
Man sollte SLs nicht als statistische RZ betrachten, das ist ein theoretischer Grenzfall.

Das klingt so als würdest dein Vorschlag "den Urknall als weißes Loch betrachten." sich auf die Kerr Lösung beschränken und die statische ausschließen.

Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 95271)
Ich verstehe nicht, was du damit meinst. Außerdem gibt es weder einen Beleg für das Inflatonfeld, noch würde dessen Dynamik die Zeitumkehrinvarianz brechen; es wäre diesbzgl. ein ganz normales Feld.

Reheating is the process whereby the inflaton's energy density is converted back into conventional matter after inflation, re-entering the standard big bang theory.

Wo siehst du hier die Übereinstimmung mit einem weißen Loch?

Die Inflation ist der Beobachtung nicht zugänglich, wird aber durch zahlreiche Indizien bestätigt, insbesondere durch das Leistungsspektrum des CMB.

Hawkwind 03.06.21 15:35

AW: Zeitpfeil und Zeitumkehrinvarianz
 
Zitat:

Zitat von Timm (Beitrag 95265)
Wie sieht's mit dem Fall ins SL aus? Die Zeitumkehr wäre ein weißes Loch, also konsistent mit der ART. Einer jener "Experten" im PF hat mal gesagt, hier befände sich die ART im Widerspruch zur Thermodynamik (Entropie). Ist das weiße Loch eine Art unphysikalisches Artefakt der ART?

Ein Problem dürfte die Verdampfung eines schwarzen Loches via Hawking-Strahlung sein - schaut hochgradig irreversibel aus. Die Beschreibung ist aber auch nicht mehr ART pur, sondern eine Verquickung von ART und Quantenphysik: "semiklassische Gravitationstheorie".

Timm 03.06.21 16:33

AW: Zeitpfeil und Zeitumkehrinvarianz
 
Ja, denke ich auch.

Auch die Verschmelzung zweier Schwarzer Löcher/Neutronensterne sehe problematisch. Solange das entstandene SL noch deformiert ist (und damit noch ein Massenquadrupolmoment hat), könnte das Argument der Einstrahlung von Gravitationswellen noch greifen. Das würde die Entstehung zweier Objekte aus einem deformierten SL plausibel machen. Bei der Frage, ob es diejenigen sind, aus welchen das SL entstanden ist, wird's spitzfindig.

Wahrscheinlich muß man großzügig sein. Man nehme ein deformiertes Schwarzes Loch und strahle Gravitationswellen der passenden Frequenz ein, fertig. Beim vollständig abgelaufenen Prozess (das entstandene SL ist kugelsymmetrisch) kann es nicht funktionieren.

Hano 04.06.21 12:36

AW: Zeitpfeil und Zeitumkehrinvarianz
 
Zitat:

Zitat von sanftwasser (Beitrag 95260)
@ Quantor... Ich meine, um die Zeit absolut umzukehren, muss sie erstmal anhalten. Ein Impuls müsste pausieren ......

Ich frage mich ja, was der Begriff ZEIT physikalisch eigentlich bedeutet. Ich sehe hier einen Ansatz, der der ZEIT ev. einen Impuls zuschreibt? Meiner Meinung nach ist ZEIT jedoch mit keiner physikalischen Eigenschaften versehen.

Timm 04.06.21 13:15

AW: Zeitpfeil und Zeitumkehrinvarianz
 
Zitat:

Zitat von sanftwasser (Beitrag 95260)
Ich meine, um die Zeit absolut umzukehren, muss sie erstmal anhalten.

Es wurde erläutert, dass diese Vorstellung falsch ist.

Geku 09.06.21 18:52

AW: Zeitpfeil und Zeitumkehrinvarianz
 
Zitat:

Zitat von Hawkwind (Beitrag 95230)
Nein, nehmen wir mal ein Beispiel: ein Planet umkreist die Sonne im Uhrzeigersinn. Im Schwerpunktsystem Sonne + Planet ist die Summer der Impulse Null und diese bleibt auch erhalten.
Betrachten wir den zeitumgekehrten Prozess, dann umkreist der Planet die Sonne im entgegengesetzten Uhrzeigersinn. Auch in diesem System ist die Summe der Impulse Null im Schwerpunktsystem. Auch hier ist der Gesamtimpuls eine Erhaltungsgröße.
Beide Bewegungen sind erlaubt und perfekte Lösungen des Kepler-Problems.

Hat das auch beim Mehrkörperproblem seine Gültigkeit?

Bei zwei Körper kein Problem, aber bei mehr Körper lassen sich die Bewegungen und Orte nicht mehr exakt beschreiben. Wenn man die Zeit umkehrt laufen Bewegungen exakt den gleichen Weg zurück?

Quantor 09.06.21 20:32

AW: Zeitpfeil und Zeitumkehrinvarianz
 
Die Frage nach dem Zeitpfeil ging auch etwas weiter als die Antworten zur Zeitumkehrinvarianz suggerieren.
Es geht darum, dass grundlegende Gleichungen zeitumkehrinvariant sind, aber sich dann die Frage stellt:
warum läuft dann die Zeit in jedem Moment in einer Richtung, zumindestens makroskopisch?
Was veranlasst die Zeit von der "Vergangenheit" in die "Zukunft" zu laufen?
Klassisch scheint mir das schon durch den Impulserhaltungssatz gegeben.
In der Quantenmechanik könnte man da den Messprozess anführen, thermodynamisch kommt dann die Entropie ins Spiel.

Hawkwind 10.06.21 07:51

AW: Zeitpfeil und Zeitumkehrinvarianz
 
Zitat:

Zitat von Geku (Beitrag 95323)
Hat das auch beim Mehrkörperproblem seine Gültigkeit?

Bei zwei Körper kein Problem, aber bei mehr Körper lassen sich die Bewegungen und Orte nicht mehr exakt beschreiben. Wenn man die Zeit umkehrt laufen Bewegungen exakt den gleichen Weg zurück?

Im Prinzip "ja" - die Berechnung wird halt eine Herausforderung im Mehrkörperproblem: es lässt sich nicht mehr exakt lösen.

Timm 10.06.21 14:37

AW: Zeitpfeil und Zeitumkehrinvarianz
 
Zitat:

Zitat von Quantor (Beitrag 95324)
Die Frage nach dem Zeitpfeil ging auch etwas weiter als die Antworten zur Zeitumkehrinvarianz suggerieren.
Es geht darum, dass grundlegende Gleichungen zeitumkehrinvariant sind, aber sich dann die Frage stellt:
Es geht darum, dass grundlegende Gleichungen zeitumkehrinvariant sind, aber sich dann die Frage stellt:
warum läuft dann die Zeit in jedem Moment in einer Richtung, zumindestens makroskopisch?
Was veranlasst die Zeit von der "Vergangenheit" in die "Zukunft" zu laufen?

Der Zeitpfeil wird mit dem 2. Hauptsatz der Thermodynamik in Verbindung gebracht. Zeitumkehrinvarianz ist, wie du erwähnst, ein anderes Thema.

Quantor 10.06.21 21:47

AW: Zeitpfeil und Zeitumkehrinvarianz
 
Zitat:

Zitat von Timm (Beitrag 95328)
Der Zeitpfeil wird mit dem 2. Hauptsatz der Thermodynamik in Verbindung gebracht.

Ja, genau das ist das Thema. Die Frage ist, ob dies die Ursache des makroskopischen Zeitpfeils ist? Es ist eben ein statistisches Argument.

Hawkwind 11.06.21 15:15

AW: Zeitpfeil und Zeitumkehrinvarianz
 
Zitat:

Zitat von Quantor (Beitrag 95329)
Ja, genau das ist das Thema. Die Frage ist, ob dies die Ursache des makroskopischen Zeitpfeils ist? Es ist eben ein statistisches Argument.

Ich denke nicht, dass das derzeit wirklich zuverlässig beantwortet werden kann. Es gibt ja unterschiedliche Vorstellungen, manche bevorzugen einen Beginn der Zeit mit dem Urknall, wobei die thermodyamische Richtung des Zeitpfeils fesgelegt wurde.

Andere postulieren ein ewig bestehendes Universum (oder Multiversum?), in dem der Urknall eine Art Phasenübergang war, und nichts einmaliges ist. In anderen Universen könnte dann die Zeitrichtung thermodynamisch entgegengesetzt definiert sein. Wir stellen fest, dass in unserem Universum die Zeit "vorwärts läuft" und die Entropie niedrig ist und zunimmt, weil wir, wenn das nicht so wäre, nicht existieren könnten ("anthropisches Prinzip" mal wieder).

Vielleicht wird die Zeit auch eines Tages enden, oder ist die Zeit in sich geschlossen gekrümmt?

Eine populärwissenschaftliche Diskussion gibt es z.B. hier:
Entropie - Die mysteriöse Richtung der Zeit

Geku 11.06.21 18:36

AW: Zeitpfeil und Zeitumkehrinvarianz
 
Kann es sein, dass der Zeitpfeil auftritt wenn Bewegungsgleichungen nicht mehr lösbar sind.
Fürs Zweikörperproblem sind die Bewegungsgleichung lösbar, mit dem Vorzeichenwechsel der Zeit wechselt auch die Bewegungsrichtung. Gleich gilt für Sonderfälle des Dreikörperproblems z.B. für Körper in einem gleichseitigen Dreieck.

Quantor 11.06.21 19:13

AW: Zeitpfeil und Zeitumkehrinvarianz
 
Zitat:

Zitat von Geku (Beitrag 95336)
Kann es sein, dass der Zeitpfeil auftritt wenn Bewegungsgleichungen nicht mehr lösbar sind.
Fürs Zweikörperproblem sind die Bewegungsgleichung lösbar, mit dem Vorzeichenwechsel der Zeit wechselt auch die Bewegungsrichtung. Gleich gilt für Sonderfälle des Dreikörperproblems z.B. für Körper in einem gleichseitigen Dreieck.

Naja, Vielkörperprobleme sind ja klassisch lösbar, nur nicht i.a. integrabel, aber es gibt numerische Lösungen.
In gewisser Weise prägt schon der Trägheitssatz klassisch eine Zeitpfeilrichtung. Im einfachsten Fall sind für Zeitpunkte t2>t1 auch die Abstände d2(t2)>d1(t1) zu einem Beobachter. Man kann umgekehrt argumentieren, dass hier der Trägheitssatz klassisch eine Zeit-Richtung prägt. Und der Trägheitssatz lässt sich als (kräftefreien) Spezialfall des Impulserhaltungssatzes verstehen.
Auch für (klassische) elektromagnetische Phänomene gilt das. Dass sich also Uhren nur in einer Richtung drehen, könnte man so schon klassisch begründen.
Das sind letztlich aber Eigenschaften der Raumzeit. Interessanter wird es, wenn man es dann elementarer quantenmechanisch betrachtet. In gewisser Weise muss so im Übergang von quantenmechanischen Systemen zu klassischen auch der Zeitpfeil geliefert werden. Quantenmechanische Systeme an sich haben keinen Grund, die Zeitsymmetrie zu brechen (mal abgesehen von Phänomenen der schwachen Wechselwirkung, die aber ja nicht allgeimein gelten).

Hano 08.07.21 09:23

AW: Zeitpfeil und Zeitumkehrinvarianz
 
Gibt es irgendwo ( ausserhalb Einsteins Welt) eine Liste von Definitionen für den Begriff ZEIT? Der Wort Zeit wird für x-beliebige Situationen benutzt.


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