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-   -   Kollaps der Wellenfunktion durch Bewusstsein (http://www.quanten.de/forum/showthread.php5?t=2991)

TomS 17.07.16 08:04

AW: Kollaps der Wellenfunktion durch Bewusstsein
 
Zitat:

Zitat von Joule (Beitrag 82313)
Wenn man das berühmte Doppelspaltexperiment durchführt, und einen Detektor anbringt, der misst, durch welchen Spalt das Teilchen geht, die Ergebnisse dieser Messung jedoch nicht betrachtet, verschwindet dann das Interferenzmuster vom Schirm oder bleibt es bestehen?

Das hängt von den Details des Detektors und des nicht-Beobachtens ab.

a) Ein Detektor könnte aus zwei Atomen bestehen, je eines hinter einem Spalt, die durch ein Photon angeregt werden. Im Falle dieser Anordnung bleibt das System interferenzfähig, denn man erhält wiederum eine quantenmechanische Superposition.

Ohne Atome hätte man hinter den Spalten 1 und 2 ganz grob den interferenzfähigen Superpositionszustand |1> + |2>. |1> bzw. |2> steht dabei für ein Photon, das durch Spalt 1 bzw. 2 gegangen ist.

Mit Atomen A und B (die außerdem ununterscheidbar sein sollen) hätte man hinter den Spalten 1 und 2 ganz grob den Superpositionszustand |A*,B> + |A,B*>. * steht für die Anregung des jeweiligen Atoms. Natürlich zerfällt der angeregte Zustand unter Aussendung eines Photons wieder in den Grundzustand |A,B,1'> + |A,B,2'> = |A,B> (|1'> + |2'>). Der ' deutet an, dass es sich um ein vom ersten bzw. zweiten Atom emittiertes Photon handelt. Die Superposition besagt, dass eben nicht genau ein Atom das Photon abstrahlt, und dass demzufolge der Endzustand wieder einen interferenzfähigen Superpositionszustand des Photons enthält.

Es gibt tatsächlich ähnlich gelagerte Experimente, z.B. Wheele's delayed choice, delayed Choice quantum erazor

b) Anders verhält es nun, wenn man einen makroskopischen Detektor hinter dem Doppelspalt platziert. Zunächst mal wird der Detektor in einen Zeiger-Zustand übergehen, der den Durchgang durch Spalt 1 oder Spalt 2 repräsentiert. Anders als im vorigen Beispiel liegt bei einem makroskopischen Detektor jedoch eine Verschränkung mit prinzipiell unbeobachtbaren Umgebungsfreiheitsgraden (Luft, Photonen, ... im Labor) vor. Beobachtet man nun das Muster auf dem Schirm, so beobachtet man gerade nicht diese Umgebungsfreiheitsgrade (könnte man diese Umgebungsfreiheitsgrade vollständig in die Messung des Musters auf dem Schirm einbeziehen, so würde tatsächlich ein vollständig interferenzfähiger Zustand resultieren; das verlangt die Schrödingergleichung). Vernachlässigung dieser Freiheitsgrade entspricht sozusagen einer mathematischen Mittelung über diese (Stichworte reduced density matrix, partial trace, decoherence). Das Ergebnis ist ein Zustand, der sich näherungsweise wie ein klassisches statistisches und damit nicht interferenzfähiges Gemisch verhält. Wichtig dafür ist jedoch letztlich immer die Umgebung; wenn man in der Lage ist, die o.g. Atome A und B durch größere Quantenobjekte zu ersetzen und dabei eine perfekte Isolation von der Umgebung zu erreichen, dann bleibt die Interferenzfähigkeit erhalten.

Joule 17.07.16 12:16

AW: Kollaps der Wellenfunktion durch Bewusstsein
 
War nur ein Schlussstrich für das abgeschlossene Thema nicht für die noch offene Frage ;)
Danke auch für die Antwort - super Forum hier :)

Hawkwind 17.07.16 14:02

AW: Kollaps der Wellenfunktion durch Bewusstsein
 
Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 82308)
Ich denke nicht, dass der Kollaps der Wellenfunktion als reales Objekt mit einen Bewusstsein in Zusammenhang gebracht werden kann.

Einige "gestandene Physiker" wie etwa Wheeler können das durchaus:
https://de.wikipedia.org/wiki/Anthro...hibald_Wheeler


Dennoch hast du sicher recht, wenn du sagst:
Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 82308)
Ich denke, kaum ein Physiker nimmt eine derartige Haltung ein.

und mit dem, was du sonst noch sagst wohl auch. :)

TomS 17.07.16 18:06

AW: Kollaps der Wellenfunktion durch Bewusstsein
 
Zitat:

Zitat von Hawkwind (Beitrag 82324)
Einige "gestandene Physiker" wie etwa Wheeler können das durchaus ...

Penrose hatte auch eine derartige Theorie entwickelt.

future06 26.07.16 11:44

AW: Kollaps der Wellenfunktion durch Bewusstsein
 
Die Kollaps-Theorie ist vor kurzem wieder aufgegriffen worden, diesmal von der Philosophie und zwar federführend von David Chalmers (bekannt als Begründer des sog. "Hard Problems" der Philosophie des Geistes).
Hier ein erstes Paper von 2014: http://consc.net/papers/collapse.pdf

Chalmers arbeitet an diesem Projekt zusammen mit Kelvin McQueen, ein früherer Doktorand von Chalmers. Hier findet sich etwas Hintergrundinformation: https://kelvinmcqueen.com/research/consciousness/

Die Grundidee hinter dieser Theorie sind sog. M-Properties. Das sind hypothetische Eigenschaften eines quantenphysikalischen Systems, die mit der Kollapswahrscheinlichkeit (analog zum GRW-Modell) in Relation stehen (die Penrose Theorie basiert ebenfalls auf M-Properties). Ein möglicher Kandidat für diese M-Properties ist die sog. quantenmechanische Beschreibung der IIT (Integrated Information Theorie, nach Tononi), siehe hier: http://arxiv.org/abs/1405.0879 (Kobi Kremnizer, André Ranchin).

Für die nächsten Monate ist ein Draft-Paper von Chalmers/McQueen angekündigt.

TomS 26.07.16 12:29

AW: Kollaps der Wellenfunktion durch Bewusstsein
 
Ich habe da so meine Zweifel ... aber ich werde versuchen, das Paper zu verstehen

inside 26.07.16 13:30

AW: Kollaps der Wellenfunktion durch Bewusstsein
 
Stewart Hameroff war auch mal involviert, ich meine, mit Penrose. Orchestrated bla bla bla.

Ich 26.07.16 22:27

AW: Kollaps der Wellenfunktion durch Bewusstsein
 
Was für ein Bullshit. Philosophen sollten endlich mal lernen, keine Physik machen zu wollen.

TomS 27.07.16 08:01

AW: Kollaps der Wellenfunktion durch Bewusstsein
 
In http://arxiv.org/pdf/1405.0879v3.pdf wird Gleichung (15) eingeführt; es ist klar, dass die Koeffizienten hm,n(ρ) unbekannt sind. Lassen wir sie doch mal die Arbeit machen; ist ja im letzten Abschnitt beschrieben.

Marco Polo 27.07.16 20:24

AW: Kollaps der Wellenfunktion durch Bewusstsein
 
Zitat:

Zitat von Ich (Beitrag 82410)
Was für ein Bullshit. Philosophen sollten endlich mal lernen, keine Physik machen zu wollen.

Das ist so pauschal gesprochen ganz einfach unfair, wenn du mich fragst. Zumindest dann, wenn man sich die Mühe macht, die Vergangenheit der Physik etwas näher zu beleuchten.

Viele der in grauer Vergangenheit gestellten grossen philosophischen Fragen, stehen heute im Mittelpunkt der Physik. Übrigens mit ein Grund, warum viele Physik-Studenten Philosophie im Nebenfach studieren.

Ich gebe dir aber insofern Recht, dass bei der heutigen Komplexität in der Physik, Philosophen sich genau überlegen sollten, zu was sie sich äussern.


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