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HansBenzell 29.08.22 09:50

Auferstehung der Toten und Informationserhaltung
 
Hallo liebe Forumsteilnehmer,

Zuerst möchte ich mich kurz vorstellen. Ich bin 63 Jahre alt und Diplom-Informatiker, die Mathe- und Physik-Vorlesungen liegen also schon um die vierzig Jahre zurück.

Seit drei Jahren schreibe ich an einem Science-Fiction Roman, in dem es darum geht, dass Menschen aus unserer Zeit in einer fernen Zukunft auferweckt werden, indem perfekte Kopien ihrer erstellt werden. Also Kopien mit allen Genen und Erinnerungen der Originale. Diese Auferweckten sind dann unsterblich, weil sie immer wieder kopiert werden können.
Ich habe im Rahmen meiner Möglichkeiten recherchiert.

Unter anderen steht in
Wikipedia:Informationsparadoxon

"Das Verschwinden von Informationen widerspricht einem Grundprinzip der Quantenmechanik, dem Postulat der Unitarität der Zeitentwicklung."

Den Thread Quanten-Unsterblichkeit. hier im Forum habe ich gelesen und das YT-Video angeschaut.

Ich möchte die Leser nicht mit Quantenphysik, Viele-Welt-Theorie und Kopenhagener Deutung abschrecken und habe deshalb versucht, die Informationserhaltung in "Alltagsphysik" darzustellen.

Ist die folgende Darstellung im Auszug (gekürzt und leicht geändert) korrekt?

Es geht darum, dass einem neuen Ankömmling (von den Toten Auferweckten) erklärt wird, was mit ihm geschehen ist:
---
»Sie wissen, was Klonen ist?«
Johannes überlegte kurz. »Die Erzeugung eines genetisch identischen Zwillings eines Lebewesens.«

Michael nickte. »Richtig, das bedeutete Klonen in Ihrer Epoche. Wir übertragen zusätzlich die Erinnerungen und alle erworbenen Merkmale auf den Klon. Wir sind in der Lage, Lebewesen komplett zu kopieren, auch Menschen.«

»Haben Sie das mit mir gemacht? Das ist ausgeschlossen. Eine solche Technik existiert nicht.«

»Ja. Die Epoche, aus der Sie stammen, war noch weit von diesem Stand der Forschung und Technik entfernt«, sagte Michael und legte wieder eine kurze Pause ein.

»Dann bin ich also in der Zukunft? Woher haben Sie dann alle Informationen über mich und mein Leben?«, fragte Johannes.

»Information ist unvergänglich. Schreiben Sie ein paar Sätze auf ein Stück Papier und verbrennen Sie es, der Text bleibt in Rauch und Asche erhalten. Beides verweht, Ihre Worte aber vergehen nie. Die Erhaltung von Information, über alle Verwandlungen der Materie hinweg, haben bereits Wissenschaftler Ihrer Epoche diskutiert. Wir sind in der Lage, alle Information aus der Vergangenheit zu rekonstruieren.«

Ein ähnliches Beispiel ist beschrieben in:
https://www.spektrum.de/magazin/das-...oechern/823827

Bernhard 29.08.22 10:10

AW: Auferstehung der Toten und Informationserhaltung
 
Zitat:

Zitat von HansBenzell (Beitrag 100696)
Ist die folgende Darstellung im Auszug (gekürzt und leicht geändert) korrekt?

Hallo HansBenzell,

willkommen im Forum.

Ich finde den Auszug ganz originell. Datenerhalt ist auch technisch ein "großes" Thema, worüber auch schon H. Lesch "sinniert" hat.

Das quantenmechanische Informationsparadoxon betrifft dagegen praktisch ausschließlich den Ereignishorizont von Schwarzen Löchern (SL) und wurde damit im Auszug noch nicht angesprochen.

HansBenzell 29.08.22 11:20

AW: Auferstehung der Toten und Informationserhaltung
 
Hallo Bernhard,
danke für die Antwort. Das Problem mit den Schwarzen Löchern klammere ich aus, soviel ich verstanden habe, könnten die Informationen wieder raus kommen oder für immer verloren sein. Wobei es eher so aussieht, als ob die Informationen nie verloren gehen. Deshalb schreibe ich:

"Die Erhaltung von Information, über alle Verwandlungen der Materie hinweg, haben bereits Wissenschaftler Ihrer Epoche diskutiert."

Ich will SciFi (wissenschaftlich orientiert) schreiben und keine Fantasy (mit Magie, wie Harry Potter).

Bernhard 29.08.22 12:22

AW: Auferstehung der Toten und Informationserhaltung
 
Zitat:

Zitat von HansBenzell (Beitrag 100699)
.... Deshalb schreibe ich:

"Die Erhaltung von Information, über alle Verwandlungen der Materie hinweg, haben bereits Wissenschaftler Ihrer Epoche diskutiert."

Das ist völlig ok so.

Zitat:

Ich will SciFi (wissenschaftlich orientiert) schreiben und keine Fantasy (mit Magie, wie Harry Potter).
Ich wünsche viel Erfolg dabei.

Cossy 29.08.22 15:13

AW: Auferstehung der Toten und Informationserhaltung
 
Schau Dir mal bitte das Konzept der "Mutterboxen" im Film Justice League aus dem DC-Universum an. Dort wird behauptet das diese Dinger genau das können. Aus dem Rauch und der Asche eines Hauses, dass wieder zu bauen. In diesen Fall Superman wieder zum Leben zu erwecken. Scheint deiner Idee sehr nahe zu sein.

TomS 30.08.22 07:40

AW: Auferstehung der Toten und Informationserhaltung
 
Das Informationsverlustparadoxon bezieht sich auf eine nicht vollständig verstandene Kombination von Quantenfeldtheorie und Gravitation, wodurch Ergebnisse resultieren, die dem Axiom der Erhaltung der Unitarität im Rahmen der Quantenmechanik widersprechen. Es hat also eher etwas mit dem Problem der gemeinsame Anwendung zu tun als mit einem echten physikalischen Phänomen, bei dem Information verloren ginge. Hinter dem Begriff der Erhaltung der Unitarität verbirgt sich letztlich die universelle Gültigkeit der Schrödingergleichung.

Auch interessant ist der sogenannte “Kollaps der Wellenfunktion”, der ebenfalls Information zu vernichten scheint. Dabei darf dieser Kollaps ebenfalls nicht als echtes physikalisches Phänomen verstanden werden - das würde wiederum die Unitarität verletzen - sondern allenfalls als Rechenregel, bei dem aufgrund aktualisierter Informationen nach einer Messung neue Anfangsbedingung gesetzt werden. Tatsache ist, dass viele Physiker heute eher sogenannten noon-collapse Interpretationen zuneigen, in deren Rahmen auf den Kollaps vollständig verzichtet wird. Es gibt einfache Beispiele, in denen eine naive Anwendung des Kollapses “gemäß Lehrbuch” zu nachweislich falschen Vorhersagen führt.

Nun zu ein paar einschränkenden Theoremen der Quantenmechanik, die du evtl. beachten solltest.

Zum einen ist da das no-cloning Theorem, das besagt, dass man einen Quantenzustand bzw. dessen Information nicht exakt kopieren kann. Man kann ihn “teleportieren”, d.h. Information exakt von A auf B übertragen, allerdings wird dabei die Information in A vollständig zerstört (nicht A selbst). Man kann jedoch nicht die Information aus A auslesen und so auf B übertragen, dass sie sowohl in A als auch B identisch vorliegt. D.h. z.B. dass das quantenmechanische Auslesen der in einem Quantencomputer gespeicherten Informationen diese Informationen zerstört.

Dann haben wir diverse Überlegungen im Umfeld des EPR-Paradoxons und der Bellschen Ungleichung. Letztere besagt, dass obwohl bei der Messung an räumlich getrennten, miteinander verschränkten Subsystem zwar perfekte Korrelation der Messergebnisse vorliegt, diese Information bzgl. der Korrelation nicht in den einzelnen Subsystemen “lokal am Ort der Messung” vorliegen kann; die Quantenmechanik und - aufgrund der experimentellen Bestätigung - auch die Natur sind sicher nicht-lokal. Trotz dieser Nichtlokalität können diese Experimente nicht zur instantanen Kommunikation verwendet werden.

Ein letztes Beispiel, in dem Information eine Rolle spielt, ist die sogenannte Dekohärenz. Sie löst in gewisser Weise das o.g. Problem des Kollapses und ist verträglich mit der Unitarität bzw. letztlich sogar eine Konsequenz derselben. Wenn im Zuge einer Messung an einem in Superposition befindlichen Quantensystem ein eindeutiges Messergebnis resultiert und der Superpositionszustand zu kollabieren scheint (!) dann kann dies verstanden werden als “Abwandern” der zugehörigen Information in die Verschränkung des Quantensystems mit der Umgebung, d.h. den notwendigerweise immer vorliegenden minimalen Störungen durch Photonen und Luftmoleküle etc. - auch im Ultrahochvakuum. Das Quantensystem liegt nach der Messung in dekohärenten Zweigen vor (auf die darauf aufbauende Viele-Welten-Interpretation gehe ich jetzt nicht ein), die Information über den ursprünglich “reichhaltigeren” Zustand steckt in der Verschränkung aus Quantensystem, Messgerät und Umgehung. Sie ist damit prinzipiell vorhanden, d.h. die Unitarität bleibt gewahrt, jedoch praktisch unzugänglich, denn um an sie heranzugelangen müsste man sie aus der Korrelation des Quantensystems mit Photonen, Luftmolekülen … extrahieren. Insofern geht Information praktisch verloren.

Wenn es überhaupt einen Feind der Information gibt, dann ist es die Dekohärenz. Deswegen glaube ich in der Praxis nicht an »Information ist unvergänglich … Wir sind nicht in der Lage, alle Information aus der Vergangenheit zu rekonstruieren.«

Und jetzt wünsche ich dir trotzdem viel Erfolg bei deinem Buch!

Ich 30.08.22 09:08

AW: Auferstehung der Toten und Informationserhaltung
 
Sehe ich auch so. Erstens denke ich, dass Menschen klassische Automaten sind, also auch ohne explizite Quanteneffekte wie Verschränkung beschreibbar sind. Und zweitens geht Information schon verloren - es ist egal, ob prinzipiell oder praktisch, auf jeden Fall ist in hundert Jahren nichts mehr rekonstruierbar, was nicht auch ganz gewöhnliche klassische Weise die Zeit überdauert hat.
Aber für SciFi mag so ein Verweis auf Unitarität vielleicht reichen, es muss sich ja hauptsächlich plausibel und wissenschaftlich anhören, nicht funktionieren.

HansBenzell 30.08.22 14:12

AW: Auferstehung der Toten und Informationserhaltung
 
@TomS @Ich
Danke für die Antworten

Ich verstehe nicht alles, was Du schreibst. Kann man es so zusammenfassen: In der Theorie möglich, praktisch unmöglich.

Du schreibst weiter:
Zum einen ist da das no-cloning Theorem, das besagt, dass man einen Quantenzustand bzw. dessen Information exakt kopieren kann. Man kann ihn “teleportieren”, d.h. Information exakt von A auf B übertragen, allerdings wird dabei die Information in A vollständig zerstört (nicht A selbst). Man kann jedoch nicht die Information aus A auslesen und so auf B übertragen, dass sie sowohl in A als auch B identisch vorliegt. D.h. z.B. dass das quantenmechanische Auslesen der in einem Quantencomputer gespeicherten Informationen diese Informationen zerstört.

Das https://de.wikipedia.org/wiki/No-Cloning-Theorem scheint ein Grund zu sein, warum man mittels Quantenverschränkung Information nicht überlichtschnell übertragen kann. Fehlerkorrekturcode scheinen auch nicht gehen. Warum Paritybits und Checksums nicht funktionieren, die zumindestens erkennen liessen, dass die Information verändert wurden, verstehe ich nicht.

Ein klassisches Problem der SciFi. StarTrek flog noch per WRAP Antrieb. Eine überlichtschnelle Kommunikation würde ja auch genügen, wenn man am Ziel die Objekte wieder herstellen könnte. Geht aber nicht, leider.

@Cossy
Danke für den Hinweis

TomS 30.08.22 17:03

AW: Auferstehung der Toten und Informationserhaltung
 
Zitat:

Zitat von HansBenzell (Beitrag 100720)
Zum einen ist da das no-cloning Theorem, das besagt, dass man einen Quantenzustand bzw. dessen Information nicht exakt kopieren kann. Man kann ihn “teleportieren”, d.h. Information exakt von A auf B übertragen, allerdings wird dabei die Information in A vollständig zerstört (nicht A selbst). Man kann jedoch nicht die Information aus A auslesen und so auf B übertragen, dass sie sowohl in A als auch B identisch vorliegt. D.h. z.B. dass das quantenmechanische Auslesen der in einem Quantencomputer gespeicherten Informationen diese Informationen zerstört.

Sorry, das “nicht” ist verloren gegangen!

Zitat:

Zitat von HansBenzell (Beitrag 100720)
Das https://de.wikipedia.org/wiki/No-Cloning-Theorem scheint ein Grund zu sein, warum man mittels Quantenverschränkung Information nicht überlichtschnell übertragen kann.

Nein, mit der Möglichkeit überlichtschneller Übertragung hat das nichts zu tun. Ich traue der dt. Wikipedia da nicht, insbs. wird das Originalpapier nicht zitiert - immer ein schlechtes Zeichen. Auch die eng. Wikipedia ist da etwas kryptisch.

Das no-cloning Theorem ist ein algebraisch simpler Beweis, der letztlich folgendes besagt:

gelöscht, da Sonderzeichen nicht funktionieren, d.h. nicht lesbar


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