Ist die Stringtheorie eine Theorie?
http://www.nature.com/news/scientifi...hysics-1.16535
Zitat:
Damit fallen Stringtheorie und Multiversum durchs Raster. Und vielleicht irgendwann eine Quantengravitation (gut, hier könnte es eine winzige Chance der Testbarkeit geben), mag sie mathematisch noch so überzeugend wirken. Was könnte man eigentlich dem konservativen Standpunkt von E&S entgegenhalten? |
AW: Ist die Stringtheorie eine Theorie?
Das ist eine sehr spannende Fragestellung.
2009 hat David Gross, einer der maßgeblichen Forscher auf dem Gebiet der Stringtheorie, einen Vortrag zu Status und offenen Punkten gehalten. http://strings2009.roma2.infn.it/tal..._Strings09.pdf http://www.ift.uam.es/strings07/040_...nces/gross.pdf Hier die wesentlichen Punkte: WHAT IS STRING THEORY? This is a strange question since we clearly know what string theory is to the extent that we can construct the theory and calculate some of its properties. However our construction of the theory has proceeded in an ad hoc fashion, often producing, for apparently mysterious reasons, structures that appear miraculous. It is evident that we are far from fully understanding the deep symmetries and physical principles that must underlie these theories. It is hoped that the recent efforts to construct covariant second quantized string field theories will shed light on this crucial question. We still do not understand what string theory is. We do not have a formulation of the dynamical principle behind ST. All we have is a vast array of dual formulations, most of which are defined by methods for constructing consistent semiclassical (perturbative) expansions about a given background (classical solution). What is the fundamental formulation of string theory? WHAT IS MISSING ? Perhaps “String theory” is like quantum field theory - a framework and not a definitive theory. Perhaps we are missing a fundamentally new principle of symmetry, of dynamics, of consistency, .... that leads to a unique solution --- not a “vacuum” but a space-time, a cosmology. ****** Dann gibt es eine sehr empfehlenswerte Webseite von Urs Schreiber, auf der auch kritische Aussagen zum ggw. Status zu finden sind. http://ncatlab.org/nlab/show/string+...akePredictions Hier die wesentlichen Kritikpunkte: While the string perturbation series is a well-defined expression analogous to the Feynman perturbation series, by itself it lacks a conceptual property of the latter: the Feynman perturbation series is known, in principle, to be the approximation to "something", namely to the corresponding complete hence non-perturbative quantum field theory. The idea is that the string perturbation series is similarly the approximation to something, to something which would then be called non-perturbative string theory, but that something has not been identified. ... Therefore if the qualification “perturbative”/“non-perturbative” is suppressed, then the term “string theory” is quite ambiguous and has frequently led to misunderstanding. Perturbative string theory is a well defined and formally suggestive variant of established perturbation theory in QFT. Non-Perturbative string theory on the other hand is a hypothetical refinement of this perturbative theory of which there are maybe some hints, but which by and large remains mysterious, if it exists at all. ... There are various hints ... that all perturbative superstring theories ... have a joint strong coupling non-perturbative limit whose low energy effective field theory description is 11-dimensional supergravity and which reduces to the various string theories by Kaluza-Klein compactification on an orientifold torus bundle, followed by various string dualities. Since the string itself is thought to arise from a membrane/M2-brane in 11-dimensions after double dimensional reduction this hypothetical theory has been called “M-theory” short for “membrane theory”; e.g. in Hořava-Witten 95: "As it has been proposed that the eleven-dimensional theory is a supermembrane theory but there are some reasons to doubt that interpretation, we will non-committally call it the M-theory, leaving to the future the relation of M to membranes." The “reasons to doubt” that interpretation is that the M2-brane certainly does not support a perturbation theory the way that the superstring does. This is part of the reason why the actual nature of “M-theory” remains mysterious. ... As mentioned before, there is the idea that perturbative string theory is indeed the perturbative approximation to an as-yet unknown non-perturbative string theory. To the extent that this is true, the dependence of the string perturbation series on the choice of “background” should be of the same superficial nature as it is for traditional perturbative QFT. But this remains a conjecture. (Hervorhebungen von mir) ****** Meine Meinung zur Stringtheorie ist ggw. folgende: Es existiert keine fundamentale und universelle Definition der Stringtheorie, sondern lediglich eine Ansammlung verschiedener Darstellungen, die in bestimmten Bereichen der "Landscape" gültig sind; d.h. letztlich verschiedene Stringtheorien. Damit kennen wir im Rahmen "der Stringtheorie" auch keine fundamentalen und universellen Freiheitsgrade; d.h. es gibt nicht den String. Das gilt auch für die (hypothetische) M-Theorie. Es besteht außerdem die Möglichkeit, dass die Stringtheorie der prinzipiell falsche Ansatzpunkt ist, da sie soetwas wie eine effektive Theorie darstellt, vergleichbar zu chiral-effektiven Theorien der starken WW oder Feldtheorien für Quasiteilchen in Festkörpern. Diese sind prinzipbedingt nicht in der Lage, die zugrundeliegenden fundamentalen Freiheitsgrade zu identifizieren. Bei "der Stringtheorie" handelt es sich nicht um eine einzige physikalische, falsifizierbare Theorie, sondern um ein Konstruktionsprinzip, ähnlich wie z.B. "die Eichtheorie". Der wesentliche Unterschied und Fortschritt besteht darin, dass dieses Konstruktionsprinzip zum einen die Gravitation umfasst, und dass es zum anderen eine Art Generator für Quantenfeldtheorien darstellt. An die Stelle einzelner Theorien treten hier jedoch Lösungen bzw. Vacua in der String-Landscape. Das ist m.E. die zentrale Behauptung: alle konsistenten Quantenfeldtheorien, die die Gravitation einschließen, sind in der Landscape beheimatet. Der wesentliche offene Punkt besteht darin, dass aufgrund der fehlenden fundamentalen Definition der Stringtheorie (s.o.) auch kein universelles Konstruktionsprinzip sondern bisher lediglich eine Ansammlung von Regeln existiert. Ich kann und will den beiden Autoren gar nichts entgegenhalten. Ich bin nur der Meinung, dass - solange keine Einigkeit besteht, was denn die Stringtheorie eigentlich ist - wir noch gar nicht in der Situation sind, das Prinzip der Falsifizierbarkeit anzuwenden. Es gibt tatsächlich universelle Folgerungen aus der Stringtheorie, die zumindest prinzipiell, wenn auch nicht praktisch testbar sind, nämlich das Hochenergieverhalten von Streuamplituden sowie die unendlich vielen Resonanzen; beides leider wohl erst im Bereich der Planckmasse. Wenn wir die Stringtheorie eher als Konstruktionsprinzip begreifen, dann müssen wir auch andere Kriterien bzgl. ihrer Testbarkeit anwenden. Kann man "die Eichtheorie" testen? Ich denke nein. Dummerweise folgt aber aus der Existenz einer Eichtheorie wie z.B. des Standardmodells nicht die Existenz weiterer Eichtheorien, während man aus der Stringtheorie (wenn überhaupt) das Standamodell nur um den Preis der Existenz der Landscape und somit weiterer Theorien erhält. Inwieweit diese nun real existieren, ist eine weitere ungelöste Frage. Evtl. sind diese weiteren Theorien = Vacua der Landscape tatsächlich echte Lösungen, so wie das Standardmodell neben dem Wasserstoffatom auch Hefeweizen und Schweinebraten sowie das Quark-Gluon-Plasma als Lösung zulässt. Aus dem oben Gesagten ergibt sich wohl, dass die Stringtheorie zum ggw. Zeitpunkt weder "hinreichend elegant" ist, noch "ausreichende Erklärungen" liefert. Das kann man guten Gewissens sofort zurückweisen. Für alles weitere ist das letzte Wort sicher noch nicht gesprochen, wie die kritischen Beiträge u.a. von Gross zeigen. Zum Artikel von Ellis: grundsätzlich hat er recht! Es mag jedoch Auswege sowie Grenzfälle geben. Einen "Ausweg" bzgl. der Stringtheorie habe ich genannt, sie ist noch in keinem "reifen" Stadium, so dass (noch) keine Tests möglich sind. Es geht dann wohl eher um Ungeduld als um Falsifizierbarkeit ;-) Ein Grenzfall ist sicher die Extrapolation gut bestätigter Theorien, so z.B. die ART bzgl. räumlich und zeitlich unendlichem Universum, dem Gravitationsfeld im Inneren des Ereignishorizontes, weißen Löchern u.ä. Bis wohin vertrauen wir der Theorie bzgl. der Zulässigkeit der Extrapolation? Ab welchem Punkt zweifeln wir? Und was sind die objektiven Kriterien für das Vertrauen bzw. den Zweifel - außer natürlich Testbarkeit?? |
AW: Ist die Stringtheorie eine Theorie?
Zitat:
Es heisst:"Damit ist es möglich, Aussagen über die zugrundeliegende Theorie in verschiedenen Grenzbereichen zu machen, obwohl eine explizite Formulierung nicht bekannt ist." Vom Standpunkt des einen Stringmodells sind gewisse Berechnungen undurchführbar, während das gleiche Problem vom Standpunkt des anderen Stringmodells völlig trivial erscheint. Klingt erstmal genial. Wenn man sich aber z.B. die quasi unendlich vielen Varianten von Calabi-Yau-Räumen anschaut, weiss man, dass es niemals mathematisch gelöst werden kann, welcher denn jetzt genau Anwendung findet. Vielleicht wird man künftig in der Lage sein, bestimmte Calabi-Yau-Räume durch Beobachtungen der Hintergrundstrahlung auszuschliessen oder sowas in der Art. Keine Ahnung. :o |
AW: Ist die Stringtheorie eine Theorie?
Zur M-Theorie und den Dualitäten siehe auch den Text von Urs.
Das Problem ist ja nicht, dass innerhalb einer Theorie verschiedene CY-Räume möglich sind, sondern dass es für die unterschiedliche Theorien (Heterotic-E, ...) keine einheitliche, fundamentale Darstellung gibt; und dass es diese M-Theorie in diesem Sinne auch (noch) nicht gibt. Stell' dir vor, du entwickelst auf Basis der chiralen Störungstheorie, Flavour-Symmetrie, Current-Algebra usw. effektive Theorien zur Beschreibung von Hadronen (lassen wir mal die Lästigkeit der nicht-Renormierbarkeit beiseite). Du wirst in diesen Theorien nie die fundamentalen Freiheitsgrade (Quarks & Gluonen) finden. Oder stell' dir vor, du betrachtest effektive Feldtheorien und Quasiteilchen im Rahmen der Festkörperphysik (Phonen, Exzitonen, Polaronen, ..., Ginzburg-Landau, ... ) und findest nie Elektronen und Atomrümpfe. Evtl. befinden wir uns mit der Stringtheorie in genau derselben Situation, dass nämlich der String gar kein fundamentales Objekt sondern eine Art effektiver Freiheitsgrad, also eine Art Quasiteilchen ist. Das sollte die Forscher viel mehr beschäftigen als ein paar CY-Räume mehr oder weniger. |
AW: Ist die Stringtheorie eine Theorie?
Zitat:
Leider kenne ich die Stringtheorie aber nur aus der populärwissenschaftlichen Liiteratur (Brian Greene), demgemäß das CY-Problem allerdings massgeblich ist. |
AW: Ist die Stringtheorie eine Theorie?
Zitat:
CY-Räume innerhalb einer Stringtheorie (o.a. Kompaktifizierungen) wären dann evtl. soetwas wie verschiedene Eichgruppen, Fermion-Generationen usw. Niemand außer der Natur selbst sagt dir, welche Eichgruppe du für das Standardmodell benutzen sollst. Im Rahmen der Stringtheorie hast du die Wahl nicht zwischen Theorien, sondern zwischen Lösungen einer einzigen Theorie. Welche davon realisiert ist, sagt dir die Theorie auch nicht (das Standardmodell lässt Wasserstoff, Hefeweizen und Schweinebraten als Lösungen zu, sagt dir aber nicht, welche Lösung wann und wo existiert). Wenn man eine Stringtheorie als Framework benutzt, um unser Universum sowie mögliche andere als Lösungen davon zu betrachten, dann ist dagegen erst mal nichts einzuwenden. Das Problem, über das wir hier sprechen, ist ja die Vorhersagekraft der Theorie. Wenn es sich so verhält wie gerade eben beschrieben, und wenn wir in der Lage sind, eine Lösung der Theorie zu finden, die dem Standardmodell plus Gravitation mit/ohne SUSY usw. entspricht, dann haben wir evtl. eine sehr komplexe Theorie, um dieses eine unser Universum zu beschreiben. Dann stellt sich auch nicht die Frage ob richtig oder falsch, nur ob praktisch oder nicht; und ggf. käme Ockham's razor zum Einsatz. Oder die Theorie bzw. die Lösung enthält tatsächlich mehr, insbs. eine UV-vollständige Theorie inkl. Gravitation ohne Unendlichkeiten und Singularitäten. Dann hätte diese Theorie bzw. Lösung einen echten Mehrwert und wäre prinzipiell testbar. Die Stringtheorie hat aber darüber hinaus das viel größere Problem, dass es diese eine Theorie gar nicht gibt, sondern dass wir es mit einer Ansammlung von Theorien, Formulierungen, Regeln und Beziehungen (Dualitäten) zu tun haben, die wir ggw. nur ansatzweise verstehen. Es fehlt schlichtweg ein fundamentales Prinzip. Es gibt also "die Stringtheorie" gar nicht. (s.o. die Zitate) Und nun kommen wir zu einem psychologischen Problem; da haben ja mehrere Physiker schon genügend Kritik abgeladen; siehe auch [1] - [3] in dem von dir verlinkten Artikel: einige Stringtheoretiker werfen offensichtlich die Flinte ins Korn und wollen die Theorie und ihre Resultate als ontologische Tatsache verstanden wissen. Demzufolge existiert die Landscape, ein Multiversum, alle diese verschiedenen Kompaktifizierungen, und es existieren antropische o.a. Selektionsprinzipien, denenzufolge wir uns in gerade diesem (oder einem ähnlichen) Universum befinden müssen. Und das kann und darf angesichts des Status' der Theorie einfach nicht sein! Wie kann man Näherungen an eine Ansammlung von unfertigen Theorien ohne experimentellen Beleg als tatsächlich existierend bezeichnen? Und wie kann man behaupten, diese Ansammlung ohne fundamentale Formulierung und ohne fundamentales Prinzip wäre nun gerade das fundamentale Prinzip? Das ist doch in hohem Maße unseriös. Ich kann man das nur durch einen psychologisch motivierten Tunnelblick erklären: zwei Generationen (!) von Forschern, die teilweise nichts anderes kennen als Strings, sollen selbstkritisch genug sein, um gerade diese Strings in Frage zu stellen. Das wird nicht bei allen auf fruchtbaren Boden fallen. Meine o.g. Meinung stellt in gewisser Weise einen Kompromiss dar: die Stringtheorie nicht als Theorie mit real existierenden Lösungen, sondern als noch sehr unfertiges Framework, als Forschungsprojekt, das trotz eines enormen Forschungsaufwandes scheitern kann (weil es inkonsistent ist, weil es zu kompliziert ist, weil man die Mathematik nicht versteht, weil man keine realistischen Lösungen findet, ...). |
AW: Ist die Stringtheorie eine Theorie?
Da hast Du ja einiges zusammengetragen!
Zitat:
Dieser Aspekt Zitat:
Und wäre möglicherweise die Beschreibung einer fundamentalen Ebene unterhalb der Strings der Schlüssel zu einem besseren Verständnis der Nichtlokalität der Quantentheorie? |
AW: Ist die Stringtheorie eine Theorie?
Zitat:
Demgegenüber "existiert" für Strings immer nur je Kompaktifizierung / Vakuum die Störungsreihe als Summe über topologisch verschiedene World-Sheets, wobei folgende Aspekte offen sind: Definition des supersymmetrischen Maßes auf beliebigen Topologien (d.h. man ist heute nicht in der Lage, die Störungsreihe formal zu definieren); Beweis der Konvergenz in jeder Ordnung (in der QCD et al. kann man beweisen, dass die Renormierung in jeder Ordnung für alle Diagramme zu endlichen Resultaten führt); Konvergenz der gesamten Störungsreihe (höchstwahrscheinlich handelt es sich um eine asymptotische Reihe mit Konvergenzradius Null). Insbs. steckt die zweite Quantisierung der Stringtheorie, die sog. Stringfeldtheorie noch in den Kinderschuhen. Dabei handelt es sich um die Definition eines Pfadintegrals, das (ähnlich wie in der QFT) alle Amplituden über alle Worldsheet-Topologien zusammenfasst; dies wäre ein Ansatz für eine nicht-perturbative Definition. Ein weiterer Ansatz könnte aus der AdS/CFT-Dualität resultieren, wobei diese erstens nicht exakt bewiesen ist und zweitens leider nur für spezielle Räume mit AdS + speziellen Kompaktifizierungen funktioniert. D.h. zum einen liegt schlichtweg die falsche Geometrie vor (AdS statt dS) und zum anderen ist auch da nich nicht klar, ob daraus eine voll-dynamische Raumzeit resultieren kann. Letztlich kann ich dir aber nicht sagen, was eine nicht-perturbative Definition der Stringtheorie wäre, da sie ja unbekannt ist; ich kann lediglich erklären, was sie nicht ist ;-) Zur Antwort auf die zweiten Frage muss ich mir etwas Zeit lassen. |
AW: Ist die Stringtheorie eine Theorie?
Zitat:
Ok, Du hast ja schon davon gesprochen, daß es im Rahmen der String Forschung kein fundamentales Prinzip gibt, was ja wohl bedeutet keine exakten Lösungen. Dann ist eine Störungstheorie erst recht nicht in Sicht. Die Gemeinsamkeit der verschiedenen Ansätze scheint sich auf die Verabschiedung von der Null-Dimensionalität der Elementarteilchen zu beschränken, die Voraussetzung für Vibrationen. Zitat:
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AW: Ist die Stringtheorie eine Theorie?
Hallo zusammen,
Peter Eisenhardt schreibt zur String-Theorie in seinem Buch [1] auf Seite 223 folgendes: Zitat:
Zitat:
M.f.G Eugen Bauhof [1] Eisenhardt, Peter Der Webstuhl der Zeit. Warum es die Welt gibt. Reinbek bei Hamburg 2006 ISBN=3-499-60884-7 |
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