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-   -   Nicht-Lokalität und Relativitätsprinzip; VWI (http://www.quanten.de/forum/showthread.php5?t=3010)

Plankton 30.08.16 23:16

Nicht-Lokalität und Relativitätsprinzip; VWI
 
Hallo,

ich weiß, das Thema wurde hier im Forum schon öfters angeschnitten, mache trotzdem mal den Thread auf!
Für das Thema muss ich nun ein bisschen aus dem Buch zitieren --> http://www.pro-physik.de/details/rez...tenphysik.html

Zitat:

[...] drei von vier Konfliktpunkten mit der Relativitätstheorie können umgangen werden, wenn man annimmt, dass (1.) die Nicht-Lokalität keinen Materie- oder Energietransport beinhaltet, (2.) mit ihr keine Signale schneller als Licht gesendet werden können, [...], und (3.) es kein Problem mit der Asymmetrie der Kausalität gibt, wenn wir annehmen, dass die Nicht-Lokalität durch eine symmetrische Nicht-Seperabilität realisiert ist.
Weiterhin geht es um den "4. Konfliktpunkt", bei dem es darum geht, dass eine Nicht-Lokalität "die Tendenz hat, das Bezugssystem auszuzeichnen, in dem sie simultan ist" - was dem Relativitätsprinzip (alle Bezugssysteme gleichwertig) widerspricht .

Für das Problem der Vereinbarkeit gibt es demnach noch keine "allgemein akzeptierte Lösung"!

Und über die QFT heißt es:
Zitat:

Die Lorentz-Invarianz der QFT beschränkt sich auf Prozesse zwischen Messungen, aber der Kollaps der Wellenfunktion, und damit die Nicht-Lokalität der Mikro-Welt, bleibt ausgeklammert.
AFAIK "verzichtet" ja die VWI auf den Kollaps. Mein Frage ist nun:
Gibt es das geschilderte Problem in der VWI also nicht?

Hawkwind 31.08.16 11:38

AW: Nicht-Lokalität und Relativitätsprinzip; VWI
 
Zitat:

Zitat von Plankton (Beitrag 82495)
...
AFAIK "verzichtet" ja die VWI auf den Kollaps. Mein Frage ist nun:
Gibt es das geschilderte Problem in der VWI also nicht?

M.E. gibt es auch in der VWI ein ähnlich gelagertes Problem. Statt des Kollapses hat man nach meinem Verständnis die Verzweigung in viele Welten bei einer Messung. Diese Abspaltung läuft ja nun auch nicht brav lokal ab (sodass sie sich mit c "ausbreitet") sondern ist überall zugleich.

Ich denke, die "Nichtlokalität" kommt bereits mit dem Kern der QM, und nicht erst mit ihren Interpretationen.

Timm 31.08.16 14:09

AW: Nicht-Lokalität und Relativitätsprinzip; VWI
 
Zitat:

Zitat von Hawkwind (Beitrag 82496)
Ich denke, die "Nichtlokalität" kommt bereits mit dem Kern der QM, und nicht erst mit ihren Interpretationen.

Sehe ich auch so. Die VWI "löst" die Kollaps Problematik, was den experimentellen Befund der Nicht-Lokalität dabei nicht tangiert. Soweit mir bekannt, sind inzwischen auch letzte Schlupflöcher verschlossen.

Plankton 31.08.16 20:53

AW: Nicht-Lokalität und Relativitätsprinzip; VWI
 
OK, danke erstmal!

Zitat:

Zitat von Hawkwind (Beitrag 82496)
[...]
Ich denke, die "Nichtlokalität" kommt bereits mit dem Kern der QM, und nicht erst mit ihren Interpretationen.

Ja, sehe ich auch so. Über die Bellsche Ungleichung ist ja ziemlich viel bereits publiziert worden und auch in den letzten 10-30 Jahren wurden noch einige "Schlupföcher" geschlossen im Bezug zur QM. Dass die QM Nicht-Lokal ist, darüber ist man sich wohl aktuell sehr einig. Gibt noch Alternativen, aber die sind eher rein "technischer" Natur, wie z.B. andere Annahmen von Rückwärtsverursachung (Price 2008).

Ist schon irgendwie faszinierend! Eine Theorie, knapp 100 Jahre alt mit ausgezeichneten Ergebnissen und trotzdem sind viele Fragen noch offen und der "Feinschliff" wird uns auch noch in Zukunft lange beschäftigen.

BTW:
Ich hoffe ja darauf, dass sich die Probleme dadurch lösen, dass der Zusammenhang zwischen Gravitation und QM so als richtig erkannt wird (AdS/CFT Korrespondenz) und sich dann neue Perspektiven auftun!
BTW2: Weiß jemand warum http://www.pro-physik.de DOWN ist?

PS: Die VWI weckt bei mir meistens deshalb das meiste Interesse, weil sie IMHO das Maudlin-Trilemma am elegantesten entwirrt.

okotombrok 31.08.16 21:34

AW: Nicht-Lokalität und Relativitätsprinzip; VWI
 
Hallo Plankton,

Zitat:

Zitat von Plankton (Beitrag 82495)
Weiterhin geht es um den "4. Konfliktpunkt", bei dem es darum geht, dass eine Nicht-Lokalität "die Tendenz hat, das Bezugssystem auszuzeichnen, in dem sie simultan ist" - was dem Relativitätsprinzip (alle Bezugssysteme gleichwertig) widerspricht .

das verstehe ich nicht so ganz.
Was sollte das für ein ausgezeichnetes Bezugssystem sein? Wo liegt sein Ursprung?
Wäre es nicht sinnvoller, von einer Invarianz gegenüber Transformationen zu reden, wie bei der Lichtgeschwindigkeit?
Erübrigt die Nicht-Lokalität nicht überhaupt die Anwendung von Bezugssystemen, da diese sich immer auf einen lokalen Ursprung beziehen?

Kannst du mir, oder ein anderer da weiterhelfen?

mfg okotombrok

TomS 31.08.16 22:10

AW: Nicht-Lokalität und Relativitätsprinzip; VWI
 
Die VWI hat das Problem der Nicht-Lokalität explizit nicht. Bzw. anders: sie ist nicht lokal-realistisch, in dem Sinn, dass eben keine klassischen, lokalisierbaren Eigenschaften existieren - insbs. erzeugen Messungen keine Eigenzustände - aber das ist im Rahmen der VWI unproblematisch.

Rein mathematisch gehorcht die QM im Rahmen der VWI ausschließlich der unitären Zeitentwicklung

|ψ,t> = exp(-iHt) |ψ,0>

Eine "Verzweigung" ist dabei lediglich das makroskopische Erscheinen einer mikroskopisch bereit angelegt "Zweigstruktur", keine zusätzliche, andere oder neue Dynamik.

Die o.g. unitäre Zeitentwicklung ist kovariant, vorausgesetzt der Hamiltonoperator H entspricht der Zeitkomponente P⁰ eines Viererimpuls-Operators (P⁰, Pª) und erfüllt zusammen mit diesen sowie den Drehungen Lª und Boosts Kª die Poincare-Algebra.

Zitat:

Zitat von Plankton (Beitrag 82498)
PS: Die VWI weckt bei mir meistens deshalb das meiste Interesse, weil sie IMHO das Maudlin-Trilemma am elegantesten entwirrt.

Interessant. Ja, das sehe ich ähnlich. Außerdem ist sie axiomatisch sparsamer.

Plankton 31.08.16 22:31

Zitat:

Zitat von okotombrok (Beitrag 82499)
[...]

Kannst du mir, oder ein anderer da weiterhelfen?

Ich verstehe es leider nicht gut genug. Es geht hauptsächlich um Nicht-Separabilität und Lorentz-Invarianz. Ansonsten muss ich nochmal zitieren:

http://www.pro-physik.de/details/rez...tenphysik.html
Zitat:

Eine Theorie ist dann voll relativistisch, wenn die Gesetze, die sie involviert, Lorentz-Invariant sind. Lorentz-Invarianz ist der Kern der SRT. (...)
Nehmen wir an, die Nicht-Lokalität bestünde in einem nicht-separablen Quantenzustand. Dieser Quantenzustand ist nicht-lokal ausgedehnt, und das heißt, er muss auf einer raumartigen Hyperebene liegen. Damit entsprechen raumartige Hyperebenen den Simultaneitätsebenen in einer klassischen Raumzeit, aber mit dem wichtigen Unterschied, dass es in einer relativistischen Raumzeit keine ausgezeichnete Wahl einer Familie von parallelen Ebenen gibt. [...]
(gekürzt von mir)

Wie ich das verstehe, muss die Nicht-Lokalität der QM durch Nicht-Separabilität realisiert sein, dafür spricht, dass eine nicht-lokale Verbindung in manchen Bezugssystemen vorwärts, in manchen aber rückwärts in der Zeit laufen würde und es zum Konflikt mit der Asymmetrie der Kausalität kommt.

Der Verschränkte Zustand ist nicht-separabel die QM nicht-lokal und "der fundamentale Konflikt zwischen QM und Relativitätstheorie besteht nun darin zu sagen, entlang welcher Hyperebene die nicht-lokalen Quantenzustände liegen."

BTW: T. Maudlin soll das angeblich ausführlich diskutieren!

PS: Das wird sicher noch jemand besser erklären! ;)

TomS 31.08.16 22:49

AW: Nicht-Lokalität und Relativitätsprinzip; VWI
 
Zitat:

Eine Theorie ist dann voll relativistisch, wenn die Gesetze, die sie involviert, Lorentz-Invariant sind (...) Nehmen wir an, die Nicht-Lokalität bestünde in einem nicht-separablen Quantenzustand. Dieser Quantenzustand ist nicht-lokal ausgedehnt, und das heißt, er muss auf einer raumartigen Hyperebene liegen. Damit entsprechen raumartige Hyperebenen den Simultaneitätsebenen in einer klassischen Raumzeit, aber mit dem wichtigen Unterschied, dass es in einer relativistischen Raumzeit keine ausgezeichnete Wahl einer Familie von parallelen Ebenen gibt.
Ja, genau.

(die o.g. nicht-Lokalität bezieht sich nicht unbedingt auf verschränkte Teilchen)

In der darstellungsfreien Formulierung mittels abstrakter Zustände tritt zunächst überhaupt keine Auszeichnung eines Bezugssystem auf, da im Zustand selbst überhaupt keine Ortsabhängigkeit vorliegt.

Erst die Wahl einer Ortsraum-Basis erzeugt eine Bezugssystemabhängigkeit. Verschiedene Basen und damit verschiedene Zeitentwicklungen sind dabei äquivalent; dies wird durch die o.g. Poincare-Invarianz gewährleistet.

D.h. dass die Zeitentwicklungen mittels exp(-iHt) und exp(-iH't') sowie die daraus resultierenden Zustände äquivalent sind, wobei H und t sowie H' und t' durch eine Poincare-Transformation verknüpft sind.

Plankton 31.08.16 23:05

AW: Nicht-Lokalität und Relativitätsprinzip; VWI
 
Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 82500)
Die VWI hat das Problem der Nicht-Lokalität explizit nicht. [...]

Alles was ich hier im Thread angeschnitten habe, dreht sich eigentlich um Verschränkung und die Bellsche Ungleichung und dass daraus ZWINGEND die Nicht-Lokalität der QM folgt, welche wiederum durch Nicht-Separabilität realisiert sein MUSS. Die Nicht-Separabilität ist dann im Konflikt mit der SRT.

Das sollte eigentlich alles nur aus der Standard-QM folgen und der Schrödinger-Gleichung. Bin jetzt etwas verwirrt.... :confused:

Plankton 31.08.16 23:25

AW: Nicht-Lokalität und Relativitätsprinzip; VWI
 
PS: ca. so:

Einstein-Lokalität
1. Es gibt keine kausalen Wirkungen (mit Prozessen durch Materie-, Energietransport) schneller als mit LG.
2. Eine kausale Verbindung zur Signalübertragung kann nicht zwischen raumartig getrennten Ereignissen bestehen. (Wäre Über-LG)
3. Es kann keinerlei kausale Verbindung (auch Verbindungen ohne Materie-, Energietransport) zwischen raumartig getrennten Ereignissen geben.
4. Alle Bezugssystem sind gleichwertig. Es kann keine nicht-lokalen Verbindungen geben, weil diese das Bezugssystem auszeichnen in dem sie simultan sind.

Und ALLEINE aus der Standard-QM, Verschränkung und der Bellschen Ungleichung folgt nun die Nicht-Lokalität der QM.
Was für 3 Punkte kein Problem ist.

Zitat:

[...] drei von vier Konfliktpunkten mit der Relativitätstheorie können umgangen werden, wenn man annimmt, dass (1.) die Nicht-Lokalität keinen Materie- oder Energietransport beinhaltet, (2.) mit ihr keine Signale schneller als Licht gesendet werden können, [...], und (3.) es kein Problem mit der Asymmetrie der Kausalität gibt, wenn wir annehmen, dass die Nicht-Lokalität durch eine symmetrische Nicht-Seperabilität realisiert ist.
Nur Punkt 4 macht ärger.

TomS 01.09.16 00:30

AW: Nicht-Lokalität und Relativitätsprinzip; VWI
 
Alles was du sagst ist korrekt, außer dass da ein Widerspruch zur SRT bestünde.

An welcher Stelle oder in welcher Gleichung geschieht bzw. steht denn etwas im Widerspruch zur SRT? Welche beobachtbaren Ereignisse beeinflussen sich denn mit Überlichtgeschwindigkeit?

Betrachte einen Zustand |u> sowie die Zeitentwicklung |u,t> = exp(-iHt) |u>.

Du kannst diesen Zustand nun in verschiedenen Bezugsystemen betrachten; alle diese Betrachtungsweisen sind unitär äquivalent, d.h. es existiert eine Familie unitärer Operatoren S[a], die zwischen |u> und |ªu> = S[a] |u> transformiert; a nummeriert dabei alle Poincare-Transformationen. Die Zeitentwicklung exp(-iHt) ist lediglich eine spezielle Klasse der Poincare-Transformationen, nämlich eine Zeit-Translation.

Nun kannst du Wellenfunktionen u(x,t) = <x|u,t> einführen. Verschiedene Basen sind unitär äquivalent, sie gehen letztlich durch Poincare-Transformationen auseinander hervor: |x'> = S |x> für ein spezielles S.

Damit sind aber u(x,t) und u(x',t') ebenfalls unitär äquivalent. Und da die Poincare-Kovarianz durch diese unitären Transformationen dargestellt wird, ist die Zeitentwicklung des Zustandes sowie seine Betrachtung in verschiedenen Bezugsystemen vollständig im Einklang mit der SRT

(das alles gilt natürlich nur in der relativistischen QM oder der QFT)

Die Problematik entsteht erst dann, wenn du gedanklich den Quantenzustand |u> in etwas zerlegst, was du zu einem bestimmten Zeitpunkt (t) hier (x) lokalisierst bzw. dort (y) lokalisierst, und wenn dann damit hier bzw. dort etwas passiert (Kollaps, ...). Aber das ist ja nicht der Fall! Die QM zerlegt da nichts; das tust du gedanklich, weil du es gewohnt bist, in isolierten, lokalisierbaren Objekten zu denken. Und im Rahmen der VWI kollabiert auch nichts, nicht jetzt und hier, nicht später, nicht gleichzeitig, ... (der Kollaps selbst ist problematisch, weil er sicher im Widerspruch zur unitären Dynamik und damit zur Poincare-Invarianz steht).

Alles was gegeben ist, ist ein einziger, eindeutiger Quantenzustand |u>, den du in verschiedenen Bezugsystemen, d.h. bzgl. verschiedener Basen |x>, |x'>, |x''>, ... und zu verschiedenen Zeiten t, t', t'', ... betrachtest. Aber es existiert keine Gleichung und kein Experiment, das die Poincare-Invarianz verletzen würde.

Plankton 01.09.16 09:28

Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 82505)
[...]
(das alles gilt natürlich nur in der relativistischen QM oder der QFT)

Bei der QFT gibt es auch keine Probleme mit der SRT!

Ansonsten, verstehe ich nur so viel: die erwiesene Nicht-Lokalität [Bell, Verschränkung], und dabei ist es egal, ob es sich um eine nicht-lokale kausale Relation handelt oder um Nicht-Separabilität, führt zur Auszeichnung eines Bezugssystems.
Siehe kurz hier --> http://www.heisenberg-gesellschaft.d...esentation.pdf (S.20) [Das PDF hat ungefähr den gleichen Tenor wie das Kapitel in dem Buch.]

In der VWI tritt dieses Problem ("die nicht-lokale Verbindung zeichnet das Bezugssystem aus in dem sie simultan ist"), bei Verschränkung, nun nicht auf, da es keinen Kollaps gibt.

--> Soweit mein Überblick bis hierher! ;)

Plankton 01.09.16 11:08

Zumindest kann man viel zu dem Streitthema finden!
"Non-Locality and Relativity" --> https://www.google.de/search?q=Non-L...and+Relativity
Gibt auch Arbeiten, von Autoren, die der Ansicht sind aus der Bell-Ungleichung lässt sich gar keine Nicht-Lokalität schließen. Scheint mir aber eine "Einzelmeinung" zu sein.

TomS 01.09.16 12:03

AW: Nicht-Lokalität und Relativitätsprinzip; VWI
 
Zitat:

Zitat von Plankton (Beitrag 82506)
Bei der QFT gibt es auch keine Probleme mit der SRT!

Ob rel. QM oder QFT spielt für diese Fragestellung eine untergeordnete Rolle.

Zitat:

Zitat von Plankton (Beitrag 82506)
Ansonsten, verstehe ich nur so viel: die erwiesene Nicht-Lokalität [Bell, Verschränkung], und dabei ist es egal, ob es sich um eine nicht-lokale kausale Relation handelt oder um Nicht-Separabilität, führt zur Auszeichnung eines Bezugssystems.
Siehe kurz hier --> http://www.heisenberg-gesellschaft.d...esentation.pdf (S.20) [Das PDF hat ungefähr den gleichen Tenor wie das Kapitel in dem Buch.]

Sorry, aber das kann ich nicht nachvollziehen. Die Argumentation ist an den entscheidenden Stellen unpräzise oder unvollständig. Auch mit Kollaps ist es keineswegs klar, wo da ein Problem vorliegt.

Zitat:

Zitat von Plankton (Beitrag 82506)
In der VWI tritt dieses Problem nun nicht auf, da es keinen Kollaps gibt.

So sehe ich das.

Grundsätzlich: Probleme treten in der QM immer dann auf, wenn man meint, klassische Konstrukte übertragen zu können: scharf definierte Werte für Observablen, Welle oder Teilchen, Lokalität und Realität, Separabilität, ...

Sobald man akzeptiert, dass klassische Konstrukte zumeist nur unseren Vorurteilen entspringen, lösen sich viele - nicht alle - Probleme von selbst.

Plankton 02.09.16 12:15

AW: Nicht-Lokalität und Relativitätsprinzip; VWI
 
Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 82510)
[...] Die Argumentation ist an den entscheidenden Stellen unpräzise oder unvollständig. [...]

Willst du darauf näher eingehen?

TomS 02.09.16 18:17

AW: Nicht-Lokalität und Relativitätsprinzip; VWI
 
Nun, ich kann schlichtweg nicht erkennen, wie ein Bezugsystem ausgezeichnet wird und wie die QM zu messbaren Verletzungen der Lorentz-Kovarianz führen soll. Und wenn letzteres nicht der Fall ist, dann haben wir kein Problem mit der QM, sondern höchstens mit dieser speziellen Interpretation, oder?

okotombrok 02.09.16 22:54

AW: Nicht-Lokalität und Relativitätsprinzip; VWI
 
Hallo Plankton,

Zitat:

Zitat von Plankton (Beitrag 82501)
Wie ich das verstehe, muss die Nicht-Lokalität der QM durch Nicht-Separabilität realisiert sein, dafür spricht, dass eine nicht-lokale Verbindung in manchen Bezugssystemen vorwärts, in manchen aber rückwärts in der Zeit laufen würde und es zum Konflikt mit der Asymmetrie der Kausalität kommt.

ich verstehe verschränke Teilchen als ein zusammenhängendes System, nicht als kausal zusammenhängende Systeme.
Wie die gegenüberliegenden Seiten eines Würfels
– sie zeigen in der Summe immer sieben, ohne einen kausalen Zusammen im Sinne von Ursache und Wirkung.
(Natürlich sind die Seiten eines Spielewürfels als makroskopisches System lokal gebunden, aber man sollte Analogien nicht überstrapazieren.)
mfg okotombrok

TomS 03.09.16 07:00

AW: Nicht-Lokalität und Relativitätsprinzip; VWI
 
Ein etwas besseres Beispiel ist ein Paar Schuhe. Auch bei räumlicher Trennung und ohne kausale Interaktion gibt es immer genau einen rechten und einen linken Schuh.

Allerdings ist auch dieses Beispiel nicht perfekt. Der eine Schuh ist immer und unabhängig von der Messung (z.B.) ein rechter Schuh. Das ist bei zwei verschränkten Spins nich der Fall.

Timm 03.09.16 09:54

AW: Nicht-Lokalität und Relativitätsprinzip; VWI
 
Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 82500)
Die VWI hat das Problem der Nicht-Lokalität explizit nicht

Unter Nicht-Lokalität verstehe ich die instantane Erzeugung fester Meßwerte unabhängig von der Entfernung in ein und derselben Welt. Wie hebelt die VWI diese experimentellen Befunde denn aus?

TomS 03.09.16 11:44

AW: Nicht-Lokalität und Relativitätsprinzip; VWI
 
Zitat:

Zitat von Timm (Beitrag 82526)
Unter Nicht-Lokalität verstehe ich die instantane Erzeugung fester Meßwerte unabhängig von der Entfernung in ein und derselben Welt. Wie hebelt die VWI diese experimentellen Befunde denn aus?

Im Rahmen der VWI entstehen keine festen Messwerte; ein Messwert ist nur (näherungsweise) je Zweig realisiert. Durch Dekohärenz entsteht eine (in der Zeigerbasis näherungsweise diagonale) Superposition = Zweigstruktur. Diese entsteht jedoch weder instantan noch überall; ihre Dynamik folgt ganz normal der Schrödingergleichung.

In einer relativistischen Theorie breitet sich diese Zweigstruktur (mit der Verschränkung mit weiteren Freiheitsgraden) im / auf dem Lichtkegel aus, da die Zeitentwicklung die Lorentz-Kovarianz respektiert.

Timm 03.09.16 14:45

AW: Nicht-Lokalität und Relativitätsprinzip; VWI
 
Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 82527)
Im Rahmen der VWI entstehen keine festen Messwerte;

Was die Nichtlokalität aber nmM nicht tangiert.

Die Messgrößen zweier verschränkter Teilchen sind über beliebige Entfernungen korreliert, was die Nicht-Lokalität der Quantenphysik erhärtet. Die Werte liest man ab, wobei sie fest erscheinen.

Falls Du dennoch sagst, daß die VWI "das Problem der Nicht-Lokalität" wegen der nicht festen Werte "explizit nicht hat", verstehe ich das nicht.

TomS 03.09.16 21:59

AW: Nicht-Lokalität und Relativitätsprinzip; VWI
 
Zitat:

Zitat von Timm (Beitrag 82528)
Die Messgrößen zweier verschränkter Teilchen sind über beliebige Entfernungen korreliert, was die Nicht-Lokalität der Quantenphysik erhärtet ... Falls Du dennoch sagst, daß die VWI "das Problem der Nicht-Lokalität" wegen der nicht festen Werte "explizit nicht hat", verstehe ich das nicht.

Nochmal: natürlich ist die QM in diesem Sinn nicht-lokal, aber es gibt damit kein Problem (die Korrelation der Schuhe ist ebenfalls verträglich mit der Relativitätstheorie)

Timm 03.09.16 22:14

AW: Nicht-Lokalität und Relativitätsprinzip; VWI
 
Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 82531)
Nochmal: natürlich ist die QM in diesem Sinn nicht-lokal, aber es gibt damit kein Problem (die Korrelation der Schuhe ist ebenfalls verträglich mit der Relativitätstheorie)

Ist in diesem Sinne auch die VWI nicht-lokal (obwohl sie das Problem der Nicht-Lokalität Deiner Ansicht nach nicht hat? Dann in welchem Sinne nicht?).

TomS 04.09.16 06:53

AW: Nicht-Lokalität und Relativitätsprinzip; VWI
 
Die Korrelation in einem verschränkten Zustand ist nicht-lokal.

Die Verzeigung aufgrund der Dekohärenz im Kontext der beiden Messungen an dem verschränkten Zustand erfolgt lokal und auf dem Lichtkegel, ausgehend von den beiden Messungen.

Timm 04.09.16 10:19

AW: Nicht-Lokalität und Relativitätsprinzip; VWI
 
Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 82533)
Die Korrelation in einem verschränkten Zustand ist nicht-lokal.

Mein Wissensstand war, daß die VWI das Kollaps Problem löst, nicht aber das der Nicht-Lokalität. Deshalb hat mich Deine Aussagen " Die VWI hat das Problem der Nicht-Lokalität explizit nicht" verunsichert.

Stimmst Du zu, daß das Phänomen der Nicht-Lokalität (Korrelation in einem verschränkten Zustand) fundamental ist (so ähnlich hat sich glaube ich auch schon Hawkwind ausgedrückt) und daß deshalb alle Interpretationen einschließlich der VWI ein Problem damit haben?

Statt "Problem damit haben" gefällt mir persönlich besser "die Nicht-Lokalität zu akzeptieren haben".

Hawkwind 04.09.16 14:43

AW: Nicht-Lokalität und Relativitätsprinzip; VWI
 
Zitat:

Zitat von Timm (Beitrag 82534)
Mein Wissensstand war, daß die VWI das Kollaps Problem löst, nicht aber das der Nicht-Lokalität. Deshalb hat mich Deine Aussagen " Die VWI hat das Problem der Nicht-Lokalität explizit nicht" verunsichert.

Stimmst Du zu, daß das Phänomen der Nicht-Lokalität (Korrelation in einem verschränkten Zustand) fundamental ist (so ähnlich hat sich glaube ich auch schon Hawkwind ausgedrückt) und daß deshalb alle Interpretationen einschließlich der VWI ein Problem damit haben?

Statt "Problem damit haben" gefällt mir persönlich besser "die Nicht-Lokalität zu akzeptieren haben".

Naja, in der VWI ist es ja nun einmal so, dass die Wellenfunktion sich in jeder der Welten "hübsch ordentlich" gemäß einer Wellengleichung entwickelt. In keiner dieser Welten haben wir einen nichtlokalen Effekt derart, dass sich simultan an allen Orten zugleich eine Änderung manifestiert. Diesen "Bruch" hat man nicht mehr. Mir persönlich bleibt die Abspaltung der Welten verdächtig der Nichtlokalität.

In der Stanford Encyclopedia formulieren sie es folgendermaßen:
Zitat:

The MWI allows for a local explanation of our Universe. The most celebrated example of nonlocality given by Bell 1964 in the context of the Einstein-Podolsky-Rosen argument cannot get off the ground in the framework of the MWI because it requires a predetermined single outcome of a quantum experiment, see discussion in Bacciagaluppi 2002 . There is no action at a distance in our Universe, but there is an entanglement. And a “world” is a nonlocal concept. This explains why we observe non-local correlations in a particular world.
aus
http://stanford.library.sydney.edu.a...qm-manyworlds/

TomS 04.09.16 23:09

AW: Nicht-Lokalität und Relativitätsprinzip; VWI
 
Zitat:

Stimmst Du zu, daß das Phänomen der Nicht-Lokalität fundamental ist und daß deshalb alle Interpretationen einschließlich der VWI die Nicht-Lokalität zu akzeptieren haben?
In dieser Form, ja!

Marco Polo 04.09.16 23:31

AW: Nicht-Lokalität und Relativitätsprinzip; VWI
 
Auszug aus spektrum.de zum Thema Nicht-Lokalität:

Zitat:

J. Bell erkannte in den sechziger Jahren, daß sich ein meßbarer Widerspruch zwischen den Auffassungen Bohrs und Einsteins konstruieren läßt (Bellsche Ungleichungen). Eine Verletzung der von ihm gefundenen Ungleichungen steht im Widerspruch mit lokalen Theorien verborgener Parameter. Zahlreiche Experimente haben daraufhin die Bohrsche Sicht untermauert. Sie bestätigten die nichtlokalen Korrelationen verschränkter Zustände. Allerdings beruhen diese Resultate auf einer statistischen Analyse, die noch einige Schlupflöcher für lokale Theorien verborgener Parameter offen läßt. Eine saubere Entscheidung in dem Disput könnten Experimente mit drei verschränkten, räumlich getrennten Teilchen herbeiführen, sog. Greenberger-Horne-Zeilinger-Zuständen. An einem solchen System würde im Prinzip schon eine einzige Messung genügen, um den nichtlokalen Charakter der Quantenmechanik nachzuweisen. Erste Vorexperimente zur Erzeugung von drei verschränkten Teilchen gelangen an der Universität Innsbruck mit Photonen und am Los Alamos Laboratory in New Mexico mit Atomen.
Hat jemand nähere Informationen zu diesen Versuchen mit drei verschränkten Teilchen?

Timm 05.09.16 08:57

AW: Nicht-Lokalität und Relativitätsprinzip; VWI
 
Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 82537)
In dieser Form, ja!

Danke für die Klarstellung!

Timm 05.09.16 09:51

AW: Nicht-Lokalität und Relativitätsprinzip; VWI
 
Zitat:

Zitat von Hawkwind (Beitrag 82535)
Naja, in der VWI ist es ja nun einmal so, dass die Wellenfunktion sich in jeder der Welten "hübsch ordentlich" gemäß einer Wellengleichung entwickelt. In keiner dieser Welten haben wir einen nichtlokalen Effekt derart, dass sich simultan an allen Orten zugleich eine Änderung manifestiert. Diesen "Bruch" hat man nicht mehr. Mir persönlich bleibt die Abspaltung der Welten verdächtig der Nichtlokalität.

In der Stanford Encyclopedia formulieren sie es folgendermaßen:
Zitat:

Zitat:
The MWI allows for a local explanation of our Universe. The most celebrated example of nonlocality given by Bell 1964 in the context of the Einstein-Podolsky-Rosen argument cannot get off the ground in the framework of the MWI because it requires a predetermined single outcome of a quantum experiment, see discussion in Bacciagaluppi 2002 . There is no action at a distance in our Universe, but there is an entanglement. And a “world” is a nonlocal concept. This explains why we observe non-local correlations in a particular world.

Beobachten wir wirklich nicht-lokale Korrelationen in einer bestimmten Welt?

http://arstechnica.com/science/2014/...nics-is-local/
Zitat:

When this is taken into account, according to Tipler, the results of familiar nonlocality experiments are altered. Typically, such experiments are thought to involve only two measurements: one on each of two entangled particles. But Tipler argues that in such experiments, there’s really a third measurement taking place when the scientists compare the results of the two.

This third measurement is crucial, Tipler argues, as without it, the first two measurements are essentially meaningless. Without comparing the first two, there’s no way to know that one particle’s behavior is actually linked to the other’s. And crucially, in order for the first two measurements to be compared, information must be exchanged between the particles, via the scientists, at a speed less than that of light. In other words, when the third measurement is taken into account, the two particles are not communicating faster than light. There is no "spooky action at a distance."
Nach Tipler offenbar nicht. Demnach wären die EPR Messungen bedeutungslos, weil ihr Vergleich eine dritte Messung erfordert. Scheint eine extreme Außenseiter Meinung zu sein, oder?

Hawkwind 05.09.16 10:52

Zitat:

Zitat von Timm (Beitrag 82540)
Beobachten wir wirklich nicht-lokale Korrelationen in einer bestimmten Welt?

Zum "Formalismus": eine "Welt" zeichne sich dadurch aus, dass "Objekte" einen makroskopischen Zustand haben. Darüber hinaus sind aber Verschränkungen zwischen Variablen unterschiedlicher Objekte erlaubt; der Quantenzustand solcher Variablen sei in |Φ› berücksichtigt:


|Ψ-world› = |Ψ-obj1› * |Ψ-obj2› * ... * |Ψ-objn› * |Φ› (1)

Das ist Gl (1) aus http://stanford.library.sydney.edu.a...qm-manyworlds/.
Bis zur Auflösung/Aufspaltung durch Messung liegen also auch in den einzelnen Welten Verschränkungen vor (==> Nichtlokalität). Also beobachten wir doch sowas in einer Welt, nämlich durch die Abspaltung; sie ist Realität in der VWI.

---
Ich werde übrigens immer unsicherer, was denn wirklich so eine "Welt" sein soll. In dem erwähnten Text wird dann gesagt, die Wellenfunktion des Universums sei eine Superposition dieser Welt-Wellenfunktionen

|Ψ-universe› = ∑αi |Ψ-world i› (2)


Das ist Gl. (2) daraus. Weiter unten kommt dann, dass ein Objekt aber keine "strenge Definition" hat.
Auch der Prozess der Abspaltung der Welten lässt noch Fragen offen, etwa:
Zitat:

Splitting of the world during this period of time is another source of ambiguity because there is no precise definition of when the splitting occurs. The time of splitting corresponds to the time of the collapse in the approach given by von Neumann 1955.
Noch weiter unten wird dann "beanstandet", dass die Abspaltung der Welten die Existenz einer bevorzugten Basis voraussetzt (mit Bezug auf Gl (2), was ich leider nicht verstanden habe).

Ich weiss ja nicht ... alles "Wischiwaschi", oder???

Timm 05.09.16 15:00

AW: Nicht-Lokalität und Relativitätsprinzip; VWI
 
Zitat:

Zitat von Hawkwind (Beitrag 82541)
Zum "Formalismus": eine "Welt" zeichne sich dadurch aus, dass "Objekte" einen makroskopischen Zustand haben. Darüber hinaus sind aber Verschränkungen zwischen Variablen unterschiedlicher Objekte erlaubt; der Quantenzustand solcher Variablen sei in |Φ› berücksichtigt:


|Ψ-world› = |Ψ-obj1› * |Ψ-obj2› * ... * |Ψ-objn› * |Φ› (1)

Das ist Gl (1) aus http://stanford.library.sydney.edu.a...qm-manyworlds/.
Bis zur Auflösung/Aufspaltung durch Messung liegen also auch in den einzelnen Welten Verschränkungen vor (==> Nichtlokalität). Also beobachten wir doch sowas in einer Welt, nämlich durch die Abspaltung; sie ist Realität in der VWI.
---
Ich werde übrigens immer unsicherer, was denn wirklich so eine "Welt" sein soll.

Den endgültigen Durchbruch haben wohl die EPR-Experimente gebracht. Und hier verstehe ich "eine" Welt so: A mißt Spin_up womit Spin_down beim verschränkten Teilchen festliegt. In einer andren Welt mißt A Spin_down womit Spin_up beim verschränkten Teilchen festliegt. D.h. die Verzweigung findet bei der Messung des ersten Teilchens statt, wobei die Festlegung der korrelierten Eigenschaft des zweiten Teilchens zur jeweils "selben" Welt gehört.

Zum Rest Deiner Post muß ich leider passen. "Wischwaschi", ich weiß es nicht. Die VWI wird von hervorragenden Köpfen vertreten. Ich schwebe zwischen den beiden Z's, Zeh und Zeilinger, deren Positionen extremaler nicht sein können.

TomS 05.09.16 16:46

AW: Nicht-Lokalität und Relativitätsprinzip; VWI
 
Zum Thema wischi-waschi: die VWI besagt, dass Erklärungen und Begriffe wie "Aufspaltung", "Verzweigung", "Welt", "viele-Welten" letztlich wischi-waschi sind; was zählt ist, dass die Dynamik der Schrödingergleichung gehorcht, und dass diese besagt, dass sämtliche Superpositionen erhalten bleiben, jedoch aufgrund der Dekohärenz voneinander dynamisch isoliert sind.

Die Kritiker werfen der VWI vor, dass sie da mit letztlich nichts interpretiert, sondern lediglich sagt "es ist so, wie es ist"; das kann man krisitisieren, muss man aber nicht; warum sollte die deutsche Sptache eine bessere Erklärung der Welt liefern als die Mathematik?

Was die VWI jedoch explizit besagt ist, dass eben alle Superpositionen erhalten bleiben, also z.B.

a↑ ↑ |↑ > ⊗ |beobachtet ↑ > + a↓ ↓ |↓ > ⊗ |beobachtet ↓ > + a↑↓ |↑ > ⊗ |beobachtet ↓ > + a↓ ↑ |↓ > ⊗ |beobachtet ↑ > + ...

D.h. auch die "nicht passenden Zweige" bleiben realisiert, jedoch mit (näherungsweise) verschwindendem Gewicht. In gewissem Sinne sind diese weiterhin vorhanden, werden jedoch nicht den "makroskpoisch realisierten Zweigen" zugerechnet bzw. stören diese kaum. Dies ist nun jedoch wieder so eine wischi-waschi Formulierung. Sie provoziert die Fragestellung, wieviele Zweige jetzt tatsächlich vorliegen (zwei? vier? noch weitere?) und warum ein Vorfaktor wie z.B. a↑ ↑ vor eine Zweig etwas über die Realität des Beobachters innerhalb dieses Zweiges |↑ > ⊗ |beobachtet ↑ > aussagen sollte. Die VWI negiert, dass dies sinnvolle Fragestellungen sind und zieht sich letztlich auf den Formalismus zurück, demzufolge die Superpositionen existieren und damit alles konsistent berechnet werden kann.

Ich halte das für eine Schwäche dieser Interpretation.

Hawkwind 06.09.16 13:22

AW: Nicht-Lokalität und Relativitätsprinzip; VWI
 
Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 82543)
...
Ich halte das für eine Schwäche dieser Interpretation.

Ein Verständnis der Viele-Welten-Deutung(en) scheint doch ein wenig "herausfordernder" zu sein!?

Es ist vielleicht der größte Vorteil der Kopenhagener Deutung, dass man doch ein relativ simples und überschaubares Rezept hat, das sogar jemand wie ich zu verstehen glaubt. :)

TomS 06.09.16 17:44

AW: Nicht-Lokalität und Relativitätsprinzip; VWI
 
Demgegenüber steht die MWI mit ihrem Anspruch, eher ein quantitativ überprüfbares Forschungsprogramm denn eine Interpretation zu sein:
1) Ableitung der Bornschen Regel anstatt eines Postulates
2) prinzipiell messbare Abweichungen von den Vorhersagen der KI (der Kollaps verkletzt die Zeitumkehrinvarianz)

Ich 07.09.16 08:57

AW: Nicht-Lokalität und Relativitätsprinzip; VWI
 
Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 82545)
1) Ableitung der Bornschen Regel anstatt eines Postulates

Das ist doch nicht quantitativ messbar, sondern eher eine Vervollständigung des theoretischen Modells bzw. der Interpretation.
Zitat:

2) prinzipiell messbare Abweichungen von den Vorhersagen der KI (der Kollaps verkletzt die Zeitumkehrinvarianz)
Wie soll sowas aussehen? Wann immer ein Zustand reversibel ist, dann ist nach klassischer Interpretation kein Kollaps im Spiel. Da kann es doch per definitionem keinen Unterschied geben, oder täusche ich mich da?

Hawkwind 07.09.16 10:23

AW: Nicht-Lokalität und Relativitätsprinzip; VWI
 
Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 82545)
2) ... (der Kollaps verkletzt die Zeitumkehrinvarianz)

Von solchen Diskussionen habe ich noch nie gehört.
Ich finde nur

L. Stodolsky: Refined Applications of the
“Collapse of the Wavefunction”, Physical Review D, 2015
http://arxiv.org/pdf/1412.7353.pdf

Mal bei Gelegenheit schauen, ob ich was verstehe.

TomS 07.09.16 11:58

Es ist ganz einfach:

Nehmen wir an, wir haben einen beliebigen Quantenzustand |ψ,0>, der als Superposition von Eigenzuständen |a> der zu messenden Observablen A realisiert ist.

Zunächst findet eine Zeitentwicklung der Form |ψ,t> = U(t) |ψ,0> statt

1) Gemäß der Kollapsinterpretation findet im Zuge der Messung zur Zeit t ein Kollaps von |ψ ,t> nach |a,t> sowie anschließend eine weitere unitäre Zeitentwicklung gemäß U(t'-t) |a,t> statt. Der Kollaps ist nicht unitär und damit nicht zeitumkehr-invariant.

2) Gemäß der WVI findet im Zuge der Messung sowie anschließend ausschließlich eine unitäre Zeitentwicklung gemäß U(t'-t) |ψ,t> = U(t') |ψ,0> statt. Diese ist zeitumkehr-invariant.

Damit ist es theoretisch denkbar, ein Experiment, in dem nach KI-Verständnis ein Kollaps auftritt, exakt rückwärts ablaufen zu lassen, zunächst von t' nach t mittels U(t-t'), dann von t nach 0:

1') Gemäß der Kollapsinterpretation kann der vorherige Zustand |ψ,t> aus |a,t> nicht rekonstruiert werden! Beliebige, paarweise verschiedene Zustände |ψ,t>, |ψ',t>, |ψ'',t> kollabieren nämlich in den selben Zustand |a,t>. Die rückwärts ablaufende Messung bzw. der rückwärts ablaufende Kollaps wird irgendetwas produzieren - niemand weiß was - aber sicher nicht |ψ,t> aus |a,t> und somit auch sicher nicht |ψ,0> = U(-t) |ψ,t>.

2') Die VWI produziert dagegen sicher U(-t') |ψ,t'> = |ψ,0>, d.h. exakt den Eingangszustand zur Zeit 0.

D.h. dass in diesem Experiment mit Messung plus "rückwärts ablaufender Messung" gemäß VWI der Ausgangszustand exakt wieder eingenommen wird, gemäß der KI dagegen sicher nicht.

Hawkwind 07.09.16 14:11

Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 82548)
...
D.h. dass in diesem Experiment mit Messung plus "rückwärts ablaufender Messung" gemäß VWI der Ausgangszustand exakt wieder eingenommen wird, gemäß der KI dagegen sicher nicht.

Es hängt vielleicht davon ab, was man unter "Zustand" versteht. Versteht man unter "Zustand" einen Satz von Messgrößen, so ist so eine Umkehr sicherlich auch im Kontext von Kopenhagen beobachtbar.
Für Zustand als Zustandsvektor hast du aber sicher recht.

Ich weiss es sowieso nicht: die Abspaltung der Welten durch eine Messung ist doch nun auch ein unumkehrbares "Merkmal": die Anzahl der Welten steigt nur, wenn der Zeitpfeil in die Zukunft gerichtet ist, oder nicht?

Andererseits sollte sich Physik an Beobachtungen orientieren und nach der Beobachtbarkeit einer solchen Asymmetrie fragen. Ich frage mich, ob die von dir dargelegte Verletzung der T-Invarianz aufgrund der Zustandsreduktion wirklich beobachtbar ist und tendiere zur Antwort "nein". In der Praxis würde man diese Frage untersuchen, indem man einen Versuch aufbaut, in dem ein Anfangszustand A in einen Endzustand B übergeht und die Wahrscheinlichkeit messen o.ä.. T-Invarianz würde man untersuchen, indem man dann erst den Zustand B präpariert und dann die Wahrscheinlichkeit für B -> A misst. Ich kann nicht erkennen, wieso der Kopenhagener Kollaps hier zu einer Asymmetrie führen sollte.

---
Mit Zustand B und A meine ich hier nun nicht eine qm Zustandsfunktion, sondern einen Satz von Messgrößen.

Ich 07.09.16 14:24

AW: Nicht-Lokalität und Relativitätsprinzip; VWI
 
Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 82548)
Damit ist es theoretisch denkbar, ein Experiment, in dem nach KI-Verständnis ein Kollaps auftritt, exakt rückwärts ablaufen zu lassen, zunächst von t' nach t mittels U(t-t'), dann von t nach 0

wenn ich nun aber sage, dass nach (zumindest meinem) klassischen Verständnis der unumkehrbare Kollaps genau dann eingetreten ist, wenn ich Information unwiederbringlich (=unrekonstruierbar) verloren habe, dann kannst du das nicht widerlegen. Es wäre auch seltsam, unterschiedliche Interpretationen experimentell unterscheiden zu können.
Etwas anderes ist es, wenn man z. B. tatsächlich definieren würde, dass der Kollaps eintritt wenn das System mit einem Objekt der Komplexität "N" (z.B. einem bewussten Wesen) in Kontakt kommt. Dann könnte man im Prinzip die Information wiederholen. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass das die heutige Mainstreamauffassung von Kollaps ist, das ist doch bloß eine pragmatische Abkürzung: Wenn das System so und so komplex ist, dann kann man es einfach vergessen, wieder alle Zweige einzufangen, und damit ist die Wellenfunktion faktisch kollabiert.

TomS 07.09.16 14:45

AW: Nicht-Lokalität und Relativitätsprinzip; VWI
 
Zitat:

Zitat von Hawkwind (Beitrag 82549)
Die Abspaltung der Welten durch eine Messung ist doch nun auch ein unumkehrbares "Merkmal": die Anzahl der Welten steigt nur, wenn der Zeitpfeil in die Zukunft gerichtet ist, oder nicht?

Das liegt nur an den blöden Begriffen. Da spaltet sich nix ab; es gibt einen eindimensionalen Zustandsvektor, der eine kontinuierliche Kurve auf der unendlich-dimensionalen Einheitssphäre überstreicht.

Zitat:

Zitat von Hawkwind (Beitrag 82549)
Andererseits sollte sich Physik an Beobachtungen orientieren und nach der Beobachtbarkeit einer solchen Asymmetrie fragen. Ich frage mich, ob die von dir dargelegte Verletzung der T-Invarianz aufgrund der Zustandsreduktion wirklich beobachtbar ist und tendiere zur Antwort "nein".

Prinzipiell ist das beobachtbar, praktisch dagegen nicht, weil das Rückwärtslaufenlassen nur für kleine, isolierte Systeme ohne Dekohärenz und ohne Kollaps funktioniert - und da stimmen beide Interpretationen sowieso überein. Im Falle von "Messungen" muss man aber das gesamte Experiment einschließlich Messgerät, Beobachter und aller Umgebunsgfreiheitsgrade rückwärts laufen lassen, was natürlich nicht funktioniert.

Ein wichtiger Punkt ist, dass die Kollapsinteroretation in dieser Hinsicht sehr unwissenschaftlich argumentiert. Wann immer es passt, spricht ,an von Kollaps; und wenn man wieder ein größeres quantenmechansiches System in eine Superposition gebracht jhat, dann rühmt man sich, "man hae die Grenzen der Quantenmechanik erweitert". So ein Quatsch. Man erweitert ja auch nicht die Grenzen der Newtonschen Mechanik, wenn man Porsche statt VW fährt.

TomS 07.09.16 14:51

AW: Nicht-Lokalität und Relativitätsprinzip; VWI
 
Zitat:

Zitat von Ich (Beitrag 82550)
Wenn ich nun aber sage, dass nach (zumindest meinem) klassischen Verständnis der unumkehrbare Kollaps genau dann eingetreten ist, wenn ich Information unwiederbringlich (=unrekonstruierbar) verloren habe, dann kannst du das nicht widerlegen.

Das ist die praktische Defintion, indem ich unbeobachtbare Freiheitsgrade ausspure, wann es mir geeignet erscheint. Ich darf jedoch nicht den Fehler machen, dies ontologisch aufzufassen; es handelt sich um eine rein instrumentalistische, pragmatische Festlegung.

Zitat:

Zitat von Ich (Beitrag 82550)
Es wäre auch seltsam, unterschiedliche Interpretationen experimentell unterscheiden zu können.

Prinzipiell sind beide Interpretation unterscheidbar; ich denke, mein Beitrag oben zeigt das sehr klar (und die VWI-Vertreter weisen auch darauf hin, dass es sich streng genommen um eine mathematisch / axiomatisch andere Theorie handelt, nicht nur um eine Interpretation, die jedoch fapp identisch zur orthodoxen verhält)

Ich 07.09.16 15:18

AW: Nicht-Lokalität und Relativitätsprinzip; VWI
 
Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 82552)
Das ist die praktische Defintion, indem ich unbeobachtbare Freiheitsgrade ausspure, wann es mir geeignet erscheint. Ich darf jedoch nicht den Fehler machen, dies ontologisch aufzufassen; es handelt sich um eine rein instrumentalistische, pragmatische Festlegung.

Natürlich.
Zitat:

Prinzipiell sind beide Interpretation unterscheidbar; ich denke, mein Beitrag oben zeigt das sehr klar
Nein. Du sagst, man könne einen "nach KI-Verständnis kollabierten" Zustand im Prinzip rückabwickeln. Wenn der Kollaps aber pragmatisch als der Punkt definiert ist, wo Rückabwicklung nicht mehr möglich ist, dann geht das natürlich nicht.

TomS 07.09.16 19:48

AW: Nicht-Lokalität und Relativitätsprinzip; VWI
 
Zitat:

Zitat von Ich (Beitrag 82553)
Nein. Du sagst, man könne einen "nach KI-Verständnis kollabierten" Zustand im Prinzip rückabwickeln. Wenn der Kollaps aber pragmatisch als der Punkt definiert ist, wo Rückabwicklung nicht mehr möglich ist, dann geht das natürlich nicht.

Das sehe ich anders.

Nimm' den Zeitpunkt t + dt als den Moment, von dem an der Kollaps zumindest praktisch irreversibel ist. Gem. KI könnte er prinzipiell reversibel sein oder auch nicht (die orthodoxe Darstellung schweigt sich m.W.n darüber aus). Gem. VWI ist er sicher prinzipiell reversibel, wenn auch meist nicht praktisch wg. der Dekohärenz; dt entspräche z.B. der Dekohärenzzeit.

Nehmen wir an, der Kollaps sei im Kontext KI prinzipiell reversibel. Dann würde zumindest theoretisch wieder der Ausgangszstand folgen, so wie aus der VWI. Gem. der KI kollabieren jedoch verschiedene initiale Zustände stochastisch in den selben Endzustand. Bei der Messung der z-Komponente eines Spinsystems in einer beliebige Superposition aus |up> und |down> kollabiert dieses in genau entweder |up> oder |down>; prinzipielle Reversiblität ist mathematisch ausgeschlossen, da dies der Invertierung einer Abbildung

K: [0, 2π] → {+1, -1}

entspräche. Dies ist rein mathematisch nicht möglich, erfordert also weitere Zutaten wie z.B. versteckte Variablen oder einen nicht-linearen, stochastischen Operator K, der insbs. vom Zustand selbst abhängt; beides ist explizit unverträglich mit der orthodoxen QM. Diese lässt entweder die unitäre Zeitentwicklung U zu, und die liefert beweisbar nicht wieder den initialen Zustand, da K und U nicht vertauschen, oder wiederum K, wobei dieses zweite K auf {+1, -1} anzuwenden wäre, was nun jedoch der ersten Definition widerspricht. Ich denke, damit ist klar, dass prinzipielle Reversibilität ausscheidet.

Nun ist jedoch der Zustand zum Zeitpunkt t + dt unbestreitbar ein quantenmechanischer Zustand, und ohne seine Historie bei t zu kennen, kann ich jetzt die Zeitumkehrinvarianz bei t + dt voraussetzen. D.h. ich kehre rein praktisch das Experiment um, und schaue, was passiert. Wie oben gezeigt kann K nicht invertiert werden, d.h. was auch immer praktisch geschieht, es geschieht etwas anderes als in der VWI.

Der Versuch, prinzipielle Revesibilität anzunehmen und lediglich die praktische Reversibilität zu verneinen, führt m.E. zu einer logischen Inkonsistenz im Rahmen der orthodoxen QM und somit zwingend entweder zur VWI oder einer anderen Modifikation.

Ich 08.09.16 09:37

AW: Nicht-Lokalität und Relativitätsprinzip; VWI
 
Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 82554)
Ich denke, damit ist klar, dass prinzipielle Reversibilität ausscheidet.

Das ist sowieso klar, ja.
Zitat:

Wie oben gezeigt kann K nicht invertiert werden, d.h. was auch immer praktisch geschieht, es geschieht etwas anderes als in der VWI.
Nein, praktisch geschieht genau dasselbe: Man kann K nicht invertieren. Könnte man es doch, dann hätte man den Kollaps zu früh angesetzt.
Zitat:

Der Versuch, prinzipielle Revesibilität anzunehmen und lediglich die praktische Reversibilität zu verneinen, führt m.E. zu einer logischen Inkonsistenz im Rahmen der orthodoxen QM und somit zwingend entweder zur VWI oder einer anderen Modifikation.
Es führt zu einer handhabbaren Interpretation, in der der Kollaps die Experimentatoren einfach auf ihren Zweig setzt und die Feststellung trifft, dass sie offenbar nicht in einem anderen Zweig gelandet sind. Das stellt man in der VWI auch irgendwann fest und muss damit umgehen. Da andere Zweige unbeobachtbar sind, ist es im Sinne von Vorhersagen irrelevant, ob man die auch als existent ansieht oder was "existent" im dem Kontext überhaupt heißt. Womit wir de facto zwei Interpretationen derselben Theorie haben.

Mir geht es nur darum, dass der "Anspruch, eher ein quantitativ überprüfbares Forschungsprogramm denn eine Interpretation zu sein" äußerst gewagt ist. Du kannst kein Experiment formulieren, das zwischen VWI und KI unterscheidet, es sei denn, du schiebst der KI einen ontologischen, durch bestimmte Ereignisse ausgelösten Kollaps unter, der auch noch im praktisch (nicht nur prinzipiell) umkehrbaren Bereich liegen muss. Das mag historisch sogar so gedacht gewesen sein, ist aber nach meiner Einschätzung nicht das, was man heutzutage darunter versteht.

TomS 08.09.16 11:12

AW: Nicht-Lokalität und Relativitätsprinzip; VWI
 
Zitat:

Zitat von Ich (Beitrag 82555)
Nein, praktisch geschieht genau dasselbe: Man kann K nicht invertieren. Könnte man es doch, dann hätte man den Kollaps zu früh angesetzt.

In der VWI existiert kein K.

Zitat:

Zitat von Ich (Beitrag 82555)
Es führt zu einer handhabbaren Interpretation, in der der Kollaps die Experimentatoren einfach auf ihren Zweig setzt und die Feststellung trifft, dass sie offenbar nicht in einem anderen Zweig gelandet sind. Das stellt man in der VWI auch irgendwann fest und muss damit umgehen. Da andere Zweige unbeobachtbar sind, ist es im Sinne von Vorhersagen irrelevant, ob man die auch als existent ansieht oder was "existent" im dem Kontext überhaupt heißt. Womit wir de facto zwei Interpretationen derselben Theorie haben.

Nur praktisch, nicht prinzipiell.

In der VWI existiert kein K, sondern ausschließlich U. Das von mir o.g. Experiment besagt, dass prinzipiell unterschieden werden kann, ob die VWI mit dem Zeitentwcklungsoperator U(-t') U(t') = 1 oder die KI mit dem Zeitentwicklungs-Kollaps-Operator U(-t) X U(t-t') U(t'-t) K U(t) = U(-t) X K U(t) zutrifft. X steht dabei für das, was passiert, wenn man das gemessene System zurück in der Zeit entwickelt; es repräsentiert das, was ein invertiertes K sein müsste, wenn es dies denn gäbe.

Zitat:

Zitat von Ich (Beitrag 82555)
Du kannst kein Experiment formulieren, das zwischen VWI und KI unterscheidet, ...

Doch, s.o.

Wen mir ein Vertreter der KI sagt, wann in einem bestimmten Experiment ein Kollaps stattfindet, dann kann ich das o.g. erweiterte Experiment genau dafür durchführen.

Zitat:

Zitat von Ich (Beitrag 82555)
... es sei denn, du schiebst der KI einen ontologischen, durch bestimmte Ereignisse ausgelösten Kollaps unter ...

Nein. der Vertreter der KI muss lediglich die o.g. Angaben machen. Ich benutze dann den kollabierten Quantenzustand |a,t'> als neue Anfangsbedingung. Das ist die Standardvorgehensweise. Gemäß der VWI muss ich den nicht-kollabierten = verzweigten Zustand als neue Anfangsbedingung nutzen. Die VWI interoretiert Zustände eher ontologosch, aber das ist für die Durchführung des Experimentes irrelevant.

Plankton 11.09.16 09:40

AW: Nicht-Lokalität und Relativitätsprinzip; VWI
 
Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 82519)
Nun, ich kann schlichtweg nicht erkennen, wie ein Bezugsystem ausgezeichnet wird und wie die QM zu messbaren Verletzungen der Lorentz-Kovarianz führen soll. Und wenn letzteres nicht der Fall ist, dann haben wir kein Problem mit der QM, sondern höchstens mit dieser speziellen Interpretation, oder?

Ich glaub dir das. Aber objektiv lässt sich IMHO nur feststellen, dass Thema Non-Locality & Relativity ist ein Streitthema und es gibt keinen echten Konsens!

Tim Maudlin hat dazu ein Buch z.B.: Quantum Non-Locality and Relativity: Metaphysical Intimations of Modern Physics
In einer Rezension heißt es -->
Zitat:

How can Maudlin claim that while there is no superluminal signalling, there is superluminal information exchange?
For Maudlin, signalling is an anthropocentric notion that involves a nomic
connection between a controllable transmitter and an observable of the receiver. Thus, the question of superluminal signalling reduces to: “Can manipulations of the polarizer on one wing of the experiment produce a noticeable effect on the other, given that the Bell inequalities are violated?” (p. 82). The negative answer to this question is wellknown:‘there
is no Bell telephone’. For Maudlin, however, to claim that there is no
superluminal signalling is not to say that no information flows between the two wings of the experiment. The amount of information exchanged between transmitter and receiver is a measure of how much one can infer about the state of the former from the state of the latter. Notice that information can be exchanged even if we cannot control the information being transmitted. Maudlin's clever calculation shows that the quantum statistics can be
reproduced if a pair of photons exchanges, on average, just over 1 bit of information. And as Maudlin himself points out, the systems must be capable of exchanging an infinite amount of information at least some of the time.
[...]
Since the problem of Lorentz invariance seems linked to wave collapse, are ‘nocollapse’ theories unproblematic? Maudlin considers Bohm's theory and Albert and Loewer's Many Minds interpretation and concludes that these theories are also not Lorentz invariant. Most notably, Maudlin shows how problems with Lorentz invariance get smuggled into Bohm's theory. He points out that a preferred notion of simultaneity is inherited by the Bohm theory through the notion of ‘configuration’. This, I think, is a valuable point that is often overlooked: “Configurations are configurations at a time, they
specify where all the particles in a system are at a given moment. So the very notion of a configuration is not a Lorentz invariant concept” (p. 216). So long as we are employing a ‘classical’ configuration space, attempts to construct a Lorentz invariant theory are doomed to failure. Unfortunately, one is left wondering why Special Relativity can represent configurations of physical systems and still have a Lorentz invariant theory while this
seems impossible for the kind of configuration space used by the Bohm theory. Also, are representations of quantum systems in Hilbert space in orthodox quantum mechanics also susceptible to this problem?
http://digitalcommons.calpoly.edu/cg...ntext=phil_fac

Und die ganzen "exotischen Meinungen" zum Thema kommen noch hinzu. ;)

TomS 11.09.16 15:27

AW: Nicht-Lokalität und Relativitätsprinzip; VWI
 
Um speziell diese Punkte bewerten zu können muss man das Buch gelesen haben. Nur, ich bin mir nicht sicher, ob ich das wirklich will :-)

Ich stelle mich jetzt mal auf einen ganz pragmatischen Standpunkt, d.h. orthodoxe QM, Berechnung von Eigen- und Erwartungswerten, keine weitere Interpretation.

Damit hat man eine Lorentz-kovariante Theorie, z.B. die relativistische Quantenmechanik mit Dirac-Gleichung oder eine relativistische Quantenfeldtheorie. Genauer: es gibt keine messbaren Effekte, die auf eine Verletzung der Lorentzkovarianz hinweisen würden.

D.h. dass sich seine gesamte Argumentation auf die Interpretationsebene beziehen müsste, oder?

Hawkwind 11.09.16 19:08

Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 82562)

Damit hat man eine Lorentz-kovariante Theorie, z.B. die relativistische Quantenmechanik mit Dirac-Gleichung oder eine relativistische Quantenfeldtheorie. Genauer: es gibt keine messbaren Effekte, die auf eine Verletzung der Lorentzkovarianz hinweisen würden.

Wie sollte es auch anders sein: die Theorie basiert auf quantisierte relativistische Wellengleichungen. Und ggf. werden, wenn nötig, zusätzliche Postulate erhoben, wie etwa Mikrokausalität (Verschwinden der Kommutatoren der Feldoperatoren bei raumartigen Abständen), um Kompatibilität mit der SRT zu gewährleisten.

Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 82562)
D.h. dass sich seine gesamte Argumentation auf die Interpretationsebene beziehen müsste, oder?

So muss es wohl sein; da herrscht m.W. doch auch weitestgehend Konsens. Ich glaube, Penrose hatte es mal so oder so ähnlich ausgedrückt: "es gibt keinen Widerspruch zwischen der Relativitäts- und der Quantentheorie, aber es gibt eine gewisse Spannung."

Andererseits gibt es gelegentlich auch extrem abweichende Meinungen, z.B. David Bohm:
"Es ist ein Ergebnis der Quanten-Theorie, daß Ereignisse, obwohl sie räumlich getrennt und ohne Möglichkeit der Verbindung sind, durch Interaktion miteinander in Beziehung stehen - in einer Art, die nicht genau kausal durch die Verbreitung von Effekten mit Geschwindigkeiten, die nicht höher als die des Lichts sind, erklärt werden kann. Deshalb ist die Quanten-Theorie auch nicht mit Einsteins Relativitätstheorie vereinbar, in welcher es wesentlich ist, daß solche Beziehungen durch Signale, die sich mit Geschwindigkeiten langsamer als das Licht ausbreiten, erklärt werden können. "

Wenn in diesem Zitat "Interaktion" aus der Übersetzung des englischen "Interaction" hervorging, was man eigentlich zu "Wechselwirkung" übersetzen müsste, dann verstehe ich nicht, was Bohm meint. Eine superluminale Wechselwirkung gibt es in den relativistischen Quantentheorien nicht.

Eine Quelle für das Bohm-Zitat habe ich leider nicht. Habe es hier gefunden:
http://www.sasserlone.de/tag/1046/quantentheorie/

Plankton 11.09.16 19:08

Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 82562)
[...]
D.h. dass sich seine gesamte Argumentation auf die Interpretationsebene beziehen müsste, oder?

Bin mir nicht sicher.
“Quantum Theory and Relativity seem not to directly contradict
one another, but neither can they be easily reconciled” (p. 242) - auch nicht was sein fast Fazit betrifft.


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