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-   -   Nicht-Lokalität und Relativitätsprinzip; VWI (http://www.quanten.de/forum/showthread.php5?t=3010)

TomS 01.09.16 00:30

AW: Nicht-Lokalität und Relativitätsprinzip; VWI
 
Alles was du sagst ist korrekt, außer dass da ein Widerspruch zur SRT bestünde.

An welcher Stelle oder in welcher Gleichung geschieht bzw. steht denn etwas im Widerspruch zur SRT? Welche beobachtbaren Ereignisse beeinflussen sich denn mit Überlichtgeschwindigkeit?

Betrachte einen Zustand |u> sowie die Zeitentwicklung |u,t> = exp(-iHt) |u>.

Du kannst diesen Zustand nun in verschiedenen Bezugsystemen betrachten; alle diese Betrachtungsweisen sind unitär äquivalent, d.h. es existiert eine Familie unitärer Operatoren S[a], die zwischen |u> und |ªu> = S[a] |u> transformiert; a nummeriert dabei alle Poincare-Transformationen. Die Zeitentwicklung exp(-iHt) ist lediglich eine spezielle Klasse der Poincare-Transformationen, nämlich eine Zeit-Translation.

Nun kannst du Wellenfunktionen u(x,t) = <x|u,t> einführen. Verschiedene Basen sind unitär äquivalent, sie gehen letztlich durch Poincare-Transformationen auseinander hervor: |x'> = S |x> für ein spezielles S.

Damit sind aber u(x,t) und u(x',t') ebenfalls unitär äquivalent. Und da die Poincare-Kovarianz durch diese unitären Transformationen dargestellt wird, ist die Zeitentwicklung des Zustandes sowie seine Betrachtung in verschiedenen Bezugsystemen vollständig im Einklang mit der SRT

(das alles gilt natürlich nur in der relativistischen QM oder der QFT)

Die Problematik entsteht erst dann, wenn du gedanklich den Quantenzustand |u> in etwas zerlegst, was du zu einem bestimmten Zeitpunkt (t) hier (x) lokalisierst bzw. dort (y) lokalisierst, und wenn dann damit hier bzw. dort etwas passiert (Kollaps, ...). Aber das ist ja nicht der Fall! Die QM zerlegt da nichts; das tust du gedanklich, weil du es gewohnt bist, in isolierten, lokalisierbaren Objekten zu denken. Und im Rahmen der VWI kollabiert auch nichts, nicht jetzt und hier, nicht später, nicht gleichzeitig, ... (der Kollaps selbst ist problematisch, weil er sicher im Widerspruch zur unitären Dynamik und damit zur Poincare-Invarianz steht).

Alles was gegeben ist, ist ein einziger, eindeutiger Quantenzustand |u>, den du in verschiedenen Bezugsystemen, d.h. bzgl. verschiedener Basen |x>, |x'>, |x''>, ... und zu verschiedenen Zeiten t, t', t'', ... betrachtest. Aber es existiert keine Gleichung und kein Experiment, das die Poincare-Invarianz verletzen würde.

Plankton 01.09.16 09:28

Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 82505)
[...]
(das alles gilt natürlich nur in der relativistischen QM oder der QFT)

Bei der QFT gibt es auch keine Probleme mit der SRT!

Ansonsten, verstehe ich nur so viel: die erwiesene Nicht-Lokalität [Bell, Verschränkung], und dabei ist es egal, ob es sich um eine nicht-lokale kausale Relation handelt oder um Nicht-Separabilität, führt zur Auszeichnung eines Bezugssystems.
Siehe kurz hier --> http://www.heisenberg-gesellschaft.d...esentation.pdf (S.20) [Das PDF hat ungefähr den gleichen Tenor wie das Kapitel in dem Buch.]

In der VWI tritt dieses Problem ("die nicht-lokale Verbindung zeichnet das Bezugssystem aus in dem sie simultan ist"), bei Verschränkung, nun nicht auf, da es keinen Kollaps gibt.

--> Soweit mein Überblick bis hierher! ;)

Plankton 01.09.16 11:08

Zumindest kann man viel zu dem Streitthema finden!
"Non-Locality and Relativity" --> https://www.google.de/search?q=Non-L...and+Relativity
Gibt auch Arbeiten, von Autoren, die der Ansicht sind aus der Bell-Ungleichung lässt sich gar keine Nicht-Lokalität schließen. Scheint mir aber eine "Einzelmeinung" zu sein.

TomS 01.09.16 12:03

AW: Nicht-Lokalität und Relativitätsprinzip; VWI
 
Zitat:

Zitat von Plankton (Beitrag 82506)
Bei der QFT gibt es auch keine Probleme mit der SRT!

Ob rel. QM oder QFT spielt für diese Fragestellung eine untergeordnete Rolle.

Zitat:

Zitat von Plankton (Beitrag 82506)
Ansonsten, verstehe ich nur so viel: die erwiesene Nicht-Lokalität [Bell, Verschränkung], und dabei ist es egal, ob es sich um eine nicht-lokale kausale Relation handelt oder um Nicht-Separabilität, führt zur Auszeichnung eines Bezugssystems.
Siehe kurz hier --> http://www.heisenberg-gesellschaft.d...esentation.pdf (S.20) [Das PDF hat ungefähr den gleichen Tenor wie das Kapitel in dem Buch.]

Sorry, aber das kann ich nicht nachvollziehen. Die Argumentation ist an den entscheidenden Stellen unpräzise oder unvollständig. Auch mit Kollaps ist es keineswegs klar, wo da ein Problem vorliegt.

Zitat:

Zitat von Plankton (Beitrag 82506)
In der VWI tritt dieses Problem nun nicht auf, da es keinen Kollaps gibt.

So sehe ich das.

Grundsätzlich: Probleme treten in der QM immer dann auf, wenn man meint, klassische Konstrukte übertragen zu können: scharf definierte Werte für Observablen, Welle oder Teilchen, Lokalität und Realität, Separabilität, ...

Sobald man akzeptiert, dass klassische Konstrukte zumeist nur unseren Vorurteilen entspringen, lösen sich viele - nicht alle - Probleme von selbst.

Plankton 02.09.16 12:15

AW: Nicht-Lokalität und Relativitätsprinzip; VWI
 
Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 82510)
[...] Die Argumentation ist an den entscheidenden Stellen unpräzise oder unvollständig. [...]

Willst du darauf näher eingehen?

TomS 02.09.16 18:17

AW: Nicht-Lokalität und Relativitätsprinzip; VWI
 
Nun, ich kann schlichtweg nicht erkennen, wie ein Bezugsystem ausgezeichnet wird und wie die QM zu messbaren Verletzungen der Lorentz-Kovarianz führen soll. Und wenn letzteres nicht der Fall ist, dann haben wir kein Problem mit der QM, sondern höchstens mit dieser speziellen Interpretation, oder?

okotombrok 02.09.16 22:54

AW: Nicht-Lokalität und Relativitätsprinzip; VWI
 
Hallo Plankton,

Zitat:

Zitat von Plankton (Beitrag 82501)
Wie ich das verstehe, muss die Nicht-Lokalität der QM durch Nicht-Separabilität realisiert sein, dafür spricht, dass eine nicht-lokale Verbindung in manchen Bezugssystemen vorwärts, in manchen aber rückwärts in der Zeit laufen würde und es zum Konflikt mit der Asymmetrie der Kausalität kommt.

ich verstehe verschränke Teilchen als ein zusammenhängendes System, nicht als kausal zusammenhängende Systeme.
Wie die gegenüberliegenden Seiten eines Würfels
– sie zeigen in der Summe immer sieben, ohne einen kausalen Zusammen im Sinne von Ursache und Wirkung.
(Natürlich sind die Seiten eines Spielewürfels als makroskopisches System lokal gebunden, aber man sollte Analogien nicht überstrapazieren.)
mfg okotombrok

TomS 03.09.16 07:00

AW: Nicht-Lokalität und Relativitätsprinzip; VWI
 
Ein etwas besseres Beispiel ist ein Paar Schuhe. Auch bei räumlicher Trennung und ohne kausale Interaktion gibt es immer genau einen rechten und einen linken Schuh.

Allerdings ist auch dieses Beispiel nicht perfekt. Der eine Schuh ist immer und unabhängig von der Messung (z.B.) ein rechter Schuh. Das ist bei zwei verschränkten Spins nich der Fall.

Timm 03.09.16 09:54

AW: Nicht-Lokalität und Relativitätsprinzip; VWI
 
Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 82500)
Die VWI hat das Problem der Nicht-Lokalität explizit nicht

Unter Nicht-Lokalität verstehe ich die instantane Erzeugung fester Meßwerte unabhängig von der Entfernung in ein und derselben Welt. Wie hebelt die VWI diese experimentellen Befunde denn aus?

TomS 03.09.16 11:44

AW: Nicht-Lokalität und Relativitätsprinzip; VWI
 
Zitat:

Zitat von Timm (Beitrag 82526)
Unter Nicht-Lokalität verstehe ich die instantane Erzeugung fester Meßwerte unabhängig von der Entfernung in ein und derselben Welt. Wie hebelt die VWI diese experimentellen Befunde denn aus?

Im Rahmen der VWI entstehen keine festen Messwerte; ein Messwert ist nur (näherungsweise) je Zweig realisiert. Durch Dekohärenz entsteht eine (in der Zeigerbasis näherungsweise diagonale) Superposition = Zweigstruktur. Diese entsteht jedoch weder instantan noch überall; ihre Dynamik folgt ganz normal der Schrödingergleichung.

In einer relativistischen Theorie breitet sich diese Zweigstruktur (mit der Verschränkung mit weiteren Freiheitsgraden) im / auf dem Lichtkegel aus, da die Zeitentwicklung die Lorentz-Kovarianz respektiert.


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