Die QM könnte durchaus lokal realistisch sein
In diesem Forum wird (wie allgemein üblich), von einer nichtlokalen QM ausgegangen. Der Hauptgrund für die Nichtlokalität der QM liegt in der Verletzung von Bells Ungleichung, was angeblich zeigt, das eine QM mit verstecketen Variablen im Widerspruch zum Experiment steht. Mit anderen Worten: 'Quanten' können keine 'innerern, unmeßbaren Werte' haben, welche festlegen, ob man z.B. bei einer Messung spin-up oder spin-down mißt. Nun basiert die QM aber tatsächlich auf solche unmeßbaren Werten: Der komplexwertigen Wellenfunktion. Während man das Absolutquadrat der WF ja mit der Aufenthaltswahrscheinlichkeit eines Teilchens identifizieren kann, gibt es für die Phase der WF keine makroskopisch analoge Observable. Allerdings reicht allein die Phase nicht aus um die Verletzung von Bells Ungleichung zu erklären.
Ein leider bisher nicht sonderlich bekannter Aufsatz von Joy Christian (http://arxiv.org/abs/quant-ph/0703179) zeigt nun aber, wie es doch funktionieren kann: Die Herleitung basiert darauf, für die Behandlung des Spins Objekte aus der geometrischen Algebra, sog. Bivektoren zu benutzen. Diese haben die Eigenschaft, das man auf der Basis solcher Werte nichtkommutierende Funktionen definieren kann. In der normalen QM hat man zwar nichtkommutierenden Operatoren, aber Funktionen kommutieren immer, weil man mit komplexen Zahlen rechnet. Benutzt man nun diese Werte um damit die bekannte Messung mit Spin-Verschränkung durchzurechnen, erhält man einen inneren Freiheitsgrad, nämlich das Vorzeichen bzw. die initiale Orientierung eines Wertes. Diese Orientierung ist experimentell erst einmal genausowenig bestimmbar wie die Phase der WF in der normalen Betrachtung der QM. Allerdings bestimmt sie letztlich, was für einen Wert man bei der Messung des Spins bekommt. Mit anderen Worten: Die Verschränkung erzeugt zwei Quanten, welche bereits je bei der Erzeugung das Resultat einer Spin-Messung mitbekommen haben. Misst man diese Werte dann, wird dieser versteckte Wert nur noch 'aufgedeckt'. Es ist also nicht nötig, mit Nichtlokalität oder 'spukhafter Fernwirkung' zu erklären, warum die Spins bei der Messung korrelliert sind - das Ergebnis wird ja schon bei der Erzeugung der Teilchen festgelegt. Die Kritik an dieser Betrachtung stützt sich vor allem auf die Benutzung nichtkommutierender Werte. Das ist IMO ein invalides Argument, da es bei einer Theorie ja darum geht experimentelle Ergebnisse vorherzusagen. Was man dafür für Werte benötigt, sollte keine Rolle spielen, solange die Theorie das Experiment erklärt. Christians Betrachtung behandelt bisher allerdings nur einfache Systeme mit Spinverschränkung, es ist bisher nicht sicher, das die Methode auch für komplexere Systeme funktioniert, auch wenn er in seinem Paper davon ausgeht. Interessant an der Sache ist nun ja, das sich ansich alle 'Seltsamkeiten' der QM aus der Wellennatur von Quanten ableiten lassen. Nur das EPR-Paradox stand bisher einer lokal realistischen QM im Wege. Daher ist Christians Betrachtung durchaus relevant, da sie zeigt, das sich eine QM konstruieren läßt, welche lokal realistisch ist und trotzdem im Einklang mit dem Experiment steht. Und das ohne Verrenkungen, wie sie z.B. in der bohmschen Mechanik nötig ist. Da dieser Ansatz fundamental für die Interpretation der QM ist, habe ich mir erlaubt, mal einen neuen Thread zu dem Thema anzufangen. |
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Hallo kawa - Willkommen im Forum!
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Viele Grüße |
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wie ist etwas lokal, dessen Aufenthaltswahrscheinlichkeit über sämtliche hypothetischen Welten verschmiert? "Multilokal"? Bei dem Begriff streikt meine *Sprechblase*. ;) :p Ole, *Sprechblase* fand ich jetzt spontan lustig, meine Frage meine ich aber sachlich. Etwas (die Möglichkeit), das (welche) sich über alle Lokalitäten (mögliche Lokalitäten) ersteckt, ist doch nicht lokal? Was sagt das Everett-Modell hierzu? Pg, ich konnte es bisher nicht im Netz finden. Gruß Uranor |
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Hier geht es also um die Frage: Woher weiß Teilchen 2, das Teilchen 1 gerade vermessen wurde, damit es in den passenden Zustand gehen kann. Woher weiß 2 das nun eigentlich in der VWI? Damit das ganze ohne versteckte Variablen funktioniert, muß man postulieren, das das ganze Universum sich bei der Spin-Messung von 1 aufteilt und in dem Universum, in dem man spin-up gemessen hat, Teilchen 2 nun immer als spin-down gemessen wird und in einem anderen Universum das ganze umgekehrt gilt. Ist das aber nun wirklich lokal? Nein, denn die Messung von Teilchen 1 ändert ja das ganze Universum indem es es in zwei neue Universen aufteilt. Noch nichtlokaler geht es eigentlich nicht: Die VWI erfordert, das die Messung eines Teilchens am Ende des Universums uns hier in dem selben Moment in zwei Universen kopiert. In einer Betrachtung mit verstecken Variablen ist es dagegen so, das jedes Teilchen ja den später zu messenden Zustand bereits bei der Erzeugung mitgeteilt bekommen hat. Das ist also ein fundamentaler Unterschied. Zitat:
Hier dagegen geht es um eine leicht modifizierten QM, welche Bells Ungleichung verletzt und gleichzeitig lokal realistisch ist. Momentan ist nicht absehbar, ob aus dieser Modifikation experimentelle Unterschiede zur normalen QM folgen. Es ist aber auch nicht auszuschließen. |
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edit:
Hmm, ich lass die Geschichte mit meinen Symmetrien doch erstmal raus und konzentriere mich auf das interessante Paper ... Ich hatte eigentlich erwartet, dass die Wiedergewinnung der Verschränkungsinformation aus einer lokalen klassischen Variable nicht geht, aber das sieht ja nun vielleicht beim EPR-Experiment mit Elektronenspin anders aus. Das ist interessant, das muss ich mal selber nachvollziehen. Wenn die keinen Fehler gemacht haben, sagt dass möglcherweise eine Menge über den Spin selber aus. |
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Hallo kawa!
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(Ein aussagekräftigeres Analogon als die Torte, stellt übrigens ein 'Hologramm' dar, was das Multiversum vielleicht am Besten charakterisieren kann: Wenn man eine holografische Platte zerbricht, entstehen eben keine 'neuen' Projektionen, sondern nur 'viele' - der gleichen Art. (die allenfalls etwas 'unschärfer' rüberkommen) Zitat:
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Es ist wie beim Schuhkartonversand: http://home2.vr-web.de/~gandalf/Quan...h/vw_schuh.gif Für jede Kombination - 'ein' (passendes) Universum Zitat:
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Halo Uranor! (auf ein Neues ;) ) Zitat:
Nun - um es kurz zu sagen: Die Messung erstreckt sich eben nicht über 'alle Lokalitäten', sondern nur über 'meine' (eigene). (Nach Everett läuft die Wellenfunktion mit der des Beobachters - in einem eigenen Universum - einfach weiter) Ich messe ja nicht die "Aufenthaltswahrscheinlichkeit", sondern stets: Aufenthalt - ja oder nein. Und das bestätigt ja auch das Experiment. Probleme habe ich nur mit der 'Erklärung': 'Warum' erscheint ein Photon auf dem Detektorschirm hinter einem Einfachspalt an einer bestimmten Stelle (=lokaler Aufenthalt), - an der es dann aber nicht erscheint, wenn ein zusätzlicher Spalt geöffnet wird? Die Antwort nach der VWT: weil es hier physikalische Wechselwirkungen mit Photonen aus anderen Universen gibt, die nur anhand dieser Wechselwirkungen erkennbar sind. Was aber nichts daran ändert: das Messergebnis ist stets lokal - in dem (also: meinem eigenen) Universum in dem gemessen wird - auch wenn das sehr einsam macht ;) Viele Grüße |
AW: Die QM könnte durchaus lokal realistisch sein
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Habe erstmal das Oersted Lectures 2002 Paper von ihm durchgearbeitet und dann mit ein paar anderen einführenden Paper weitergemacht. Bin also noch dabei, mich in die Geometrische Algebra einzuarbeiten, ist zwar elegant aber erstmal ungewohnt. :) Ich muss gerade mal schauen. Inspiriert von dem EPR-Paper bin ich selber mal rangegangen mit einem anderen Weg und komme scheinbar zum gleichen Ergebnis auch ohne Clifford-Algebra. Nun muss ich mal schauen, ob die statistischen Aussagen passen, denn die brauchte ich bisher gar nicht. Verrückt. Bin natürlich noch reichlich skeptisch. |
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salve Gandalf
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Eine Stetige Durchmischung der Welten kann mangels irgendwelcher Beobachtung nicht postulierbar sein. Bzw. auf welche Forderung nach welcher Theorie stützt sich die Behauptung? Zitat:
R1, R2, R3, x4, x5, x6. X, Y, Z, Wirkung, Datenspeicher, Prozessor. x4 ist zeitartig. x5 ist unbekannt organisiert. x6 organisiert auf unbekante Art. Selbst wenn ich Heim immer noch völlig falsch verstanden habe, den ollen ich habe ich oh ja bissele verstanden ;) . So sieht für mich erst mal die Konsequenz aus allem mir bisher bekannt gewordenem aus. Zitat:
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Gruß Uranor |
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Der Punkt ist ja der: Ob die Verletzung von Bells Ungleichung Theorien mit versteckten Variablen ausschließt oder nicht, ist außerordentlich wichtig für die Interpretation der QM, einfach weil die Verletzung von Bells Ungleichung eben einer der primären Gründe für die 'Seltsamkeit' der QM ist. Zitat:
Vorweg: Ich will nicht (und kann auch nicht) die VWI widerlegen. Ich halte sie persönlich für 'unschön', aber das ist natürlich kein Beleg, das sie nicht stimmt. Kurz meine Gründe für diese Ansicht: (1) Die VWI funktioniert (in den meisten Formen) nur, solange die QM linear ist. Die Frage ist nun: Ist die QM das wirklich? Ein Hinweis darauf, das dem nicht so ist, ist die Gravitation: Solange diese analog der ART definiert ist, folgt daraus, das die QM nicht linear sein kann, einfach weil lokale Änderungen der Metrik nicht als linearer Faktor aus der Wellenfunktion 'herausgezogen' werden können. Damit fällt dann das Superpositionsprinzip (bzgw. es gilt nur in der Näherung schwacher Gravitation) und damit würden dann eben via Gravitation doch die 'anderen Universen' untereinander ww können. Ein analoges Problem ergibt sich bei nichtlinearen Prozessen im Rahmen der QFT (die QFT ist zwar linear, aber Prozesse höherer Ordnung sind das in der Summe nicht). Natürlich kann man hier anmerken, das evtl. doch eine lineare QM der Gravitation gefunden werden kann und das daher kein Problem ist. Momentan ist die Frage aber noch offen. (2) Warum nehmen wir immer nur 'ein Universum' wahr und stecken in diesem dann 'fest'. Warum ist unser Bewußtsein also auf nur eins der Universen beschränkt, obwohl wenn es fast identisch in unzähligen vielen gleichzeitig existiert? Wie funktioniert das mit dem (in deinen Worten) "(aus-)wählen"? IMO kann die VWI das bisher nicht erklären. Und IMO liegt das daran, das dieser 'Auswahlprozess' das Analog zum 'Kollaps der WF' ist, welches in der VWI einfach auf den 'Beobachter' verschoben wurde. Damit ist die VWI dann nicht 'besser' als die Kopenhagener Interpretation und ich spüre ebenfalls einen gewissen Hauch 'Esoterik'. Zitat:
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Ich zitiere mal von deiner Homepage: "Diese sogenannte 'Bellschen Ungleichungen' (nach J. Bell, 1964), die eigentlich auftreten müssten, wenn die Realität 'lokalen Gesetzmäßigkeiten' unterworfen wäre, wurden jedoch für verschränkte Quantensysteme experimentell widerlegt. D.h. die Möglichkeit der 100% "Paarbildung" bei verschränkten Photonen ist nach der Quantentheorie grundsätzlich immer gegeben! Wäre dies nicht der Fall, wäre die instantane Fernwirkung ein Phänomen, das sich dadurch erklären lassen könnte, dass irgendwo noch eine Art lokale (mechanische) Verbindungen (Parameter) zwischen den Photonen besteht, die man nur noch nicht entdeckt hat. (die sogenannten "versteckten Variablen") Da dem nicht so ist, - müssen wir davon ausgehen, dass "wir" selbst es sind, die die Versuchsbedingungen dahingehend "manipulieren und bewusst eine (für uns 'passende') Realität" wählen." Genau darum geht es aber in Christians Aufsatz: Das dem doch so ist! Ich bin übrigends nicht so recht mit dem Satz "eine Art lokale (mechanische) Verbindungen (Parameter) zwischen den Photonen besteht, die man nur noch nicht entdeckt hat. (die sogenannten "versteckten Variablen")" einverstanden, denn der impliziert, das versteckten Variablen bedeutet, das beide Photonen irgendwie 'verbunden' sind und bleiben. Tatsächlich ist es aber so, das versteckten Variablen bedeuten, das die Schuhkartons einfach bei der 'Bestückung' immer die passenden Paare von Schuhen erhalten und das dann der Grund ist, warum man das später auch mißt. Hier liegt dann wohl auch der Grund für dein Mißverständnis. Zitat:
Ich favorisiere die Dekohärenz-Sichtweise - nur war die bisher aufgrund EPR nicht lokal realistisch. Damit könnte Christians Idee nun Schluß machen, wodurch Dekorärenz IMO klar die beste Interpretation der QM wäre (weil die oben beschriebenen Probleme bzgl. Dekohärenz nicht zutreffen). Gruß, Karsten. |
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