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-   -   Frage zur Rotation in der Relativitätstheorie (http://www.quanten.de/forum/showthread.php5?t=3356)

NickiMina 02.06.18 14:00

Frage zur Rotation in der Relativitätstheorie
 
Hallo :)

Bei Wiki steht unter dem Ehrenfestschen Paradoxon, dass ein mitrotierender Beobachter den Raum nichteuklidisch wahrnehmen muss.Erklärt wird dies dadurch, dass Messstäbe die er tangential am Scheibenumfang anlegt kontrahieren und deswegen er einen größeren Umfang misst als wenn die Scheibe in Ruhe wäre -> nichteuklidische Geometrie. Aber warum steht im einleitenden Satz " Es besagt, dass ... und für einen mitrotierenden Beobachter der RAUM eine nichteuklidische Geometrie annimmt", wenn im ganzen Artikel nur auf das SCHEIBENSYSTEM eingegangen wurde ? :o Wird auch der Raum außerhalb des Scheibensystems nichteuklidisch wahrgenommen ?

LG!

Hawkwind 02.06.18 21:29

AW: Frage zur Rotation in der Relativitätstheorie
 
Zitat:

Zitat von NickiMina (Beitrag 87647)
Wird auch der Raum außerhalb des Scheibensystems nichteuklidisch wahrgenommen ?

LG!

Ja, es gilt eben nicht die Formel der euklidischen Geometrie
Umfang = 2 * pi * radius
da der Umfang "lorentz-kontrahiert", und das für beliebige Radien.

Marco Polo 03.06.18 07:08

AW: Frage zur Rotation in der Relativitätstheorie
 
Zitat:

Zitat von Hawkwind (Beitrag 87648)
Ja, es gilt eben nicht die Formel der euklidischen Geometrie
Umfang = 2 * pi * radius
da der Umfang "lorentz-kontrahiert", und das für beliebige Radien.

Der Umfang wird allerdings nur aus Sicht des nicht mitrotierenden Beobachters kontrahiert.

Der mitrotierende Beobachter am Scheibenrand misst den Umfang dilatiert gemäß

U’ = 2*Pi*r / sqrt(1-ω^2*r^2/c^2)

NickiMina 03.06.18 07:42

AW: Frage zur Rotation in der Relativitätstheorie
 
@Hawkwind

So habe ich mir das auch gedacht als ich gestern Abend weiter drüber nachgedacht habe, er würde ja seinen Messstab auch bei der Vermessung des umliegenden Raumes öfter anlegen und damit würde er den ganzen Raum nichteuklidisch wahrnehmen :)

@Marco Polo

Der Umfang kontrahiert doch aber gar nicht, er entspricht für einen Beobachter im Laborsystem (nicht rotierend und außerhalb) U=2*Pi*r. Er sieht halt nur, dass mitrotierende nicht verbundene Stäbe kontrahieren und das sind ja die Stäbe des mitrotierenden Beobachters, welcher dann einen größeren Umfang messen müsste. Der im Laborsystem nimmt seine Messstäbe und für ihn kontrahiert nichts und er misst den Umfang der Scheibe U=2*Pi*r. So steht es auch bei Wiki:

"Ehrenfest ging also ursprünglich davon aus, dass der Scheibenumfang im rotierenden Bezugssystem gleich bleibt und im Laborsystem kleiner wird. Tatsächlich bleibt jedoch der Umfang im Laborsystem gleich und wird größer im rotierenden Bezugssystem."


Aber du teilst die Aussage, dass der mitrotierende Beobachter einen nichteuklidischen Raum wahrnimmt um auf meine ursprüngliche Frage zurück zu kommen ?

Marco Polo 03.06.18 15:33

AW: Frage zur Rotation in der Relativitätstheorie
 
Zitat:

Zitat von NickiMina (Beitrag 87650)
Der Umfang kontrahiert doch aber gar nicht, er entspricht für einen Beobachter im Laborsystem (nicht rotierend und außerhalb) U=2*Pi*r.

Ja natürlich. Da hab ich gepennt. Danke für die Richtigstellung.

Aber meine Aussage:

Zitat:

Der mitrotierende Beobachter am Scheibenrand misst den Umfang dilatiert gemäß

U’ = 2*Pi*r / sqrt(1-ω^2*r^2/c^2)
ist korrekt.

Hawkwind schrieb ja, dass der Umfang "lorentz-kontrahiert, was aus meiner Sicht nicht korrekt ist. Der Umfang dilatiert gemäß obiger Formel.

Zitat:

Aber du teilst die Aussage, dass der mitrotierende Beobachter einen nichteuklidischen Raum wahrnimmt um auf meine ursprüngliche Frage zurück zu kommen ?
Ich meine schon. Alle Punkte auf der Scheibe mit unterschiedlichem radialen Abstand, gehören zu unterschiedlichen nicht-inertialen Systemen und das trotz nichtvorhandener Relativbewegung zwischen diesen Punkten. Das führt dann aus Sicht des mitrotierenden Beobachters zur nicht-euklidischen Geometrie der rotierenden Scheibe und auch des umgebenen Raumes.

NickiMina 03.06.18 17:06

AW: Frage zur Rotation in der Relativitätstheorie
 
@Marco Polo

Ja das ist ein nicht zu einfaches und teilweise verwirrendes Thema wie ich finde :) Wenn er nicht kontrahiert, was denn aber dann ?Jetzt stehe ich gerade auf dem Schlauch was mir

"Der mitrotierende Beobachter am Scheibenrand misst den Umfang dilatiert gemäß

U’ = 2*Pi*r / sqrt(1-ω^2*r^2/c^2)"

sagen soll :D Schließlich muss die Raumzeit-Veränderung ja die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit bewahren quasi.

Marco Polo 03.06.18 18:34

AW: Frage zur Rotation in der Relativitätstheorie
 
Zitat:

Zitat von NickiMina (Beitrag 87652)
@Marco Polo

Ja das ist ein nicht zu einfaches und teilweise verwirrendes Thema wie ich finde :) Wenn er nicht kontrahiert, was denn aber dann ?Jetzt stehe ich gerade auf dem Schlauch was mir

"Der mitrotierende Beobachter am Scheibenrand misst den Umfang dilatiert gemäß

U’ = 2*Pi*r / sqrt(1-ω^2*r^2/c^2)"

sagen soll :D Schließlich muss die Raumzeit-Veränderung ja die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit bewahren quasi.


Dilatiert heisst in diesem Zusammenhang, dass der mitrotierende Beobachter einen größeren Scheibenumfang misst, als der Beobachter im Laborsystem. Und so stehts ja auch bei Wiki.


Längen kennt man aus der SRT eigentlich stets kontrahiert oder bestenfalls unverändert.


In diesem speziellen Fall haben wir es wegen der nichteuklidischen Geometrie aber offenbar mit einer Art Längendilatation zu tun.


Den Begriff habe ich übrigens frei erfunden, ist aber der Tatsache geschuldet, dass der Umfang der Scheibe aus Sicht des mitrotierenden Beobachters am Scheibenrand, dilatiert (gedehnt), also größer 2 pi r gemessen wird.

NickiMina 03.06.18 18:41

AW: Frage zur Rotation in der Relativitätstheorie
 
Achso alles klar :) Finde ich schon bemerkenswert ... ich meine die Gegenstände im umliegenden Raum bewegen sich ja für den mitrotierenden Beobachter, also müsste es doch eine Kontraktion geben wegen der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit oder nicht ? Oder sorgt dafür dilatierte Raum ? ^^

Marco Polo 03.06.18 19:13

AW: Frage zur Rotation in der Relativitätstheorie
 
Zitat:

Zitat von NickiMina (Beitrag 87654)
Finde ich schon bemerkenswert ... ich meine die Gegenstände im umliegenden Raum bewegen sich ja für den mitrotierenden Beobachter, also müsste es doch eine Kontraktion geben wegen der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit oder nicht ?

Klingt irgendwie logisch. Sollen sich hierzu lieber mal die Experten zu Wort melden.

Gutes Paper zum Ehrenfest-Paradoxon:

https://arxiv.org/ftp/arxiv/papers/0803/0803.2036.pdf

Für alle Beobachter (inertial oder nicht) ist die Raumzeit flach.

NickiMina 03.06.18 19:45

AW: Frage zur Rotation in der Relativitätstheorie
 
Warum denn auf einmal flach, der mitrotierende Beobachter nimmt doch eine nichteuklidische Geometrie wahr ? :o

Englisch ist nicht meine Stärke leider ...

Bernhard 03.06.18 20:45

AW: Frage zur Rotation in der Relativitätstheorie
 
Zitat:

Zitat von Marco Polo (Beitrag 87655)
Für alle Beobachter (inertial oder nicht) ist die Raumzeit flach.

Ein Wechsel des Bezugssystem ändert nichts an der intrinsischen Geometrie. Man müsste an dieser Stelle wohl sehr genau definieren, wie der Umfang im rotierenden System genau gemessen werden soll. Ich vermute, dass man eine Abweichung von 2*pi*r erst dann bekommt, wenn man mit mehreren Beobachtern oder sonstigen Zusatzannahmen arbeitet, die von der Vorstellung eines starren Körpers abgeleitet werden können.

Vermutlich muss man mit historischen Aussagen auch vorsichtig sein. Exakte Messungen wurden mit einer rotierenden Scheibe meines Wissens noch nicht durchgeführt, weil man da ja auch sofort die beschriebenen Materialeigenschaften berücksichtigen müsste.

Marco Polo 03.06.18 21:04

AW: Frage zur Rotation in der Relativitätstheorie
 
Zitat:

Zitat von NickiMina (Beitrag 87656)
Warum denn auf einmal flach, der mitrotierende Beobachter nimmt doch eine nichteuklidische Geometrie wahr ? :o

Englisch ist nicht meine Stärke leider ...

Wir reden hier von einer Aneinanderreihung von nichtinertialen Koordinatensystemen. Da muss nichts gekrümmt sein.

Nachstehende Erklärung ist recht aufschlussreich:

Zitat:

Will man den Umfang einer rotierenden Scheibe "ingenieus" in den Systemen S und S' bestimmen, könnte man sie in eine nicht-mitrotierende Fassung mit Markierungen legen. Der mitrotierende Scheibenrand wrd zuvor ebenfalls markiert.

Rotiert die Scheibe, bleibt der Scheibenradius r in S konstant, der Umfang wird jedoch über die angebrachten Markierungen kontrahiert gemessen; in S' ist der Scheibenradius r' ebenfalls konstant, der Umfang wird jedoch dilatiert gemessen.

Für alle anderen in S' mitrotierenden Beobachter im Intervall 0 bis r' ergeben sich abhängig vom Zentrumsabstand entsprechend andere Umfangswerte, da der Umfang des Scheibenrands "unzulässigerweise" mit den Massstäben aus einem anderen nicht-inertialen Koordinatensystem vermessen wird.

Das vermutlich grösste Problem am Ehrenfest-Paradoxon ist genau diese Aneinanderreihung verschiedener nicht-inertialer Koordinatensysteme über das gesamte Intervall von 0 bis r', die keine globale Betrachtung der rotierenden Scheibe zulässt.

Timm 03.06.18 21:29

AW: Frage zur Rotation in der Relativitätstheorie
 
Zitat:

Zitat von NickiMina (Beitrag 87652)
@Marco Polo

Ja das ist ein nicht zu einfaches und teilweise verwirrendes Thema wie ich finde :) Wenn er nicht kontrahiert, was denn aber dann ?Jetzt stehe ich gerade auf dem Schlauch was mir

"Der mitrotierende Beobachter am Scheibenrand misst den Umfang dilatiert gemäß

U’ = 2*Pi*r / sqrt(1-ω^2*r^2/c^2)"

sagen soll :D Schließlich muss die Raumzeit-Veränderung ja die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit bewahren quasi.

Die Raumzeit ist in Abwesenheit von Gravitation flach.
Stell dir auf dem Umfang tangential angeordnete starre Maßstäbe vor. Wenn diese im Laborsystem kontrahiert sind, haben entsprechend mehr davon auf dem dem Umfang Platz. Der Radius ist nicht kontrahiert, ergo ist der Umfang > 2rpi.

Marco Polo 03.06.18 21:44

AW: Frage zur Rotation in der Relativitätstheorie
 
Zitat:

Zitat von Timm (Beitrag 87659)
Stell dir auf dem Umfang tangential angeordnete starre Maßstäbe vor. Wenn diese im Laborsystem kontrahiert sind, haben entsprechend mehr davon auf dem dem Umfang Platz. Der Radius ist nicht kontrahiert, ergo ist der Umfang > 2rpi.

Und damit ist der Umfang der Scheibe aus Sicht des mitrotierenden Beobachters dilatiert.

Aber ist das auch für R>r´ bzw. >r gültig, also über den Scheibenrand hinaus?

Theoretisch kann man den Scheibenradius ja auch als unendlich groß annehmen.

Hawkwind 03.06.18 21:46

AW: Frage zur Rotation in der Relativitätstheorie
 
Zitat:

Zitat von Marco Polo (Beitrag 87655)
Klingt irgendwie logisch. Sollen sich hierzu lieber mal die Experten zu Wort melden.

Gutes Paper zum Ehrenfest-Paradoxon:

https://arxiv.org/ftp/arxiv/papers/0803/0803.2036.pdf

Für alle Beobachter (inertial oder nicht) ist die Raumzeit flach.

Mhm, bin nicht sicher, ob das Papier so gut ist.
Die Diskussionen zum Ehrenfest-Paradoxon sind i.a. rein kinematischer Natur (Lorentz-Kontraktion). In dem Papier geht es um Zentripetalkräfte aufgrund derer Radien verbogen werden.

Zitat:

When the platform is put into rotation, the transmission, from the axis to the rim, of the forces that provoke the acceleration cannot be instantaneous. For this reason, the radii in the platform deform (but keeping themselves in their common plane) at the same time that the length of the rim diminishes, and, contrary to what is usually said, a gap appears between the static and moving circumferences. When the rotation becomes constant, ω, centripetal accelerations go on being transmitted and keeping the radii bent while the perimeter of the rotating platform is shortened according to length contraction formula...
Of course, for high rotation speed, the deformation due to centrifugal forces, which is much bigger than the relativistic deformation, must be taken into account...
Wenn man solche Verzerrungen diskutieren will, dann kommt man doch wohl nicht umhin, die Materialeigenschaften der Scheibe zu berücksichtigen (ihre Schallgeschwindigkeit, Elastizität etc.), oder?

Bin auch nicht sicher, ob dieses Preprint es wirklich bis zur Publikation geschafft hat - habe nur Zitate gefunden, die auf das Preprint verweisen und nicht auf eine Publikation des Autors mit selbigem Titel.

---

Diese hier kam etwa gleichzeitig und erschien in der renommierten Physical Review:
Relativistic contraction and related effects in noninertial frames
H Nikolić - Physical Review A, 2000 - APS
https://journals.aps.org/pra/abstrac...RevA.61.032109
pdf hier: https://arxiv.org/pdf/gr-qc/9904078
Die Diskussion ist ähnlich. Leider habe ich die Conclusions noch nicht ganz verstanden. :)

Bernhard 03.06.18 23:38

AW: Frage zur Rotation in der Relativitätstheorie
 
Zitat:

Zitat von Marco Polo (Beitrag 87660)
Aber ist das auch für R>r´ bzw. >r gültig, also über den Scheibenrand hinaus?

In dem Bereich rotiert aber nichts. Deshalb läuft so eine Frage nur darauf hinaus, wie groß die Scheibe sein kann.

NickiMina 04.06.18 05:18

AW: Frage zur Rotation in der Relativitätstheorie
 
@Bernhard

Wenn der mitrotierende Beobachter einen ausfahrbaren Maßstab hätte könnte er damit auch den umliegenden Raum vermessen und je größer r ist desto stärker kontrahiert der Maßstab und desto größer würde er den Umang messen, auch über die Scheibe hinaus.

@Marco Polo

Einstein selber, steht vor allem im englischen Wiki zum EP, hat sich selber damit auseinander gesetzt und ist zu dem Schluss gekommen, dass ein mitrotierender Beobachter den Raum gekrümmt wahrnimmt (sein Gedankengang war a das mit diesen Stäben die dann kontrahieren usw...). Das war auch ein wichtiger Hinweis für ihn, dass auch in Gravitationsfeldern eine nichteuklidische Geometrie verwendet werden muss.

Also kann ich mir schwer vorstellen, dass aufeinmal die Raumzeit doch euklidisch sein soll.

Im Wiki steht aufgrund der Unkenntnis oder des Unverständnisses der allgemein bekannten Lösung (das mit den Maßstäben und der nichteukl. Geometrie usw.) werden mehr und mehr andere Sachen als Lösung vorgeschlagen, die so aber nicht stimmen sollen.

Es steht ja in jedem Wiki und sonst dass die allgemeine Lösung ist, dass der mitrotierende Beobachter einen nichteuklidischen Raum wahrnimmt.

Timm 04.06.18 06:58

AW: Frage zur Rotation in der Relativitätstheorie
 
Zitat:

Zitat von NickiMina (Beitrag 87663)
Also kann ich mir schwer vorstellen, dass aufeinmal die Raumzeit doch euklidisch sein soll.

Die Verwirrung entsteht, weil du nicht zwischen Raum- und Raumzeitkrümmung unterscheidest. Der Raum kann sehr wohl in Abwesenheit von Gravitation (genauer Quellen der Gravitation entsprechend der Komponenten des Energie-Impuls-Tensors) gekrümmt sein. Ein Beispiel dafür ist das leere (meint Energiedichte Null) FRW-Universum, das mit flacher Raumzeit räumlich negativ gekrümmt ist. Umgekehrt kann ein Universum räumlich flach sein, obwohl die Raumzeit gekrümmt ist, ein Beispiel dafür ist unser Universum. Ein Kriterium für die Anwesenheit von Gravitation ist die relative Beschleunigung benachbarter Geodäten. Wenn du etwa Murmeln nacheinander fallen läßt, vergrößert sich ihr Abstand beschleunigt.

NickiMina 04.06.18 13:28

AW: Frage zur Rotation in der Relativitätstheorie
 
@Timm

Jetzt komme ich gerade nicht mit. Kannst du mir das vielleicht erklären ? Inwiefern wird denn da zwischen Raumkrümmung und Raumzeitkrümmung unterschieden ?

Ich 04.06.18 15:22

AW: Frage zur Rotation in der Relativitätstheorie
 
Hi alle,

hier noch mein Senf dazu:

Was das Paper betrifft, teile ich Hawkwinds Einschätzung: Das taugt nicht als Referenz.

Zum Thema Längenkontraktion/dilatation: Wir haben eine Scheibe, die sowohl um ruhenden als auch im roterenden Zustand den Radius r haben soll. Das ergibt sich nicht natürlich, normalerweise dehnen sich solche Scheiben aufgrund der Fliehkraft ziemlich, wenn man sie auf Drehzahl bringt. Wir wollen es aber konstant haben und sorgen irgendwie dafür.

Zitat:

Zitat von Marco Polo (Beitrag 87658)
Nachstehende Erklärung ist recht aufschlussreich:
Zitat:

Will man den Umfang einer rotierenden Scheibe "ingenieus" in den Systemen S und S' bestimmen, könnte man sie in eine nicht-mitrotierende Fassung mit Markierungen legen. Der mitrotierende Scheibenrand wrd zuvor ebenfalls markiert.

Rotiert die Scheibe, bleibt der Scheibenradius r in S konstant, der Umfang wird jedoch über die angebrachten Markierungen kontrahiert gemessen; in S' ist der Scheibenradius r' ebenfalls konstant, der Umfang wird jedoch dilatiert gemessen.

Das ist nicht richtig. Wenn ich auf der Scheibe 100 Markierungen anbringe, dann bleiben das im Ruhesystem S auch100 Markierungen, auch wenn die Scheibe rotiert. Die können sich ja nicht magisch vermehren. Von daher bleibt deren Abstand gleich. Was sich erst mal komisch anhört, weil der ja kontrahieren sollte.
Auflösung: Die Scheibe steht bekanntermaßen unter Zugspannung, weil der Umfang ja nicht mehr zum Radius passt sondern größer ist. Das Material zwischen den Markierungen ist also wirklich mechanisch gedehnt. Würde man an jede Markierung einen Maßstab mittig so anschrauben, dass deren Enden sich in Ruhe gerade berühren, dann würden die bei Rotation in S kürzer gemessen werden und den Umfang nicht mehr abdecken. Es wären Spalte zwischen ihnen.
Und so passt das dann zusammen: Der Umfang der rotierenden Scheibe, gemessen in S' mit mitrotierenden Maßstäben, ist tatsächlich größer als im nichtrotierenden Zustand. Das bedeutet, dass der Scheibenrand auch tatsächlich gedehnt ist, zwischen den einzelnen Atomen also mehr Platz ist, was mit entsprechenden Spannungen im Material einhergeht. Die Situation ist prinzipiell dieselbe wie beim Bellschen Paradox. Und die Ursache ist auch dieselbe: Man zwingt einem Körper, der aufgrund seiner Bewegung eigentlich im Ruhesystem kontrahiert erscheinen müsste, eine konstante Länge auf. Da die Lorentzkontraktion ja trotzdem da ist, heißt das zwangsläufig, dass man den Körper tatsächlich, also mechanisch und mit Kraftaufwand und Bruchgefahr, dehnen muss, damit er lorentzkontrahiert wieder gleich groß aussieht.
Würde man die rotierende Scheibe radial ein paar Mal einschneiden wie eine Torte, dann würden sich die einzelnen Tortenstücke sofort auf ihren normale Länge zusammenziehen und sich Lücken zwischen ihnen auftun. Die Stücke sähen dann im Ruhesystem kontrahiert aus, und zwar umso stärker, je weiter außen.

Timm 04.06.18 17:08

AW: Frage zur Rotation in der Relativitätstheorie
 
Zitat:

Zitat von NickiMina (Beitrag 87665)
Kannst du mir das vielleicht erklären ? Inwiefern wird denn da zwischen Raumkrümmung und Raumzeitkrümmung unterschieden ?

Ich will's versuchen.

Raumzeitkrümmung: Wird verursacht durch durch Energie/Impuls, z.B. durch eine Masse oder bezogen auf das Universum durch dessen Energiedichte. Sie ist untrennbar mit Gezeitenkräften verbunden, die darauf beruhen, daß sich die Bahnen frei fallender Objekte beschleunigt voneinander weg, bzw. aufeinander zu bewegen. Das Beispiel mit den Murmeln, die in Richtung einer Masse fallen, hatte ich weiter oben schon erwähnt. Für das Universum gilt grundsätzlich Ähnliches.

Raumkrümmung: Ursache wie bei Universum. Die Geometrie des Raums ist durch die Winkelsumme im Dreieck, bzw. durch das Verhältnis Umfang zu Radius festgelegt:

Euklidisch: 180°, 2pi
Sphärisch: > 180°, < 2pi
Hyperbolisch: < 180°, > 2pi

Du findest ohne Mühe im Web Bilder und Erläuterungen hierzu.

Beim Universum bezieht sich die räumliche Geometrie auf einen festen Zeitpunkt, so als wäre die Expansion unterbrochen. Die Messungen der Winkelsumme nähern sich den 180°, wonach die räumliche Geometrie des Universums aus heutiger Sicht euklidisch ist.

Noch zur Geometrie auf der rotierenden Scheibe: Für den ruhenden Beobachter ist sie wegen U/r < 2pi sphärisch, für den mit rotierenden Beobachter wegen U/r > 2pi jedoch hyperbolisch.

NickiMina 04.06.18 17:26

AW: Frage zur Rotation in der Relativitätstheorie
 
@ Timm

Danke :) Im Fall der Rotation wird doch aber von der nichteuklidischen Geometrie der Raumzeit gesprochen, oder ? Schließlich verlieren auch Uhren mit unterschiedlichem Abstand zum Mittelpunkt ihre synchronisation und sonst wäre das ja kein Indiz dafür, dass auch in Gravitationsfeldern die Raumzeit gekrümmt ist.

Weshalb wird denn da überall von der nichteuklidischen Geometrie des Raumes (also nicht Raumzeit) gesprochen ? Weil es darum geht, was der mitrotierende Beobachter "sieht" ?

Noch eine allgemeine Frage: Wie hängt denn das Wahrnehmen der nichteuklidischen Geometrie im rotierenden System mit der Lichtablenkung (verursacht durch die Rotation) zusammen? Die muss ja einen Einfluss auf das haben, was der Beobachter wahrnimmt. Ist beides miteinander gleich zu setzen bzw. wird die nichteuklidische Geometrie wegen der Verzerrung der Lichtwege wahrgenommen ?

Benjamin 04.06.18 18:10

AW: Frage zur Rotation in der Relativitätstheorie
 
Zitat:

Zitat von NickiMina (Beitrag 87647)
Hallo :)

Bei Wiki steht unter dem Ehrenfestschen Paradoxon, dass ein mitrotierender Beobachter den Raum nichteuklidisch wahrnehmen muss.Erklärt wird dies dadurch, dass Messstäbe die er tangential am Scheibenumfang anlegt kontrahieren und deswegen er einen größeren Umfang misst als wenn die Scheibe in Ruhe wäre -> nichteuklidische Geometrie. Aber warum steht im einleitenden Satz " Es besagt, dass ... und für einen mitrotierenden Beobachter der RAUM eine nichteuklidische Geometrie annimmt", wenn im ganzen Artikel nur auf das SCHEIBENSYSTEM eingegangen wurde ? :o Wird auch der Raum außerhalb des Scheibensystems nichteuklidisch wahrgenommen ?

LG!

Meiner Meinung nach ist der Raum des Laborbezugssystems für den rotierten Beobachter klar nicht euklidisch. Ich schließe das daraus, weil ein Lichtstrahl im Laborsystem für den Beobachter auf der Scheibe gekrümmt verläuft, und der Paralleltransport nicht kommutativ ist. Das heißt, ein Lichtstrahl, der vom Beobachter auf der rotierenden Scheibe tagential zur Drehrichtung losgeschickt wird und dann an einem Spiegel im Laborsystem reflektiert wird, wird nicht zum selben Punkt zurückkommen, von dem er losgeschickt wurde und ist außerdem auch noch Frequenz verschoben aufgrund dessen, dass sich die Relativgeschwindigkeit Spiegel-Beobachter auf der Scheibe geändert hat.

Die Lichtablenkung (nicht Kommutativität des Paralleltransports) kann meiner Meinung nach als Folge einer nicht-euklidischen Geometrie gedeutet werden.

Timm 04.06.18 18:59

AW: Frage zur Rotation in der Relativitätstheorie
 
Zitat:

Zitat von NickiMina (Beitrag 87669)
Im Fall der Rotation wird doch aber von der nichteuklidischen Geometrie der Raumzeit gesprochen, oder ?

Bitte Zitat. Wer spricht hier von der Raumzeit? Die Geometrie des Raums (nicht die der Raumzeit!) ist sphärisch bzw. hyperbolisch und damit nicht euklidisch.

Zitat:

Zitat von NickiMina (Beitrag 87669)
Schließlich verlieren auch Uhren mit unterschiedlichem Abstand zum Mittelpunkt ihre synchronisation und sonst wäre das ja kein Indiz dafür, dass auch in Gravitationsfeldern die Raumzeit gekrümmt ist.

Diesen Zusammenhang sehe ich so nicht. Nicht synchronisierte Uhren gibt es in der SRT, also in flacher Raumzeit, Beispiel beschleunigende Rakete, rotierende Scheibe und in ART, Beispiel gravitative Zeitdilatation.

Zitat:

Zitat von NickiMina (Beitrag 87669)
Noch eine allgemeine Frage: Wie hängt denn das Wahrnehmen der nichteuklidischen Geometrie im rotierenden System mit der Lichtablenkung (verursacht durch die Rotation) zusammen? Die muss ja einen Einfluss auf das haben, was der Beobachter wahrnimmt. Ist beides miteinander gleich zu setzen bzw. wird die nichteuklidische Geometrie wegen der Verzerrung der Lichtwege wahrgenommen ?

Es gibt radial Frequenzverschiebungen. Mehr dazu kann vielleicht ein anderer hier sagen.

Benjamin 04.06.18 19:09

AW: Frage zur Rotation in der Relativitätstheorie
 
Zitat:

Zitat von NickiMina (Beitrag 87669)
Noch eine allgemeine Frage: Wie hängt denn das Wahrnehmen der nichteuklidischen Geometrie im rotierenden System mit der Lichtablenkung (verursacht durch die Rotation) zusammen? Die muss ja einen Einfluss auf das haben, was der Beobachter wahrnimmt. Ist beides miteinander gleich zu setzen bzw. wird die nichteuklidische Geometrie wegen der Verzerrung der Lichtwege wahrgenommen ?

Soweit ich es sehe, hängt das zusammen, wobei du für die korrekte Beschreibung der Lichtwege die 4-dim. Raumzeit brauchst, d.h. die nicht-euklidsche Geometrie des Raumes alleine ist vermutlich zu wenig.

Aber warum beschäftigt dich die Frage, ob der Raum euklidsch oder nicht erscheint?

NickiMina 04.06.18 19:25

AW: Frage zur Rotation in der Relativitätstheorie
 
Ich möchte es einfach verstehen, ich finde den Fall der Rotation in der RT echt interessant :) Es gibt da so viele Lösungsvorschläge und Ideen, nur eine wird aber wahrscheinlich richtig sein...

Also ich kenne einen Physiker der auch meinte, dass ein mitrotierender Beobachter durch die Lichtablenkung so interpretieren würde, als wäre er in einem nichteuklidischen Raum.

Bernhard 04.06.18 20:39

AW: Frage zur Rotation in der Relativitätstheorie
 
Zitat:

Zitat von NickiMina (Beitrag 87673)
nur eine wird aber wahrscheinlich richtig sein...

Ich denke da wird hier niemand widersprechen :) .

Zitat:

Also ich kenne einen Physiker der auch meinte, dass ein mitrotierender Beobachter durch die Lichtablenkung so interpretieren würde, als wäre er in einem nichteuklidischen Raum.
Die vierdimensionale Metrik ist für einen Beobachter am Rand der Scheibe je nach Koordinatenwahl natürlich i.A. nicht mehr gleich der Minkowski-Metrik, aber ich denke, das bleibt eine unzufriedenstellende Antwort. Vernachlässigt man weiterhin die Masse und kinetische Energie der Scheibe, bleibt die intrinsische Geometrie des Raumes noch immer die des Minkowski-Raumes, weil der Energie-Impuls-Tensor des Systems überall verschwindet. Und in diesem Sinne würde mich eine Abweichung von U = 2 * pi * r für diesen einzelnen Beobachter noch immer überraschen. Man müsste das mal konkret nachrechnen, was aber schon eine Weile dauert und von mir momentan eher nicht nebenbei gemacht werden kann.

Man könnte als nächstes auch die Masse und kinetische Energie der Scheibe berücksichtigen. Mit Masse und Energie entspricht die Geometrie des Raumes nämlich definitiv nicht mehr der des Minkowski-Raumes, allerdings gilt das ebenfalls für beide Beobachter.

Benjamin 04.06.18 21:38

AW: Frage zur Rotation in der Relativitätstheorie
 
Zitat:

Zitat von Bernhard (Beitrag 87674)
Vernachlässigt man weiterhin die Masse und kinetische Energie der Scheibe, bleibt die intrinsische Geometrie des Raumes noch immer die des Minkowski-Raumes, weil der Energie-Impuls-Tensor des Systems überall verschwindet. Und in diesem Sinne würde mich eine Abweichung von U = 2 * pi * r für diesen einzelnen Beobachter noch immer überraschen.

Ich denke, der entscheidende Punkt ist der, dass eine Messung des Kreisumfangs nicht anders möglich ist, als dabei das Bezugssystem zu wechseln. Der Punkt gegenüber auf der Scheibe dreht sich schließlich in die entgegengesetzte Richtung, und jeder andere Punkt am Ende der Scheibe hat wieder eine andere Relativgeschwindigkeit zu dem Punkt, von dem aus man messen möchte.
Das heißt, die Abweichung von U=2Pi*r rührt nicht daher, dass die Minkowski-Metrik nicht gegeben ist, sondern dass eine Strecke entlang unterschiedlicher Bezugssysteme ausgemessen wird, sprich, man kontinuierliche Lorentz-Transformationen durchführt, wenn man über die Strecke integriert, welche im ruhenden Bezugsystem nicht nötig sind, und der Kreisumfang immer 2Pi*r ist.

Meiner Ansicht nach sollte sich alles mit Hilfe des Minkowski-Raumes beschreiben lassen, nicht jedoch mit Hilfe eines euklidschen.

Benjamin 04.06.18 21:44

AW: Frage zur Rotation in der Relativitätstheorie
 
Zitat:

Zitat von NickiMina (Beitrag 87673)
Ich möchte es einfach verstehen, ich finde den Fall der Rotation in der RT echt interessant :) Es gibt da so viele Lösungsvorschläge und Ideen, nur eine wird aber wahrscheinlich richtig sein...


Zitat:

Zitat von Bernhard (Beitrag 87674)
Ich denke da wird hier niemand widersprechen :) .


Doch, ich möchte widersprechen. :D

Es gibt immer wieder unterschiedlichste Zugänge in der Physik, wo man nicht eindeutig sagen kann, dieser oder jener sei richtiger. Auch in der SRT, wo man die Lorentz-Kraft auf zwei stromdurchflossene Leiter entweder mit Hilfe des Magnetfeldes berechnen kann, oder allein über lorentz-transformierte elektrische Felder. Andererseits kann man die gesamte RT mit als auch ohne die Vorstellung eines Äthers aufrollen, und erhält letztlich dieselben Aussagen.

Bernhard 04.06.18 23:31

AW: Frage zur Rotation in der Relativitätstheorie
 
Zitat:

Zitat von Benjamin (Beitrag 87675)
Meiner Ansicht nach sollte sich alles mit Hilfe des Minkowski-Raumes beschreiben lassen, nicht jedoch mit Hilfe eines euklidschen.

Ich denke NickiMina verwendet beide Begriffe synonym ;) .

Bernhard 04.06.18 23:32

AW: Frage zur Rotation in der Relativitätstheorie
 
Zitat:

Zitat von Benjamin (Beitrag 87676)
Es gibt immer wieder unterschiedlichste Zugänge in der Physik

NickiMina ging es oben um die experimentelle Situation, und die sollte natürlich eindeutig sein.

Bernhard 04.06.18 23:49

AW: Frage zur Rotation in der Relativitätstheorie
 
Zitat:

Zitat von Benjamin (Beitrag 87675)
Der Punkt gegenüber auf der Scheibe dreht sich schließlich in die entgegengesetzte Richtung, und jeder andere Punkt am Ende der Scheibe hat wieder eine andere Relativgeschwindigkeit zu dem Punkt, von dem aus man messen möchte.

Die Punkte am Rand kann man aufgrund der Symmetrie des Problems im rotierenden Bezugssystem als ruhend annehmen.

Auffällig ist vielmehr, dass bei der Messung des Durchmessers aufgrund der Drehung der Scheibe schon mal eine gekrümmte Lichtbahn verwendet werden muss, was zu einer ersten Abweichung führt.

Man könnte ferner die Eigenzeit des rotierenden Beobachters mit einer 2D-Drehung zu einer plausiblen vierdimensionalen Koordinatentrafo kombinieren und damit die neuen Komponenten des metrischen Tensors ausrechnen. Mit Hilfe der daraus folgenden Geodätengleichungen kann man dann alle benötigten Lichtlaufzeiten ausrechnen und hätte damit eine experimentell überprüfbare Vorhersage.

Ich 05.06.18 08:51

AW: Frage zur Rotation in der Relativitätstheorie
 
Zitat:

Zitat von Bernhard (Beitrag 87674)
Die vierdimensionale Metrik ist für einen Beobachter am Rand der Scheibe je nach Koordinatenwahl natürlich i.A. nicht mehr gleich der Minkowski-Metrik, aber ich denke, das bleibt eine unzufriedenstellende Antwort. Vernachlässigt man weiterhin die Masse und kinetische Energie der Scheibe, bleibt die intrinsische Geometrie des Raumes noch immer die des Minkowski-Raumes, weil der Energie-Impuls-Tensor des Systems überall verschwindet. Und in diesem Sinne würde mich eine Abweichung von U = 2 * pi * r für diesen einzelnen Beobachter noch immer überraschen. Man müsste das mal konkret nachrechnen, was aber schon eine Weile dauert und von mir momentan eher nicht nebenbei gemacht werden kann.

Die "intrinsische Geometrie des Raumes" ist aber eine Sache der Koordinatenwahl, und das ist auch keineswegs unzufriedenstellend, sondern der Kern der Sache.
Nachrechnen muss man das nicht, das haben andere schon gemacht. Das Problem ist schließlich über 100 Jahre alt.
Die Details sind verzwickt. Karl Hilpolt hat den Artikel von Chris Hillman übersetzt, den kann ich sehr ans Herz legen.
Das zentrale Resultat zum Umfang/Durchmesser Verhältnis ist die Langevin-Landau-Lifschitz-Metrik, die recht nah an einer vernünftigen operationalen Definition von Abständen auf einer rotierenden Scheibe ist. Diese lautet
ds² = dr² + r²dφ/(1-r²ω²),
der Umfang ist also größer als 2πr.

Bernhard 05.06.18 09:17

AW: Frage zur Rotation in der Relativitätstheorie
 
Zitat:

Zitat von Ich (Beitrag 87680)
Die "intrinsische Geometrie des Raumes" ist aber eine Sache der Koordinatenwahl,

Wenn man Winkel und Abstände zur intrinsischen Geometrie rechnet ja, wenn man darunter nur die lokale Krümmung des Raumes versteht, dann nicht unbedingt.

Zitat:

Nachrechnen muss man das nicht, das haben andere schon gemacht.
Umso besser.

Timm 05.06.18 09:29

AW: Frage zur Rotation in der Relativitätstheorie
 
Zitat:

Zitat von Bernhard (Beitrag 87674)
Vernachlässigt man weiterhin die Masse und kinetische Energie der Scheibe, bleibt die intrinsische Geometrie des Raumes noch immer die des Minkowski-Raumes, weil der Energie-Impuls-Tensor des Systems überall verschwindet. Und in diesem Sinne würde mich eine Abweichung von U = 2 * pi * r für diesen einzelnen Beobachter noch immer überraschen.

Ich denke du kannst wegen des Limits der Bornschen Starrheit nicht von unendlicher Starrheit ausgehen. Die Folge ist U/r > 2 pi und damit hyperbolische Geometrie, wozu es etliche Publikationen gibt, z.B.
http://dergipark.gov.tr/download/article-file/217765

Der Energie-Impuls-Tensor verschwindet nicht, weil Stress Komponenten <> 0 sind.
http://sasuke.econ.hc.keio.ac.jp/~ke...igid_disk.html
Zitat:

The stresses in the rigid disk warp spacetime. This is plausible, even assuming the mass of the disk is negligible.
Ich vermute, daß mit Stress bei Vernachlässigung der Masse der Scheibe (T_00 = 0) K = -1 ist, was hyperbolische Geometrie bedeutet.

Ich 05.06.18 09:56

AW: Frage zur Rotation in der Relativitätstheorie
 
Zitat:

Zitat von Timm (Beitrag 87682)
Ich vermute, daß mit Stress bei Vernachlässigung der Masse der Scheibe (T_00 = 0) K = -1 ist, was hyperbolische Geometrie bedeutet.

Diese Geometrie entsteht rein kinematisch aus den rotierenden Koordinaten in leerer Raumzeit. Der Spannungs-Energie-Tensor ist Null und hat nichts damit zu tun.

Bernhard 05.06.18 10:00

AW: Frage zur Rotation in der Relativitätstheorie
 
Zitat:

Zitat von Ich (Beitrag 87683)
Der Spannungs-Energie-Tensor ist Null und hat nichts damit zu tun.

@Timm: Das folgt übrigens ganz allgemein und direkt aus der Transformationseigenschaft eines Tensors. Wenn alle Komponenten eines Tensors in einem Bezugssystem Null sind, sind sie es auch in allen anderen "erlaubten" Bezugssystemen. Das gilt also für den Energie-Impuls-Tensor und für alle bekannten Krümmungstensoren.

Benjamin 05.06.18 10:09

AW: Frage zur Rotation in der Relativitätstheorie
 
Zitat:

Zitat von Bernhard (Beitrag 87679)
Die Punkte am Rand kann man aufgrund der Symmetrie des Problems im rotierenden Bezugssystem als ruhend annehmen.

Das Problem ist aufgrund der Corioliskraft nicht symmetrisch. D.h. es ist etwas anderes, ob man sich zur Mitte oder von der Mitte weg bewegt. Daher kommt auch die Lichtablenkung, wenn man einen Lichtstrahl zur Mitte hin oder von ihr weg schickt.

Will man also nicht nur einen lokalen Punkt auf der Scheibe als Bezugssystem wählen, wo eine Betrachtung der Zentrifugalkraft ausreicht, sondern die gesamte Scheibe, dann muss man auch die Corioliskraft mit berücksichtigen.

Timm 05.06.18 10:25

AW: Frage zur Rotation in der Relativitätstheorie
 
Zitat:

Zitat von Ich (Beitrag 87683)
Diese Geometrie entsteht rein kinematisch aus den rotierenden Koordinaten in leerer Raumzeit. Der Spannungs-Energie-Tensor ist Null und hat nichts damit zu tun.

Aber grundsätzlich ist doch Spannung eine Quelle der Gravitation, oder? Anders kann ich "The stresses in the rigid disk warp spacetime" nicht deuten.

Benjamin 05.06.18 10:47

AW: Frage zur Rotation in der Relativitätstheorie
 
Zitat:

Zitat von Timm (Beitrag 87686)
Aber grundsätzlich ist doch Spannung eine Quelle der Gravitation, oder? Anders kann ich "The stresses in the rigid disk warp spacetime" nicht deuten.

Ein sich auf einer Kreisbahn bewegender Körper trägt immer Impuls und Energie und damit zu einem Gravitationsfeld bei. Das Gravitationsfeld, das er dabei verursacht, ist jedoch nicht für die Lichtablenkung verantwortlich, die er beobachtet. Die rührt daher, weil er sein (inertiales) Bezugssystem kontinuierlich ändert.

Genauso trägt ein sich linear beschleunigender Körper zu einem Gravitationsfeld bei. Dieses Gravitationsfeld ist aber nicht für die Lichtablenkung eines Lichtstrahles verantwortlich, die ein Beobachter im Bezugssystem des Körpers wahrnimmt. Die rührt daher, weil er sein (inertiales) Bezugssystem kontinuierlich ändert.

Ich 05.06.18 12:19

AW: Frage zur Rotation in der Relativitätstheorie
 
Zitat:

Zitat von Timm (Beitrag 87686)
Aber grundsätzlich ist doch Spannung eine Quelle der Gravitation, oder? Anders kann ich "The stresses in the rigid disk warp spacetime" nicht deuten.

Das stimmt, und du hast die zitierte Aussage m.E. auch richtig gedeutet. Ich halte sie aber für falsch, die annähernd hyperbolische Geometrie ergibt sich einfach aus den gewählten Beobachtern/Koordinaten, wie im Wikipediaartikel ausgeführt.

Timm 05.06.18 16:03

AW: Frage zur Rotation in der Relativitätstheorie
 
Zitat:

Zitat von Ich (Beitrag 87690)
Das stimmt, und du hast die zitierte Aussage m.E. auch richtig gedeutet. Ich halte sie aber für falsch, die annähernd hyperbolische Geometrie ergibt sich einfach aus den gewählten Beobachtern/Koordinaten, wie im Wikipediaartikel ausgeführt.

Hier sind wir bei der ART. Der Autor erwähnt "stress", was nach meiner Ansicht der Scherspannung im Energie-Impuls-Tensor entspricht. Er sagt nichts über die Krümmung, das war meine vielleicht falsche Interpretation. Zur Klarstellung, weshalb sollte man denn die Scherspannung der rotierenden Scheibe nicht berücksichtigen?

Abgesehen davon, wirkt Scherspannung als Quelle der Gravitation anziehend? Falls ja, spricht das ja eher für einen Beitrag zu positiver Krümmung.

Zitat:

Zitat von Ich (Beitrag 87690)
Diese Geometrie entsteht rein kinematisch aus den rotierenden Koordinaten in leerer Raumzeit. Der Spannungs-Energie-Tensor ist Null und hat nichts damit zu tun.

Das deute ich so, daß die rotierenden Scheibe nicht unter Scherspannung steht, was ich nicht verstehe, s. oben.

Ich finde es einfach spannend, die Aussagen der ART mit jenen der SRT zu vergleichen, Krümmung_ART versus Krümmung_SRT . Das Dilemma bei Letzterer scheint die lokale "Einbettung" nicht-euklidischer Geometrie in global euklidische Geometrie zu sein.

EDIT Ich sehe gerade,

https://phys.libretexts.org/TextBook...-Energy_Tensor
EXAMPLE 9.2.5 : A ROPE UNDER TENSION

daß Spannung wie negativer Druck wirkt, was dann doch ein Beitrag zu hyperbolischer Krümmung wäre.

Timm 05.06.18 16:16

AW: Frage zur Rotation in der Relativitätstheorie
 
Zitat:

Zitat von Bernhard (Beitrag 87684)
@Timm: Das folgt übrigens ganz allgemein und direkt aus der Transformationseigenschaft eines Tensors. Wenn alle Komponenten eines Tensors in einem Bezugssystem Null sind, sind sie es auch in allen anderen "erlaubten" Bezugssystemen. Das gilt also für den Energie-Impuls-Tensor und für alle bekannten Krümmungstensoren.

Du scheinst hier die Kovarianz der ART anzusprechen. Nehmen wir an, die rotierende Scheibe steht unter Scherspannung. Dann ist der sie beschreibende EIT beobachterunabhängig und ist nicht identisch mit dem der nicht rotierenden Scheibe. Aber offenbar siehst du das anders, weshalb?

Timm 05.06.18 16:36

AW: Frage zur Rotation in der Relativitätstheorie
 
Zitat:

Zitat von Benjamin (Beitrag 87687)
Ein sich auf einer Kreisbahn bewegender Körper trägt immer Impuls und Energie und damit zu einem Gravitationsfeld bei.

Genauso trägt ein sich linear beschleunigender Körper zu einem Gravitationsfeld bei.

Den Kontext zur Scherspannung sehe ich nicht.

Ja, Masse ist eine Quelle der Gravitation, auch unbeschleunigt.
Sie ist aber bei einer beschleunigenden Rakete völlig vernachlässigbar. In ihr fallen Murmeln ohne beschleunigte Geodäten Abweichung.

Bernhard 05.06.18 17:02

AW: Frage zur Rotation in der Relativitätstheorie
 
Zitat:

Zitat von Timm (Beitrag 87693)
Du scheinst hier die Kovarianz der ART anzusprechen.

Es ging mir oben eher um einen vergleichsweise trivialen Spezialfall. Eine Erklärung dazu folgt gleich.

Zitat:

Nehmen wir an, die rotierende Scheibe steht unter Scherspannung. Dann ist der sie beschreibende EIT beobachterunabhängig
Der EIT ist nur dann beobachterunabhängig, wenn er in einem System gleich Null ist. In der ART ist das Vakuum zum Glück noch gutmütig und beobachterunabhängig. Anders ausgedrückt: Von nichts kommt nichts, oder: wo nichts ist, ist nichts, egal für welchen Beobachter.

In allen anderen Fällen ist der EIT beobachterabhängig. Wenn man beispielsweise in einem System nur die T^00-Komponente hat, bekommt man über einen Lorentz-Boost sofort auch Impuls-Komponenten T^ij, usw.

Bernhard 05.06.18 17:18

AW: Frage zur Rotation in der Relativitätstheorie
 
Zitat:

Zitat von Ich (Beitrag 87680)
Karl Hilpolt hat den Artikel von Chris Hillman übersetzt, den kann ich sehr ans Herz legen.

Ja, der Artikel ist super. Da werden, so weit ich es gesehen habe, alle hier gestellten Fragen thematisiert.

Timm 06.06.18 08:38

AW: Frage zur Rotation in der Relativitätstheorie
 
Zitat:

Zitat von Bernhard (Beitrag 87695)
In allen anderen Fällen ist der EIT beobachterabhängig. Wenn man beispielsweise in einem System nur die T^00-Komponente hat, bekommt man über einen Lorentz-Boost sofort auch Impuls-Komponenten T^ij, usw.

Bleiben wir mal bei der Scherspannung (einer gedehnten Feder oder einer rotierenden Scheibe), die ein physikalisches Phänomen ist. Je nach Material entsteht Strahlung etc. Ist die Scherspannung repräsentiert durch T^ik beobachterabhängig?

Kannst du noch etwas auf die "kovariante Ableitung des EIT" eingehen? Was bedeutet das im Vergleich zum EIT.

Hierzu möchte ich nochmal nachfragen:
Zitat:

Zitat von Bernhard (Beitrag 87684)
@Timm: Das folgt übrigens ganz allgemein und direkt aus der Transformationseigenschaft eines Tensors. Wenn alle Komponenten eines Tensors in einem Bezugssystem Null sind, sind sie es auch in allen anderen "erlaubten" Bezugssystemen. Das gilt also für den Energie-Impuls-Tensor und für alle bekannten Krümmungstensoren.

Beziehst du dich hier die rotierende vs. nicht rotierenden Scheibe? Es liest sich für mich so, als wolltest du sagen, wenn die nicht rotierende Scheibe ohne Scherspannung ist, gilt das auch für die rotierende Scheibe. Das kann ja wohl nicht sein, denn die Scheiben unterscheiden sich durch die reingesteckte Energie.

Bernhard 06.06.18 09:31

AW: Frage zur Rotation in der Relativitätstheorie
 
Zitat:

Zitat von Timm (Beitrag 87697)
Ist die Scherspannung repräsentiert durch T^ik beobachterabhängig?

Die Scherspannung kann man wie eine Masse interpretieren. Im Ruhesystem misst man die Ruhemasse. Im bewegten System bekommt man Zusatzterme, die im Fall eines Massepunktes z.T. mit relativistischer Masse bezeichnet werden.

Zitat:

Kannst du noch etwas auf die "kovariante Ableitung des EIT" eingehen? Was bedeutet das im Vergleich zum EIT.
Das Thema habe ich hier nicht eingebracht. Es gilt aber, dass die kovarianten Ableitungen des EIT verschwinden. Das ist die Energieerhaltung in der ART.

Timm 06.06.18 10:17

AW: Frage zur Rotation in der Relativitätstheorie
 
Zitat:

Zitat von Bernhard (Beitrag 87698)
Die Scherspannung kann man wie eine Masse interpretieren. Im Ruhesystem misst man die Ruhemasse. Im bewegten System bekommt man Zusatzterme, die im Fall eines Massepunktes z.T. mit relativistischer Masse bezeichnet werden.

Das denke ich demnach

Zitat:

Zitat von Timm (Beitrag 87692)

https://phys.libretexts.org/TextBook...-Energy_Tensor
EXAMPLE 9.2.5 : A ROPE UNDER TENSION

daß Spannung wie negativer Druck wirkt, was dann doch ein Beitrag zu hyperbolischer Krümmung wäre.

nicht, denn negativer Druck wirkt gravitativ abstoßend.

Aber abgesehen davon verstehe ich dich so, daß Scherspannung beobachterunabhängig ist, man sie also nicht wegtransformieren kann, richtig?

Klar ist, im Ruhesystem mißt man im Gegensatz zum rotierenden System keine Scherspannung.

Bernhard 06.06.18 10:50

AW: Frage zur Rotation in der Relativitätstheorie
 
Zitat:

Zitat von Timm (Beitrag 87699)
Klar ist, im Ruhesystem mißt man im Gegensatz zum rotierenden System keine Scherspannung.

Im Laborsystem wirken auf die Scheibe am Rand auch Fliehkräfte, welche zu einem inneren Druck führen. Die zugehörigen Kräfte würde ich im Rahmen einer anschaulichen Erklärung auch zu den Scherkräften rechnen.

Man sollte sich aber darüber im Klaren sein, dass diese Kräfte für die Erklärung des ehrenfestschen Paradoxons meiner Meinung nach eine ziemlich untergeordnete, bzw. zu vernachlässigende Rolle spielen.


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