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-   -   Negative Energie, was ist das? (http://www.quanten.de/forum/showthread.php5?t=3393)

TomS 09.08.18 10:05

AW: Negative Energie, was ist das?
 
Zitat:

Zitat von Quantum Of Justice (Beitrag 88472)
Wieso spricht man eigentlich von Energiedichte, und nicht von Energie?

Was bedeutet hier das Wort Dichte? Energie/Volumen???

Zunächst mal ist Energiedichte gerade Energie/Volumen.

In der ART und vielen anderen physikalischen Disziplinen ist die Energiedichte die fundamentale Größe, die Energie als Volumenintegral dagegen eine abgeleitete Größe. In der ART existieren sogar Fälle, in denen die Energie überhaupt nicht bzw. nicht vernünftig definiert ist, die Energiedichte dagegen schon.

n4mbuG0t0 25.09.18 14:35

AW: Negative Energie, was ist das?
 
Zitat:

Zitat von Quantum Of Justice (Beitrag 88472)
Und was geht in ein Schwarzes Loch bei Hawking-Strahlung? Negative Energiedichte? :confused:

Ich nehme an du sprichst von einer häufig benutzten Darstellung der Hawkingstrahlung als Resultat von virtuellen Teilchen-Antiteilchen-Paaren. In diesem Bild entsteht so ein Paar nahe dem Ereignishorizont und während ein Teilchen des Paares entkommt, fällt das andere hinein. Dann wird mit "Energieerhaltung" argumentiert und daraus gefolgert, dass das einfallende Teilchen "negative Energie" hatte.

Dieses Bild wird oft benutzt, es ist aber absolut nicht klar warum, denn mir (und auch vielen anderen) ist nicht klar, wie man die eigentlichen Berechnungen mit diesem Bild in Verbindung bringen kann.

Vereinfacht ausgedrückt hat Hawking in dem Orginal-Paper so argumentiert:

Hawking untersuchte den Vakuum-Zustand (Zustand niedrigester Energie) eines Universums vor und nach dem Kollaps von Masse zu einem schwarzen Loch (genauer: den Vakuumzustand des elektromagnetischen Feldes in unendlich ferner Vergangenheit und unendlich ferner Zukunft). Hawking konnte zeigen, dass der Vakuumzustand in ferner Vergangenheit für einen Beobachter in ferner Zukunft nicht mehr wie ein Vakuumzustand erscheint, sondern dass dieser Teilchen enthält. Er zeigt wie man die Anzahl der Teilchen, welche von dem Gravitationsfeld erzeugt wurden, im Prinzip berechnen kann.

Die Beschreibungs mittels virtueller Teilchen ist meiner Meinung nach irreführend denn:

1.) Durch die Beschreibung einer real messbaren Strahlung durch virtuelle Teilchen wird diesen eine reale Existenz nahegelegt.

2.) Die Beschreibung durch virtuelle Teilchen würde auch für sog. "Eternal Black Holes" (schon immer existierende schwarze Löcher) eine Hawkingstrahlung vorhersagen. Hawkings Orginalarbeit basiert aber explizit auf den Kollaps. Für eternal bh muss die Umgebung entsprechend verändert werden (das funktioniert dann mittels einer Art "thermischem Gleichgewicht").

Timm 25.09.18 18:18

AW: Negative Energie, was ist das?
 
Zitat:

Zitat von n4mbuG0t0 (Beitrag 88824)
1.) Durch die Beschreibung einer real messbaren Strahlung durch virtuelle Teilchen wird diesen eine reale Existenz nahegelegt.

Soweit ich das überblicke, werden bei dieser bildhaften Vorstellung virtuelle Teilchen am Ereignishorizont separiert und somit real.

n4mbuG0t0 26.09.18 07:16

AW: Negative Energie, was ist das?
 
Zitat:

Zitat von Timm (Beitrag 88825)
Soweit ich das überblicke, werden bei dieser bildhaften Vorstellung virtuelle Teilchen am Ereignishorizont separiert und somit real.

Ja, in dieser bildhaften Vorstellung. Die Berechnungen in Hawkings Arbeit kommen ohne solche Vorgänge aus.

Timm 26.09.18 08:52

AW: Negative Energie, was ist das?
 
Letztlich ist hier der abstraktere Formalismus der QFT zuständig.

TomS 26.09.18 20:08

AW: Negative Energie, was ist das?
 
Zitat:

Zitat von n4mbuG0t0 (Beitrag 88824)
Ich nehme an du sprichst von einer häufig benutzten Darstellung der Hawkingstrahlung als Resultat von virtuellen Teilchen-Antiteilchen-Paaren. In diesem Bild entsteht so ein Paar nahe dem Ereignishorizont und während ein Teilchen des Paares entkommt, fällt das andere hinein.

Der Begriff des virtuellen Teilchens ist in diesem Kontext schlicht falsch. Darunter versteht man in der QFT einer innere Linie in einem Feynmandiagramm zwischen zwei Vertizes, die eine Kopplungskonstanten tragen; dies folgt aus einem Wechselwirkungsterm. In Hawking’s Berechnung wird jedoch die freie Theorie ohne Wechselwirkungsterme verwendet; andernfalls müssten seine Ergebnisse von einer Kopplungskonstanten abhängen - tun sie aber nicht.

Zitat:

Zitat von n4mbuG0t0 (Beitrag 88824)
Dieses Bild wird oft benutzt, es ist aber absolut nicht klar warum, denn mir ist nicht klar, wie man die eigentlichen Berechnungen mit diesem Bild in Verbindung bringen kann.

In Hawking’s Berechnungen treten Paare von Teilchen auf. Der wesentliche Fehler ist, dies bald Paare virtueller Teilchen zu bezeichnen.

Zitat:

Zitat von n4mbuG0t0 (Beitrag 88824)
Hawking untersuchte den Vakuum-Zustand (Zustand niedrigester Energie) eines Universums vor und nach dem Kollaps von Masse zu einem schwarzen Loch (genauer: den Vakuumzustand des elektromagnetischen Feldes in unendlich ferner Vergangenheit und unendlich ferner Zukunft). Hawking konnte zeigen, dass der Vakuumzustand in ferner Vergangenheit für einen Beobachter in ferner Zukunft nicht mehr wie ein Vakuumzustand erscheint, sondern dass dieser Teilchen enthält. Er zeigt wie man die Anzahl der Teilchen, welche von dem Gravitationsfeld erzeugt wurden, im Prinzip berechnen kann.

Bingo

Zitat:

Zitat von n4mbuG0t0 (Beitrag 88824)
Die Beschreibungs mittels virtueller Teilchen ist meiner Meinung nach irreführend denn ...

s.o.

TomS 26.09.18 20:10

AW: Negative Energie, was ist das?
 
Wer mal interessant, eine konsistente Renormierung des Energie-Impuls-Tensoren für die verschiedenen Vakua zu finden.

Hawkwind 26.09.18 22:40

AW: Negative Energie, was ist das?
 
Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 88833)

In Hawking’s Berechnungen treten Paare von Teilchen auf. Der wesentliche Fehler ist, dies bald Paare virtueller Teilchen zu bezeichnen.

Hawking selbst sah das wohl nicht so eng wie du:
Zitat:

Zitat von Hawking
These particles are called virtual because unlike real particles they cannot be observed directly with a particle detector. Their indirect effects can nonetheless be measured, and their existence has been confirmed by a small shift, called the Lamb shift, which they produce in the spectrum energy of light from excited hydrogen atoms. Now in the presence of a black hole, one member of a pair of virtual particles may fall into the hole, leaving the other member without a partner with which to annihilate. The forsaken particle or antiparticle may fall into the black hole after its partner, but it may also escape to infinity, where it appears to be radiation emitted by the black hole.

aus "Stephen Hawking’s second Reith lecture"
siehe z.B. http://news.bbc.co.uk/2/shared/bsp/h...th_shukman.pdf

TomS 26.09.18 23:54

Quod licet Iovi, non licet bovi
 
Zitat:

Zitat von Hawkwind (Beitrag 88836)
Hawking selbst sah das wohl nicht so eng wie du ...

Das weiß ich. Bereits in seiner Originalarbeit steht sowas drin.

Aber - https://en.m.wikipedia.org/wiki/Virtual_particle

Zitat:

The concept of virtual particles arises in perturbation theory of quantum field theory where interactions between ordinary particles are described in terms of exchanges of virtual particles. Any process involving virtual particles admits a schematic representation known as a Feynman diagram, in which virtual particles are represented by internal lines.[1][2]

The concept of virtual particles arises in the perturbation theory of quantum field theory, an approximation scheme in which interactions between actual particles are calculated in terms of exchanges of virtual particles. Such calculations are often performed using schematic representations known as Feynman diagrams, in which virtual particles appear as internal lines. By expressing the interaction in terms of the exchange of a virtual particle ...[3]

A virtual particle does not precisely obey the energy–momentum relation ... [4]. This is expressed by the phrase off mass shell.[3]. The probability amplitude for a virtual particle to exist tends to be canceled out by destructive interference over longer distances and times. As a consequence, a real photon is massless and thus has only two polarization states, whereas a virtual one, being effectively massive, has three polarization states.

In the quantum field theory view, actual particles are viewed as being detectable excitations of underlying quantum fields. Virtual particles are also viewed as excitations of the underlying fields, but appear only as forces, not as detectable particles.

Thus, in mathematical terms, they never appear as indices to the scattering matrix, which is to say, they never appear as the observable inputs and outputs of the physical process being modelled.

[1] Peskin, M.E., Schroeder, D.V. (1995). An Introduction to Quantum Field Theory, Westview Press, ISBN 0-201-50397-2, p. 80.
[2] Mandl, F., Shaw, G. (1984/2002). Quantum Field Theory, John Wiley & Sons, Chichester UK, revised edition, ISBN 0-471-94186-7, pp. 56, 176.
[3] Cambridge, Mark Thomson, University of (2013). Modern particle physics. Cambridge: Cambridge University Press. ISBN 978-1107034266.
[4] Hawking, Stephen (1998). A brief history of time (Updated and expanded tenth anniversary ed.). New York: Bantam Books. ISBN 9780553896923.

n4mbuG0t0 27.09.18 16:55

AW: Negative Energie, was ist das?
 
Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 88833)
In Hawking’s Berechnungen treten Paare von Teilchen auf. Der wesentliche Fehler ist, dies bald Paare virtueller Teilchen zu bezeichnen.

Der wesentliche Fehler liegt darin, sich das überhaupt mit Teilchen vorzustellen (natürlich hast du bezgl. virtueller Teilchen recht, aber ich halte das noch nicht einmal für das Hauptproblem). Diese Vorstellung ist eine bildhafte Vorstellung, aber nicht mehr, und man sollte sie nicht zu ernst nehmen.
Diese Teilchen-Paar Geschichte suggeriert Hawking-Strahlung würde in unmittelbarer Nähe des Ereignis-Horizonts entstehen. Der Grund für die Hawking-Strahlung ist allerdings der dynamische Raumzeit-Hintergrund. Ein statisches, eternal BH produziert erstmal keine Hawking-Strahlung, was mit dieser bildhaften Vorstellung der Teilchen-Paare nicht zu begründen ist.


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