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Alt 16.12.07, 13:09
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rene rene ist offline
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Standard AW: Suche nach Abweichungen vom Relativitätsprinzip

Hi orca

In einem materiellen Medium verringert sich die Geschwindigkeit abhängig von der Permittivität (dielektrische Leitfähigkeit) und der Permeabilität (magnetische Leitfähigkeit) des Stoffes. Es gilt dann: c = 1 / sqrt(μ*ε). Zudem wird sie abhängig von der Frequenz ω der Welle (Dispersion), sowie (je nach Medium) abhängig von ihrer Polarisation und ihrer Ausbreitungsrichtung gebrochen. Eine direkte Krafteinwirkung wie z.B. eine Richtungsänderung auf eine sich ausbreitende elektromagnetische Welle kann nur durch das Ausbreitungsmedium oder die Gravitationskraft erfolgen. In Galaxien ist davon auszugehen, dass sich solche interstellare Materie bemerkbar macht und zu diesen frequenzabhängigen Laufzeitunterschieden führen kann. Einige neuere Theorien, zum Beispiel die Loopquantengravitation, sagen eine geringe Frequenzabhängigkeit der Lichtgeschwindigkeit c im Vakuum voraus.

Eine Theorie ist dann relativistisch, wenn sie das Relativitätsprinzip enthält. Wenn also die Abläufe physikalischer Vorgänge nur von relativen Bewegungen, nicht aber von einer Bewegung innerhalb eines absoluten Raumes abhängen. Wenn zwei Wellen unterschiedlicher Wellenlänge sich unterschiedlich schnell ausbreiten, widerspricht das nicht dem Relativitätsprinzip. Die SRT wäre dann dahingehend zu modifizieren, dass sich Licht nur für "lange" Wellenlängen mit der relativistischen Grenzgeschwindigkeit ausbreitet. Übrigens gilt ja auch in der SRT die Invarianz der Lichtgeschwindigkeit nur für Inertialsysteme. In krummlinigen Koordinaten oder bei Beschleunigung gilt sie nicht unbedingt, wie man leicht nachrechnen kann. Es hängt halt alles von der Metrik ab.

Es ist für einen grossen Wellenlängenbereich verifiziert, dass sich Licht mit ziemlich genau c bewegt. Nun tauchen für eine grosse Frequenz Messungen auf, die darauf hinweisen, dass diese hochfrequenten Wellen etwas langsamer sind. Das stellt die Existenz einer Grenzgeschwindigkeit nicht in Frage. Die Grenze darf laut SRT nur nach oben nicht überschritten werden. Nach unten wird sie von den meisten Entitäten unterschritten.
Es gibt keinen Hinweis, dass langwelliges Licht schneller ist als c (und es ist kein Problem langwelliges Licht herzustellen oder zu detektieren). Es gibt jetzt aber einen ersten Hinweis, dass kurzwelliges Licht langsamer ist:

Hierzu bitte Ulis angegebenen Link ansehen!
http://arxiv.org/PS_cache/astro-ph/p.../0702008v3.pdf


Die von dir erwähnte und bis dato nicht nachgewiesene Dunkle Energie und Materie wurden postuliert, um kosmologische Beobachtungen konsistent zu beschreiben (eine Alternative dazu ist das MOND-Modell). Das Urknall-Modell ist das am stärksten von astronomischen Beobachtungen gestützte. Der Begründer ist der belgische Astronom Abbé Georges Lemaître. Er fand nahezu zeitgleich, aber unabhängig vom russischen Mathematiker Alexandr A. Friedmann dynamische Modelle für das Universum: die Friedmann-Weltmodelle. Solche Modelluniversen können expandieren oder kollabieren, sogar im Wechsel oszillieren. Lemaître unternahm eine Extrapolation eines sich ausdehnenden Weltalls in die Vergangenheit zu kleinen kosmischen Radien hin. Dabei entdeckte er ein beliebig kleines Universum, was er als die “Geburt des Raumes“ bezeichnete.
Heutzutage spricht man eher vom Urknall. Physikalisch gesehen ist der Urknall der Beginn des Universums aus einem unendlich heissen, unendlich dichten und unendlich kleinen Zustand, der sogenannten Urknallsingularität. Die Singularität ist eine unausweichliche Konsequenz von Friedmanns und Lemaîtres Rechnungen. Erkenntnistheoretisch und philosophisch betrachtet ist das eine faszinierende und brisante Aussage: Das Universum hatte einen Anfang!

Das war alles andere als selbstverständlich, denn in den Anfängen der relativistischen Kosmologie wurde ein statisches Universum (etabliert von Einstein) eindeutig favorisiert. Es war einfach unvorstellbar, dass das Universum eine Dynamik haben könne, geschweige denn einen Anfang!
Astronomen unterscheiden generell zwei Arten der Galaxienbewegungen: Einerseits gibt es einen rein kinematischen Effekt: alle Galaxien haben eine Eigenbewegung (Pekuliarbewegung), die sogar wie im Falle der Andromedagalaxie auf uns zu gerichtet sein kann (und in einer Blauverschiebung der Strahlung der Andromedagalaxie resultiert). Dies ist jedoch nur ein lokaler Effekt, d.h. solche Eigenbewegungen sind nur wichtig, wenn die betreffende Galaxie der Milchstrasse relativ nahe ist. Die physikalische Ursache für die Eigenbewegung ist die gegenseitige, gravitative Anziehung der Galaxien und Galaxienhaufen untereinander. Andererseits gibt es eine Galaxienbewegung, die kosmologisch gesehen, also bei grossen Distanzen, klar dominiert. Diese Bewegung wird diktiert von der globalen Raumzeit, die das Universum als Ganzes beschreibt. Eine solche Beschreibung ist mit Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie möglich, und sie führt auf die Friedmann-Weltmodelle. Diese Modelle besagen, dass das Universum von allem geformt und dynamisch kontrolliert wird, was sich in ihm befindet. Die kosmischen Zutaten sind baryonische Materie, Dunkle Materie und Dunkle Energie. Die Dunkle Energie wird zu späten Entwicklungsphasen des Universums wichtig und bestimmt besonders dann seine Dynamik: die Dunkle Energie in Form einer kosmologischen Konstante zieht den Kosmos auseinander und treibt eine (sogar beschleunigte!) Expansion. Die Galaxien und Galaxienhaufen als Teil des Kosmos müssen diese Bewegung mitmachen, weil sie ja in den sich ausdehnenden Raum eingebettet sind. Diese globale Bewegung aller Galaxien ist eine Fluchtbewegung, weil die Ausdehnung in alle Richtungen gleichermassen erfolgt. Dieses Phänomen wird als Hubble-Effekt bezeichnet, der 1929 astronomisch entdeckt wurde. Mit dieser sich ausdehnenden Raumzeit werden alle Galaxien und Körper des Universums mitbewegt.

Das klassische Modell vom Urknall wurde aufgrund bestimmter Unzulänglichkeiten (Homogenitätsproblem, Flachheitsproblem, Horizontproblem, Fehlen magnetischer Monopole) durch die Inflation von Alan H. Guth 1981 ergänzt. An den Urknall schloss sich eine kurze Phase überlichtschneller Expansion an.
Probleme bereitet das klassische Urknall-Modell, weil es in einem singulären Anfangszustand unendlicher Dichte und Temperatur startet. Diese Urknall-Singularität ist wesensverwandt mit den Krümmungssingularitäten der Schwarzen Löcher in Einsteins Theorie. Hier gelten nicht mehr die Gesetze der Physik bzw. versagt jegliche physikalische Beschreibung, weshalb man sie gerne vermeiden würde.
Seit einigen Jahrzehnten arbeiten Gravitationsforscher an neuen Gravitationstheorien, die versuchen, über Einsteins Theorie hinauszugehen und das Gravitationsfeld zu quantisieren. Ein Beispiel für eine solche Quantengravitation ist die Loop-Quantengravitation (LQG). Berechnungen im Rahmen der LGQ zeigen, dass in der Tat die Urknall-Singularität zum Verschwinden gebracht werden kann. Noch steht diese Grundlagenforschung am Anfang und die LQG hat sich noch nicht als Gravitationstheorie bewährt. Die Konsequenz dieses interessanten Ergebnisses ist, dass der Versuch unternommen werden muss, die Anfänge des Kosmos loopquantentheoretisch zu verstehen. Decken sich die Vorhersagen der neuen Theorie mit Beobachtungen, so ist eine neue, mächtige, physikalische Theorie entdeckt worden.

Wenn auch das Postulieren bisher nicht nachgewiesener Dunkler Materie und Energie eher aus einer Verlegenheit resultiert, so stellen ihre Modelle eine brauchbare Arbeitshypothese dar, die erst noch durch ein besseres Modell abgelöst werden müssen, bevor man es in Bausch und Bogen verwirft. In dieser Hinsicht dürfte das letzte Wort noch lange nicht gesprochen sein.

Grüsse, rene
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