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Alt 16.09.09, 19:07
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Gandalf Gandalf ist offline
Singularität
 
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Standard AW: Systemkrise(?)

Endlich frei!

Eine schöne Glosse, in die sich jeder mal "ein-Norden" kann

Helmut Reinhard
Die letzten zehn Jahre waren überaus anstrengend, aber auch sehr lehrreich. Die zahlreichen Gespräche und Diskussionen über unser Geld- und Wirtschaftssystem, die ich mit vielen verschiedenen Menschen geführt habe waren teils deprimierend, teils überaus produktiv für die eigene Weiterbildung, aber haben grundsätzlich viel Kraft und Energie gekostet. In den unzähligen Unterhaltungen über unsere Geld- und Wirtschaftsordnung haben sich für mich verschiedene Gruppen von Menschen heraus kristallisiert. Obwohl ich Menschen äußerst ungern in Schubladen stecke, möchte ich in diesem Artikel eine Einordnung verschiedener Denkcharaktere vornehmen. Wichtig ist mir dabei, dass meine Analyse wertfrei betrachtet wird, denn für jeden Typ ergeben sich sowohl Vor-, als auch teils gravierende Nachteile.

Realitäts-Atheisten

Da gibt es als Erstes das große Kollektiv der Menschen, die ich „Realitäts-Atheisten“ nennen möchte. Ich schätze den Anteil dieser Gruppe in unserer Gesellschaft auf mehr als 50 Prozent ein. (Tendenz abnehmend.)

Diese Menschen haben einen tiefen Glauben und ein kaum zu erschütterndes Vertrauen in die bestehende Geld- und Wirtschaftsordnung, wobei eine teilweise völlige Unwissenheit über die Funktionsweise dieses Systems vorliegt. Es ist eigentlich unvorstellbar, dass es heutzutage immer noch Menschen gibt, die überzeugt sind, dass der Euro und alle anderen Weltwährungen durch Gold gedeckt sind. Konfrontiert man Realitäts-Atheisten zum Beispiel mit der Tatsache, dass das amerikanische Federal Reserve System ein privates Kartell amerikanischer Geschäftsbanken ist, bekommt man meistens den Vorwurf zu hören, man sei ein Spinner oder Verschwörungstheoretiker. Das Aufzeigen der Defizite des bestehenden Systems und die unausweichlichen negativen Folgen eines Zinseszinssystems für Wirtschaft und Gesellschaft werden fast immer mit den Worten kommentiert, man sei zu pessimistisch und ein Schwarzseher. Im Übrigen halten Realitäts-Atheisten das bestehende System aus einem einfachen Grund für hervorragend und nicht ersetzbar: sie kennen kein besseres und können sich ein solches auch nicht vorstellen.

Im Prinzip macht es keinen großen Sinn, sich auf Diskussionen mit diesen Menschen einzulassen, da die Unterhaltung in der Regel für beide Seiten sehr unbefriedigend endet. Es ist in etwa so, als würde man mit jemandem über ein Fußballspiel reden wollen, obwohl dieser Mensch weder das Spiel gesehen hat, noch das Ergebnis kennt. Zudem liegen weitere Kenntnisse in Bezug auf Regelwerk und Spielziele (Tore schießen und verhindern) der Sportart Fußball nicht vor. Realitäts-Atheisten glauben nicht an die bestehende Wirklichkeit, sondern hauptsächlich an das, was Mainstream-Medien und Werbung (z. B. Energiesparlampen sparen Energie und sind umweltfreundlich / die Schweinegrippe ist sehr gefährlich) als Realität verbreiten. Ein Hinterfragen oder selbständiges Nachdenken über bestimmte Nachrichten und Meldungen findet nicht statt. Die Standardantwort dieser Menschen auf nachprüfbare Tatsachen lautet: „Das glaube ich aber nicht!“

Im Übrigen ist das Schubladendenken innerhalb dieser Gruppe sehr ausgeprägt. Man versucht seinen Gegenüber in einen bestimmten politischen Bereich einzuordnen, obwohl die Themengebiete Geld und Wirtschaft weitestgehend unpolitisch sind. Mich persönlich haben die Realitäts-Atheisten in den letzten Jahren in eine Schublade gesteckt, die sehr umfassend ist. Mein mir verpasster, ganz persönlicher Stempel hat den Aufdruck: „Kapitalistischer rechts-links Kommunist mit radikal-terroristischen Tendenzen und einem Hang zu naiv-unrealistischer Sozialromantik und Weltverbesserei.“ Verzeihen Sie mir, wenn diese Aufstellung nicht ganz vollständig ist, da ich an dieser Stelle auf Schimpfwörter verzichten möchte.

Der Vorteil der Realitäts-Atheisten ist, dass sie relativ angstfrei leben, da sie der Politik und den „Experten“ in höchstem Maße vertrauen. Des Weiteren sind sie niemals isoliert, denn bei Diskussionen finden sie schnell Verbündete, da sie zur größten Gruppe unserer Gesellschaft zählen. Sie fühlen sich in der Regel sehr wissend und überaus wohl dabei.

Zukunftsagnostiker

Als nächstes haben wir eine Gruppe, die ich „Zukunftsagnostiker“ getauft habe. Ihren Anteil in der Bevölkerung schätze ich auf fünf bis zehn Prozent.

Sie zeichnen sich zum Ersten durch geduldiges Zuhören aus und vermeiden es, Zwischenfragen zu stellen oder Streitgespräche aufkommen zu lassen. Dem Gesagten geben sie in der Regel ohne Widerspruch Recht. Allerdings geben diese Menschen sich schon bald als völlig beratungsresistent zu erkennen, weil sie für ihr wirtschaftliches Handeln Hinweise und Warnungen in Geldangelegenheiten als völlig irrelevant betrachten.

Als Beispiel möchte ich aus meinem Bekanntenkreis einen Handwerksmeister nennen, der sich nach Abschluss der Meisterschule vor gut einem Jahr selbstständig gemacht hat. Erfolgreiche Werbemaßnahmen und der Anfangselan haben dazu geführt, dass seine Auftragsbücher, - im Gegensatz zu vielen regionalen Konkurrenzbetrieben, die seit längerem Kurzarbeit angemeldet haben – gut gefüllt sind. Eine zweijährige Steuerrückstellung für Unternehmensgründer, ein Anfangsdarlehen in Höhe von € 60.000 für die Betriebsgründung und ein kleineres Privatdarlehen aus der Vergangenheit, das noch getilgt werden muss, halten ihn nicht davon ab, ab sofort den Lebensstandard drastisch zu erhöhen. Was kostet die Welt? Zwei neue Luxusautos müssen angeschafft werden: ein SUV und für die Frau ein Zweisitzer-Sportcabrio, geleast über vier Jahre. Die alte Mietwohnung ist auch nicht mehr angemessen, also wird ein € 275.000 teures, stark renovierungsbedürftiges Einfamilienhaus ohne Eigenkapital über 30 Jahre finanziert.

Meine Warnungen und auch die von Bankberatern verschiedener Kreditinstitute, die das Darlehen nicht genehmigt haben, sind für ihn kein Grund sein Handeln zu überdenken (u. a. auch der Artikel „Leute macht keine Schulden“ von Dirk Müller auf bild.de). Die Warnungen werden weder als gut gemeinter Ratschlag, noch als Zurechtweisung empfunden. Sie durchdringen das Gehirn des Zukunftsagnostikers von einem Ohr zum anderen, ohne von den Synapsen zur Informationsverarbeitung an andere Hirnregionen weitergeleitet zu werden.

Die Bewilligung des Darlehens einer Bank mit geringerer Risikoaversion, zeigt dem Zukunftsagnostiker, dass er sich jetzt zu Recht Haus„besitzer“ nennen darf. Er hat sein kurzfristiges Ziel erreicht und ist vollstens zufrieden und glücklich.

Zukunftsagnostiker gehen grundsätzlich davon aus, dass die Zukunft nicht vorhersehbar ist und es sich grundsätzlich nicht lohnt, über sie nachzudenken oder von einem möglicherweise negativen Zukunftsszenario auszugehen.

Der Vorteil der Zukunftsagnostiker besteht darin, dass sie sehr unbekümmert leben und in der Regel sehr ruhige, angenehme Zeitgenossen sind. Sie regen sich weder über Politiker oder anders lebende und denkende Menschen auf. Grundsätzlich sehen sie keinen Sinn darin, über die Zukunft betreffende Geld- und Wirtschaftsfragen nachzudenken. Sie leben in der Gegenwart und das in der Regel ihren Wünschen und Möglichkeiten entsprechend gut. Sie sind von der Überzeugung geprägt, dass die Zukunft nicht vorhersehbar ist und das persönliche Schicksal unbestimmt. Sie haben nichts gegen Rücklagen, die in der Zukunft dienlich sein können, stellen sie aber für gegenwärtige Konsumausgaben hinten an. Geht irgendetwas schief, nehmen sie auch die neue unangenehmere Situation als gegeben hin und versuchen das für sie momentan Beste heraus zu holen.

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Warum soll sich die Natur um intellektuelle Wünsche kümmern, die "Objektivität" der Welt des Physikers zu retten? Wolfgang Pauli
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