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Alt 13.05.07, 13:15
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rene rene ist offline
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Standard AW: Pothonisches...

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Wir stossen auf grundlegende Probleme, wenn wir versuchen, den einzelnen Mitgliedern verschränkter Quanten eine unabhängige physikalische Realität zuzuschreiben. Vielmehr muss man das gesamte System in Betracht ziehen – im Falle eines verschränkten Paares die Gesamtheit beider Teilchen. Die Forderung nach einem unabhängigen realen Zustand für jedes der beiden Teilchen ist bei verschränkten Quantensystemen ohne physikalischen Sinn. Vor der Messung eines Teilchens ist ja sein Zustand nicht bekannt, erst nach der Messung wissen wir auch den Zustand des anderen Teilchens.

Verschränkte Zustände sind Superposition von mehreren Teilchen, wobei nur der Gesamtheit der Teilchen eine Eigenschaft zugeschrieben werden kann. Für die einzelnen Teilchen ist diese Eigenschaft nicht festgelegt, gehorchen also einer korrelierten probabilistischen Verteilung.

Die auf der Basis von Max Born interpretierte Wahrscheinlichkeitsinterpretation der Wellenfunktion und die Ensemble-Interpretation mit mehreren identischen Teilchen weisen einen pratkischen Nutzen auf:
Man verzichtet auf eine konkrete Aussage bezüglich des Verhaltens eines einzigen Teilchens und beschränkt sich auf die Wahrscheinlichkeit der Realisation eines bestimmten Ereignisses. Dies drückt somit die Nichtdeterminiertheit der Quantenwelt meiner Meinung nach modellmässig und formell am wirklichkeitstreusten aus. Der sogenannte Kollaps der Wellenfunktion wird vielfach zu dramatisch und beinahe esoterisch betrachtet. Ganz nüchtern handelt es sich lediglich um eine Veränderung des vor der Messung unbekannten Zustandes X (von dem nur die Wahrscheinlichkeit bekannt ist) und der Realisation des Ergebnisses mit dem durch die Messung gewonnenen Wert von X mit der Wahrscheinlichkeit 1 (alle anderen Zustände von X haben die Wahrscheinlichkeit 0).

Für mich ist es eine Geschmacksfrage, auch Hugh Everetts Viele-Welten-Hypothese durch entsprechende Aufspaltung jedes möglichen Ereignisses zuzulassen. Warum nicht? Man entgeht damit dem Kollaps der Wellenfunktion, weil sich ja jede Möglichkeit in irgend einer Welt realisiert.

Die Vorteile/Nachteile der Systeme müssen auf das Problem bezogen abgewogen werden. Stringtheoretiker bewegen sich in einem Bereich, wo unterhalb der Planck-Elementarlänge mit "Fäden" von dimensionslosen Objekten (Punkten) die in der Quantenmechanik berüchtigten Singularitäten zu vermeiden versucht wird. Dass dies nicht sehr einfach ist, ergibt sich schon nur aus dem Umstand, damit noch keine vollständige GUT geschaffen zu haben.

Bei der Verletzung der Bell'schen Ungleichung müssen wir die Vorstellung verborgener Variablen wohl aufgeben; die quantenmechanisch vorhergesagten Wahrscheinlichkeiten treten ja ein. Wenn die Wellenfunktion keine Informationen über die Werte von Messungen enthält, entspräche dies der Kopenhagener Deutung. Die Verletzung der Bell'schen Ungleichung könnte auch durch eine Theorie der nicht-lokalen verborgenen Variablen erklärt werden, nach der Teilchen Informationen über ihre Zustände austauschen: die Bohm-Interpretation. Allerdings müssten alle Teilchen gleichzeitig im Universum ihre Informationen austauschen können.

Die unvollständige Bestimmtheit ist eine Voraussetzung für die Bell'sche Ungleichung. In der Praxis kann man aber an einem Teilchen nur eine Messung durchführen, dann ist die Wellenfunktion kollabiert. Aber die Bell'sche Ungleichung bezieht auch undurchführbare Messungen mit ein, die wohldefinierte Ergebnisse liefern. Eine Aufhebung der Annahme der unvollständigen Bestimmtheit kann die Ungleichung auflösen. Genau das passiert in der Viele-Welten-Hypothese, wo sich für jedes mögliche Ereignis das Universum in viele verschiedene Betrachter verzweigt.

Zeilinger konnte mit Messungen von Quanten-Ensemblen nachweisen, dass die Wechselwirkung zwischen A und B selbst mit Lichtgeschwindigkeit ausgeschlossen war. Dabei wurde die Ungleichung überzeugend verletzt.
Es scheint so, als ob die Korrelation verschränkter Quanten auf Erhaltungssätzen wie z.B. Gesamtspin=0 beruht. Die Natur würfelt zwar, aber so dass Erhaltungsgesetze respektiert werden.

Verschränkte Quantensysteme sind nicht nur gleichzeitig an verschiedenen Orten, sie stehen auch ohne erkennbare Kommunikation in Verbindung. Sobald wir akzeptieren, dass die Nichtlokalität ein fester physikalischer Aspekt innerhalb der Wissenschaft ist, tun wir uns mit diesem "transzendenten" Bereich leichter. Das fundamentale Prinzip der Natur scheint ausserhalb der Raumzeit angesiedelt zu sein, bringt aber innerhalb der Raumzeit lokalisierte Ergebnisse hervor.


Die quantenmechanischen Messungen gehorchen einer statistischen Verteilung; verschränkte Quantensysteme können zwar über eine grosse Distanz miteinander wechselwirken, übertragen aber dabei keine Informationen; somit wird die Kausalität nicht verletzt. Die superpositionierte Verschränkung des Gesamtsystems verbietet die Definition eines Teilsystems für sich. Infolge der Komplementarität können die Werte einer Observablen nicht gleichzeitig definiert sein. Ist der eine exakt, bleibt der andere völlig unbestimmt. Misst man ihn, so ist sein Wert rein zufällig. Eine Korrelation tritt erst bei nicht festgelegten (nicht definierten) Observablen ein, wo in Abhängigkeit vom Wert der ersten Observablen die Werte der anderen Observablen unterschiedlich wahrscheinlich sind.

Das No-Cloning-Theorem verbietet zudem die Übertragung eines Quantenzustandes auf ein anderes Teilchen, ohne es dabei zu verändern.

Liegt ein verschränktes Quantenpaar vor, so gilt:
Eine Messung bei A ODER B bedeutet dasselbe wie eine Messung bei A UND B. Wird beispielsweise der Impuls von B gemessen, so verliert man die Ortsinformation von B. Gleichzeitig bekommt man dann den Impuls von A und verliert die Ortsinformation von A. Damit ist die Unbestimmtheitsbeziehung gerettet. Die Unbestimmtheitsbeziehung gilt für das Teilchenpaar als Ganzes.
Zudem tauschen A und B nicht wirklich Signale aus. Beide Teilchen verhalten sich ja wie ein einziges Quantenobjekt. Und die "Signale" enthalten auch nur Resultate von Zufallsereignissen.

Grüsse, rene
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