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Alt 25.10.10, 19:48
Knut Hacker Knut Hacker ist offline
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Standard AW: Erkenntnisgewinn in der Wissenschaft

In den Sechzigern wurden viele Demonstranten angeklagt. Und viele Demonstranten traten als Zeugen auf. Sie waren in einer Zwickmühle. Einerseits mussten sie die Wahrheit sagen. Andererseits konnte diese gegen die Angeklagten sprechen, für die eine grundsätzliche Sympathie gehegt wurde.
Man erinnerte sich – humanistisch gebildet, wie man war – an das Lügnerparadoxon.
Die Zeugen wurden vorschriftsmäßig vom Richter über ihre Wahrheitspflicht belehrt und über ihr Auskunftsverweigerungsrecht, wenn sie sich durch ihre Aussage selbst belasten müssten.Wenn letzteres nicht der Fall war, erklärten die Zeugen: „Ich lüge!“
Der Richter ermahnte sie noch einmal zur Wahrheit. Die Zeugen blieben bei ihrer „Aussage“.
Der Richter – ebenfalls humanistisch gebildet, wie er war – überlegte: Der Zeuge sagt, dass er lüge. Wenn er aber lügt, dann ist auch seine Aussage, dass er lüge, gelogen und er spricht die Wahrheit. Spricht er aber die Wahrheit, dann ist seine Aussage, dass er lüge, wahr und er lügt doch usw.
Was tat der Richter?
Er nahm die Zeugen wegen unzulässiger Zeugnisverweigerung in Beugehaft. Denn die zirkuläre Aussage komme einer Aussageverweigerung gleich.
Fazit: Die Logik beißt sich in den Schwanz. Drum schloss der Richter messerscharf, dass nicht sein kann, was nicht sein darf (frei nach Christian Morgenstern).
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