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Alt 13.02.18, 09:19
Jan R. Jan R. ist offline
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Standard AW: Die korrekte Formulierung und Herleitung der "Konstanz der Lichtgeschwindigkeit"

Hallo Ich,

genau, ich bin der Jan aus dem Einstein-Forum. Leider muss ich Deine Einschätzung bisher teilen: es war wesentlich angenehmer, mich von Dir auf Fehler, grundsätzliche Zusammenhänge, Berechnungen etc. hinweisen zu lassen. Die ich damals als Neuling natürlich falsch gemacht habe und - ganz klar - ganz viel von Dir gelernt habe. Trotzdem waren wir immer unterschiedlicher Auffassung. Mir kam die Annahme, das Licht sich in jedem KS mit c bewegt, schon immer fishy vor. Deswegen fand ich Lorentz einleuchtender - bis ich jetzt feststellen konnte, das Einstein genau den gleichen Ansatz verfolgt, der heute nur durchgehend falsch dargestellt wird. Ich weiß heute tatsächlich mehr als früher - und zum guten Teil, weil ich Einstein selbst gelesen habe. Ich habe versucht, Euch die zentralen Begründungen von Einstein für die KdL darzustellen. Da wird von Dir aber überhaupt nicht drauf eingegangen. Das ist alles historisches Geschreibsel und und nur geeignet, kleine Lichter wie mich zu verwirren. Ich würde mir wünschen, dass Du mal was in der Art sagst wie "Na schön, Jan, Du hast also Einstein im Original gelesen. Das ist löblich. Und Du hast neue Erkenntnisse gewonnen - glaubst Du. Dann schildere Du doch mal, wie Du glaubst, dass die Lorentz-Transformation mit den beiden Prämissen abzuleiten ist. Dann können wir hinterher gucken, ob sich da eine Abweichung zur modernen Formulierung ergibt oder nicht." Das würde diese Diskussion glaube ich wesentlich produktiver und entspannter machen.


Hallo JoAx, Du schreibst:

Zitat:
Zitat:
Zitat von Jan R.
1. Relativitätsprinzip: Da Lichtgeschwindigkeit eine elektrodynamische Grundkonstante darstellt und in allen KS die gleichen Gesetzmäßigkeiten gelten sollen, muss die die Lichtgeschwindigkeit in jedem KS mit c gemessen werden.

2. Konstanz der Lichtgeschwindigkeit: Licht bewegt sich in jedem KS mit c.
Absolut falsch. Jemand, der sich mit Physik etwas näher ernsthaft beschäftigt, merkt ziemlich schnell, dass das Relativitätsprinzip der SRT exakt das selbe ist, wie bei Newton. Da kommt die Lichtgeschwindigkeit nicht mal ansatzweise vor.
Ach, JoAx. Bei Newton kam die Lichtgeschwindigkeit nicht mal ansatzweise vor, weil es zu Newtons Zeiten noch keine Elektrodynamik gab. Aus dem Relativitätsprinzip folgt, aus genau den Gründen, die ich da hingeschrieben habe, dass die Lichtgeschwindigkeit in jedem lokalen Koordinatensystem mit c gemessen wird. Dafür steht das Relativitätsprinzip da rum! Gut, vielleicht glaubst Du ja wenigstens Einstein selbst:

Zitat:
Einstein, 1907, S. 440:
„S und S' seien gleichwertige Bezugssysteme, d. h. diese Systeme mögen gleichlange Einheitsmaßstäbe und gleichlaufende Uhren besitzen, falls diese Gegenstande im Zustande relativer Ruhe miteinander ver- glichen werden. Es ist dann einleuchtend, daß jedes Naturgesetz, das in bezug auf S gilt, in genau gleicher Form auch in bezug auf S' gilt, falls S und S' relativ zueinander ruhen. Das Relativitäts- prinzip verlangt jene vollkommene Übereinstimmung auch fur den Fall, daß S' relativ zu S in gleichförmiger Translationsbewegung begriffen ist. Im speziellen muß sich also für die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum in bezug auf beide Bezugssysteme dieselbe Zahl ergeben“.
http://einsteinpapers.press.princeton.edu/vol2-doc/476

So. Jetzt zurück zu Deiner Herleitung der Lorentz-Transformation, Ich. Gegeben sind zwei zueinander bewegte KS, in denen die Lichtgeschwindigkeit gemessen werden soll. Die physikalische Situation soll aufgrund der beiden gegebenen Postulate interpretiert werden, und als Ergebnis soll zwingend die Lorentz-Transformation abgeleitet werden. Das ist der Zweck der Übung.

Als erster Schritt postulieren wir mit dem Relativitätsprinzip (s.o.), dass jedenfalls in beiden KS die Lichtgeschwindigkeit mit c gemessen wird. Dafür brauchen wir nicht die "Konstanz der Lichtgeschwindigkeit", das sagt uns das Relativitätsprinzip.

Als zweiten Schritt müssen wir eine bewußte, theoretisch fundierte Entscheidung zwischen zwei Möglichkeiten treffen. Dieses Problem taucht bei Dir überhaupt nicht auf, Ich. Es gibt für den Umstand, dass Licht in beiden Ks mit c gemessen wird, eine galileo-konforme und eine nicht-galileo-konforme Erklärungsmöglichkeit, in Abhängigkeit davon, was wir über das tatsächliche Verhalten der Lichstrahlen in Bezug zu den KS und in Bezug zueinander annehmen.

Die galileo-konforme Erklärung lautet: die gemessenen Lichtstrahlen in den beiden KS bewegen sich in Bezug zum jeweiligen lokalen KS mit c. Die Geschwindigkeit der beiden Lichtstrahl-Entitäten in Bezug zueinander unterscheidet sich mit mit dem Betrag v. Die Lichtstrahlen verhalten sich wie "Jede-KS-Drohnen".

Und dann sind wir auch schon fertig. Der Umstand, dass die LG in jedem der beiden lokalen KS mit c gemessen wird, liegt daran, dass sie sich in jedem der beiden lokalen KS mit c bewegen. Zu dem Zeitpunkt t1 Deiner Rechnung, an dem der eine Teil der Lichtstrahlen im ungestrichenen KS die 300.000 km zurückgelegt hat, hat der andere Teil die 300.000 km im KS' zurückgelegt. Die beiden Lichtstrahl-Teile treffen also zur exakt gleichen Zeit bei ihren Beobachtern ein. t1=t1'. Damit können wir übrigens prüfen, ob sich die beiden Lichtstrahlen den KS-Relativgeschwindigkeiten angepasst haben oder nicht.

Solche Erklärungsansätze waren zu Einsteins Zeiten noch absolut im Rennen. Michelson (von Michelson & Morley) hatte bei seinem Experiment erwartet, dass ein Null-Ergebnis rauskommt. Er war Anhänger der "mitgeführten Äther-Theorie" und erklärte das Null-Ergebnis damit, dass sowohl im Frühjahr als auch im Herbst sich das gemessene Licht im ruhenden Äther rund um seine Messapparatur lokal mit c bewegte. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass das Licht im Frühjahr und im Herbst in Bezug zueinander unterschiedliche Geschwindigkeiten einnahm - weil der jeweils lokal mitgeführte Äther im Frühjahr und im Herbst in Bezug zueinander bewegt war.

Eine zweite Alternativ-Theorie nahm an, dass Licht eine Art Partikelstrahlung ist, die stets mit 300.000 km/s von der Lichtquelle ausgestoßen wird. Nach dieser Theorie wäre in jedem von beliebig zueinander bewegten KS zu erwarten, dass die LG mit c gemessen wird, solange die Lichtquelle und die Messtrecke zueinander in Ruhe sind. Was sowohl bei den Fizeau- als auch bei den Michelson-Morley-Experimenten der Fall war.

Genau wegen dieser alternativen Deutungsmöglichkeit des Umstands, dass Licht in allen damaligen Experimenten mit c gemessen worden war, schreibt Einstein auch 1911:

Zitat:
Es ist allgemein bekannt, daß auf das Relativitätsprinzip allein eine Theorie der Transformationsgesetze von Raum und Zeit nicht gegründet werden kann.
http://einsteinpapers.press.princeton.edu/vol4-doc/205
Dafür muss man diese alternativen Erklärungen explizit ausschließen. Deswegen führt Einstein als zweite notwendige Prämisse zur Ableitung seine Definition der Konstanz der LG ein.

Zitat:
Wir können daher im Einklang mit der H. A. Lorentz'schen Theorie den folgenden Grundsatz aufstellen, den wir "Prinzip von der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit" nennen: "Es gibt ein Koordinatensystem, inbezug auf welches sich jeder Vakuum- Lichtstrahl mit der Geschwindigkeit c fortpflanzt." Dieser Satz enthält eine weitgehende Behauptung. Es wird durch ihn behauptet, dass die Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Lichtes weder von dem Bewegungszustande der Lichtquelle noch vom Bewegungszustande der den Fortpflanzungsraum umgebenden Körper abhänge. Die Frage, inwieweit dieser Satz als gesichert gelten kann, ist von fundamentaler Bedeutung für die Relativitätstheorie. (1914)
http://einsteinpapers.press.princeton.edu/vol4-doc/51
Einstein schließt mit dieser Definition also die alternativen, galileo-konformen Erklärungsansätze aus. Und jetzt sind wir in der Lage, unter Rückgriff auf diese Definition die Rechnung zu machen, die Du einfach als implizit gegeben voraussetzt:

Wenn Licht sich in einem KS mit c bewegt, dann folgt daraus, dass es sich in allen anderen NICHT mit c bewegt. Wenn wir annehmen, dass Licht sich im ungestrichenen KS mit c bewegt, sind wir genau und nur deswegen befugt, anzunehmen, dass es sich im KS' nicht mit c bewegt. Sondern mit c-v. Genau, wie Du es berechnest:

Zitat:
x2'= 300.000 km- 180.000 km = 120.000 km
Die Lichtgeschwindigkeit in K' ist also dx'/dt' = 120.000 km/s.
Ja. Das folgt aber nicht "aus der Galileo-Transformation" allein. Das folgt aus der Galileo-Transformation, wenn Du vorher definierst, dass Licht sich in K mit c und in K' nicht ebenfalls mit c bewegt. Sondern mit c-v. Dafür brauchst Du Einsteins Original-KdL.

Der dritte Schritt der Herleitung der Lorentz-Transformation ist dann, festzustellen, dass es einen Widerspruch zwischen dem Relativitätsprinzip, der KdL und der Galileo-Transformation gibt. Das Relativitätsprinzip sagt voraus, dass Licht so gemessen wird, als ob es automatisch in Bezug zu jedem lokalen KS die Galileo-Transformation ausführen würde. Die KdL sagt dagegen, dass es sich nur in einem KS mit c bewegt und in allen anderen NICHT. Wenn die beiden Postulate richtig sind, muss irgendwas anderes korrigiert werden. Und das ist die Galileo-Transformation.

Der vierte Schritt der Herleitung ist, die aus der KdL gewonnene Geschwindigkeitsdifferenz c-v bzw. c+v in KS' durch die notwendigen Ableitungen zu führen, bis sie sich am Ende im Lorentzfaktor Gamma wiederfindet. In dem Term (v/c) hoch 2.


So würde ich die korrekte Herleitung der LT unter Heranziehung der beiden Postulate beschreiben. Ist das schlüssig oder siehst Du da Korrekturbedarf?

Viele Grüße allerseits
Jan
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