Thema: Raumkrümmung
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Alt 10.11.17, 15:52
Ich Ich ist offline
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Standard AW: Raumkrümmung

Nehmen wir einige Teilchen mit vernachlässigbarer Masse in einiger Entfernung zueinander, gerne auch einige Millionen Lichtjahre.
Und dann gehen wir das Problem stufenweise an, störungstheoretisch sozusagen. Zuerst in einem (bis auf die Teilchen) leeren Universum, dann mit Masse, und dann auch noch mit dunkler Energie.
Leeres "expandierendes" Universum:
Auch ein leeres Universum ist eine Lösung der Friedmann-Gleichungen und kann expandieren. Natürlich ist ein leeres Universum gleichzeitig auch ganz normaler Minkowskiraum, wie er aus der SRT bekannt ist, wo gar nichts expandiert.
Wo ist dann also der Unterschied? Reine Ansichtssache!

Die besagten Teilchen könnten Relativgeschwindigkeiten zueinander haben, die proportional zu ihren jeweiligen Entfernungen sind. So etwas entsteht z.B. ganz automatisch, wenn diese Teilchen alle durch eine Explosion in irgendeinem bestimmten Punkt entstanden sind und seitdem kräftefrei durchs All schweben.

Dann kann man ein expandierendes Koordinatensytem finden, in dem diese Teilchen ruhen. Das wäre dann so eine Friedmann-Lösung. Dass sie sich trotzdem voneinander entfernen liegt in dieser Beschreibung daran, dass der Raum expandiert. Dass sie ihr Licht gegenseitig rotverschoben sehen liegt daran, dass dessen Wellenlänge mit der Expansion mitgedehnt wird.
Oder man nimmt kein expandierendes Koordinatensystem. Dann hat man ein normales Inertialsystem aus der SRT. In dieser Beschreibung entfernen sich die Teilchen aufgrund ihrer Relativgeschwindigkeit voneinander, und das Licht ist wegen des Dopplereffekts rotverschoben.
Das Resultat ist in beiden Fällen natürlich das Gleiche.

Jetzt denken wir uns noch zwei Teilchen dazu, die relativ zueinander ruhen in dem Sinne, dass Licht zwischen ihnen nicht rotverschoben ist. Was machen die mit der Zeit?

In expandierenden Koordinaten ist das schwierig zu verstehen und zu analysieren. Die Teilchen haben da eine Pekuliargeschwindigkeit, die der Expansion entgegengesetzt ist. Deswegen vergrößert sich ihre Entfernung nicht, sondern bleibt (Nur ungefähr - das ist nämlich äußerst verzwickt!) gleich. Ebeso entsteht durch die Pekuliargeschwindigkeit eine Doppler-Blauverschiebung, die die kosmologische Rotverschiebung gerade aufhebt. Man würde vielleicht erwarten, dass die Teilchen durch die Expansion mit der Zeit auseinandergezogen werden. Das genau zu rechnen ist sehr schwierig, da sind auch schon professionelle Physiker auf die Nase gefallen. Das Ergebnis ist aber, dass sich die Teilchen "gegen den Raumfluss" gerade so bewegen, dass ihre kombinierte Rotverschiebung immer Null bleibt. Warum das so ist, ist in dieser Rechnerei aber nicht wirklich nachvollziehbar.

Im Inertialsystem beschrieben ist die Aufgabe hingegen einfach: Es passiert natürlich gar nichts. Das Universum ist ja leer und beeinflusst die Teilchen in keinster Weise. Das ist unmittelbar einsichtig, wenn man kein expandierendes Koordinatensystem verwendet, denn dann gilt der Trägheitssatz:
"Ein Körper verharrt im Zustand der Ruhe oder der gleichförmig geradlinigen Bewegung, sofern er nicht durch einwirkende Kräfte zur Änderung seines Zustands gezwungen wird." Die Teilchen ruhen zueinander, und daran ändert sich in Abwesenheit von Kräften nichts.

Ich möchte noch einmal herausstreichen, dass ich hier nicht von zwei physikalisch unterschiedlichen Szenarien spreche. Wir haben einfach zwei zueinander ruhende Teilchen im leeren Raum, Punkt. Man kann diese Situation nur in kosmologischer Sprechweise beschreiben und fällt damit ordentlich auf die Nase. Oder man beschreibt sie wie sonst üblich in den normalen Koordinaten, dann ist unmittelbar klar, was passiert.

Daraus folgt insbesondere, dass die Expansion des Universums zumindest in dieser Näherung keinerlei Effekt auf irgendwelche Teilchen hat. Sie werden nicht auseinandergezogen, und sie müssen also auch nicht gebunden sein, um einem solchen nichtexistenten Zerren etwas entgegenzusetzen. Ruhende Teilchen bleiben in Ruhe, weil keine Kräfte wirken. Mehr ist da nicht zu verstehen.

Zu den beiden nächsten Näherungsstufen schreibe ich hoffentlich bald etwas.
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