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Alt 25.10.18, 11:57
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TomS TomS ist offline
Singularität
 
Registriert seit: 04.10.2014
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Standard AW: Zweite Quantisierung

Zitat:
Zitat von Simon_St Beitrag anzeigen
In der Quantenfeldtheorie wird zu der Wellenfunktion eine konjugierte Wellenfunktion eingeführt, die eine Kommutatorrelation erfüllen, jenachdem, ob es Fermionen oder Bosonen sind. Die Wellenfunktion wird dabei zu einem Operator.
Der Zugang über diese "zweite Quantisierung" ist historisch interessant, erscheint jedoch ad hoc und verwirrend.

Das fällt aber nicht von Himmel sondern kann sauber konstruiert werden.

Du solltest dich dazu mit dem Lagrange- und dem Hamiltonformalismus für klassische Teilchen sowie Felder vertraut machen.

1) Im Falle von Teilchen leitet man aus der Lagrangefunktion die zu den Orten x kanonisch konjugierten Impulse p ab und konstruiert die Hamiltonfunktion H[x,p]. Aus den Poissonklammern im klassischen Hamiltonformalismus folgend die Kommutatoren für x und p. Aus den hamiltonschen Bewegungsgleichungen folgt die Heisenbergsche Bewegungsgleichung. Operatoren wirken auf Zustände im Hilbertraum (Speziell in der Ortsdarstellung wird der Impuls p mittels des Nabla-Operators dargestellt und wirkt auf die Wellenfunktion; das ist aber ein Spezialfall und für die Quantenfeldtheorie eher irrelevant).

2) Im Falle von Feldern leitet man aus der Lagrangedichte die zu den Feldern kanonisch konjugierten Impulse (ebenfalls Felder) p ab und konstruiert die Hamiltondichte. Aus den Poissonklammern im klassischen Hamiltonformalismus folgend die Kommutatoren. Aus den hamiltonschen Bewegungsgleichungen folgt die Heisenbergsche Bewegungsgleichung. Operatoren wirken auf Zustände im Hilbertraum.

Ich hoffe, die Analogie ist klar. Jedenfalls ist (2) nicht ein Schritt nach (1) sondern analog zu (1), weswegen "zweite Quantisierung" nicht zutreffend ist.

Die Orte x spielen in der Feldtheorie die Rolle eines kontinuierlichen Index und sind keine dynamischen Variablen wir bei Punktteilchen. Der Impulsoperator ist ähnliche wie der Hamiltonoperator eine Größe, die die Feldoperatoren enthält.

Zitat:
Zitat von Simon_St Beitrag anzeigen
Ein Operator muss immer auf irgendwas angewendet werden. Wenn ich das richtig verstanden habe, wird der Operator auf den Vakuumgrundzustand angewendet. Hierdurch kann ich, der richtigen Vertauschungsstatistik nach, eine Vielteilchen-Wellenfunktion aufbauen.
Man kann einen Vielteilchenzustand aufbauen. Der Begriff Vielteilchen-Wellenfunktion hat in der Quantenfeldtheorie nichts zu suchen; eine Wellenfunktion kann immer nur eine feste Teilchenzahl konstruiert werden; in der QFT haben wir jedoch Prozesse zur Erzeugung, Vernichtung und Umwandlung von Teilchen, was mittels Wellenfunktionen nicht darstellbar ist.

Zitat:
Zitat von Simon_St Beitrag anzeigen
Die Wellenfunktion aus QM1 entwickelt sich "glatt", einer Kontinuumsgleichung folgend, und ist zu jeder Zeit vollständig definiert.
Das gilt in der QFT ganz analog.

Man kann sowohl die Heisenbergschen Bewegungsgleichungen für die Feldoperatoren als auch die Schrödingergleichung für Zustände (nicht für Wellenfuntkionen) vollständig identisch zur QM1 hinschreiben.

Zitat:
Zitat von Simon_St Beitrag anzeigen
Ist das Quantenfeld ebenfalls zu jedem Zeitpunkt vollständig definiert?
Ja. Aber als Feldoperatoren.

Zitat:
Zitat von Simon_St Beitrag anzeigen
… dass es an jedem Raumpunkt einen definierten Wert hat,
Nein, denn es ist ein Operator und hat gar keinen Wert.

Die Eigenschaften des Systems stecken im Zustandsvektor, so wie in der QM1 auch. Nicht vergessen: die Wellenfunktion ist lediglich eine spezielle Projektion des Zustandes.

Zitat:
Zitat von Simon_St Beitrag anzeigen
Sind die Observablen der Quantenfeldtheorie die gleichen wie in der nicht-relativistischen Einteilchen-Theorie?
Nein.

Als Observablen gibt es zwar Energie, Impuls, Drehimpuls u.a., aber diese können nicht „lokalisiert“ werden; sie werden durch Operatoren dargestellt, in die wiederum die Feldoperatoren eingehen.

Zitat:
Zitat von Simon_St Beitrag anzeigen
Dies sind erstmal grundsätzliche Verständnisfragen, um mich in QM2 einzulesen.
QM2 behandelt neben nicht-relativistische Themen auch noch die relativistische Quantenmechanik. Dann bleibt es aber bei Wellenfunktionen wie für die Dirac-Gleichung. Das hat nichts mit Quantenfeldtheorie zu tun.

Zitat:
Zitat von Simon_St Beitrag anzeigen
In QM1 ist die Wellenfunktion zu jeder Zeit und an jedem Ort definiert. Ohne jetzt auf die Interpretation des Messprozesses einzugehen möchte ich wissen wie man sich die (Vielteilchen-) Wellenfunktion in der Quantenfeldtheorie vorzustellen hat, solange das System unbeobachtet bleibt.
s.o.

Die Vielteilchen-Wellenfunktion gehört zur Quantenmechanik, nicht zur Quantenfeldtheorie.

Sowohl Wellenfunktion als auch Zustandsvektor entwickeln sich mit Ausnahme der Messung immer kontinuierlich entsprechend der Schrödingergleichung bzw. des unitären Zeitentwicklungsoperators U(t) = exp[-iHt].

Zitat:
Zitat von Simon_St Beitrag anzeigen
In QM1 sind die Messoperatoren nicht vertauschbar. In der Quantenfeldtheorie sind schon die Feldoperatoren nicht vertauschbar (ohne dass eine Messung stattgefunden hat).
Die Operatoren selbst sowie der Nichtvertauschbarkeit haben nichts mit der Messung zu tun.

Zitat:
Zitat von Simon_St Beitrag anzeigen
Deshalb frage ich mich, ob die Vielteilchenwellenfunktion eine Funktion ist, die zu jeder Zeit und an jedem Ort definiert ist?
Ja.


Zitat:
Zitat von Simon_St Beitrag anzeigen
Habe mir angeschaut, wie Vielteilchen-Wellenfunktionen aufgebaut werden, durch Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren.
Wenn du das irgendwo so gelesen hast, dann solltest du dich nach einer alternativen Quelle umschauen.

Betrachte den Vakuumzustand |0> sowie einen Einteilchen-Zustand |…k…>, bei dem genau eine Anregung mit dem Impuls k vorliegt. Dieser Einteilchen-Zustand kann mittels eines Erzeugungsoperators zu diesem Impuls k aus dem Vakuum konstruiert werden. Man kann jedoch beliebige N-Teilchen-Zustände konstruieren, wobei die Teilchenzahl N nicht beschränkt ist; im Falle von Bosonen kann man sogar für das selbe k beliebig viele Anregungen in diesen Zustand bringen.

Eine N-Teilchen-Wellenfunktion existiert jedoch immer nur für ein festes N, nie für variables N.



Zitat:
Zitat von Simon_St Beitrag anzeigen
Vll hilft es sich erstmal vorzustellen, wie die Feldoperatoren auf den Vakuumzustand angewandt, den Zustandsraum der Teilchen konstruieren. Kann man dies auch mit den Operatoren des konjugierten Feldes machen?
Die Konstruktion der Zustände erfolgt mittels Erzeugungsoperatoren; diese entsprechen im Wesentlichen den Fourierkomponenten zu den Feldoperatoren, d.h. sie hängen von einem Impulsargument ab.



Einige Anmerkungen:

Grundsätzlich musst du QM2 mit Vielteilchen-Wellenfunktionen sowie Quantenfeldtheorie auseinanderhalten.

zu Bernhard: die Bargmann-Wigner-Gleichungen würde ich auslassen; ich denke nicht, dass du sie zum Grundverständnis benötigst.

zu „sind die Observablen der Quantenfeldtheorie die gleichen wie in der nicht-relativistischen Einteilchen-Theorie“ und

Zitat:
Zitat von Hawkwind Beitrag anzeigen
Denke doch: der Nabla-Operator auf die Koordinaten des i-ten Teilchens angewandt, ist der Impuls-Operator dieses Teilchens etc.
Nein, ganz so ist das nicht.

In der Quantenfeldtheorie haben wir einen Impulsoperator P[φ, π], der von den Feldern sowie deren konjugierten Impulsen π abhängt. Speziell im Falle der Klein-Gordon-Gleichung wäre π = ∂₀φ und

P = ∫ d³x π ∇ φ

Ausgedrückt durch Erzeuger und Vernichter bzw. dem Teilchenzahloperator N(k) je Impuls k findet man

P = ∫ d³k k N(k)

d.h. N(k) „zählt“ die Anzahl der Teilchen im „Zustand k“; anschließend wird über alle möglichen Impulse integriert.
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Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
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