Zitat:
Zitat von TheoC
Frage 1: Sind aus der VWI zusätzliche Erkenntnisse ableitbar, die auf Basis des Standardmodells nicht ableitbar sind?
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Du vergleichst in deiner Frage Äpfel mit Birnen. Du musst die VWI mit der orthodoxen QM vergleichen. Erstere setzt ein Axiom
weniger an, sie
verzichtet nämlich auf das Projektionspostulat. D.h. rein wissenschaftstheoretisch, nach Ockham ist sie
einfacher, d.h. der orthodoxen QM
vorzuziehen,
wenn sie stattdessen mathematisch in der Lage ist, zu erklären,
warum die Bornsche Regel im Zuge von Messungen anwendbar ist. Der Anspruch der VWI besteht also darin, das Messproblem aus den Axiomen (1 - 3) heraus zu lösen, während die orthodoxe QM das Messproblem mit dem Axiom 4 sozusagen "wegzaubert"; wobei Axiom 4 im Widerspruch zu Axiom 3 steht, was die orthodoxe QM nicht vernünftig erklären kann.
Zitat:
Zitat von Herr Senf
... hat man die minimalistische Interpretation aus der Grundgleichung w(i,A,Ψ)=|<λ_i|Ψ|² genommen.
Man nimmt halt nur das, was im Experiment auch brauchbar ist, und bisher sind alle experimentellen Daten erklärbar.
Warum versucht man Überinterpretationen, die zwar schön und klug klingen, aber keinen Mehrwert bringen.
War doch immer ein Fall für Ockham, löst bei Laien die wundersamsten Vorstellungen von der Welt aus.
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Diese Grundgleichung ist gerade das Projektionspostulat = Axiom 4. Die VWI hat nichts gegen das Auftreten dieser Gleichung, nur eben nicht als Axiom, sondern als Theorem.
Ockham wird hier von Herrn Senf missverstanden, denn Ockham's Razor bezieht sich
nicht auf die phänomenologische Ebene (die vielen Welten) sondern auf die Annahmen, Axiome und Postulate. Und wie gesagt, da ist die VWI im Vorteil. Die vielen Welten sind sowieso ein sprachlicher Missgriff; nach der Theorie existiert genau eine Welt, von der wir aufgrund der Dekohärenz nur einen "Ausschnitt" sehen können.
Zitat:
Zitat von JoAx
So, wie ich das sehe, besteht der Vorteil der VWI darin, dass sie die Frage danach, was eine "Messung" ist, was dabei passiert/abläuft nicht "postulativ" schliesst, so, wie es bsw. die "Kopenhagener" tut. Und damit ergibt sich ein Forschungsprogramm, mit dem sich die Dekohärenz beschäftigt.
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Genau richtig (wobei die Dekohärenz eine eher neue Erkenntnis ist, die in dieser quantitativen, experimentell gesicherten Form Everett noch nicht zur Verfügung stand).
Die VWI geht jedoch an einer Stelle über die Dekohärenz hinaus. Letztere folgt aus den ersten drei Axiomen, d.h. sie ist durchaus mit der orthodoxen QM verträglich. Wenn man die Dekohärenz jedoch zugrundelegt, dann ist die Einführung des Projektionspostulates eher noch seltsamer, da die Dekohärenz ja schon den Boden bereitet, ohne dieses auszukommen.
Was die Dekohärenz jedoch nicht leistet ist, zu beantworten,
warum Wahrscheinlichkeiten in unserer Wahrnehmung des Quantenzustandes auftreten und
wie die Bornsche Regel mathematisch aus den Axiomen (1 - 3) folgt (bzw. welche neue Zutat stattdessen erforderlich ist).