Thema: Superposition
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Alt 02.02.19, 09:30
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TomS TomS ist offline
Singularität
 
Registriert seit: 04.10.2014
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Standard AW: Superposition

Zitat:
Zitat von Timm Beitrag anzeigen
Aber was soll's, das ist alles Semantik.
Aber die ist essentiell, wenn wir über Interpretationen zur Quantenmechanik reden.

Zitat:
Zitat von Timm Beitrag anzeigen
Na ja, der Regenbogen ist sowohl sichtbar als auch real. Was ich messe ist real.
So einfach ist das nicht.

Wenn du hinter dem Doppelspalt misst, erscheint ein Punktemuster - wie von einzelnen Teilchen. Dieses Punktemuster ist da. Gleichzeitig wissen wir aber, dass vor der Messung kein Teilchen im klassischen Sinne da ist, denn wenn dies so wäre, könnten wir die klassische Mechanik anwenden, erhielten damit jedoch kein Punktemuster, das letztlich ein Interferenzmuster herausbildet. D.h. vor der Messung ist etwas anderes da als ein klassisches Teilchen. Was dies ist, können wir nicht sagen, da wir es natürlich nicht beobachten können. Wir können jedoch sicher sagen, was es nicht ist - ein klassisches Teilchen - und wie wir s stattdessen beschreiben müssen - als quantenmechanischen Zustand, speziell als Wellenfunktion.

Die Gleichsetzung von Sein = Erscheinung, also im weitesten Sinne extremer Idealismus oder Phänomenologie, dass das Sein lediglich die Summe von Erscheinungen sei, greift in der Quantenmechanik offenbar zu kurz, da man zumindest mittels der für uns sichtbaren Erscheinungen nicht zu Ziel gelangt - s.o.

Heisenberg: "Die Bahnen der Elektronen im Atom kann man nicht beobachten....Da es aber doch vernünftig ist, in eine Theorie nur die Größen aufzunehmen, die beobachtet werden können, schien es mir naturgemäß, nur diese Gesamtheiten, sozusagen als Repräsentanten der Elektronenbahnen einzuführen".

"Aber Sie glauben doch nicht im Ernst", entgegnete Einstein, "daß man in eine physikalische Theorie nur beobachtbare Größen aufnehmen kann".

"Ich dachte", fragte ich erstaunt, "daß gerade Sie diesen Gedanken zur Grundlage Ihrer Relativitätstheorie gemacht hätten?"...

"Vielleicht habe ich diese Art von Philosophie benützt", antwortete Einstein, "aber sie ist trotzdem Unsinn...Denn ist es ja in Wirklichkeit genau umgekehrt. Erst die Theorie entscheidet darüber, was man beobachten kann".


Viele Physiker vermeiden diese Diskussion, indem sie - rein instrumentalistisch - den quantenmechanischen Formalismus als Werkzeug auffassen, experimentell überprüfbare Vorhersagen abzuleiten. Sie müssen dann die Frage, warum genau dieser Formalismus funktioniert, ignorieren, als sinnlos abtun, oder verbieten.

Diverse andere Physiker und Physiker, die ich im weitesten Sinne als Platonisten bezeichnen würde, lehnen dieses “Bohrsche Dogma” ab, und gehen davon aus, dass wir mittels der Mathematik ein gewisses und nicht völlig falsches Abbild dessen erhalten, was tatsächlich - ohne uns und ohne Beobachtung - real ist, also nicht nur für uns erscheint. Dieser Schule sind insbs. die Nachfolger Everetts zuzurechnen, denn ohne eine derartige realistische Auffassung wird die VWI von vorne herein irrelevant. Andere Physiker mit der selben Grundhaltung suchen andere Lösungsansätze wie z.B. einen tatsächlich vorhanden realen Kollaps, der im Widerspruch zur Schrödingergleichung steht bzw. eine explizite Modifikation erfordert.

Soviel zu deinem “ist” im o.g. Satz ;-)

Zitat:
Zitat von Timm Beitrag anzeigen
Besser gefällt mir, der Kollaps widerspricht der Unitarität der Zeitentwicklung ..., oder einfach, der Kollaps ist durch die QM nicht belegt.
Welche Kollaps denn nun?

Der über das von-Neumannsche Projektionspostulat eingeführte formale Kollaps widerspricht rein logisch der Unitarität; daher muss man rein logisch trennen, wann welche Regel zur Anwendung kommt. Den Kollaps-Interpretation gelingt dies, jedoch unter Preisgabe des Anspruchs der Beschreibung der Realität (und in gewisser Weise sogar unter Preisgabe der Vorhersagbarkeit gewisser Aspekte im Experiment).

Ein real existierender Kollaps widerspricht einer Realität, die mittels der unitären Zeitentwicklung beschrieben wird. Daher muss eine Kollaps-Interpretation den Anspruch, die Realität - im Sinne von dem was tatsächlich ohne Messung real ist - zu beschreiben, aufgeben.

Ein beobachteter Kollaps widerspricht weder auf der formalen / logischen Ebene noch in der Realität der Unitarität. Ersteres zeigt uns die Dekohärenz sowie die darauf aufbauende moderne Auffassung der Everettschen Interpretation explizit. In der Realität bedeutet dies, dass Unbestimmtheit durch Multiplizität ersetzt wird, wobei diese Multiplizität durch die explizite Vorhersage ihrer Unbeobachtbarkeit zulässig ist. Der Kritikpunkt des angeblichen Postulats der Vielen Welten geht fehl, weil diese schlichtweg nicht postuliert werden. Viel schwieriger ist die Frage, was denn nun genau eine derartige emergente Welt ist, und warum wir diesbzgl. Wahrscheinlichkeiten wahrnehmen; in gewisser Weise erscheint diese Diskussion zirkulär zu sein.

Die ganze Diskussion zeigt m.E. sehr schön, dass die Aufforderung einiger Physiker, sich nicht um die Philosophie zu scheren, zu kurz greift, weil sie natürlich bereits durch diese Aufforderung eine philosophische Position einnehmen. Ohne dass man hier Farbe bekennt oder zumindest seine eigene Haltung reflektiert, gehen derartige Diskussionen oft schon rein sprachlich in die Irre.

Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job [interpreting quantum theory] was done 50 years ago.
Murray Gell-Mann
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Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.

Ge?ndert von TomS (02.02.19 um 10:35 Uhr)
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