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Alt 21.09.11, 23:41
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richy richy ist offline
Singularität
 
Registriert seit: 01.05.2007
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Standard AW: Realismus in der Quantenphysik

Hi AMC

Zitat:
das ist also die Kernfrage? Ist vor dem eigentlichen Ereignis etwas als physikalisch real zu betrachten?
Ja, das kann man so sagen. Das ist die Kernfrage. Wobei man hier nochmals zwischen real und physikalisch unterscheiden muss. Am besten nicht mittels philosophischer Definition sondern mathematisch physikalischer. Ohne Definitionen machen Aussagen ja keinen Sinn. Und an anderer Stelle hatte ich den Waegbarkeitsbegriff als Definitionsmittel zwischen "physikalisch" und "abstrakt" vorgeschlagen. Fuer Kopenhagen ergibt sich beim Realitaetsbegriff eine gewisse Problematik, denn sie kennt ja keine physikalischen Erweiterungen des Raumes z.B. in Form von Dimensionen ueber die sie eine physikalische Realitat und Nichtrealitaet sachgemaess festlegen koennte. Da fehlen einfach die Parameter. Im Realismus ist das einfach. Ob das nun ein Konfigurationsraum ist wie bei der VWI, de Broglie Bohmeschen Mechanik oder eine ausgebreitete zeitliche Dimension.
Da werden zusaetzliche physikalische Groessen angenommen, die man fuer eine nichtphilosophische Definition verwenden kann. Es existiert eine physikalische Realitaet und das ist jene, die wir zum Beispiel gerade erleben. Und jede Moeglichkeiten die wir nicht erleben, jedes Ereignis das von der Wahrscheinlichkeit |PSI|^2 nicht realisiert wurde kann man als nichtreal definieren.
Die Annahme des Wellenkollapses steht hier Kopenhagen etwas im Wege. Man kann dies an einem zeitlichen Analogon veranschaulichen. Stell dir vor Einstein haette die Ansicht eines Zeitkollapses vertreten. Nur ein kleines Zeitintervall, naemlich die Gegenwart, die Realitaet waere physikalisch. Physikalisch existiert keine Vergangenheit. Die Vergangenheitswerte kollabieren, verschwinden von der physikalischen Weltbuehne. Dann wuerde mit dieser Zeitkollapsannahme die Zeit selbst als physikalische Entitaet verschwinden. Es gaebe nur einen Zeitpunkt. Es gaebe keine 4-D Raumzeit, keine SRT, keine ART.
Es gibt ja Meinungen, die die Zeit nicht als physikalische Entitaet betrachten sondern als Konsequenz irgendwelcher anderer nicht weiter erklaerten Phaenomene. Ich meine das ist nicht kompatibel zur ART und vor allem nicht zu E=m*c^2. Knut Hacker hatte hier uebrigends zu einer interessanten philosophischen Betrachtungsweise angeregt. Die Existenzbegriffe von Raum und Zeit sind in einer einfachen Mengenalgebra nicht widerspruchsfrei. Man muss sich hier schon der modernen Mengenalgebra bedienen. Dann existiert die Raumzeit widerspruchsfrei. Es existieren somit verschiedene Existenzklassen. Die Existenz von Raum und Zeit kann dabei nicht dem allgemein verwendeten Existenzbegriff genuegen. Das uebersteigt einfach wie die QM teilweise unser Verstaendnis.

Die Begriffe Realitaet und Physikalitaet koennen denoch definiert werden. Im Rahmen eines Realismus ist das keinerlei Problematik. Ich meine es besteht kein Zweifel, dass Kopenhagen mit Zeilinger das Dekohaerenzprogramm der VWI uebernommen hat. Der Wellenkollaps ist so gut wie vom Tisch und das koennte die KI fuer sich ausnuetzen. Kannst du dir vorstellen wie ? Und genau in diese Richtung bewegt sich Prof Zeilinger.

Zitat:
Physikalisch realistische Vorgänge sind doch immer auch raumzeitliche Vorgänge, richtig?
Ich meine ja.

Zitat:
angenommen es gibt vor der Dekohärenz eine Art Realität, dann würde hier doch auch das Problem der Überlichtgeschwindikeit zum tragen kommen?
Meinst du hier speziell die spukhafte Fern"wirkung" ? Wissen wir ja. Die steht nicht im Widerspruch zur Relativitaetstheorie. Auch zu keiner Interpretation der QM. Ausser zu einer : Einsteins einfachem Realismus. Kennst du Bertelmanns Socken ? Die waren ja letztendlich Einsteins realistischer Rettungsanker. Und mit den Bellschen Ungleichungen war dieser dann widerlegt. Die Quantenwelt ist tatsaechlich nichtlokal. Da gibt es so gut wie nichts daran zu ruetteln. Zusaetzliche Dimensionen koennen dies natuerlich beheben und Einsteins Gedanken widerbeleben. Aber die koennen nicht ausgebreitet raeumlich, reell sein. In dem Fall hoechstens kompaktifiziert oder eben everett kompaktifizeirt oder imaginarwertig zeitlich ausgebreitet.Zeit/Moeglichkeitsartig. Und so sagte man sich lieber ganz einfach : Dann hatte Bohr wohl doch recht. Wir koennen die Nichtlokalitaet, Verschraenkung rein physikalisch nicht erklaeren. Ok rechnen wir mit der Schroedingergleichung aber ueberlassen wir deren Interpretation den Geisteswissenschaftlern. Und das war bis zum Dekohaerenzprogramm eine recht raffinierte Taktik. Man hat die Quatenmechanik vor der "Messung" einfach von der Physik getrennt. Und was man wirklich annimmt hat man mehr oder weniger elegant umschrieben = moeglichst verschwiegen.
Bohr haette das nicht gefallen.


Hawkwind war so freundlich hierzu ein sehr anschauliches Bild ins Forum zu stellen.
(Das mit der Wellenkollapsschranke)

Wenn man einen Realismus aufrecht erhalten will, dann ist die eigentliche Frage zunaechst welcher Art diese zusaetlichen Dimensionen sein koenneten, die eine physikalische Nichtlokalitaet kompatibel zur Relativitaetstheorie konsistent erklaeren.
Oder man gibt das ganze vor der Dekohaerenz eben an die Geisteswissenschaftler ab und rechnet nur.

Zitat:
Eine Realität, die sich nicht raumzeitlich bewegt, sondern eine Art Vorstufe zur raumzeitlichen Realität (Ereignisse) darstellt, eine Art allgegenwärtige Realität (Information)?
Wie ich bereits erwaehnte. Was den Realismus von Kopenhagen unterscheidet ist nicht die Realitaet, sondern vor allem die Physikalitaet.
Trotz der Namensgebung kann man die Nichtrealisierten moeglichkeiten eines Realismus als Nichtreal bezeichnen. Sie sind aber physikalisch, so wie auch die Vergangenheit in der Physik. Nochmal anhand von EPR und Bell, der Verschraenkung. Der Realist muss dies physikalisch erklaeren. Ob Real oder Irreal spiel keine Rolle. Du kannst nichts in dieser Welt z.B. ohne die irreale Vergangenheit erklaeren, lediglich ueber eine reale Gegenwart. Mit lediglich einer solchen gaebe es keinerlei Dynamik. Alle physikalischen Systeme enthalten zeitliche Integrationen, beziehen die Vergangenheit das nicht mehr reale mit ein. Das Reale ist somit nicht der springende Punkt sondern das physikalische. Und da kommt der Realist wegen Herrn Einstein nicht um eine Erweiterung des Raumes herum. In der VWI wohl eine sehr raffinierte.

Um es mal ganz einfach auszudruecken wirft Kopenhagen um dies zu vermeiden die Physikalitaet vor der Dekohaerenz ganz ueber Bord. Es gibt da noch eine Problematik. naemlich die Kausalitaet. Es existiert ja kein zeitlicher Ablauf fuer ein Teichen in Wellen / Wahrscheinlichkeitsform. Aber das ist eine andere Sache.

Zitat:
Ich denke Information muss immer auch Masse besitzen (materiell sein). Was keine Masse besitzt, das ist auch nicht.
Nein auf keinen Fall ist Information materiell :
Informatik ist eine Geisteswissenschaft ! Und der Informationsbegriff eine ganz heikle Angelegenheit. Und das wird sich in Zukunft noch verschaerfen.
http://de.wikipedia.org/wiki/Immaterialit%C3%A4t
Zitat:
Zitat von WIKI
Naturwissenschaft: immateriell bezeichnet was nicht stofflich ist und aber auch nicht geistig ist (z. B. Energie, Gravitation, Information).
Der Wiki Eintrag ist natuerlich Schwachfug. Ein Zugestaendnis, jedoch Baerendienst fuer Zeilinger. Einzigst richtig ist : Information ist nicht waegbar.
Googel mal nach materiell, stofflich. Das sind wie immateriell leere Worthuelsen. Ohne Bedeutung fuer die Physik. Da zaehlt nur physikalisch=waegbar. (Ruhemasse oder relativistische Masse)
Ein Photon ist natuerlich wagbar und damit physikalisch. Stofflich materiell interessiert gar nicht. Und deshalb ist Energie physikalisch, wenn man will materiell. Und jedes physikalische Feld ist waegbar. Auch das Gravitationsfeld selbst. Und das Gravitationsfeld des Gravitationsfeldes ist von einem Gravitationsfeld umgeben u.s.w, unendlich weiter. Das ist keine Aussage von Burkhard Heim wie manche meinen sondern von Albert Einstein, der ART. Blos wissen das viele nicht. Und diese Gravitationsfeldreihe konvergiert natuerlich.
Und damit ist auch die Gravitation selbst vorerst als physikalisch, naemlich waegbar zu klassifizieren.
Lediglich die Information stimmt in dieser Nichtwaegbarkeitsliste, die an anderer Stelle sogar Gott erwaehnt.

Zitat:
Richy, kannst du mit diesen Überlegungen was anfangen?
Wie du siehst. Klar. Auf jeden Fall.

Zitat:
Ich persönlich denke, man kann versuchen in Richtung Realismus zu denken.
Schon. Bei klasischen Problemen natuerlich immer. Aber selbst da muss man sich darueber im klaren sein, dass die wissenschaft vornehmlich nur lineare Probleme loesen kann. Wegen der vornehmlich linearen Loesungsmethoden der Mathematik. Selbst da koennen wir nicht alles erklaeren.
Zitat:
(vielleicht neu denken)
VWI, Dekohaerenz oder auch Zeilinger eben. Bischen Staub wischen schadet nie :-)
Zitat:
aber man sollte dabei schön den reinen Determinismus außen vor lassen,
Das habe ich in enem Thread hier mit JOAX schon ausfuehrlich im Zusammenhang mit dem La Placeschen Daemon und dem freien Willen wie ich meine erfolgreich besprochen.
Kopenhagen nimmt einen objektiven Zufall an. Damit ist Platz fuer einen freien Willen und das ist eine ethisch gut vertretbare Loesung. Allerdings unterscheidet sich der hochdimensionale Zufall eines Realismus in keinster Weise davon. Blos ist dies sehr schwer zu erklaeren.
Und natuerlich ist der objektive Zuall ein Monster. Weder physikalisch noch mathematisch erklaerbar. So manchen Mathematker haben damit verwandte Themen wohl schon in den Wahnsinn getrieben. Also besser etwas Abstand davon halten :-)

Zitat:
und auch schön dabei in unserem Universum bleiben, sowie den Boden des Materialismus nicht verlassen.
Das ist nun leider wegen folgender Aussage nicht miteinander vereinbar.

Die Quantenmechanik verletzt die Bellsche Ungleichung. Sie ist keine lokal realistische Theorie.

Viele Gruesse
richy

Ge?ndert von richy (22.09.11 um 03:18 Uhr)
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