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Alt 16.08.18, 10:19
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TomS TomS ist offline
Singularität
 
Registriert seit: 04.10.2014
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Standard AW: Ist die Stringtheorie eine Theorie?

Ich habe jetzt einige der Originalveröffentlichungen quergelesen. Ich verstehe zu wenig von der Materie, um ein eigenes Urteil abgeben zu können, aber es ist interessant nachzuvollziehen, wie - nach inzwischen ca. 15 (!) Jahren - aus der Community selbst heraus kritische Stimmen entstehen.

Tatsache ist wohl, dass die Beobachtung der beschleunigten Expansion des Universums - im Stringtheorie-Sprachgebrauch die Existenz eines deSitter-Vakuums mit positiver kosmologischer Konstante - die Theorie vor ernsthafte Probleme stellt:
i) diverse Ansätze zur Konstruktion der deSitter-Vakua basieren auf mathematisch wenig rigorosen Annahmen, ohne dass hier Besserung in Sicht wäre;
ii) andere, mathematisch eher rigorose Ansätze zeigen, dass gewisse Familien von Konstruktion der deSitter-Vakua explizit ausgeschlossen werden können.

Die neuen Veröffentlichungen in den letzten Monaten führen innerhalb der Community zu einer Diskussion, ob man statt der Annahme, irgendwo in der Landscape sei ein deSitter-Vakuum mit den korrekten Eigenschaften = dem Standardmodell verborgen, nicht besser zur Annahme, es gebe überhaupt keine deSitter-Vakua, übergehen sollte.

Das ist ein Paradigmenwechsel!

Die Konsequenzen sind:
a) entweder ist die Stringtheorie zur Beschreibung unseres Universums ungeeignet
b) oder die Annahme, es läge eine derartige kosmologische Konstante vor, ist explizit falsch.

Natürlich wird die String-Community den Ausweg (b) suchen, d.h. Alternativen und kompliziertere Modelle zur Erklärung eines scheinbaren deSitter-Vakuums finden. Derartige Alternativen könnten Quintessenz-Modelle sein, denenzufolge keine kosmologische Konstante vorliegt, sondern ein variables Feld, das letztlich doch zu einem Big Crunch oder Big Rip führen könnte.

Was mir Sorgen bereitet ist, dass es von 1998 bis 2003 ca. 5 Jahre gedauert hat, um einfache Modelle zu finden, die deSitter Vakua plausibel erscheinen lassen, und nun weitere 15 Jahre, um zu erkennen, dass dieser Weg möglicherweise eine Sackgasse war.

Wie lange wird es dauern, bis man die komplizierteren Alternativen verstanden hat?

Eine Erkenntnis ist sicher positiv: nicht gerechtfertigte Annahmen, darauf aufbauende Näherungen sind eben doch fragliche Methoden in der Grundlagenphysik.
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Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
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