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Alt 26.08.18, 14:34
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TomS TomS ist offline
Singularität
 
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Standard AW: Warum eine agnostische Sicht der Physik Quatsch ist

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Zitat von soon Beitrag anzeigen
Erklärungen/Begründungen allein sind aber nicht ausreichend in der Naturwissenschaft ...
Richtig, das das habe ich auch nie behauptet.

Zitat:
Zitat von soon Beitrag anzeigen
...und sind deshalb für viele Physiker vermutlich von untergeordneter Bedeutung oder sogar ganz vernachlässigbar.
Sicher nein.

Hast du Physik studiert, Fachbücher gelesen, Vorlesungen und Seminare besucht, selbst Vorträge vor Experten gehalten, in kleinen Gruppen strittige Fragen und Modelle diskutiert, ...?

Erklärungen - präzise mathematische Erklärungen - sind fundamental in der theoretischen Physik und vermitteln essentielle Zusammenhänge. Und nur wenn diese Erklärungen in sich stimmig sind, wird dein Modell akzeptiert; andernfalls wirst du vom Auditorium und den anwesenden Experten zerlegt (dass deine Ansätze auch die Daten reproduzieren müssen versteht sich von selbst, das muss nicht extra erwähnt werden)

Zitat:
Zitat von soon Beitrag anzeigen
Kannst du folgender Aussage von Roger Bacon zustimmen?
Im wesentlichen ja.

Bacon argumentiert pro Erfahrung, jedoch nicht contra ein mathematisches Modell. Bacon wusste nicht mal, was das sein soll. Seine Aussage
Zitat:
Über allen Wissenschaften steht die vollkommenste von ihnen, die alle anderen verifiziert: Es ist das die Erfahrungswissenschaft, die die Begründung vernachlässigt ...
trifft auf die moderne Physik nicht zu. Sie klammert die theoretische Physik vollständig aus, und sie wird nicht mal der Experimentalphysik gerecht, die ja nicht sinnlos irgendwelche Messungen durchführt, sondern die sich auch sehr konkret an der theoretische Physik orientiert, um deren Ergebnisse zu prüfen, zu testen, zu falsifizieren. Insofern sind Bacons Aussagen nicht falsch, jedoch ohne historischen Kontext auch nicht verständlich, und insbs. nicht außerhalb dieses Kontextes beliebig anwendbar.

Zitat:
Zitat von soon Beitrag anzeigen
Ist für dich die Sichtweise, dass das Messproblem kein Problem ist, sondern im Gegenteil eine Offenbarung, eine der grössten Erkenntnisse der Physik überhaupt, ein Beispiel für ein Denkverbot?
Verstehe ich nicht.

Das Messproblem ist zunächst ein Problem, wie Theorie und Experiment zusammenpassen und wie wir dafür ein gemeinsames Verständnis entwickeln können. Eine positivistische Einstellung lautet, es gäbe kein Problem, weil Theorie und Experiment offenbar bzgl. der Daten zusammenpassen und weil jede weitere Diskussion nutzlos ist. Darüberhinaus kann und darf ich jedoch weitere Fragen stellen, z.B. möchte ich verstehen, wie ich ein quantenmechanisch konstruiertes Messgerät sowie die Messung vollständig und konsistent rein quantenmechanisch verstehen kann. Diese Fragestellung ist zunächst mal naheliegend, wird von der orthodoxen Quantenmechanik nicht beantwortet, und deswegen stellt das Messproblem tatsächlich ein zentrales Problem der Physik dar. Bohr et al. haben hier bzgl. des „und ...“ ein Denkverbot ausgesprochen, indem sie aufgrund einer positivistischen Grundeinstellung einen offensichtlich logischen Bruch als Scheinproblem ablehnten. Dem standen und stehen diverse Physiker wie Einstein, Schrödinger, de Broglie, Bohm, Everett, de Witt, Penrose, ... Zeh, Deutsch, Carroll, Saunders, ... zunehmend ablehnend gegenüber und haben alternative Erklärungen gesucht - beileibe nicht nur beschränkt auf Everett‘s Ideen sondern teilweise völlig unabhängig und anders geartet. Dass Bohr et al. sich dafür nicht interessierten ist nicht gleichbedeutend damit, dass kein physikalisches Problem existiert. Bohr war und ist nicht Vorsistzender der physikalischen Glaubenskongreation, hat nicht die alleinige Deutungshoheit was Physik ist und vertritt nicht Gott auf Erden - in physikalischen Fragen. Heute existiert eine in weiten Bereichen logisch abgeschlossene, rein quantenmechanische Erklärung, wie das Messproblem tatsächlich gelöst wird. Es ist legitim, sich nicht dafür zu interessieren, aber es ist anmaßend, zu glauben, man könne diese Lösungsansätze als unphysikalisch ablehnen. Das Messproblem ist ein essentielles Problem der modernen Physik, und gerade weil keine allgemein akzeptierte Lösung existiert, wäre es völliger Käse, es als Scheinproblem abzutun oder gar Denkverbote auszusprechen. Gerade an solchen „großen“ Probleme kann und wird sich ein Fachgebiet weiterentwickeln.

«Ich bin nicht damit zufrieden, daß man eine Maschinerie hat, die zwar zu prophezeien gestattet, der wir aber keinen klaren Sinn zu geben vermögen.»
(Einstein)

«Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job [interpreting quantum theory] was done 50 years ago.»
(Gell-Mann, 1969)
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Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.

Ge?ndert von TomS (26.08.18 um 15:57 Uhr)
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