Einzelnen Beitrag anzeigen
  #5  
Alt 16.04.15, 17:48
Benutzerbild von Bauhof
Bauhof Bauhof ist offline
Singularität
 
Registriert seit: 07.12.2008
Ort: Nürnberg
Beitr?ge: 2.105
Standard AW: Frontalangriff auf die wissenschaftliche Methode

Zitat:
Zitat von Joachim Beitrag anzeigen
Ich kann irgendwie nicht ganz nachvollziehen, was an dieser Debatte neu und spannend sein soll. Dass die Viele-Welten-Interpretation keine eigenständige Theorie ist, dass String-Theorien und Quantengravitation zum Teil in experimentell unzugänglichen Energiebereichen spielen, dass Multiversen nicht beobachtbar sind, ist doch alles hinreichend bekannt. Auch den Wissenschaftlern, die sich mit diesen Interpretationen, Theorien und Hypothesen beschäftigen.

Klar kann man fordern, dieses Gebiet nicht mehr zur Physik zu zählen. Aber wozu dann? Präphysik, weil sich daraus vielleicht einmal physikalische Theorien entwickeln werden?

Solange es Freiheit von Forschung und Lehre gibt und sich Professor/innen finden, die sich für diese Gebiete interessieren, wird auch auf ihnen gearbeitet werden.

Gruß,
Joachim
Hallo Joachim,

für Deutschland magst du mit deiner Einlassung recht haben. Aber für die USA ist das anders. Dort betrachtet die Mehrheit die Naturwissenschaft nur als eine weitere Form des Glaubens. Es gibt in den USA sogar eine Anti-Wissenschaftsbewegung. Daher ist es wichtig, dass die Naturwissenschaft unangreifbar bleibt. Das scheint mir die Motivation der Autoren George Ellis und Joe Silk gewesen zu sein.

Zu dieser Anti-Wissenschaftsbewegung in den USA schreibt Prof. Gerald Holton, Harvard University Cambridge, USA auf Seite 172 seines Buches [1] folgendes:

Zitat:
Ebenso unklar sind die Ursachen einer der Voraussetzungen für das Entstehen dieser falschen Ideen (der Anti-Wissenschaftsbewegung), nämlich des wissenschaftlichen Analphabetismus, der in den Vereinigten Staaten grassiert. Zu diesem Thema jedoch existiert umfangreiche Literatur, wir müssen hier nur auf einen Bericht des wissenschaftlichen Beraters des Präsidenten an den Kongress verweisen. Die wissenschaftliche Bildung der Öffentlichkeit in den Vereinigten Staaten hat heute ein Niveau erreicht, bei dem in einer Umfrage die Hälfte der befragten Erwachsenen nicht wusste, dass die Erde ein Jahr benötigt, um die Sonne zu umkreisen.

Wie wir aus anderen Untersuchungen wissen, können weniger als 7 Prozent der Erwachsenen in den USA nach einer äußerst großzügigen Definition als wissenschaftlich gebildet betrachtet werden, nur 13 Prozent verfügen zumindest über ein Minimum an Verständnis für wissenschaftliche Vorgänge, und 40 Prozent stimmen NICHT mit der Aussage überein "die Astrologie ist ganz und gar nicht wissenschaftlich".

Vor allem ist der Lehrberuf ein Beruf in der Krise. Für jeden neuen Lehrer in Mathematik und Naturwissenschaften verlieren wir heute dreizehn. Die Mindeststandards, die für die Kursvorbereitungen in den High Schools festgelegt wurden, können nur von einem Prozentsatz der Lehrer eingehalten werden: von 29 Prozent in Biologie, 31 Prozent in Chemie, 12 Prozent in Physik.

Bezeichnenderweise werden in nahezu 30 Prozent der High Schools in den USA Physikkurse nicht einmal angeboten, und nur 20 Prozent der Highschoolabsolventen haben irgendwelche Physikkurse besucht. In den jüngsten internationalen Wettbewerben in wissenschaftlichen Fächern im Vergleich mit Studenten 12 anderer Länder, haben die amerikanischen Highschoolstudenten den 9. Platz in Physik, den 11. Platz in Chemie und den letzten Platz in Biologie erreicht.

In Mathematik waren die besten 13 Prozent im Vergleich so gut wie die schlechtesten 25 Prozent der anderen Länder.

[...]

Etwa ein Drittel der amerikanischen Erwachsenen, ein großer Teil unter ihnen gehört evangelischen Sekten an, gibt heute an, ein "wiedergeborener" Gläubiger zu sein; Mehr als die Hälfte glaubt an die Möglichkeit, daß durch Gebet täglich Wunder geschehen können; 60 Prozent sagen, daß sie an die Existenz der Hölle für die ewig Verdammten glauben. Und die finanzielle Unterstützung, die jährlich in Form von privaten Spenden an religiöse Organisationen geleistet wird, beläuft sich derzeit auf weit über 75 Milliarden US-Dollar.
M.f.G. Eugen Bauhof

[1] Holton, Gerald
Wissenschaft und Anti-Wissenschaft.
Wien 2000, ISBN=3-211-83245-9

Originalausgabe:
"Science and Anti-Science"
Published by Harvard University Press 1993
__________________
Ach der Einstein, der schwänzte immer die Vorlesungen –
ihm hatte ich das gar nicht zugetraut!

Hermann Minkowski
Mit Zitat antworten